Beilage Monfag, 15. Oktober 1928.
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Vor kurzem wurde berichlrl, daß die lettische Re- glerung eiuru zum Tode verurteilten begnadigen wolle. wenn er sich zu wissenschasllichen Versuchszwecken mit der Lepra insiziere« lasse, hier die Schilderung eines Bc- such« im ZNemeler Leproheim. M« m« l, Ende September. Lepraentsetzen packt einen, wenn man nur daran denkt. Neulich <rst las man. datz zwei Kinder, die mit neckten Füßen auf einem Verserteppich gespielt hatten, plötzlich Zl u s s a tz bekamen und ins Lepraheim eingeliefert werden inußten, daß ein« Frau, die ihrem Mann zu Liebe an ihren Bubikopf einen Zopf aus chinefi- s ch» m haar steckte, an Lepra erkrankt«. Ihr Echlckfai wäre be- schieden, dl« Welt sähe sie nicht mehr, sie fänden ein jämmerliches Ende in l«n iveltabgcfchiedenen Anftalten, in denen kein Gesunder leben könne, in denen auch die Aerztc und die Krankenschwestern Leprakran?« seien. An diese fürchterlichen Dinge mußte ich denken, als ich de- klomm crien Herzens vor dem hohen braunen holzzaun des in einem dichten Walde gelegenen Memeler Leprah«ims stand. Kein Christus zieht heute mehr durch die Land«, der nur segnend die Hände zu heben braucht, um die Aussätzigen wieder„rein" werden Zu lassen. Nein, in diesen Heimen, an denen die gesunden Menschen mit einer heiligen Scheu in großem Bogen vorbeigehen, scheitert ärztlich« Kunst an der langsam mordenden Krankheit. Nichts mit den Händen berühren! Ein« freundliche, frisch und gesrmd aussehend« Krankenschwester öffnet die Tür. Ich zeig« meinen Erlaubnisschein zur Besichtigung der Ansiolt. Sie macht mich daraus aufmerksam, daß ich nichts mit den Händen berühren dürfe, und führt mich durch dos heim. Sie tut so, als wenn gar nichts Besonderes dabei wäre, wenn man als Gefunder sich hierhin begibt.„Ach, wissen Sie," sagt sie.„erst neulich mar ein Journalist hier." „So," frage ich,„wann denn?" „Na, drei Jahre wird's wohl her sein.. Die Zeit Hot hier ihre Meister gesunden. Man kümmert sich nicht um sie. Drei Jahr«— für uns immerhin 36 Monat«, hier ist's wie heute»nd gestern. Das L>eim besteht aus einem Wirtschaftsgebäude, daran anschließend auf der einen Seite die Männerstation, auf txr anderen Seite die Frauenstation. „Frauen sind immer doppelt soviel hier als Männer. Augen- blicklich haben wir dreizehn Patienten, neun Frauen und vier Männer. Ich bin hier einundzwanzig Jahr« ini Heim, außerdem ist eine Kollegin von mir hier, die noch länger Dienst tut. Die Anstalt steht 29 Jahre. Sowohl meine Kollegin als auch ich sind kerngesund. Es ist also völlig falsch, wenn man sogt, daß das Pflegepersonal in einem Leprohcim auch krank wäre." Wir gehen durch die Krankenstationen. In fast jedem sehr hellen, mit Blumen geschmückten Zimmer stehen zwei Betten, ist«in Schrank, ein Lehnstuhl, hängen Bilder. Jedes Zimmer ist für einen Daueraufenthalt eingerichtet. Jedes Zimmer kann Bände von menschlicher Not und menschlichem Leid erzählen. Seit fünfundzwanzig Jahren in der Anstalt. Draußen in der Sonn« sitzt ein blinder Mann, der ein- zig« Deutsche — sonst sind nur Krank« aus den Oststaot.m da—, der seit fünfundzwanzig Jahren mit einer kurzen Unier- brechung tn der Anstalt stationiert ist. Er ist der„Historiker" des Heims, weiß über die kleinsten Kleinigkeiten genau Bescheid und spricht ein sehr gewähltes Deutsch. Un, s-inem vergilbten Strohhut hat er ein Netz gehängt, damit die Fliegen ihm nicht in sein zer- sressenes und zernarvtes Gesicht kommen, seine verkrüppelten steifen Hände, dl« so oucsehen, als häite man sie gekocht und die völlig ge- fllhlios sind, spielen mit einem dünnen Spazierslöckchen. Er Ist sehr erfreut über den Besuch. Er oegrüßl mich sehr herzlich. „Der Presse", sagt er...verdanke ich einen großen Teil meiner Bildung. Heute hat sa die Presse einen großen Jhmlurrenten bekommen. das ist das Padio. Die Welt drängt sich durch alle Fugen. auch hier in diese abgelegene Anstalt lammt Kunde, was draußen passiert. Ich bin über alles orientiert. Es ist gut. daß ich noch andere Interessen habe, es märe ja sonst sehr schimm. ich müßte dann nur an nlein» Krankheit denken. Leider kann Ich keine Blindenschrift mehr lesen, denn, sehen Sie. mein» Hände haben gar kein Gefühl mehr Das ist mein einziger Kummer. Aber die Hauptsache ist. daß man sich mit dem Leben abfinden kann. Di« Schwestern sind so gut zu uns— doch erzählen Sie mir lieber von der Welk, es ist ja wieder sehr unruhig draußen, Polen , Litauen .. Mebikanienle haben leinen Zweck. Wir unterhalten uns über dos M c m« l l a n d. Cr ist gut orientiert, spricht mit mir über kulturelle Autonomie und politische Souveränität und erzählt dann wieder von seiner Krankheit. Seine halbe FamUie war hier, der Pater und die Schwester, beide sind tot, er ist erblindet. Sieben Jahre hat er im Bett gelegen. Gelenk- Versteifungen gehabt, heute kann«r die Beine wieder bewegen, ohne Medikamente genommen zu haben. „Medikamente haben gar keinen Zweck. Sehen Sie, wir haben hier eine Frau, sse ist zwanzig Jahre in der Anstalt, ste hol neben vielen anderen Injektionen in dieser Zeit 3 4 llstü(vierunddreißig- tausend!) Gramm Antileprolöl, das die Inder bei Lepra- ertrankungen verwenden und gegen da» auch die Wissenschaft nicht« hinzuwenden hat, geschluckt. Der Frau geht's gar nicht besser."
fBierunddreißigtaufend Gramm?— Di« Schwester nickt zustimmend) Das Oel wird ans einer Pflanze gewonnen. „Ich selbst habe mich in»roslli-n inflziert. Mein Pater war dort Ingenieur und baut« Eisenbahnen. Ich war drei- zehn Jahre alte, als ich nach Deutschland kam und im Rheinland dos Gymnasium besuchte. Auf der Untertertia drückte mir einmal ein Mitschüler einen Reißstift in die Hand. Ich sühlt« nichts. Das waren die ersten Anzeichen der Krankheit. Später bekam ich Knoten am.Hals. Sie brachen auf. Ich hatte die Lepra . Man brachte mich hierher." „Man muß drei Arten von Lepra unterscheiden. Di« tuberöse Lepra, sie liegt tn der Haut, bildet äußerliche Knoten, Gr- schwüre an Händen imd Füßen, dann die onästhetisch» Lepra, sie macht gefühllos, lähmt die Nerven. Es kommt oor, daß man dann die Augenlider nicht mehr schließen kann, die Bindehäute trocknen aus, man erblindet. Sehen Sie mich... Und dann gibt es noch den Usbergang der«inen Art in die ander«, die sogenannte gemischt c Lepra. Sin Opfer, das die Liebe bringt. Im übrigen ist es völlig absurd, daß Lepra unbedingt an- st e ck e n d ist. Als ich vor fünfundzwanzig Jahren hierher kam. lebt« bier«in jungnerheiroteter kranker Mann. Seine Frau, die ge- sund war, hatte die Erlaubnis erhalten, ihn zu pflegen. Da die dafür festgeletzt« Zeit nur beschränkt war, brachte sie das größte Opfer, dessen ein liebender Menich fähig ist. Sie versucht« sich zu infizieren, um für immer bei ihm bleiben zu können. Sie badete in dem Wasser, in dem ihr Mann gebadet hatte, aß aus dem Geschirr, au« dem er gegessen hatte, schlief m den Betten, in denen er schlief, küßt« ihn auf sein« Wunden— ober sie blieb gesund. Der Mann starb, 5i« Frau lebt noch beute. Die Krankheit braucht bis zu ihrem Ausbruch mindestens fünf Jahre, es lonn ober auch achtzehn oder zwanzig Jahre dauern, bis sich nach der Infektion irgendwelche Anzeichen bemerkbar machen. Es ist also blühender Unsinn, wenn man sagt, daß schon
noch einer Stunde bei der Frau mit den, Zopf oder den Sstide-» auf dem Perserteppich sich Lepra gezeigt haben sollte. Lepra , die sich noch einer Stunde zeigt, vergeht auch wieder nach einer Stund«. Außerdem sst es nicht wahr, daß hier jemals— beide Fäll« sollen ja ln Königsberg passiert sein— Kinder oder besagt« Frau mit dem Zopf eingeliefert worden sind. Sogen Sie das bitte den Zettungs- lesern. Und fügen Sie hinzu, daß auch die Geschichte von dem Aus- bruch der Leprakranken in Südamerika , die die ganze Bewohnerschaft einer Stadt aus Roche verseucht hoben sollen,«In schlecht erfundenes Märchen ist." Ruhig und sachlich erzählte mir der Mann das. der hier saß unter Menschen, mit denen er stch nicht unterhalten kann, da sie ander« Sprachen sprechen, die Ihn auch nicht verstehen könnten, wenn er ihre Sprach« redete, der nur den Krankenschwestern gelegent- lich sein Herz öffnen darf, der ein Philosoph geworden und der ein lustiger Mensch geblieben ist.„Sie sind sozusagen«in Kolleg« von mir," erklärte er mit einen, seinen Lächeln,„nur daß ich trank bin und nicht schreiben kann. Aber ich freu« mich, daß Sie gekommen sind. So ein Besuch Ist ein Lichtblick In dunNen Togen." Di« Glocke läutete zum Mittag. Der Blind « wurde von einer kranken Frau weggebracht. Die Schwester führt« mich weiter. Di« Kranken essen in geineinsamen Räumen. In einem Zimmer lag ein« alt« Frau, die einen Schloganfall gehabt hat. Sie log ganz unbe- weglich. Bald werden nur noch zwölf Krank« in der Anstalt sein... Oer Hauptherd der Krankheit. Di« meisten Kranken sind seit Jahren dort. Nur eine Frau sst im Mörz dieses Jahres eingeliefert worden. Während de» fast dreißigjährigen Bestehens des Heims sind insgesamt siebzig Krank« dort stationiert gewesen. Der Hauplherd der Krankheit in Europa ist in S st l a n d, tn Lettland und ln Norwegen . Dies« Länder haben eigene große Heime. Wir mir der medizinisch« Oester der Zlnstalt in Memri, Landesmediztnolrat Kirwitzke, sagte, sind die Nachrichten über eine Erfindung eins» Mittels gegen die Lepra gegenstandslos. So etwas gäbe es noch nicht. Und wenn da neulich publiziert worden ist, daß in Lettland „ein wunderbarer Erfolg gezeitigt wäre", indem vier gehellt« Krank « in Gegenwart des Stoatspräsidcntin entlassen worden seien, so ist das nichts Absonder» liches. Auch in Memel fei dos vorgekommen, ober nicht infolge der Heilmethoden, sondern einfach deshalb, well sich die Krankhest von selbst in sich verkapselt hotte, so daß keine Gefahr für Ansteckung bestand.(Diese Leute blieben dann aber auch weiterhin unter ärzt- llcher Kontrolle.) Er habe im übrigen die Erfahrung gemacht, daß Lepra nicht ansteckender sei als Tuberkulose, vi« Aitsleckung könne nur erfolgen durch Berührung der Wundsekrete und durch Gegenstände, die der Kranke mit seinem Nasenschleim infiziert Hot. In jedem Fall« aber muß der diese Gegenständ« be- rührende Mensch selbst eine Wund« haben, in die die Bazillen«tn- dringen können. Daß das Pflegepersonal sich angesteckt habe, sei au» den europäischen Lepraheimen bisher nicht bekannt geworden. Wenn es aber einmal vorgekommen fein sollte, dann sei es schließlich nur darauf zurückzuführen, daß auch KraNkenschtnestc—, und Aerzte nicht gegen Krankheiten gefest sind. Lritr HirsedkeM.
Aus der Jugend des Eiffelturms.
Bon einem Leser wird uns geschrieben: Im Anschluß an die Mitteilung des„Abend", daß der Eisselturm in Poris wegen der vielen Reparaturen abgetrogen werden soll, möchte ich einiges erzählen, was ich selbst vor vielen Iahren erlebt habe. Es war Im Jahre 188Ü, zur Eröffnung der Poriser Welt- ausstellung, als der Eiffelturm fein« erste Jugend verlebte. Ich hatte Anfang Juli, an einem Sonnabend, in Metz zu tun. Ich entschloß mich, den Sonntag in Paris zu-verweilen und mir die Ausstellung anzusehen. Der Zug ging rtur bis Eommercy: hier mußte gewartet werden, bis der Schnellzug von Straßburg über Avricourt hielt, um uns nach Ports zu befördern. Beim Worten erlebt« ich ein« heitere Episode. Nachdem ich im Worlesaol Platz genommen hatte, hört« ich an einen, Nebentisch«inen starken Herrn auf sein« beiden hübschen Töchterchcn schimpfen. Worte wie„Sakrament".„Jesus Maria" und.„Hobt mm ein« hohe Schule besucht und in ein' Kloster ver> weist und könnt nit on paar Worte französisch plauschen. Kann für mein« Gulden kon Speis und Trank bekommen". Ich spitzt« meine Ohren und rief ihm in deutscher Sprach« zu:„Was wollen Sie denn essen?" Im Nu sprang der Herr mit seinen beiden Backsischchen an meinen Tisch heran und umarmte mich stürmisch, und die Töchter- chen wollten e» ihm beinahe nachmachen. Ich rief den Kellner, und Pater und Kinder konnten sich gütlich tun. E» dauert« nicht lange, so wurde abgenisen:„Zug nach Paris !" Mein« Mitreisenden stiegen tn elnr höher« Klasse ein. Di« dritte Klasse war wie ein Gefängnis, denn jeder Reifend« hatte seinen Sitz allein, rechts und llnks befand sich eine BreNerwanb, so daß man sich nur mit denn gegenüber sitzenden Reisenden unter- halten konnte. Jeder der Mitreisenden hatte eine Flcssche Wein bei sich, so daß, als der Zug in Epernay Aufenthalt hatb.', die Heb« im Wartesaal, die für 25 Centimes ein Glos Champagner aus- schenkte, wenig Zuspruch hatte. Gegen Morgen rollt« der Zug aus dem Straßbuiger Bahnhof in Paris «in. Hier wurde ich von dem Boter, welcher, wie>ch später erfahren hatte, ein reicher Bier- braver aus Thurn-Teplitz war, mit seinen beiden Töchtern emp- sangen. Doch mußte ich mir die Herrscholten abwimmeln, da mein Aufenthalt für den einen Tag keine Zest übrig ließ. Nun spazierte Ich durch den Boulevard de Strasbourg und andere Straßen, die morgens vor Schmutz starrten. Bor jedem Haufe log ein Hausen Müll und Küchcnabjäll«, und dl« Straßen- kehrer walteten ihres Amtes. Auch sonst macht« Portz am Morgen einen schlechten Eindruck, die Frauen und Mädchen gingen in Unter- rock und Nachtjacken einholen. Gegen neun Uhr besuchte ich die be- rühmte Modele, nekirch«. Ganz in der Nähe ist der Place de Concordla und der Jardin de Luxembourg , wo elsaß - lothringische Knaben militärisch einexerziert wurden. Nun begab ich mich zur Ausstellung. Schon am Stroßburger Dahnhof fiel mir der alles überragend« Eiffelturm auf. Ich fuhr sofort nach oben. Im ersten Stock waren mehrere Nestau« rants, wo man sich erst erfrischt« Dann ging e» zum zweiten Stock- werk. Hier konnte man seinen Namen und anderes drucken lassen. Schließlich kam man im dritten Stockwerk an. Schon unterwegs wackelt« es so sehr, daß einige Damen laut aufschrien. Endlich, nach einer Dauer von nur zehn Minuten, wurde das Kupee aufgerissen,
man lud uns ein, hsrouszugehen und in das Teufelsloch hineinzukrieckiei,. Da schaukelte es hin und her, so daß mir Sehen und Hören verging. Der alte Invalide, der dort stationiert war, hatte nichts weiter zu tun, als die Gäste zu beruhigen. Mit knir- schenken Zähnen schlenderte Ich zu einem Fenster und sah unten ganz Paris , aus lauter Zwerghäuschen bestehend. Am Abend, auf der Wanderung noch dem Stroßburger Dahn- Hof, kehrt« ich in eine Brasserie ein. In meiner Zerstreutheit nach den Strapazen des Tages kamen mir die aufgetischten Kr e b s e alt vor und ich drückte in deutscher Sprache mein Mißfallen aus. Da mußte ich aber bald dos Lokal verlassen, denn die donebenfitzenden Franzosen riefen:„viable de Pruspie!" Nach verschiedenen Irrfahrten erreichte ich spät abend» den Bahnhof. Ich hatte mich aber verspätet und der Zug war ohne mich abgefahren. Nun betuchic ich noch den Montmartre. In jedem Haus« bot sich ein anderes Vergnügen. Trotz der späten Nacht war der Berkehr aus den Straßen sehr stark und man hörte fast bei jedem Schritt eine ander« Sprach«. Gegen Morgen landete ist endlich auf dem Lahnhof; ich fuhr wieder gen Metz , um mein« geschäftliche Tätigkeit fortzusetzen. __ Th, A. Der W underdoktor mit der Hornbrille Der Vorgang, der hier kurz geschildert werden soll, läßt sich auf dle einfache Formel dringen: Die Dummen werden nicht alle. Herr Neswetter ln Georgswalde an der süchstsch-tschechv- (lorooflschen Grenge bildet ein« jener typischen Erjcheinnngen, die aus ihre» Vorteil bedacht, die„Naivität" der anderen ausnützen. Er hatte vieles, was ihm behilflich war, vorwärts zu kommen: Eine einnehmende Erscheinung, und vor ollem»ine schwarze Hornbrille. Sechsmal wegen verschiedener Delikte vorbestrast, taucht« Neswetter zuerst als Händler mit verschiedenem Krimskrams auf. Do der Handel mühevoll und wenig lukrativ war, sah er sich nach besseren PerdienstmögNchkeiten um. Er hängte die Hausiererei, wie früher die Zimmerei on den Nagel und etablierte sich als Naturheil- kundiger Dr. Neswetter. Erst in Rumburg . Dann in Niederehrcn- berg. Und dann blühte sein Weizen in Georgswalde . Hier war er bald ein« gesuchte Persönlichkeit. Im Gasthof zur Haltestelle be- handelte er. Sein Patientenkreis wuchs von Tag zu Tag. Nss- wetter behandelte alles, was ihm in die Hände kam. Es gab keine Krankheit, die er nicht zu heilen gewußt hätten Medikamente, Trok- tätchen, Pillen, Salben, Tränkchen, alles war bei ihm zu haben. Unter seinen.Kunden befanden sich auch solche aus den„besseren Kreisen". Der„Wunderdoktor" führte genau Buch über sein« Praxis und verstand es glänzend, für sich Reklame zu machen. Er trieb großen Aufwand, Autofahrten waren bei ihm die Regel, aus- gedehnt« Dummelreifen wiederHollen sich immer wieder. Er war ein fescher Kerl, der lebte, der auch leben lieh, und der es auch tonnte, denn seine Honorare erreichten ein« ansehnliche Höhe. Di» Dezugsguell« seiner Medikamente war ein« Rumburger Drogerie. von der er anscheinend auch einen Teil seiner ärztlichen Kenntnisse bezog. Doch schließlich schritt die Gendarmerl« ein. Seine Patienten diesseits und jenseits der Grenze müssen nun ohne ihren feschen Arzt mst der Hornbrille auskommen.