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Morgenausgabe

Nr. 433

A 220

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Bf., monatlich 8,60 2. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschl. Bestellgelb, Auslandsabonne ment 6,- m. pro Monat,

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Der Borwärts" erscheint wochentag Kich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Voll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen. Stimme". Techni?"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts*

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Donnerstag 13. September 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die eta paltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile- Reichs. mart. Aleine Anzeigen das ettge. brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Worte. Beile 50 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden  . Straße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Gozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Bernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

Verhandlungswille in Paris  .

Kein Wort mehr gegen die Räumungsverhandlungen.

Paris  , 12. September.  ( Eigenbericht.)

Die Rede Briands, die einen gefährlichen Wendepunkt in der Annäherungspolitik darzustellen schien, hat die gesamte französische  Deffentlichkeit vor die überraschende Alternative gestellt, ob die Politik der Verständigung fortgesetzt oder aufgegeben werden soll. Ohne Zögern hat man sich für die Fortsetzung der Locarno   Politik entschieden. So erklärt am Mittwoch selbst der Temps", daß man sich bemühen müsse, die Atmosphäre

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gegenseitigen Vertrauens wiederherzustellen, zu­Anal niemand wünschen könne, eine an sich schon sehr delikate Situation noch weiter zu erschweren. Abgesehen davon wird am

Mittwoch in fast allen Blättern festgestellt, wie überrascht Briand   über den Eindruck seiner Rede in Deutschland   gewesen ist.

Ueberall bemüht man sich deshalb, Frankreichs   gute Absichten zu Abetonen, und wenn man früher erklärt hat, Briands Rede sei not­mendig gewejen, weil sich Frankreich   in Genf   nicht in die Rolle des Angeklagten versehen lassen tönute, so scheinen icht die eifrigen Rechtfertigungs und Beschönigungsartikel der Pariser   nichts anderes zu beweisen, als daß es Briand   war, der sein Land in

den Auflage zu st and versetzte, der es in den Geruch brachte, plöglich, nach drei Jahren mühsamer Verhandlungen, von der

Locarno  - Politif abspringen zu wollen. Diefer stimmungsmäßige Untergrund erklärt es auch, daß am Mittwoch mit Ausnahme der

unentwegten Deutschenfresser

fein einziges Blatt auch nur das leiseste Wort der Kritif gegen die nun tatsächlich offiziell eröffneten Verhandlungen um die Räumung des Rheinlands zu schreiben wagt.

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Die Diskussion um die Gegenleistungen bewegt sich aus= schließlich auf finanziellem Gebiet. Dabei wird an­erfannt, daß es dem Geschick des ungeschickten" Kanzlers mie fich der Intranfigeant" ausdrückt gelungen ist, die Berhand­lungen über die Räumung und über die Reparationsfrage nicht mit­einander verquiden, sondern nur parallel" führen zu lassen: Wenn also auch nach alter Gewohnheit die Pariser Presse an den Ausdrücken, Gegenleistungen und Kompensationen" festhält, so ist doch nach ihrem eigenen Zugeständnis eine reinliche Schei dung zwischen Räumung und Reparation erreicht. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der Rede Briands: Briand   hat in die Diskussion eine Schärfe und Rücksichtslosigkeit hineingetragen, die, vom Reichskanzler Müller   zur Berteidigung der deutschen   These angewandt, augenscheinlich einen größeren Eindruck in der Mittwoch- Konferenz gemacht hat, als es die bisher übliche diplomatische Borsicht vermocht hätte.

Eine Ratssigung mit Hinderniffen.

Genf  , 12. September.

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Die Räumung.

Deutschlands   sittliches Recht- Frankreichs europäische Pflicht In Genf   haben Besprechungen über die Zurückziehung der fremden Truppen aus dem Rheinland   begonnen. Nach­dem der deutsche   Reichskanzler den Chefs der französischen, nationalen Verbandes der katholischen Frauenligen um Sulaffung englischen und belgischen Delegation erst einzeln den deutschen  von Vertretern in den Bölkerbundsausschüssen für Kinderschutz und Anspruch auf Räumung vorgetragen hatte, hat man sich am für Frauen- und Kinderhandel behandelt. Infolge des von Lord   Dienstag gemeinsam zusammengesetzt, um die Ansichten aus­Cushendun ausgesprochenen englischen Widerstandes wurde die Ent- zutauschen. Die Verhandlungen sind in der ersten Be­fheidung zunächst vertagt.

Der weitere Berlauf der Sitzung gestaltete sich nicht ohne Schwierigkeiten. Als der Bericht über die armenischen und russischen dieser Frage gel. dene Direktor des Internationalen Arbeitsamts Flüchtlinge entgegengenommen werden sollte, fehlte der zu Albert Thomas  , der erst nach längerem Suchen erschien. Der Bericht wurde ohne Aussprache erledigt. Weiter sollte sodann der Bericht über die bulgarische Flüchtlingsfürsorge und der Bericht über die bulgarische Stabilisierungsanleihe vom Rat gehört werden. Auch der hierzu geladene bulgarische Finanzminister Moloff war nicht aufzufinden, obwohl er von Sekretären eine Viertelstunde lang gesucht wurde. Im Saal machte sich teils Unruhe, teils Heiterfeit bemerkbar. Die beiden Fragen wurden schließlich auf die nächste Sigung verschoben.

Zur Beratung stand sodann der Bericht über die litauisch- pol­feststellen, daß auch der hierzu eingeladene litauische Vertreter nicht nische Frage. Unter allgemeiner Heiterkeit mußte der Präsident im Saale   anwesend war. Wiederum wurden Sekretäre nach allen Richtungen ausgefandt. Wiederum war ihr Suchen vergeblich. Der Präsident beschloß schließlich, diese Frage in Abwesenheit des

litauischen Vertreters zu verhandeln. Es wurde jedoch lediglich eine formale Frage erledigt, indem zum Berichterstatter an Stelle des ausgefchiedenen holländischen Außenministers der spanische Botschafter Quinones de Leon einstimmig gewählt wurde. Er wurde vom Präsidenten aufgefordert, auf der nächsten Ratstagung einen Bericht über die polnisch- litauischen Verhandlungen vorzulegen. Die Sitzung, wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Rückfehr des Kanglers am Freitag.

Genf  , 12. September.

Mittwochvormittag fand eine längere Unterredung zwischen Briand   und Lord Cushendun   statt. Briand  wird am Donnerstag um 13 1hr nach Paris   zurück­fahren. Ob und wann er nach Genf   zurückkehrt, steht noch nicht fest. Reichsfanzler Miller wird Ende dieser Woche, voraussichtlich am Freitag oder Sonnabend, nach Berlin   zurückkehren.

Baleffi bei Müller.

Genf  , 12. September.

In einer Unterredung, die heute vormittag zwischen Reichs­fanzler Müller und dem polnischen Außenminister 3alesti statt fand, wurden die zwischen Deutschland   und Polen   zu regelnden Die 52. Tagung des Bölferbindsrats wurde am Mittwochnach- Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Wiederaufnahme der mittag eröffnet. Den Borfiz führt wiederum der finnländische Außenminister Procope  . Am Ratstisch nahmen auch die Vertreter der drei neugewählten Ratsmitglieder Platz: Spanien  , Per­ sien   und Venezuela  . Zunächst wurde ein Antrag des inter­

Mächtedrohung gegen China  .

Aber nur mit einer Erflärung.

deutsch  - polnischen Handelsvertragsverhandlungen, erörtert. Es tam auf beiden Seiten der Wille und die Hoffnung zum Ausdruck, daß alle noch schwebenden Fragen möglichst bald eine befriedigende Lösung finden mögen.

der Handelsbeziehungen mit Rußland   und die Bewilligung von Krediten an dieses Land gefordert wurde.

Der König gegen den Heiligen.

Amanullah   locht ihn ein.

Tokio  , 12. September. Angesichts der beharrlichen Weigerung der nationalen Regierung, die Salzsteuerverwaltung wieder in ihre Rechte einzusehen, sind die beteiligten ausländischen Kabul  , 12. September. Mächte am 10. September zusammengetreten und haben Zu einer großen Sensation in Afghanistan   hat sich die Ver­offiziell angekündigt, daß von den diplomatischen Verhaftung des muselmanischen Heiligen Hazrat Sahib ge­tretern Japans  , Frankreichs   und Englands demnächst staltet. Der Verhaftete ist mit seinen Anhängern auf Befehl des eine öffentliche Erklärung abgegeben werden Königs Amanullah festgenommen worden, weil er sich mit den neuen würde, wenn nicht sofort Maßnahmen zur Wiederher Reformbestrebungen des Staates nicht einverstanden erflärte. Unter stellung der Salzsteuerverwaltung getroffen würden. Truppenbegleitung wurde die Gesellschaft nach Kabul   transportiert.

China  - Sowjetunion  .

15 Botschaftsbeamte in Pefing entlassen. Pefing, 12. September.

Die 15 Mitglieder der Sowjetbotschaft, die nach einer Haus­fuchung im Botschaftsgebäude festgenommen und seitdem in Haft gehalten wurden, sind gegen Raution auf freien Fuß gesetzt

worden.

Kanada   gegen Sowjetunion  . Arbeiterpartei lehnt Wiederaufnahme der Beziehungen ab.

Toranto, 12. September. Der Kongreß der tanadischen Arbeiterpartei hat mit großer Behrheit einen Antrag abgelebat, worin die Wiederaufnahme

Halbmilliarde Wahlwetten.

14: 5 für Hoover in Wallstreet  .

New York  , 12. September. In der Wallstreet   werden gegenwärtig umfangreiche Wetten über den mutmaßlichen Ausgang der Präsiden­Die weitaus größte Zahl der tenwahl angemeldet. Wetten wird zugunsten Hoovers abgeschlossen, zu­weilen mit 21: 2, meist aber mit 14: 5. Man schäßt, dah bis Ende der Kampagne in der Wallstreet der Be trag der Wetten 157 Millionen Dollar betragen wird. Es wird dabei darauf hingewiesen, daß die New- Yorker Börse   in ihren Voraussetzungen seit 1888 sich nur ein einziges Mal getäuscht hat, nämlich im Jahre 1916, als sie voraussagte, daß Präsident Wilson nicht wieder gewählt werden würde.

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fprechung noch zu keinem Abschluß gekommen, sie werden am heutigen Donnerstag fortgesetzt. Der Friedensvertrag von Bersailles sah und sieht zehn- und fünfzehnjährigen Fristen sofort zurückgezogen Artikel 431 vor, daß die Besaßung vor Ablauf der fünf-, werden soll, wenn Deutschland   die Vertragsbestimmungen erfüllt. Abgesehen von der Zurückziehung der deutschen  Truppen aus den baltischen Provinzen und Litauen  , stellte 1919 die Rheinlandbesazung die einzige Bürgschaft für die Durchführung" des Friedensvertrages dar. Die alliier en Regierungen begründeten sie im Ultimatum vom 16. Juni 1919 mit den Worten Wilsons vom 27. September 1918: Der Grund, warum es Bürgschaften für die Durchführung. des Friedens geben muß, ist der, daß es Bertragsparteien des Friedens gibt, deren Versprechungen fich als unglaub­gischen Neutralität durch das militaristische Deutschland   und mürdig erwiesen." Im Hinblick auf den Bruch der bel die Verlegung von Völkerrechtsfähen durch die kaiserliche Regierung wurde auch nach dem Waffenstillstand die B fetzung aufrechterhalten. Das Rheinland jollie eine halbe Ge­neration lang bejezt gehalten werden, weil die Alliierten dem neuen Deutschland   noch nicht trauten. Demgegenüber hatte die deutsche Delegation, geführt von dem eben verstorbenen Grafen Brockdorff- Rangau, am 29. Mai 1919 vorgeschlagen, die auf Grund der Waffenstillstandsverträge besetzten Ge­biete sechs Monate nach der Unterzeichnung des Ver­trages zu räumen". Damals erklärte sie:

,, Nur unvollkommen hat sich die übrige Welt bisher von der großen Wandlung Rechenschaft zu geben vermocht, die im deutschen   Staatsleben vor sich gegangen ist. Durch den Willen seines Volkes ist Deutschland zur Demokratie und zur Re­publik geworden; die Rückkehr zu Verfassungszuständen, unter denen der Wille des deutschen   Volkes mißachtet werden könne, ist ausgeschlossen. Das neue Deutschland   bedarf der vertrauens­vollen Unterstützung durch seine Nachbarn; es ist überzeugt, dieses

Vertrauen zu verdienen."

Schon vor neun Jahren hat die deutsche Republik   den Alliierten das sittliche Recht auf militaristische Gewaltmaß­nahmen zur Sicherung des Friedensvertrages bestritten. Sie fonnte damals noch vor der Verfassung von Weimar erst wenig Beweise dafür vorlegen, daß die Umwandlung der mit Mißtrauen betrachteten Monarchie in eine vertragstreue Demokratie dauernd sein würde. Diesen Beweis haben die vergangenen Jahre erbracht.

Die demokratische Republik hat sich in harten Kämpfen gegen Bolschewismus und Faschismus behauptet. Sie hat beide niedergekämpft und damit zum zweitenmal die Demo­fratie vor dem Rückfall in barbarische Staatsformen bewahrt. Sie hat mit dem Monarchismus in Deutschland   gründlicher aufgeräumt als die französischen   Republikaner   nach dem Zu­sammenbruch Napoleons   es in dem gleichen Zeitraum fun fonnten. Die Demokratie ist in Preußen, d. h. in zwei Dritteln des Reiches, stets am Steuer geblieben, im Reich hat sie sich die politische Macht wiedererobert; das alles ist geschehen, obschon die Militaristen, die Nationalisten und die Reaktionäre aller Länder ihr mögliches getan haben, um den Aufstieg des republikanischen Deutschland   zu verhindern. In neun harten Jahren hat die Republik   bewiesen, daß sie stabil und damit ein zuverlässiger Vertragspartner ist.

All­

Die deutsche Republit hat auch ihre Vertragstreue bewiesen. Die Abrüstung ist im Rahmen des Bertrages durchgeführt worden; es ist zwei Jahre her, daß die Alliierten dies anerkannt haben. Die Bestimmungen über die ent­militarisierte Zone wurden so genau beachtet, daß sie seit langem zu feinen Beanstandungen geführt haben. gemein ist die Pünktlichkeit anerkannt, mit der seit vier Jahren die Reparationszahlungen geleistet werden. Go selbstverständlich ist Deutschlands   Bertragstreue geworden, daß man fast vergessen hat, daß die Reparationsvereinbarun­gen selbst finanzielle und wirtschaftliche Sicherungen über den Friedensvertrag hinaus gebracht haben. Die gesicherte Republik, der Dawes- Plan   und die Reparationserfüllung durch Deutschland   stellen Bürgschaften für die Durchführung des Vertrages dar, die die Bürgschaft der Rheinlandbefazung an Bert weit übertreffen.

Aber Deutschland   erfüllt nicht nur den Vertrag von Bersailles, es hat sich darüber hinaus in den Dienst des Friedens gestellt. Reichskanzler Hermann Müller   hat schon vor seiner Reise nach Genf   die frei übernommenen Verpflich­tungen Deutschlands  tungen Deutschlands   für den Frieden aufgezählt: die obligatorischen Schiedsverträge mit allen Nachbarstaaten, die Anerkennung der allgemeinen obligatorischen Schiedsgerichts­barkeit Deutschland   ist der einzige Großstaat, der die

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