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BERLIN Freitag, 21. September 1928

Der Abend

Erfcheint tåg lich aufer Sonntag d. Sugleich Abendansgabe des Vorwärts. Bezugspreis beibe Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m, pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

10 Pf.

Rr. 448

B 222

45. Jahrgang.

66 anzeigenpreis: Die einfvaltige Nonpareillezetts

Spalausgabe des Vorwärts"

80 Vf.. Reklamezeile 6 M. Ermäßigungen nach Caril . Voßfchecktonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Donboff 292 bis 297

Das wahre Gesicht Berlins .

Die schaffende Millionenstadt. Der Rhythmus der Arbeit.

Zehntausende fremder Besucher strömen täglich aus allen Gegenden der Welt nach Berlin . Sie fommen als Globetrotter, Wirtschaftler, Rongreßteilnehmer oder als Polititer, viele nur zur Durchreise, piele nur als Geschäftemacher, die an der Riesenstadt fonft wenig Intereffe nehmen, aber eine große Anzahl auch um Berlins Charakter und die Psyche" feiner vier Millionen Menschen zu studieren

Nur gang menige von diesen Fremden, die später in ihrer Hei. mat von Deutschlands Reichshauptstabt berichten oder ihre Ein­brüde fogar publizistisch verwerten und damit die öffentliche Mei nung ihres Landes beeinfluffen, haben

das wahre Gesicht Berlins

zu sehen bekommen. 3hr Urteil fußt auf der Untertunft im Hotel, der Verpflegung, Bedienung und den Preisen. Sie sehen den feu­dalen Besten mit den gepußten, aufgetafelten Richtstuern, machen eine Rundfahrt bei Räje", nehmen einen flüchtigen Eindrud vom Groß Berliner Verkehr mit und Berliner Bid ist für sie fertig. Roch einfacher machen sich

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unsere lieben Landsleute

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aus Dingsda oder Miesbach die Sache. Der ländliche Bastor, ber in der Friedrichstraße dem reichen Flor gefchminkter und hulbooll lächelnder Damen begegnet und der bayerische Bauernbündler, der auf dem Kurfürstendamm er tennt ihn vom Miesbacher An­zeiger" her bie tniefreie Mode borgeführt betommt, fehen Berlin als die Stätte des Lasters" an, die große fündhafte Kuppelmutter, bei der sie ganz gern einmal zu Gaste sind, von der Kanzel herab oder am Biertisch aber um so mehr nachher wettern. Der politisch Mißvergnügte wieder, der unverbesserliche Partitularist aus Reuß- Schleiz - Breiz und Lobenstein sieht in Berlin nur den großen Maffertopf, der für die Belange seines angestammten Ländchens" nur ein Kopfschütteln übrig hat. Natürlich fehlt auch unter den Kritikern Berlins der oftelbische Junker nicht, der

das rote Drachennest

mit feiner ganzen Brut am liebsten mit seinen pommerschen Stahl­helmern ausräuchern möchte.

Das Urteil dieser Zeitgenossen lassen wir beiseite. Aber wer von den auswärtigen Besuchern weiß überhaupt, wo er das wahre Antlig Berlins zu sehen bekommt? Wer ahnt, welches

ungeheure Kraftzentrum menschlicher Arbeit

dieses Berlin darstellt mit seinen industriellen Riesenbetrieben, feinen Großbanten, den Umschlagshäfen und dem Schienenneß, auf dem in fast ununterbrodjener Folge Menschen und Güter von Often und Westen, Norden und Süden vorbeieilen.

Wenn des Morgens die Fabritfirenen durch die Arbeiterviertel heulen, dann strömen in die Betriebe von Siemensstadt und Moabit , im Norden wie im Often

über eine Million Arbeiter

zu ihrer Arbeitsstätte. In überfüllten Stadtbahnen, Elektrischen, Untergrundbahnen, zu Fuß und zu Rad, so zieht der ungeheure Strom zu den Fabriten, deren gewaltige Schlote das ganze Weichbild Berlins umrahmen. Wohl bietet Berlins Industrie nicht ben impofanten Anblid des Ruhrgebiets, wo der Balb der

Schlote, die feuerspeienden Stahlwerke dem Fremden das Bild modernster Technit und schaffender Kräfte auf engstem Raum vor zaubert. Wie so vieles andere verzettelt sich in dem riesigen Steinmeer Berlin auch die Industrie, und doch bildet sie zusammen. gefaßt eine der stärtsten Gruppen in ganz Deutschland . In Groß- Berlins Industrie finden mehr als 1,7 millionen Menschen Arbeit, alfo

fast cin Zehntel der gesamten deutschen Industriebevölkerung. Debertroffen wird diese gewaltige Ronzentration Industrieller Hebertroffen wird diese gewaltige Konzentration industrieller Energien und die Zusammenballung von Menschenmassen nur von ber Rheinproving, die faſt 12,7 Broz. der deutschen Industriellen Bevölkerung auf sich vereinigt. Bon der Seeschiffahrt und dem Bergbau abgesehen find sämtliche Gewerbezweige in dieser tabt Der Arbeit vertreten, die dadurch mit den entferntesten Ländern wirtschaftlich auf das engste verknüpft ist. Der ewige Rhythmus der Arbeit liegt über dieser Stadt, in die Taufenbe oon Schienensträngen, Dugende von Waffermegen führen, auf denen Güter zur Berarbeitung oder zum Lebensunterhalt ein­treffen oder auf denen fertige Arbeit abrollt. Aller Herren Länder haben tun, um den Hunger der Groß- Berliner Industrie zu ftillen. Eisenerze aus Oberschlesien , Schweden und Spanien , ( Fortfegung auf der 2. Seite.)

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Der Abfall von Berlin .

Unser Bild zeigt eine Zentralstele des Berliner Lumpenhandels, nämlich eine Sammelstelle für Lumpen, altes Eisen, Faschen und Papier in Charlottenburg . Hier liefern die Aufkäufer ihr Material ab. Von der Sammelstelle aus gelangt das gesammelte Altmaterial zur Verladung, um an den entsprechenden Stellen, aut neu gearbeuet" zu werden.

Der Eilzugmörder festgenommen.

Jm Wirtshaus erkannt, im Wartesaal verhaftet.

Gestern abend konnte vor dem Rasteler Bahnhof| fest, daß eine Kugel in den Schädel ihn schon im Abteil geföfel der Mörder Emil Sopp festgenommen wer- hatte. Der Schuß war in dem Lärm des fahrenden Zuges verhallt. den. Er wurde gefesselt in das Mainzer unter fuchungsgefängnis eingeliefert.

Am 11. September wollte der Direktor der Delmenhorster Margarinefabrit nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten von Hamburg nach Bremen fahren. Er in einem Restaurant gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof zu Abend. Ein junger Mensch trat an seinen Tisch und bat mit liebenswürdiger Ber­beugung, Blaz nehmen zu dürfen. Das war der Mörder!

Man hatte sich unterhalten, man ging zusammen zum Bahn hof und trennte sich Der Direttor faß allein im Kupee. Im Rebenabteil faßen sich ein Hamburger Kaufmann und Emil Hopp gegenüber. Plöglich ftand Hopp auf, fein Gegenüber fah ihn erft wieber, als er in Rotenburg in großer haft den Zug ver­fieß. Um nächsten Morgen fand man neben den Schienen mit lassenden unten die Leiche des Direttors der Delmenhorster margarinewerte Mord! Zuerst nahm man an, daß Direktor orbmann im Schlafe beraubt und dann, noch lebend, aus dem Suge geworfen wurde und die tödliche Verlegung erst durch den Aufschlag auf die Eisenbahnschiene erhielt. Dann aber stellte man

Sturz aus dem 6. Stock.

Mussolini scizi den König ab.

Berichte 2. Seite.

Die Kriminalpolizei ging an die Arbeit. Bald gelang es ihr, die Person des Mörders festzustellen: Es handelte sich um einen schwer vorbestraften Berbiecher, der auch schon das Buchthaus tennengelernt hatte. Das mit besonderer Grausamkeit ausgeführte Berbrechen erregte die Bevölkerung ungeheuer. Fie berhaft war die Suche. In Berlin , in Bayern , in Hamburg mur­den falsche Hopps festgenommen. Noch gestern abend lief eine Meldung ein, daß der Schwerverbrecher in der Nähe von Osnd­

brüd verhaftet wäre. In einem Dorf in der Nähe von Har burg foll er noch vor drei Tagen einen schweren Einbruch verübt haben. Im ganzen Reich mard sein Bild, das von seinen früheren Straftaten her den Behörden bekannt war, verbreitet. Alle Gren 3 stationen murden benachrichtigt. Man wußte, daß Hopp ein hochintelligenter Mensch ist. Er spricht fließend deutsch, ruffisch, englisch und holländisch, er macht den Einbrud eines gefälligen und wohlerzogenen jungen Mannes, und man ver mutete nicht ohne Grund, daß er ins Ausland fliehen werde. Er ist das Kind einer jogenannten gutbürgerlichen" Familie, Soha eines Gutsbesizers. Die Birren des Krieges und der Snflation brachten ihn auf die Bahn des Berbrechens. Nun ist er als Baube

morder festgenommen.

Erst gestern nachmittag veröffentlichten sämtliche füdwest. beutschen Zeitungen das Bild des Raubmörders Hopp. Ja dem Heinen Städtchen Rastel glaubten in einem Lokal Gäste den Gesuchten am Biertisch erkannt zu haben. Sie benachrichtigten die Polizei. Bevor diese jedoch antam. war der Mann ver schwunden Kurz darauf entdeckte man ihn aber im Warte. saal des Bahnhofes. Die Polizeibeamten ließen sich seine Ausweispapiere geben. Diese lauteten auf den Namen