Beilage
Dienstag, 18. September 1928.
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
麻 樂
arts
RASPUTIN
Der Wundertäter von Pokrowskoje! Sein Wirken und sein Ende
"
täter von Potrowstoje", der allmächtige Bauer", läßt die Welt immer noch nicht zur Ruhe kommen.
Erst vor einigen Monaten kam die Nachricht aus Paris , daß die Tochter des Wundermönchs" den Mörder ihres Vaters Jussopom auf Schadenersag" verklagt hat, weil er sich in seinem joeben erschienenen Memois renbuch als Mörder Raspu tins befannt hat.
Nun hat der ehemalige Sekretär Rasputins , Aron 5imanowitsch, im Verlag Hensel u. Co.", Berlin , unter dem Titel„ Rasputin , der allmächtige Bauer" ein Buch herausgegeben, as ganz neue Schlaglichter auf Rasputin wirft.
Sehr unbefangen und mit naivem Selbstgefallen erzählt Simanowitsch, wie Rasputin zwischen zwei Orgien in total berunkenem Zustande Minister absetzte, Minister ernannte, ja, wie s ihm sogar gelang, den Oberbefehlshaber der russischen Armee, en Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch , um seinen Bosten zu bringen. Simanowitsch selbst hat sich die Gunst der Zarin Alexandra daurch erworben, daß er ihr, die von einem pathologischen Schmutz cjefsen war, Juwelen um die Hälfte des Preises verkaufte und ihr Ratenzahlungen gewährte.
Gerade an diesem nüchternen, geschäftstüchtigen Juwelenhändler on Durchschnittsformat wächst die Gestalt Rufputins in Riejen öhe, er scheint, wenn man ihn richtig erfaßt, der Riesenschatten Penins zu sein, der sich mit Todesahnungen über die Seele des erängstigten 3arenpaares legt.
Eimanowitsch ist also in dem Rasputin - Drama Bartei und eine elbst mitbelastete, teineswegs unbescholtene Persönlichkeit. Dokunentarischen Wert besitzt also das, was er über Rasputin erzählt, eineswegs. Trotzdem bedeutet sein Buch einen wertvollen Beitrag ur Gesellschaftstritit des untergehenden 3arenreiches. Im folgenden ein paar Blitzlichter daraus:
Rasputin hatte eine Beule an der Stirn. Er verdedte sie sorgäftig mit seinem langen Haar. Immer trug er einen Ramm bei ich und fämmte oft dieses glänzende, gleichsam geölte Haar. Sein Bart dagegen war meistens in Unordnung. Rasputin pflegte ihn ur selten mit einer Bürste. Er war im allgemeinen ziemlich reinich und badete oft, aber beim Effen benahm er sich wenig kultiviert. Er gebrauchte äußerst selten Messer und Gabel und zog es vor die Speisen mit seinen fnorrigen, trockenen Fingern vom Teller zu tehmen. Große Stüde zerriß er wie ein Tier. Biele konnten dies nur mit Etel ansehen. Sein Mund war sehr groß und statt der Bähne sah man darin nur schwärzliche Zahnstummel. Die Speisen lieben ihm beim Essen oft am Bart hängen. Er aß nie Fleisch, eine Süßigkeiten und teine Kuchen. Seine Lieblingsnahrung ildeten Kartoffeln und Obst, das ihm seine zahlreichen Ber hrerinnen lieferten.
Rasputin , selbst ein leidenschaftlicher Lebemann, stand in besten Beziehungen zu allen bekannten Lebedamen der Hauptstadt. Die Mätreffen der Großfürsten, der Minister, der Finanzmänner waren nit ihm befreundet. Er fannte daher alle Standalgeschichten, die Berhältnisse einflußreicher Männer, die nächtlichen Geheimnisse der roßen Welt, und er mußte diese Kenntnisse zur Erweiterung seines Einflusses in hohen Regierungsfreisen zu verwerten.
Es tam häufig vor, daß Rasputin mitten in der Nacht seine Freundinnen aus der Lebewelt antelephonierte und sie in irgendein ornehmes Restaurant einlud. Sie leisteten der Aufforderung soort Folge, und eine Orgie wurde gefeiert. Jene Frauen nahmen ann die günstige Gelegenheit, wahr, um sich für ihre Freunde, Beliebten oder Verwandten bei Rajputin zu verwenden. So manche Zebedame bereicherte sich durch ihn, denn bei solcher Gelegenheit onnte man von Rasputin viel erlangen.
Der Befizer des weit vom Stadtzentrum auf dem rechten tewaufer gelegenen vornehmen Restaurants, Billa Rods", richtete ür Rasputins nächtliche Orgien ein besonderes Haus ein. Man onnte dort oft Herren und Damen mit hochklingenden Namen anreffen, und die Damen der Gesellschaft suchten dabei zuweilen die Chansonetten und die Choristinnen zu überbieten. Gewöhnlich wurde in Zigeunerchor herbeigeholt, denn Rasputin liebte leidenschaftlich Zigeunerlieder . Er war auch ein passionierter Tänzer, der die uffischen Tänze ausgezeichnet tanzte und darin geradezu unermüd ich war. Niemand konnte es mit ihm aufnehmen.
Ich kam immer in den Morgenstunden zu Rasputin , und wir rafen dann unfere Dispofitionen für den ganzen Tag. Zugleich rfuhr ich, was an den vorhergehenden Abenden vorgefallen war; bir tauschten unsere Informationen aus.
Eines Tages traf ich Rasputin in großer Aufregung und schloß araus, daß etwas besonderes mit ihm vorging, daß wieder einmal eine Kraft" in Wirksamkeit trat. Er überraschte mich mit einer n der Tat verblüffenden Mitteilung.
Höre mal, Aron, in Riem geht bald ein Sudenpogrom los. Du mußt Maßnahmen treffen!"
Man kann sich denken, wie sehr mich diese Mitteilung bestürzte. Ich hatte in Kiem viele Verwandte, und die Judenhezzen bereiteten nir ohnehin viel Kummer. Als ich Rasputin bat, mir genaueres nitzuteilen, bejchränkte er fich auf eine noch dunklere Andeutung. Mit dem Alten wird Schluß jein" jagte er.
Das Wort„ der Alte" wurde von uns immer für den Ministerpräsidenten gebraucht. Damals war dieser Posten mit Stolypin besetzt. Rasputins Andeutung fonnte ich nur in dem Sinne ver. stehen, daß Stolypin sterben würde. Die näheren Umstände des angeblich bevorstehenden Unglüds wurden mir nicht genannt.
Stolypin reiste wirklich nach Kiew und wurde dort von dem Agenten der Kiewer politischen Polizei Bogrow getötet.
Der Bar schickte nach dem Attentat auf Stolypin sofort ein Telegramm mit der Frage: Was tun?" Rasputin telegraphierte zurüd:" Freude, Friede, Ruhe! Du Lamm des Friedens, stehst niemandem im Wege. Das Blut der Fremdstämmigen ist auf dem Gebiet des russischen 3aren ebenso kostbar wie das Blut der eigenen Brüder."
Der Zar ordnete an, daß alle Maßnahmen gegen eine etwaige Judenheze in Kiem getroffen werden sollten. Die Reaktionäre waren enttäuscht. Es tam zu feinem Pogrom.
Rasputins Freunde sagten oft im Scherz, er habe seinen eigenen Ministerrat, der zuverlässiger und tüchtiger sei als der des Baren. Dieser Ministerrat" hatte aber die Eigentümlichkeit, daß er ausschließlich aus Damen bestand.
Die alte Frau Golowina war sozusagen die Präsidentin. Sie unterstützte Rasputin mit ihrer Autorität und ihren guten Beziehungen in der hohen Petersburger Gesellschaft. Ihre Tochter Munja vermittelte zwischen Rasputin und der hohen Geistlichkeit. Die Byruboma half in der Regel bei der Ernennung neuer Minister in ausschlaggebender Weise mit. Die Hofdame Nikitina pflegte für einen ständigen Kontakt mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten zu sorgen. Die eine der Schwestern Boskoboinikow war im Zaren palais tätig, die andere unterhielt wichtige Bekanntschaften in den leitenden militärischen Kreisen. Atulina Laptinskaja war Rasputins Kundschafterin. Sie beschaffte die allerneuesten Informationen und wußte über alle möglichen Klatschereien und Intimitäten ausgezeichnet Bescheid.
Die Ermordung Rasputine.
Um Mitternacht rief mich Rasputin an. Er sagte:„ Der Kleine" ist gekommen. Ich fahre zu ihm."„ Gott bewahre!" rief ich erschroden. Bleib zu Hause. Sie wollen dich umbringen."
Das Wort„ Der Kleine" flößte mir Grauen ein. ,, Hab' teine Angst!" entgegnete Rasputin . Komm zu uns. Wir werden Tee trinken. Ich rufe dich um zwei Uhr an." Es war also nichts zu machen. Ich hatte keine Möglichkeit,
Rasputin zurückzuhalten. An Nachtruhe aber fonnte ich nicht mehr denken und blieb mit meinen Söhnen neben dem Telephon ſizen. Die Uhr schlug zwei, dann drei... Rasputins Anruf blieb aus. Ich war nicht imstande, meine Unruhe zu unterdrücken, und sagte zu meinen Kindern: Ihr werdet sehen, sie haben Rasputin umgebracht." Schließlich fuhr ich mit meinem ältesten Sohne Semen zu Rajputin. Wir weckten seine Töchter und Nichten. Ich erklärte ihnen geradeheraus:
,, Eurer Vater ist ermordet! Wir müssen seine Leiche suchen." Die Mädchen brachen in Tränen aus. Ich fragte sie: ,, Wer ist denn der Kleine"? Ihr müßt es wissen!" „ Der Vater hat uns verboten, es zu sagen," antworteten sie mir. „ Er hat euren Bater umgebracht," rief ich.
„ Es ist Jussupow," gestand mir jetzt Rasputins älteste Tochter Mara. Die Beerdigung Rasputine.
Die Leiche Rasputins wurde in einen Eichensarg gelegt und in die Tschesmenkapelle gebracht, die am Wege von Petersburg nach Barstoje Selo ftand. Bald fanden sich dort Rasputins Töchter und Nichte ein. Auch ich ging hin, von meinen Söhnen begleitet. Wir sahen in der Kapelle die angebliche Anhängerin Rasputins Akulina Laptinskaja, die in Wirklichkeit eine Agentin des Nationalklubs war. Fremden wurde auf Befehl der Zarin der Zutritt zur Kapelle nicht gestattet. Sie beabsichtigte, selbst zu kommen und wollte nicht von Fremden gesehen werden. Die Töchter Rasputins brachten Wäsche und Kleidung mit. Die Leiche wurde gewaschen und angefleidet. Bischof Isidor hielt den Trauergottesdienst ab. Wir hatten den Metropoliten Bitirim gebeten, dies zu tun, er ließ uns aber mitteilen, daß er von der Ermordung Rasputins zu sehr erschüttert sei.
Die Zarin und ihre Töchter meinten die ganze Zeit. Auch in der Hauskirche des Zarenpalais fand mehrere Male Trauergottesdienst statt. Die Leiche wurde nach einer Kapelle in Zarskoje Selo gebracht und dort heimlich beerdigt.
Bei der heimlichen Beerdigung war die ganze Barenfamilie anwesend. Ihre Mitglieder halfen bei der Ueberführung des Sarges nach der Gruft, selbst der fleine Thronfolger, der das am Sarge befestigte schwarze Seidenband in der Hand hielt. Alle meinten. Die Leiche war einbalsamiert worden, und über dem Gesicht des Berstorbenen wurde in dem Deckel des Sarges eine Glasscheibe eingesetzt. Vor der Schließung des Sarges legte man auf die Brust des Toten ein Heiligenbild, das die Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Zarenfamilie trug.
Eine kühne Operation.
,, Die Geißel der Chirurgie" nennen die Aerzte eine Krankheit,| die wie ein Damoklesschwert über dem Leben der Menschen schwebt: die plötzliche Berstopfung der Lungenschlagader, die man als ,, Lungenembolie" bezeichnet. Eine Embolie entsteht, wenn Blutpfropfen in den Kreislauf gefchwemmt werden. Handelt es sich um fleinere Pfropfen, so führen diese zwar zu chronischen Lungenbeschwerden, unmittelbar tödlich aber find sie nicht. Schwere Embolien dagegen, das heißt große Blutpfropfen verstopfen den Hauptstrom der Lungenschlagader und führen infolge mangelder Durch
obere Hohivehe
untere Hohlvene
rechre
Lunge
Herz
linke
Lunge
Aorta
Hals
-Schlagader
Schematische Darstellung der Blutbewegung durch Herz und Lungen. Der Pfeil bezeichnet die Stelle, an der die Emboli durch dhirurgischen Eingriff entfernt werden
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blutung von Herz und Gehirn zur Lähmung der Herstätigkeit und damit zum sicheren Tode. Das Unheimliche an dieser Krankheit ist, daß sie wie ein Blig aus heiterem Himmel die Menschen annach fällt, wenn man an teinerlei Komplitationen mehr glaubt erfolgreichen Operationen, glücklich bestandenen Geburten usw. Als eine Großtat der Chirurgie muß man daher die Versuche feiern, auf operativem Wege der gefährlichen Krankheit bei zukommen, von der auf dem diesjährigen Chirurgentongreß mit berechtigtem Stolz berichtet worden ist. 20 Jahre ist es her. daß Prof. Trendelenburg. damals Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Leipzig , über die ersten Vorversuche berichtete, die die Grundlage der heutigen Operation bilden. Er brachte in den Blutkreislauf eines Ralbes durch Eröffnung der Halsvenen ein Stüd
Lungengewebe und entfernte es dann aus dem linken Ast der Lungenschlagader. Die Rettungsmöglichkeit der Embolieerkrankten war damit prinzipiell bewiesen. Es handelte sich nun nur darum, die Trendelenburgsche Operation so auszugestalten, daß sie auch beim Menschen anwendbar wurde. Da galt es zunächst die Frage zu flären, wie lange der Mensch bei völliger Ausschaltung des fleinen Kreislaufes leben könne; denn nur dann läßt sich der Berblutungsgefahr beim Anschneiden der Lungenschlagader begegnen, wenn diese abgeklemmt und der fleine Kreislauf abgedrosselt wird. Selbstverständlich tut höchste Eile not! Trendelenburg setzte für seine tühne Operation, die selbst die Lehrbücher als heroisch" bezeichnen, 45 Sefunden feft, behauptete aber, daß ein geschickter Chirurg sie fogar in 30 Sekunden schaffen müßte.
Erst im Jahre 1924 gelang die erste Operation beim Menschen, der 1927 noch weitere zwei Fälle folgten. Die Operation erforderte indessen ein solches Maß von Geschicklichkeit, daß sie eine chirurgische Tat bleibt, die man nur in Ausnahmefällen zu versuchen wagte. Erst in diesem Jahr ist es den Bemühungen A. W. Meyers und anderer Chirurgen gelungen, den Eingriff soweit zu vereinfachen, daß man ihn in größerem Umfang anwenden kann.
Damit haben wir ein neues Mittel in die Hand bekommen, Menschen zu helfen, die sonst unrettbar dem Tode verfallen wären. Dr. Lily Herzberg.
Wer weiß das?
Experimente am Radioapparate haben ergeben, daß die Dhren
in ähnlicher Weise ermüden, wie es die Augen tun.
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Die Haut des erwachsenen Menschen wiegt etwa 20 Pfund.
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Im britischen Museum sind dreißig Angestellte nur zu dem Zmed da, die über drei Millionen Bücher enthaltene Bibliothek zu säubern.
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Die dickste Haut irgendeines Geschöpfes besitzt das ostindische Rhinozeros.
steht Nischni- Nowgorod, an dritter London . Leipzig ist der größte Handelsplaß für Felle, an zweiter Stelle steht Nischni- Nowgorod, an dritter London .
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In Alaska wird eingefrorene Renntiermilch in Blöcken verkauft. Bei den japanischen Hochzeitsfeiern werden die Puppen mit denen die Braut gespielt hat, in feierlicher Zeremonie verbrannt.
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Bögel werden im Durchschnitt älter als Säugetiere.
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Die westafrikanische Tanne wird oft so umfangreich, daß ein ganzer langer Eisenbahnzug zum Transport eines einzigen Stammes nicht ausreicht.