Morgenausgabe
Nr. 433
A 220
45.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentag Kich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Voll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen. Stimme".„ Techni?"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts*
Donnerstag 13. September 1928
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Paris , 12. September. ( Eigenbericht.)
Die Rede Briands, die einen gefährlichen Wendepunkt in der Annäherungspolitik darzustellen schien, hat die gesamte französische Deffentlichkeit vor die überraschende Alternative gestellt, ob die Politik der Verständigung fortgesetzt oder aufgegeben werden soll. Ohne Zögern hat man sich für die Fortsetzung der Locarno Politik entschieden. So erklärt am Mittwoch selbst der„ Temps", daß man sich bemühen müsse, die Atmosphäre
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gegenseitigen Vertrauens wiederherzustellen, zuAnal niemand wünschen könne, eine an sich schon sehr delikate Situation noch weiter zu erschweren. Abgesehen davon wird am
Mittwoch in fast allen Blättern festgestellt, wie überrascht Briand über den Eindruck seiner Rede in Deutschland gewesen ist.
Ueberall bemüht man sich deshalb, Frankreichs gute Absichten zu Abetonen, und wenn man früher erklärt hat, Briands Rede sei notmendig gewejen, weil sich Frankreich in Genf nicht in die Rolle des Angeklagten versehen lassen tönute, so scheinen icht die eifrigen Rechtfertigungs und Beschönigungsartikel der Pariser nichts anderes zu beweisen, als daß es Briand war, der sein Land in
den Auflage zu st and versetzte, der es in den Geruch brachte, plöglich, nach drei Jahren mühsamer Verhandlungen, von der
Locarno - Politif abspringen zu wollen. Diefer stimmungsmäßige Untergrund erklärt es auch, daß am Mittwoch mit Ausnahme der
unentwegten Deutschenfresser
fein einziges Blatt auch nur das leiseste Wort der Kritif gegen die nun tatsächlich offiziell eröffneten Verhandlungen um die Räumung des Rheinlands zu schreiben wagt.
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Die Diskussion um die Gegenleistungen bewegt sich aus= schließlich auf finanziellem Gebiet. Dabei wird anerfannt, daß es dem Geschick des ungeschickten" Kanzlers mie fich der Intranfigeant" ausdrückt gelungen ist, die Berhandlungen über die Räumung und über die Reparationsfrage nicht miteinander verquiden, sondern nur parallel" führen zu lassen: Wenn also auch nach alter Gewohnheit die Pariser Presse an den Ausdrücken,„ Gegenleistungen“ und„ Kompensationen" festhält, so ist doch nach ihrem eigenen Zugeständnis eine reinliche Schei dung zwischen Räumung und Reparation erreicht. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der Rede Briands: Briand hat in die Diskussion eine Schärfe und Rücksichtslosigkeit hineingetragen, die, vom Reichskanzler Müller zur Berteidigung der deutschen These angewandt, augenscheinlich einen größeren Eindruck in der Mittwoch- Konferenz gemacht hat, als es die bisher übliche diplomatische Borsicht vermocht hätte.
Eine Ratssigung mit Hinderniffen.
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Die Räumung.
Deutschlands sittliches Recht- Frankreichs europäische Pflicht In Genf haben Besprechungen über die Zurückziehung der fremden Truppen aus dem Rheinland begonnen. Nachdem der deutsche Reichskanzler den Chefs der französischen, nationalen Verbandes der katholischen Frauenligen um Sulaffung englischen und belgischen Delegation erst einzeln den deutschen von Vertretern in den Bölkerbundsausschüssen für Kinderschutz und Anspruch auf Räumung vorgetragen hatte, hat man sich am für Frauen- und Kinderhandel behandelt. Infolge des von Lord Dienstag gemeinsam zusammengesetzt, um die Ansichten ausCushendun ausgesprochenen englischen Widerstandes wurde die Ent- zutauschen. Die Verhandlungen sind in der ersten Befheidung zunächst vertagt.
Der weitere Berlauf der Sitzung gestaltete sich nicht ohne Schwierigkeiten. Als der Bericht über die armenischen und russischen dieser Frage gel. dene Direktor des Internationalen Arbeitsamts Flüchtlinge entgegengenommen werden sollte, fehlte der zu Albert Thomas , der erst nach längerem Suchen erschien. Der Bericht wurde ohne Aussprache erledigt. Weiter sollte sodann der Bericht über die bulgarische Flüchtlingsfürsorge und der Bericht über die bulgarische Stabilisierungsanleihe vom Rat gehört werden. Auch der hierzu geladene bulgarische Finanzminister Moloff war nicht aufzufinden, obwohl er von Sekretären eine Viertelstunde lang gesucht wurde. Im Saal machte sich teils Unruhe, teils Heiterfeit bemerkbar. Die beiden Fragen wurden schließlich auf die nächste Sigung verschoben.
Zur Beratung stand sodann der Bericht über die litauisch- polfeststellen, daß auch der hierzu eingeladene litauische Vertreter nicht nische Frage. Unter allgemeiner Heiterkeit mußte der Präsident im Saale anwesend war. Wiederum wurden Sekretäre nach allen Richtungen ausgefandt. Wiederum war ihr Suchen vergeblich. Der Präsident beschloß schließlich, diese Frage in Abwesenheit des
litauischen Vertreters zu verhandeln. Es wurde jedoch lediglich eine formale Frage erledigt, indem zum Berichterstatter an Stelle des ausgefchiedenen holländischen Außenministers der spanische Botschafter Quinones de Leon einstimmig gewählt wurde. Er wurde vom Präsidenten aufgefordert, auf der nächsten Ratstagung einen Bericht über die polnisch- litauischen Verhandlungen vorzulegen. Die Sitzung, wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Mittwochvormittag fand eine längere Unterredung zwischen Briand und Lord Cushendun statt. Briand wird am Donnerstag um 13 1hr nach Paris zurückfahren. Ob und wann er nach Genf zurückkehrt, steht noch nicht fest. Reichsfanzler Miller wird Ende dieser Woche, voraussichtlich am Freitag oder Sonnabend, nach Berlin zurückkehren.
Baleffi bei Müller.
In einer Unterredung, die heute vormittag zwischen Reichsfanzler Müller und dem polnischen Außenminister 3alesti statt fand, wurden die zwischen Deutschland und Polen zu regelnden Die 52. Tagung des Bölferbindsrats wurde am Mittwochnach- Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Wiederaufnahme der mittag eröffnet. Den Borfiz führt wiederum der finnländische Außenminister Procope . Am Ratstisch nahmen auch die Vertreter der drei neugewählten Ratsmitglieder Platz: Spanien , Per sien und Venezuela . Zunächst wurde ein Antrag des inter
deutsch - polnischen Handelsvertragsverhandlungen, erörtert. Es tam auf beiden Seiten der Wille und die Hoffnung zum Ausdruck, daß alle noch schwebenden Fragen möglichst bald eine befriedigende Lösung finden mögen.
der Handelsbeziehungen mit Rußland und die Bewilligung von Krediten an dieses Land gefordert wurde.
Der König gegen den Heiligen.
Tokio , 12. September. Angesichts der beharrlichen Weigerung der nationalen Regierung, die Salzsteuerverwaltung wieder in ihre Rechte einzusehen, sind die beteiligten ausländischen Kabul , 12. September. Mächte am 10. September zusammengetreten und haben Zu einer großen Sensation in Afghanistan hat sich die Veroffiziell angekündigt, daß von den diplomatischen Verhaftung des muselmanischen Heiligen Hazrat Sahib getretern Japans , Frankreichs und Englands demnächst staltet. Der Verhaftete ist mit seinen Anhängern auf Befehl des eine öffentliche Erklärung abgegeben werden Königs Amanullah festgenommen worden, weil er sich mit den neuen würde, wenn nicht sofort Maßnahmen zur Wiederher Reformbestrebungen des Staates nicht einverstanden erflärte. Unter stellung der Salzsteuerverwaltung getroffen würden. Truppenbegleitung wurde die Gesellschaft nach Kabul transportiert.
15 Botschaftsbeamte in Pefing entlassen. Pefing, 12. September.
Die 15 Mitglieder der Sowjetbotschaft, die nach einer Hausfuchung im Botschaftsgebäude festgenommen und seitdem in Haft gehalten wurden, sind gegen Raution auf freien Fuß gesetzt
worden.
Kanada gegen Sowjetunion . Arbeiterpartei lehnt Wiederaufnahme der Beziehungen ab.
Toranto, 12. September. Der Kongreß der tanadischen Arbeiterpartei hat mit großer Behrheit einen Antrag abgelebat, worin die Wiederaufnahme
Halbmilliarde Wahlwetten.
14: 5 für Hoover in Wallstreet .
New York , 12. September. In der Wallstreet werden gegenwärtig umfangreiche Wetten über den mutmaßlichen Ausgang der PräsidenDie weitaus größte Zahl der tenwahl angemeldet. Wetten wird zugunsten Hoovers abgeschlossen, zuweilen mit 21: 2, meist aber mit 14: 5. Man schäßt, dah bis Ende der Kampagne in der Wallstreet der Be trag der Wetten 157 Millionen Dollar betragen wird. Es wird dabei darauf hingewiesen, daß die New- Yorker Börse in ihren Voraussetzungen seit 1888 sich nur ein einziges Mal getäuscht hat, nämlich im Jahre 1916, als sie voraussagte, daß Präsident Wilson nicht wieder gewählt werden würde.
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fprechung noch zu keinem Abschluß gekommen, sie werden am heutigen Donnerstag fortgesetzt. Der Friedensvertrag von Bersailles sah und sieht zehn- und fünfzehnjährigen Fristen sofort zurückgezogen Artikel 431 vor, daß die Besaßung vor Ablauf der fünf-, werden soll, wenn Deutschland die Vertragsbestimmungen erfüllt. Abgesehen von der Zurückziehung der deutschen Truppen aus den baltischen Provinzen und Litauen , stellte 1919 die Rheinlandbesazung die einzige Bürgschaft für die Durchführung" des Friedensvertrages dar. Die alliier en Regierungen begründeten sie im Ultimatum vom 16. Juni 1919 mit den Worten Wilsons vom 27. September 1918: Der Grund, warum es Bürgschaften für die Durchführung. des Friedens geben muß, ist der, daß es Bertragsparteien des Friedens gibt, deren Versprechungen fich als unglaubgischen Neutralität durch das militaristische Deutschland und mürdig erwiesen." Im Hinblick auf den Bruch der bel die Verlegung von Völkerrechtsfähen durch die kaiserliche Regierung wurde auch nach dem Waffenstillstand die B fetzung aufrechterhalten. Das Rheinland jollie eine halbe Generation lang bejezt gehalten werden, weil die Alliierten dem neuen Deutschland noch nicht trauten. Demgegenüber hatte die deutsche Delegation, geführt von dem eben verstorbenen Grafen Brockdorff- Rangau, am 29. Mai 1919 vorgeschlagen, die auf Grund der Waffenstillstandsverträge besetzten Gebiete sechs Monate nach der Unterzeichnung des Vertrages zu räumen". Damals erklärte sie:
,, Nur unvollkommen hat sich die übrige Welt bisher von der großen Wandlung Rechenschaft zu geben vermocht, die im deutschen Staatsleben vor sich gegangen ist. Durch den Willen seines Volkes ist Deutschland zur Demokratie und zur Republik geworden; die Rückkehr zu Verfassungszuständen, unter denen der Wille des deutschen Volkes mißachtet werden könne, ist ausgeschlossen. Das neue Deutschland bedarf der vertrauensvollen Unterstützung durch seine Nachbarn; es ist überzeugt, dieses
Vertrauen zu verdienen."
Schon vor neun Jahren hat die deutsche Republik den Alliierten das sittliche Recht auf militaristische Gewaltmaßnahmen zur Sicherung des Friedensvertrages bestritten. Sie fonnte damals noch vor der Verfassung von Weimar erst wenig Beweise dafür vorlegen, daß die Umwandlung der mit Mißtrauen betrachteten Monarchie in eine vertragstreue Demokratie dauernd sein würde. Diesen Beweis haben die vergangenen Jahre erbracht.
Die demokratische Republik hat sich in harten Kämpfen gegen Bolschewismus und Faschismus behauptet. Sie hat beide niedergekämpft und damit zum zweitenmal die Demofratie vor dem Rückfall in barbarische Staatsformen bewahrt. Sie hat mit dem Monarchismus in Deutschland gründlicher aufgeräumt als die französischen Republikaner nach dem Zusammenbruch Napoleons es in dem gleichen Zeitraum fun fonnten. Die Demokratie ist in Preußen, d. h. in zwei Dritteln des Reiches, stets am Steuer geblieben, im Reich hat sie sich die politische Macht wiedererobert; das alles ist geschehen, obschon die Militaristen, die Nationalisten und die Reaktionäre aller Länder ihr mögliches getan haben, um den Aufstieg des republikanischen Deutschland zu verhindern. In neun harten Jahren hat die Republik bewiesen, daß sie stabil und damit ein zuverlässiger Vertragspartner ist.
All
Die deutsche Republit hat auch ihre Vertragstreue bewiesen. Die Abrüstung ist im Rahmen des Bertrages durchgeführt worden; es ist zwei Jahre her, daß die Alliierten dies anerkannt haben. Die Bestimmungen über die entmilitarisierte Zone wurden so genau beachtet, daß sie seit langem zu feinen Beanstandungen geführt haben. gemein ist die Pünktlichkeit anerkannt, mit der seit vier Jahren die Reparationszahlungen geleistet werden. Go selbstverständlich ist Deutschlands Bertragstreue geworden, daß man fast vergessen hat, daß die Reparationsvereinbarungen selbst finanzielle und wirtschaftliche Sicherungen über den Friedensvertrag hinaus gebracht haben. Die gesicherte Republik, der Dawes- Plan und die Reparationserfüllung durch Deutschland stellen Bürgschaften für die Durchführung des Vertrages dar, die die Bürgschaft der Rheinlandbefazung an Bert weit übertreffen.
Aber Deutschland erfüllt nicht nur den Vertrag von Bersailles, es hat sich darüber hinaus in den Dienst des Friedens gestellt. Reichskanzler Hermann Müller hat schon vor seiner Reise nach Genf die frei übernommenen Verpflichtungen Deutschlands tungen Deutschlands für den Frieden aufgezählt: die obligatorischen Schiedsverträge mit allen Nachbarstaaten, die Anerkennung der allgemeinen obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit Deutschland ist der einzige Großstaat, der die
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