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Morgenausgabe

Nr. 441 A 224

45.Iahrgang

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D«r.Vorwärts" erscheint wochentäg­lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel.Der Abend". Illustrierte Beilagen.Dolk und Zeit" und.Ainderfreund". Ferner .Unterhaltung und Wissen",.Frauen- stimme"..Technik"..Blick in die Bücherwelt" und.Iugend-Dorworts"

ZZerlwer VsKsbia«

Dienstag �8. September 1928 Groß-Äerlin pf. Auswärts 15 pf.

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Soziale Reaktion in Genf . Englisch -norwegischer Vorstoß gegen das Arbeitsami.

G e u f. 17. September. (Eigenbericht.) TM» kostbare Zeit der Vudgetkommission des Völkerbundes wurde am kpontag durch eine vollkommen sinnlose Fortsetzung des eng- lisch-norwegischco Angriffs gegen den Etat de» Internationalen Arbeilsamtes gestohlen. Es stand von vornherein nach der allgemeinen Debatte am Sonnabend fest, daß die beantragten Streichungen keine Mehrheit finden würde«. Trohdem griffen der englische, der indische und der nor­wegische Vertreter das Arbeitsamt als solche» und Thomas wiederum sehr persönlich an um zum Schluß, als über die von ihnen bean­tragten Streichungen abgestimmt wurde, sich der Stimme zu ent­halten. Im Auftrage der deutschen Regierung erklärte der Zentrums­abgeordnete K a a s. daß Deutschtand die Arbeit des Internationalen Arbeitsamtes mit großer Sympathie verfolge. Es gelle nicht, um jeden preis zu sparen, sondern für die bewilligten kosten das veste herauszuholen. Deutschland habe zu dem Verwaltungsrat des Inter­nationalen Arbeitsamtes das vertrauen, daß der von ihm aufgestellte Etat den vcdürfnisten des Internationalen Arbeits­amtes entspreche und werde infolgedessen gegen die Reduktion stimmen, polen . Tschechien , Frankreich und andere Länder wandten sich ebenfalls gegen England. llngeklörl blieb naturgemäß die Frage, wie weit überhaupt die Vudgelkommissioa das Recht habe. Elnzelpostcn des Etats des Ar­beilsamte». die vom Verwaltungsrot bewilligt sind, zu streichen. Paris über den deutschen Erfolg in Genf . Paris , 17. September. (Eigenbericht.) DerFntransigeant* glaubt im Anschluß an die Genfer Einigung mitteilen zu können, daß die Sachverständigenkommission, die die Revision der Reparationssragen und die Festsetzung der Gcsamthöhe der deutschen Verpflichtungen zu regeln hat, schon sehr bald ihre Arbeiten in Paris aufnehmen werde. Gleichzeitig damit würde eineboldige Räumung" der zweiten Rheinlandzone verfügt werden. Im übrigen gibt die Pariser Press« ihrer Verwunderung über die Ausregung Ausdruck, die die Genfer Beschlüsse in bestimmten deutschen Kreisen hervorgerufen haben. Vor allem will man es in Paris nicht verstehen, warum man dem Reichskanzler über seine Haltung in Gens sozusagen Vorwürfe mache. Selbst derTemps", der doch sicherlich einer übertriebenen Deutschfreundlichkeit nicht beschuldigt werden kann, erklärt, man müsse zugeben, daß Deutsch- land insosern«inen großen Erfolg erreicht habe, als nun

die Verhandlungen über die Rheinlandräumung offiziell erösfnet seien. Um sich über die Genfer Resultate klar zu werden, brauche man sich nur zu überlegen, von wo man ausgegangen und wohin man gelangt sei. Sicherlich habe der Reichs- kanzler die sofortige bedingungslose Räumung nicht erreicht, aber das sei auch gar nicht möglich und denkbar gewesen. Aber er kehre nach Berlin zurück mit dem formellen versprechen nahe bevorstehen­der Verhandinngen. Das sei doch sicher ein großer persönlicher Erfolg, der seine Stellung in Deutschland unbedingt stärken müsse. Die Genfer Verhandlungen hätten Deutschland nicht nur kein« Enttäuschung, sondern sogar die moralische Genugtuung gebracht, die es schon lange vergeblich angestrebt habe, daß nun die Räumung wirklich offiziell behandelt werde. Natürlich habe Deutschland zugestehen müssen, daß man zugleich auch die Reparations- und die Sicherheitsfrag« behandeln würde, aber der Beginn dieser Verhandlungen sei noch so unsicher, daß man ihren Ausgong nicht abschen könne. Irgendwelche Bedingun- gen seien jedenfalls nicht übernommen worden. Dabei läßt derTemps" deutlich durchblicken, daß Frankreich nun auch endgültig daraus verzichtet habe, das Problem der inter - alliierten Schulden mit der Räumung zu verknüpfen und dies« gegen eventuelle Zugeständnisse bei Amerika und England einzuhandeln. Beide Parteien können also zufrieden sein, erklärt man hier in Paris , denn Deutschland habe die Räumungsverhandlungen, Frankreich die Reparotionsoerhandlungen erreicht, und dabei hätten beide Parteien noch immer vollkommen freie Hand, um bei un- günstigem Verlauf der kommenden Verhandlungen zurückzutreten. Vergleichskommifsion auf Seiden Grenzen. Genf , den 17. September. Ein Genfer Morgenblatt erklärt heute, auch der Jurist der deutschen Delegation habe die juristische These, die vom Reichskanzler abgelehnt worden sei, unterstützt, nach der die Befugnisse der Ver- gleichs- und Feststellungskommission im Rheinland solange andauern mühlen, als die allgemeinen Garantien für die deutsch -sran- zösischen Grenzen gelten. Hierzu kann von deutscher Seite mit allem Nachdruck darauf hin- gewiesen werden, daß die ganze deutsche Abordnung in den Genfer Besprechungen der sechs Mächte stets den von der deutschen Re- gierung eingenommenen Standpunkt vertreten hat. Weiter kann darauf hingewiesen werden, daß die Schassung einer Vergleichs- und Feststellungskommission im Rheinland in Ausbau des Artikels 4 des Locarnopaktes notwendigerweise eine beiderseitige Kontrolle der Rheinlandzone auf deutscher und auf französischer Seite erforderlich macht. Auch muß ein Vertreter Deutsch- l a n d s der Vergleichskommifsion angehören, da der Locnrnovertrag ausschließlich paritätische Verhandlungen aller Fragen vorsieht.

Der Wahltampf in Schweden . Vorläufiges Ergebnis:-100000 sozialistischer Stimmen gewinn jestoch Manbatsverlust. M a l m ö, 17. September. Bo« de« Wahlen zur 2. Kammer liegt bisher ein vorlaufiges Endergebnis auei 27 von 28 Wahlkreisen vor. I« dem letzten noch ausstehenden Wahlkreis Stock- Holm wird am Freitag gewählt werden. Nach diesem vorläufigen Endergebnis haben die Konservativen 372 359 tgegen 386 293 im Jahre 1924), der Bauern- bund 237 683(183 286), die Liberalen 49 474(32 177), die Radikale« 283 428(218 362), die Sozialdemo. kraten 761346(631343) und die Kommunisten 117 992(34 329) Stimmen erhalten. Es sind bisher gewählt: Konservative 67(Gewinn 8), Bauernbnnb 26(Gewinn 3), Liberale 3, Radikale 27 (Verlust 2), Sozialdemokraten 83(Verlust 12), Kommunisten 6(Gewinn 2). Die Wahlbeteiligung war überall sehr rege und übertrifft bei weitem die Beteiligung an den letzten Wahlen, die 1924 stattfanden. Die Wahle« verliefen i« vollkommener Ruhe. Eine Propagandajacht. Ein Sowjetausflug nach Finnland . helflngfor». 17. September. Don der finnländischen Polizei wurde vor einigen Tagen bei Hochland ein« sowjetrusstsche Jacht angehalten, auf welcher sich 34 Russe» befanden, die sich als Ausflügler bezeichneten. Da

ihnen Ausweispapiere fehlten, wurden sie trotz heftigen Protestes nach Kotka gebracht, denn die Polizei bezweifelte, daß es sich nur um eine Ausslugsfahrt in die finnländischen Skären handelte. Der Führer der Exkursion, ein gewisser Wajsiljew, hatte u. a. ein Papier bei sich, aus welchem hervorging, daß er 1927 aus Schweden aus- gewiesen worden ist. Ferner fand man bei ihm Adressen sinnischer Metallarbeiter in Hclsingfors, die wiederholt in Leningrad gewesen sind. Am meisten Verdacht erregte die außerordentlich hohe Summe, welche die Polizei in der angeblichen Reisekasse der Ausflügler fand, nämlich fast anderthalb Millionen Finnmark . Wassiljew erklärte, das Geld mitgenommen zu haben, für den Fall, daß Reparaturen der Jacht notwendig werden sollten. Das finnländische Ministerium des Innern hat einen genauen Bericht über die Angelegenheit angefordert.

Südslawien erkenni König Zogu an. Vor dem Abschluß eines Vertrages mit Griechenland . Belgrad , 17. September(Eigenbericht). Die jugoslawische Regierung hat am Montag relegraphisch in Tirana angeordnet, daß der dortige jugoslawische Geschäftsträger bei der albanischen Regierung die Anerkennung des neuen m o- n a r ch i s ch e n Regimes erklären soll. Aus diplomatischen Kreisen erfahren wir, daß der griechische Pre- mierminister Venizelos in Begleitung des griechischen Außen- minister» Karapanos im Oktober noch Belgrad kommen werde, und bei dieser Gelegenheit einen Freundschaftsvertrag zwischen Jugoslawien und Griechenland unterzeichnen wird. Venizelos wird vor seiner Belgrader Reise vorerst nach Rom , Genf und Paris fahren. Der König Alexander kehrt« au« seiner Sommerfrische nach Belgrad zurück. In Belgrad erwartet man vorläufig keine politische Aenderung. trotzdem man in Zagreb zum Teil ruhiger über die Geschehniste Stellung nimmt als bisher.

Wider Hans Wurst! Das Ergebnis von Genf und dienationale Opposition". Eine Frage zuvor: Gibt es in Deutschland einen Men­schen, der geglaubt hat, Hermann Müller werde es ge- lingen, in den paar Tagen von Genf 65 000 Soldaten aus dem besetzten Gebiet hinauszureden oder hinauszuverhandeln? Wenn es einen gibt, mag er sich melden; vielleicht nimmt ein Schaubudenbesitzer Interesse an ihm!' Ernst gesprochen: Die gegenwärtige Reichsregierung hat es als erste gewagt, den juristischen, moralischen und poli- tischen Anspruch auf Totalräumung zu erheben. Sie hat er- reicht, daß die offiziellen Verhandlungen über diesen An- spruch eröffnet worden sind. Das ist gewiß noch wenig für den internationalen Sozialisten, der die Besatzungspolitik Frankreichs seit je als töricht und ungerecht bekämpft. Es ist aber immerhin bedeutend mehr, als was irgendeine frühere deutsche Regierung erreicht hat. Das Fiasko von Genf ."Nichts erreicht."Von Räumung jetzt keine Rede."Frankreich ist zufrieden." So lauten die Uebersthriften imBerliner Lokal-Anzeiger". Uns scheint, als ob außer Frankreich noch jemand sebr zu- frieden wäre, daß die deutsche Regierung das ideale Maxi- mum des Erfolges mit einem Schlage noch nicht erreicbt hat: und das ist die deutschnationale Presse. Sie ist I geradezu begeistert davon, daß noch nicht geräumt wird. ! Hinter ihren knalligen Ueberscbriften lauert die Sorge, steckt ' die unausgesprochene Bitte:Teure Bundesgenossen, franzö- fische Rationalisten, sorgt dafür, daß ja n i cb't geräumt wird: denn sonst müssen wir ja beide unseren Laden schließen!" Ja, die Nationalisten auf beiden Seiten svüren ganz deutlich, daß ihnen ein vernichtender Schlag droht: die vor- zeitige Gesamträumuna. Sie sind entschlossen, dieses Er- eianis, das für beide Völker ein Glück, für sie jedoch die Ka- tastrophe bedeutet, mit allen Mitteln zu verhindern. Daß die Gesamträumung wie jeder voraussehen konnte ohne mehr oder weniger langwierige Verhandlun- gen nicht erreicht werden kann, ist ihr Trost. Daß aucb die zweite Zone setzt noch nicht geräumt wird, ist ihre Hoff- nung. Es ist nicht unser Beruf, der französischen Regierung Ratschläge zu erteilen. Wir können ibr nur sagen: Wenn sie es darauf anlegen sollte, die zweike Zone lieber zu spät als zu früh zu räumen, so wird in Deutschland alles, was die ichwarzweißrote Fahne schwingt, sie zwar laut dafür ver- fluchen, sie aber insgeheim desto inbrünstiger dafür segnen. Die Verhandlungen über die Gesamträumunq sind indes eröffnet. Sie werden wahrscheinlich nicht so rasch vom Fleck kommen, wie wir wünschen, und sie werden Zwischenfälle bringen, aus denen die einzig wahren Freunde des Vater- landes die Hoffnung schössen werden, sie könnten scheitern. Das wird zu ertragen lein, wenn nur wirklich ohne über- flüssigen Verzug, mit Ernst und gutem Willen an die Ver- Handlungen herangegangen wird und wenn in a b s e h- barer Zeitein positives Ergebnis erreicht wird. Die deutschnctionale Brests behouvtet, die deutsche Re- gierung hätte in Genf gewaltige Zugeständniste gemacht, ohne etwas erreicht zu haben. Nun ist zwar nicht olles, aber doch wesentliches erreicht worden: die offiziellen Räumungsver- Handlungen. Wo sind die gewaltigen Zugeständnisse? Ein solches Zugeständnis soll darin liegen, daß die deutsche Regierung darauf eingegangen ist, eine Kommission zur vollständigen und endgültigen Regelung der Reparations- frage einsetzen zu lassen. Merkwürdig! Seit Jahr und Tag brüllt die deutsch - nationale Presse nach derRevision des D a w e s- Paktes!" Wir sehen ganz davon ab. daß der Dnwes-Pakt nie zustande gekommen wäre, wenn nicht die deutschnationale Parteileitung im entscheidenden Auaenblick die Hälfte ihrer Reichstagsfraktion abkommandiert hätte, um ihn zu retten. Sie mag sagen, daß auch sie in diesem Pakt nicbt der Weis­heit letzten Schluß, sondern nur eine unvermeidliche Zwischen- lösung erblickt hätte: dann sind wir mit ihr ganz einer Mei- nung. Aber jetzt, da an die Stelle dieser Zwischenlösung die von ihr selb st unzählige Male geforderte E n d l ö s u n g gesetzt werden soll, spielt sie eine etwas komische Rolle, wenn sie der ihr ergebenen Presse Order er- teilt, über Verrat zu schreien. Man könnte fragen, warum sie es damit so eilig hat. Dazu wird sie ja noch Gelegenheit genug finden. Denn das wissen wir ja alle: wenn Hugenberg die Welt regierte, dann würde Deutschland nichts zu zahlen haben, sondern noch etwas herauskriegen. Kommt es anders, dann hat eben nurder Marxismus " schuld daran. Natürlich wird sie sagen, daß die marxiststch verseuchte Regierung das deutsche Volksvermögen dem Erbfeind in den Rachen werfe, bloß um die Besatzungsdauer um einige Jahre abzukürzen. Demgegen- über sei jetzt schon festgestellt, daß niemaird in Deutschland daran denkt, der Räumung zuliebe finanzielle Lasten zu übernehmen, die man durch Duldung der Besatzung bis zur Endfrist sparen könnte. Freilich, gerade vom natio- nalen Standpunkt aus könnt« man sagen, die Uebernahme solcher Lasten sei«inpatriotisches Opfer". Leider find die