Die Befreiun Milde Farmleitner
( 63. Fortsetzung.) Aber ich geh nicht so tampflos und nach Bregenz ," fagte Wagner. Die Aussicht, vom Spital wegzukommen, gibt mir frische Kräfte. Ich spür' an jedem Zag, daß ich um noch ein Stüd gefünder werd'. Es geht nach Wien !"
Hilde widersprach, stritt, und legten Endes mißfiel es ihr nicht, bald wieder zur Arbeit zu kommen, menigstens noch für ein oder zwei Monate, und von Wien aus Wagner in seine geliebte Kolonie zu bringen.
Rach Wien ! Der Doftor nahm rührenden Abschied und hielt, mährend er eine förmliche Danfrede hielt, sogar ein kleines Blumen sträußchen hinter dem Rücken und überreichte es erst, als er bei feinen Schlußmorten angelangt war. Sonst wurde es Hilde nicht schwer, diese Stelle zu verlassen, an der sie nur bange Nächte und Tage schwerster Arbeit verbracht hatte. Die Patienten, deren Bflege fie anfangs hatte übernehmen müssen, waren schon weg, die wenigen neuen verdösten in dumpfer Erwartung ihres Schicksals den Tag. Der Doktor hatte versucht, liebenswürdig zu sein, mar aber mit seiner beharrlichen Geschmäßigkeit oft genug lästig geworden. So blieb nur die Erinnerung an einige, an milden Abenden beim offenen Fenster zusammen mit Wagner gebaute Luftschlösser, das Gedächtnis an den ersten frühen Frühling, den sie durch den engen Ausblick auf das vorgelagerte Feld genossen hatte, und die große Freude, die man immer empfindet, wenn man einen vom Ufer jenseits des Lebens wieder zurückkommen, mit jedem Tag das Leben wieder beherzter erfaffen steht.
In Wien trafen sie wie ein richtiges Bagantenpaar ein, ein Wolferl und ein Trappert, ein unbekümmertes Liebespaar, das sie in einem Schönherrschen Boltsstüd gesehen hatte, Bursch und Mädel, die, unberührt von den historischen Ereignissen rings um fie und von dem Streit um die tiefften Erkenntnisse des Geistes, ihren von Liebe vorgezeichneten Beg weitergehen. Das Wolfert wendete sich zu seiner alten Wohnung in Ragran, die wirklich noch frei war, mie ihm die braven Gärtnersleute postwendend auf die Anfrage der fichert hatten, und das Trappert, auch ein schmales Ränzel in der Hand, ging in die Josefstadt, in die enge Stube, nach der sie sich in den schlaflos an Rrantenbetten verbrachten Nächten so recht gesehnt hatte.
Frau Fernleitner ließ natürlich die Gelegenheit, erregt und aufgeregt zu sein, nicht vorübergehen. Sie schloß Hilde in ihre Arme und tüßte sie immer und immer wieder. Dann erst, nachdem sie sich an ihrem Anblick gesättigt hatte, fing sie mit ihren Borwürfen an. Hilde war darauf gefaßt, fand, daß das alles noch sehr glimpflich ausflel und suchte sich hinter scherzhaften und vernünftigen Antworten. so gut es ging, zu decken. Aber die Ueberraschung fam erft: da war wirklich auch Tante Hedwig da, beren Körperkräfte zwar in den letzten Jahren abgenommen hatten, deren Spürsinn aber der gleiche geblieben war; sie ahnte wie ehedem, wie stets, wenn man sie brauchte, und obgleich sie sich auf einen Stod jetzt stüzen mußte, mar sie zur Stelle. Sie stand in der Tür wie eine Bache, daß Frau Fernleitner nicht härter merde, als es ihre mütterliche Autorität erfordere. Dann ergriff sie das Kommando, und man Sprach von Bergangenem und mas sich in der Zwischenzeit alles zu. getragen habe, nur von Zufünftigem sprach man nicht.
-
Am nächsten Tage erst die Mutter hatte die Tournee bei ihren dipersen Schülerinnen wieder begonnen tam es zwischen Tante Hebmig und Hilde zur erwarteten Aussprache. Ich dank' dir sehr, Tante Hebmig, daß du um meinetwillen die lange Reife gemacht hast," jagte Hilde.
"
,, h, was dir nöt einfallt. Die Mutti hat mich hergerufen." Ja, wozu benn?"
,, Daß ich dir deine verstiegenen Jbeen ausreden soll." ,, Na, und?"
Tante Hedwig schwieg, als ob sie innerlich einen Anlauf machen müßte.
Ein Wiener Roman von Paul Burgftaller
geheimnisvoller und... anständiger gehabt... Ja, du bist die neue Beit, die vernünftige Zeit, die auch in der Frau die menschliche Würde respektiert früher, das war ja a Lug.
Frau Fernleitner trat ein.
Ah, Berta, mir find einig!" rief ihr Tante Hedwig zu. ,, Wirklich?" sagte Frau Fernleitner erfreut und machte haftig einige Schritte gegen Hilde, fah thr prüfend ins Gesicht und fah ratlos auf fie und auf Hedwig: Aber sie weint ja gar nicht?"
Bas braucht l' denn meinen, wenn's den Mann friegt, den fie gern hat und tapfer mit ihm ins Leben hinausschreiten tut?" meinte Lante Hedwig.
hat sie dich auch herumgekriegt?" fragte jetzt Frau Fern leitner unwillig. Tante Hedwig zudte die Achseln... Glaubst, daß ich sie hätt herumtriegen fönnen? 3 bin ihr dankbar, daß sie mich viel gelehrt hat es nügt zwar nig mehr aber es freut einen boch,
menn man ein bissel g'scheiter wird... Jezt unterrichten die Kinder die Eltern... verfehrte Welt, hätt man früher geschrien, aber nein! Die Kinder stehen doch in ihrer Zeit und bemegen fie, fie müssen's ja verstehen, die Alten sind immer der Kalijati gewesen, der sich mitten im karussell dreht und nicht vom Blog rührt, aber allmeil aufpaßt..
ber geh weg mit deinen emigen Bergleichen!" jagte Frau Fernleitner ärgerlich
,, Na ja, ich begreif', daß du dich giftest, du hast ja deinen Stand zu wahren. Ich bitt' dich, eine staatlich approbierte Lehrerin für moderne Sprachen so mas Bornehmes!"
Mutti, laß dich nicht von der Tante Sjeomig ärgern," nahm jegt Hilde das Wort, aber immer wieder muß ich dir's lagen, glaub' mir boch, vertau' mir doch! Schau, bin ich nicht bisher jo ziemlich richtig und ben richtigen Beg gegangen? Du warst die gute Mutti und haft es bisher so sein lassen.
Frau Fernleitner umarmite die Hilde weinend und füßte fie stürmisch.
Während Wagner gleich am nächsten Tage alle feine früheren Beschäftigungen aufnahm und sich nur noch erfundigte, wie er neben feiner Tagesarbeit das Studium bewältigen fönne, um in das Pädagogium einzutreten, hatte Hilde noch eine peinliche schmerz lie Pflicht zu erledigen: das Wiedersehen mit Drobauer. Sie schrieb ihm, er fam nichi, fie bestellte ihn in die Bohnung und in tie Universität, er fam nicht. Aber Inge war eines abends da. Und die fanfte Inge wußte viel von Drobauer zu erzählen.
,, Er respektiert beinen Willen, weißt? Aber böse ist er dir nicht, gar nicht."
,, Woher weißt du denn das alles?"
,, No, einmal, grad damals, wie du nach Beibniz bist zum franten Wagner, ist er das erstemal zu mir hinausgetommen und bis spät in die Nacht im Zimmer herumgelaufen und hat laut ge rebet, als ob ich nicht da gewesen wär', so einen Monolog, weißt.
na
der arme Teufel hat gemeint und ich mit ihm ja, wenn man so einen erwachsenen langen Kerl weinen sieht... er hat mas G'scheites g'fagt... er ist ja überhaupt ein g'scheiter Kerl. man hat soviel revidiert, hat er g'jagt, man müßt auch die Instinkte revidieren, und es foul't nicht möglich sein, daß einer, der für alle möglichen Freiheiten ist... grad die Freiheit des Gefühls nicht achtet.."
Ja, das ist was G'scheites," sagte Hilbe nachdenklich ,, Und er will versuchen, auch seine Instinkte zu revidieren und deine Freiheit respektieren, aber schwer ist es ihm vorläufig ge worden."
Was wird er denn jegt beginnen?"
,, Er will viel mehr Rezitationen abhalten als bisher, auch in der Broning, vielleicht auch in Deutschland ."
Ja, fchau, Inge, daß er nach Deutschland fährt, das wird ihr zerstreuen."
,, Das mein' ich auch, ich bin froh, baß er von der blöden Opereti' weg ist, das hat ihn sehr getränkt, daß er bort hat mittun müffen."
Ja, das ist gTjelt."
Obwohl er wirklich gut drin war... und non den anderen Beuten abg'stochen hat wie ein Burgschauspieler... aber menn's ihm halt nicht behagt, fo. fol er lieber mas anderes tun, er rezitiert wunderschön, nicht?"
O ja, er rezitiert wunderschön."
Wie er die Revolutionsgeschichten vorträgt... ich glaub mirtlich, daß es so einen zweiten Bortragenden heut' gar nicht gibt." 3h glaub' auch."
-
In der legten Zeit rezitiert er auch Liebesgedichte und Erzählungen da legt er seine ganze Seele hinein, das ist wunderbar, ihm zuzuhören. Er ist ein großer Künstler, der Drobauer."
Ja."
Und dabei auch ein sehr, sehr guter Mensch, nicht?" ,, Er ist ein braver Kerl."
,, Es wär' schad um ihn, wenn er in dieser... in dieser Episode unterginge, nicht?"
,, Gewiß, wär's um ihn fchab." ,, Aber wild ift er, ubie jenem Abend... so mas
•
bat gleich bringt."
geldrien und getobt hat er an und was er alles umg schanis man wird seine 2aft haben, wenn man ihn wieder auf Allmählich sah Hilde alle ihre Belannten wieder. Gogar bie u meldete fich unb fam richtig das drittemal, nachdem fie fich zweimal vergebens hatte erwarten laffen.
,, Du, Hilde, was man von dir erzählt, ist das wahr?" Ach weiß nicht, was man über mich Großes zu berichten hot ,, Daß du. dich mit einem... Arbeiter verheiratest haft.". Ja, woher weißt du das alles über mich?" ( Fortsegung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT.
Die Tante Hedwig war in ihre eigenen Gedanken versunken und fuhr unbeirrt fort: Was war denn mein eigenes Schicksal? Daß ich mich nicht getraut hab', eins zu haben. Wenn ich zurüd. dent'... ich habe alles in mich hineingestopft, die paar armseligen Erlebnisse... und die Wünsche... und die Enttäuschungen. hineingestopft in mich und in die unzähligen Deckerin und Polster und Stickereien hineingestichelt... und eines Tages hab' ich bemerkt, daß das Leben vorübergegangen ist... Oh, ich war nicht dümmer, Hitlergeist. als alle die anderen Gänse meiner Zeit aber ich glaub', zwischen mir und meiner Urgroßmutter war gar fein Unterschied unfreiwurde ein Mitglied der dortigen Nationalsozialistischen Ortsgruppe In dem Thüringer Städtchen Steinbach Gallenberg waren wir, und die Jugend wurde ausgefüllt... anständig zu Jein und... uns für den Einzigen, den Herrlichen, aufzubewahren Partei dem Toten folgende Borte: Im Auftrage der National sein und... uns für den Einzigen, den Herrlichen, aufzubewahren beerbigt. Bei der Kranznieberlegung widmete ein Vertreter dieser fozialistischen Partei bitte ich den Kameraden Friß Zeiß( Name des Toten), daß er bei Gott vorsprechen möge, daß Gott die marristische Frechheit und Tücke und die bürgerliche Lauheit bestrafen möge und unfere Hitlerbewegung und Hafentreuz fegnen möge, damit dem deutschen Volke die Freiheit gegeben werde." Gelinde gesagt: Bietätlose Geschmadsperierung.
und wenn er gekommen ist, war's ja gut... wenn er aber
nicht gekommen ist, war's schlecht. Unfrei waren wir, Gefangene, und ihr seid frei... eine neue Menschenart... Grauen, die nicht und ihr seid frei... eine neue Menschenart... Grauen, die nicht bloß für den Mann da sind. sondern für sich selber. die mas leisten... bienen einen eigenen Ehrgeiz haben... selbst Geld ver Goit, menn ich einmal pom Fernleitner im 3orn weg bin hab' ich ja doch nach drei Tagen zu ihm zurüd müffen, denn für mehr hat das Geld nicht gelangt... und ich hab' boch das Familienansehen wahren müssen und dem Fernleitner hätt's auch in der Karriere geschadet. Wegen des Engagements Don Fernleitner das Leben geopfert.. Deine Mutter, die war schon eine Revolutionärin... aber du bist im sicheren Besiz deiner Freiheit... laß sie dir in gar nichts nehmen... bleib' frei in allem, was du tuft, auch in der Wahl deines Mannes,"
,, 2ẞie denkt denn der Großvater über die Sache?" Der? Aber der, der fennt ja nur mehr eins, feine Bilde. Der hat ja alle Autorität über sich verloren und ist der Großpapa mie er im Büchel steht. Der hat mich eben hergefchickt, weil er fich nicht mit dir zu reden traut. Ich glaub', heimlich wünscht er nur, daß ich nichts ausricht. Der ist, scheint mir, a Bolschewit gewarten. Mir fagt er nig, der reb't ja nie... Und bann- unter unser fürchtet sich auch a biffet... wir haben ja gar nicht g'mußt, was für ein heißes Blut die jüngere Linie der Fern Leitners hat. Au, bas hätt i nit fagen jollen."
So find wir ja eigentlich einig?"
,, Aber natürlich find wir einig. Meinen Segen haft du... Du hast dich von allen Bourteilen und allem verstaubten Unsinn befreit, Hilde, und uns mit dir. Wenn ich dent', wie man zu meiner Beit so ein braves Bürgermädchen vertuppelt hat... die die Arbeiterin, die fich ihrem Liebsten auf der Wiesen hingibt, hat es
Ein Haus gestohlen und wiedergefunden.
Im März 1925 machte der Maurermeister Christian Jörgensen in Kopenhagen die Entdeckung, daß ein Holzhaus, das er sich an der Ede von Rolf Krates Allee und Amagerbrogade, einem be. lebten Biertel von Kopenhagen , erbaut hatte, spurios verschwunden mar. Das Haus war gestohlen worden. Dabei wir es gar nicht fo flein, es mas acht Meter in der Länge und vier Meter in der Breite. Die Diebe hatten wahrscheinlich bas Haus zerlegt und im Laftauto fortgefchafft. Trog allen Maßnahmen molte es der Bolizet nicht gelingen, auch eine Spur der Täter zu entdecken. Jeßt, nach dreieinhalb Jahren, ertamute Jörgenjen in einem anderen Stabt. viertel das ihm gestohlene Haus wieber. Nun hat der Maurer. meister gegen den Inhaber die nicht ungewöhnliche Klage erhoben, fein Haus gestohlen und drei Jahre lang miderrechtlich benutzt zu haben
Die Sowjetpresse.
Die Rote Zeitung" in Mostau brachte fürzlich intereffante Daten über die Sowjetpreffe, Augenblicklich gibt es in Sowjet rußland 700 Zeitungen, die eine Auflage von 8 Millionen auf weisen. Im einzelnen haben die Zeitungen folgende Auflage: Das 3entralorgan der Kommunistischen Bartei, Bramba 600 000 Egem
plare, das Zentralorgan des Algemeinen russischen Bollzugsrats fchen Zeitungen vor der Oftoberrevolution erreichte eine einzige eine sweftija" 450 000, die Arbeiterzeitung" 320 000, die Leningrader Branda" 100 000 die Rote Abenbzeitung" 200 000. Bon den russi Auflage von 615 000, die übrigen verbreitetfien Zeitungen sollen nur schen Zeitungen vor der Oktobertevolution erreichte eine einzige eine Auflagen von 40 000-45 000 gehabt haben. Die illustrierte Wochenzeltschrift„ Ogonet"( Das Feuerchen") wird in 250 000 Exemplaren gebrudt
Diese Zahlen hören sich sehr schön an; in Betracht zu ziehen ist jedoch, daß die russischen Zeitungen fast alle einen offiziösen Charak
ter tragen. Gerade in der letzten Zeit begann eine scharfe Auseinanderlegung darüber, auf welche Weise das trockene Zeug, das dem Leser verzapft wird, lebendiger zu gestalten sel, und ob nicht an Stelle des offiziösen Charakters eine schärfere Kritik an den Zuständen treten follte.
V'on einem Tank zermalmt.
Die 20jährige Edith Smith fuhr von Haywards Heath in Suffer( England) mit dem Fahrrad nach Gudfield. Plöglich fam ihr auf der Siraße ein schwerer Striegstant entgegen. Ueber diefen Unblid war das Mädchen so furchtbar erschroden, daß sie geradenwegs in das Ungeheuer hineinfuhr und von ihm regelrecht dermalmt wurbe.
Versöhnungstag.
Der Berföhnungstag ist das höchste Best der Juben. Sie feiern es mit ganztägigem Beten und Faften, denn alle Sünden sollen gebüßt, aber auch alle Gegner versöhnt werben. So benußt ein folch frommer Bütter die Baufe, um auf seinen Hauptfeind zuzu geben und ihm die Hand hinzuftreden: Alfo weißt bu, heute ist boch Bersöhnungsfest, da wollen wir wieder gut werden. lnb damit du siehst, wie aufrichtig ich es meine, wünsche ich dir alles, was du mir wünschst!!" Fangste shou mieder an," war jedoch die Antwort
-