Wir führen den Kampf weiter! Die Erinnerungsfeier an die Zeit des Sozialistengesetzes.
Das war ein Aufmarsch! Das war eine Kundgebung! Das weißhaarige Alter und die frische Jugend: die Männer, die Irauen und die Kinder: die in der bürgerlichen Kleidung und die in der Tracht des Reichsbanners: die. die au» dem Innern der Stadt, und die von ihren Grenzen kamen: die Fahnenträger und die still Marschierenden: sie alle erfüllt von der Begeisterung für eine große Idee, sie alle vereint von dem Willen zum Kampf, sie alle erfüllt von der Freude an der gemeinsamen Arbeit. Wer den gestrigen Tag miterlebt hat, der wird ihn als eine seiner kostbarsten Erinnerungen in seinem Gedächtnis ausbewahren! » Dos aber war vielleicht das Erhebendste, das Größte an der gestrigen Kundgebung im Lustgarten, daß sie vor allem getragen war von der brüderlichen Solidarität der arbeitenden Klasse. Wer lohnt es euch, ihr hundert tausend«amenloser Proletarier, daß ihr stundenlange Wege durch die endlosen Straßen Berlins machtet? Wer dankt es euch, daß ihr wieder einmal einen Sonntag der Partei opfertet? Den Lohn und den Dank tragt ihr in eurer elgevea Brust. Es ist die immer bereite Hingabe an das sozialistische Z d e a l. es ist das nimmer ruhende Bor- wärlsstreben zu den Zielen de» Sozialismus: es ist die Treue zur Klaffe, die Bereitschaft des einen für alle. die Demonstrationen von dieser Art zu packendem Erlebnissen für den einzelneu wie für die Masse macht. Wir sahen euch, ihr Veteranen aus der Zeit des Schandgesetzes, wie ihr euch fast schämtet, daß ihr einmal im im wagen fahren solltet, während eure Kameraden zu Fuß marschierten. Wir sahen euch, ihr F r a u e n des Prole- larials. wie ihr tapfer durch den grauen Mittag wandertet. unbekümmert darum, ob nicht der einfallende Regen euer rinziges gutes Kleid vernichtete, wir sahen euch, ihr Krieg». krüppel, ihr rotenFalken. ihr Sportgenossen. Und alle trugt ihr auf euren Lippen das Lied vom Kampf, da» Lied vom Sieg. Eine unübersehbare Maffe. aber eine Masse von Einzelpersönlichkeiten. eine feste und entschlossene Front für den Sozialismus.
In dieser Stunde wollen wir nicht von jenen reden, die gestern noch nicht wieder dabei waren. Die sich einst in den Tagen der Prüfung, in der Zeit de» Zusammen- bruchs und der Vernichtung von uns getrennt halten und noch immer nicht den Weg zu uns. den Weg zur Klasienfroat des Proletariats zurückgefunden haben. Wir wissen, daß sie wiederkommen werden, müde des Bruder- kampfes. müde der Zerstörungsarbeit. Auch ihnen galt unser Aufmarsch. And wir wünschen nichts sehnlicher, al» daß zur nächsten Demonstration der Sozialdemokratischen Partei, der Partei der Arbeiterklasse, das Berliner Proletariat wieder wie in seinen besten Tagen einig und geschlossen auflrilt. « so Jahre sind es her. daß Bismarck , der eiserne Kanzler, der..Heros" des kaiserlichen Deutschland , die Ar- beiterschaft durch das Sozialistengesetz vernichten wollte. Damals hatte erst eine kleine Schar die Forderungen des Sozialismus begriffen, aber heute ist es ein Riesenheer. Denn stärker als alle Ausnahmegesetze ist die Macht der So- lidarität, mächtiger al» die Lureaukratie. die Polizei und die Justiz de» alten Staate» ist die Bewegung, von der da» Proletariat getrieben wird. Und wo damals erst hunderte und Taufende standen. da sind e» heute Hunderttausende und Millionen. And wenn ehedem der monarchische Staat sich gleich einer drohenden Faust dem Proletariat entgegenstreckte, so ist e» heute die Republik , die wir besitzen und die wir nach unserm Willen weiter gestallen werden. In diesen Zeichen sind wir gestern marschiert, in diesen Zeichen flatterten die roten Fahnen, begrüßten wir unsere vor- kämpfer au» der Zeit des Sozialistengesetze«, in diesen Zeichen erdröhnte im Berliner Lustgarten zum Abschluß der Kund- gebung da» hunderllausendfache h o ch auf die völkerverbiu- dende, auf die völkerbefreiende Sozialdemokratie! Vorwärts zum Kampf für das schassende Volk! Vorwärts zum Sieg? Der Aufmarsch im Lustgarten. Der Lustgarten zeigte das gewohnte Vild unserer großen Kundgebungen. In der Eck« an der alten Apotheke hatten di« Samariter ihr Zelt aufgeschlagen. Oben auf der Schloß. balustrad« waren die riesigen Lautsprecher montiert, um die Stimme der Redner über den weiten Platz zu tragen. Mitten auf dem Platz weht« von einem hohen Mast eine große rot« Fahne. Bevor die Züge eingetroffen waren, hott« sich dos Reichsbanner eingestellt. Rasch wurden Stühle aufgestellt für die alten Kömpen. di« an der Feier teilnahmen. Um 12 Uhr war« schierten di« ersten Züge auf den Platz. Don vier Anmarschstraßen schlängelten sich di« Kolonnen heran. Das Band riß nicht ab. Der weite Plag vor dem Schloß war ball» gefüllt und nur langsam konnten sich die Züge vorwärtsfchieben. Um 1 Uhr war die letzte Ecke ausgefüllt. Ueber der dicht zusammengeballten Meng« wehten die roten Fahnen, mahnten die Inschriften der zahlreichen Plakate. Der Platz vor dem Dom, vor dem Museum, um den Neptun»- brunnen war dicht besetzt und ein großer Teil der Züge mußte in den Seitenstraßen Aufstellung nehmen. Die Sozialdemokratie marschiertei Hunderttausend« waren angetreten, um für ihr Treu- gelöbnis zum Sozialismus in gewaiiiger Kundgebung zu zeugen. Um. 1�2 Uhr traf der historische Fe st zu g auf dem Platz ein. Durch eine breite Fahrbahn wurde er an der Menge vorbei«
geführt. Starke Bewegung brach nunmehr aus, als der„So- z i a l i st« n t ö t« r Bismarck" mit seinen meterlangen Kürassier- stiebeln vorbeifuhr. Ergriffen verhorrte die Meng«, al, im Feit- zug ein Trupp Ausgewiesener vorübermarschierte. Als die a l t e n K ä m p« n aus der Zeit des Sozialistengesetzes in einem Autobus über den Platz fuhren, dröhnten ihnen Hochruf««nt- gegen. Bergessen waren olle die lzarten Jahre, die Augen der Alten glänzten, begeistert winkten sie der Meng« zu. Wagen auf Dogen zeigte in plastischen Bildern Kampf und Siegeslauf der Sozialdemokratie. An die historischen Wagen schlössen sich die Fohnendeputationen der Arbeiterjugend, der Se- werkschasten, der Sportler. Oer historische Festzug. Inzwischen formierte sich auf dem großen Hinterhof de, ..Lorwärts'gebäude» der historische Festzug. Zum ersten Male hatte die Berliner Sozialdemokratie durch ihre Zentral- leihing einen Festzug zusammenstellen lassen, der. von Künstler. Hand geformt, dos Zeitgeschehen seit dem Bestehen der Partei verbildlichte. Nach Entwürjen ui<> unter der Leitung von Kunst»
Mörder, belehrte«in Schild, dos ist ein fff rster Rebakteur, verknackt von Herrn Teisendorf. 300 Personen, Parkeigenossen, wurden während der Dauer de» Schandgesetzes ausgewiesen. schrie«in andere» Transparent und ihm folgt« ein Elendszug Aus- gewiesener, den Kragen hoch, dos Kösserchen an der Hand, aber Trotz in den Mienen und das Bewußtsein einer großen Idee im Kopfe. Das Paragraphen untier. symbolisiert durch einen fürchterlichen Drachen, verschlang auf dem folgenden Wagen die Arbeiterzeitungen, die eben erst die Druckpress« verließen. Aber weder Bismarck noch Teisendorf , weder Regierung noch Justiz, noch ihre liebsten Kinder, die Spitzel und Angeber, die mit langen Ohren und grosfem Spürnasen aus einem anderen Wagen»er- sammelte Parteigenossen bespitzelten, tonnten da» Schandgesetz ver» ewigen,«g fiel und die Zeit de» Aufstiegs der Parle! begann. Ein Fohnenwald roten Tuches weht« vom Wagen, in besten Witt« «in riesiger Obelisk die Bildnisse Bebel», Adlers» Singers, Liebknechts. Auers, Legiens trug. „Sozialismus ist«ine auf all« Gebiete des politischen, wirt«
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maler Lehnert entsandten IS Festwagen, die mit Figuren. Enblemen, lebenden Darstellern, Kulissen und Requisiten ausgestattet waren. Lassalles Riesenbüste«röfsnet« den Zug. Aus hohem Marmorpostamout ragte.-der mächtige. Kopf. de»,«rften Orgoni- sators der Arbeiterschaft empor. Der Sockel trug Aussprüche von ihm, so: „Woher kommt es den«, daß ihr, die ihr unsere Ideen leill. noch nicht eingeschriebene Mitglieder seid?" Dem Wagen folgte„der erst« Allgemein« Deutsch « Arbeiterverein, von Lassalle gegründet": Männer im blauen Arbeitsanzug brachten diese erste Arbeiterorganisation zur Dar- stellung. Di« Einigung der Lassalleaner und der Eisenacher zeigt« allegorisch der zweite Wagen: Steinblöck« vereinigten sich zu einem Granitfelsen, der ehernen Organisation der „Soziotifrtschen Arbeiterpartei Deutschlands : Eine phrygische Mütze krönte dos Ganze. Ein« Abordnung alter Genossen und Genossinnen stellte die Verbindung her zum dritten Wagen, auf dem „der Urheber de» Schandgesetzes". der Reichskanzler von Blut und Eisen thronte. Der Darsteller, in eine verblüftend ähnlich« Bismorck-Mask« gesteckt,„endete" in einem Paar Riesenkürossierftieseln, di« den ganzen Wagen ein- nahmen und Bismarcks„Auftreten" im damaligen Deutschland der aufgeschreckten Kriegsgewümler und Spießbürger recht sinnenfällig demonstrierten. Dies« Spießbürger folgten denn mich ihrem Herrn in Person: ein maskierter Kriegeroerein latschte, behängen mit Orden und Ehrenzeichen, in abgetragenen Bratenstippern. behauptet mit fürchterlichen Angströhren und mit geschulterten— Regenschirmen hinterdrein. Eine köstlich« Charakterisierung des in Ehrfurcht vor Kürassierstieseln und gestanztem Klcmpnerblcch er- sterbenden Kleinbürgertum»! Der freiwillige, ehrgeizige Gehilf« Bismarcks, Staatsanwalt lestendorf, saß aus dem nächsten Wagen. Seine Waffen: Paragraphenbündel, Gerichts- und Polizeibüttel. gaben ihm Gesellschaft: als seine Disilenkarte hing sein Wahlspruch:.Lerirüinern wir die sozial- demokratischen Organisationen und es gibt keine Sozialistische Partei mehr" am Wagen. Die Darstellung de» Bclagenmgszustandes von damals folgte. Ein Riesendamoklesschwert in Gestalt eines Polizeisäbels droht« auf die Arbeiter und ihre Berein« herniederzusausen.— Gerichtsdiener führten einen Schwer- Verbrecher in Zuchthauskluft gefesselt daher. Da» ist aber gor kein
Bismarcks Kürassierstiefel hats nicht geschafft:
schaftlichen und persönlichen Leben» angewandte Wissenschaft definierte«in Ausspruch Bebels unser« Bewegung.— Die Aus» gewiesenen folgten als Heimkehrer in langem Zug«. Doch Wilhelms Zuchthauevorlage versucht« noch einmal, dem aufgeregten Bürgertum zu Hilfe zu kommen.„Das Zuchthaus für Streikende- Schutz den Arbeitswilligen" zeigte ein folgender Wag»n. Der- kommen« Subjekt« beschirmte ein schutzmännlicher Schutzengel, vergittert« Fenster schlössen den Ausenthaltsraum für Streiksünder ab. Dann kam der Krieg! Ludendorsf sitzt in seinem Haupt- quartier am Telephon und läßt sich vom Tod di« Schlachtbefeble diktieren. Deutsche und„feindliche" Soldat«« verrecken im Draht- verhau— der Schrecken des Bölkermordens wird noch einmal leben- big. Die Durchhalter und die bei Brotkarten und Lebensmittelerjntz Verhungernden teilen sich einen nächsten Wogen. Wer hat unter den hunderttausend Demonstranten damals die Maske der verhärmten Männer und Frauen mchi al» lebendige» Gesicht gehabt? Da. am g. November, räumte das Bolk mit Kömgskronen und Kaiserfesseln, mit Ludendorft» und Hauptquartieren auf. Gepurzelte „königliche Behauptungen", gestürzt« Thron« logen auf dem folgend«!, Wagen wüst durcheinander; an einem Wegweiser sucht« ein Mann mit blauer Brill« den Weg noch„Schweden ", ein zweiter hatte schon den Grenzpfahl„Holland " hinter sich.— Marx und Engels zeigen vom nächsten Gesahrt det deutschen Arbeiterschaft wieder di« Grundlinie ihre» Denken und Handelns, Monarchismus, Militarismus liegen im Staub«! Die allegorisch dargestellte Sazialdemokratie folgt. eine Kolossolbüste der Freiheit mit der phrygischen Mütze blickt auf ihre Anhänger und ihr« Beschützer. Ein roter Fahnenwold umgibt eine handgreifliche Darstellung der sozialdemokratischen Wahlerzahlen von 1871 bis 1S28. Damals 351 061 Wähler, dargestellt diuch einen recht kurzen, roten Stab, heut««in Heer von 9 146 165 Stimmenträgern—»in««tagenhoh« Latte, dazwischen dl« ständig steigenden Wählerzahlen, demon- strierten von immer wachsenden Stäben— dos Ganze ein eindring- liches Bild unseres Wachstums. ..Aste» durch da» Volk, Aste» für da« Volk!" so leitet«in Transparent über zu mm folgenden Fahnendele» gationen der Berliner Vereine und Organisationen. Die Ab- teilungen der Sozialistischen Arbeiterjugend, di« Gewerkschaft»- und ZdA.-Iugend, di« große Kreisfahne der Arbeitersportler, die Riesen- flagge der Schwimmer, das Hauptbanner der Freien Turnerschaft Graß. Berlin und die Bezirkefohnen, dos große Tuch von Eiche- Köpenick, die Ruderoercin« Borwärts. Collegia, Freie Kanu-Uman. Freie Faltbcotfohrer, der Schwimmoerein Freiheit, die Freien Schwimmer Groß-Berlin und die von Charlottenburg . Gesang- vereinsbanner. Radfahrerabteilungen von„Solidarität" und Groß- Berlin, d>« Zeichen der Altersturner und Schwimmer, die Wimpel der Naturfreunde— wer zählt die Floggen, nennt die Forden? All« trugen voran ihr leuchtend Rot, in Kopf und Herz Gesinnung und Wollen! Die Enbleme de» neuen Staates folgten: Reichsbannerfohnen, zuerst eine historisch« von 1848. dann Sau- und AbteUungsjtandarten. Am Schluß des Zuges marschierten Delegiert« der sozialdemokratisch gesinnten Studieren- den der Berliner Hochschulen. Die zu Fuß und in einem großen Rundreisewagen mit- marschierenden„Veteranen des Sozialistengesetzes" gehären nicht zur Historie, wir begrüßten sie al, lebend« Vorkämpfer von damal»: ihnen nachzueiserv, schwor gestern die sozialdemokratische vevölkerung von verlia!
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