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Ein Rennfahrer-Roman von Andre Reuze. Obersetzt von P.A. Angermayer

(32. Fortsetzung.) Das könnte natürlich die Kundschaft abschrecken!.. Ich hatte eben Maschinensch»ü>«n... aber was für einen... das hütet man sich hinauszuposaunen!... Hören Sie bloß aus!... Wenn aber einer die Wahrheit zu schreiben wogt, ist es nur Herr Raoenelle"! Daran wird mich auch keiner hindern können/ bestätigte Ra- venell« ruhig. Bleich vor Wut wandte sich Robardeau an den Berichterstatter: Sie oersäumen ohnehin keine Gelegenheit, Ihre böswillige Kritik an der Rundfahrt auszulassen!... Sie sind der einzige, der andauernd etwas auszusetzen hat!... Ihre Kollegen, und nicht nur die von der Sportpresse, schlagen«inen ganz anderen Ton an, und noch keiner hat uns vorgeworfen, daß wir halbe Leichen noch Paris zurückbringen!" Soll ich etwa Dmge verschweigen, die sich auf offener Land- straße abspielen? Dann dürfen Sie eben in Zukunft keinen Kritiker mehr einladen. Und meinen Kollegen von der Tagespresse werden nur die stärksten Fahrer vorgestellt, und man hütet sich wohlweislich, die Karten aufzudecken. Uebrigens fahren fast alle Kollegen der Tagespresse nur eine oder höchstens zwei Etappen mit und können sich unmöglich ein wahres Bild des Rennens machen. Ich aber verfolge die Rundfahrt feit acht Iahren im Auto, vom Anfang bis zum Ende, und weiß besser Bescheid. Gewiß, die Fahrer nehmen alle Strapazen freiwillig auf sich. Aber die Fabriken führen die armen Teufel durch große Summen in Bersuchung. Wenn irgendein Irrer heutzutage dreimolhunderttausend Franken für denjenigen aussetzen würde, der vom Eifelturm herunterspringt, fände er tau- send arme Teufel, die noch verrückter sind als er und den Sprung wagen würden." Robardeau drehte ihm wütend den Rücken und ging aus der Schmiede. Nach zwei Stunden härtester Arbeit hatte Laboureur fein Rad wieder instand gesetzt. Aufatmend richtete er sich hoch. trank ein großes Glas Bier und verzehrte ein Stück Landbrot, das ihm die Frau des Schmiedes angeboten hatte. Wieviel bin ich schuldig?" erkundigte er sich dann Du wirst dir doch nicht einbilden, daß ich von einem so tapferen Kerl wie dir Geld annehme?" entgegnete der Schmied.Uebrigens bist du ein sehr guter Mechaniker, mein Lieber!" Ergriffen sah ihn der alte Fohrer an und sagt«: Deine Gesinnung freut mich riesig, trotzdem mußt du aber etwas annehmen, weil ich sonst wieder bestrast werde." Widerstrebend steckte der Schmied das Geld in die Tasche und brummte: ./ich weiß zwar nicht, wer deine Borgesetzten sind, aber das können keine besonders anständigen Menschen sein." Draußen hatten sich inzwischen noch viel mehr Neugierige an- gesammelt. Laboureur sprang in den Sattel: .Na. heut komm' ich sicher erst nach dem allerletzten Touristen- krebs m Dünkirchen an, das steht fest!" Ms er in die Pedale trat, riefen ihm die Beute zu: Bravo , Laboureur!... Bravo, Stephan!"... Da zog er, ehe er die Maschine in voller Schnelligkeit hatte, sehr würdevoll die Mütze vom Kopf und verneigte sich vor diesem Publikum, das seinen Mut und feine Klasse zu schätzen wußte, dankend nach allen Seiten. Der Photograph desSportspiegels" beugte sich rückwärts aus dem Auto, hielt den Apparat in beiden ständen und rief: Na, Jean, mach' doch ein freundliches Gesicht! Ich will für dein« Braut ein Bild knipsen!" Cheoillard schob die Schutzbrille auf die Stirn, gab sich staltung und lächelte. Wenn ich erst mal den Eiffelturm sehe, kannst du mich noch mal photographieren," sagte er. Damit sprach er den Gedanken aller Fahrer aus. Jetzt suchten sie schon den Riesenturm zwischen den Bäumen, der chnen endlich das Ziel ihrer Rundfahrt anzeigen sollte. Doch Paris war, so schnell sie auch fuhren, um endlich hinzukommen, noch weit. Aber was bedeuteten schließlich die letzten 34ö Kilometer? Bor einem Monat waren hundertsechzig Mann an den Start gegangen. Nun kamen achtunddreißig abgemagerte, araberbraune, narben- bedeckte Fahrer zurück. Bon hinten sah es nicht aus, als ob sie einem Ziel zueilten, sondern als ob sie vor irgend etwas auf der Flucht wären. Sie flohen vor der nächllichen Kälte, gegen die sie altes

Krollen in die Lenden schlug, und die Stöße der steinigen Straß«, die ihnen alle Gelenk« marterte. Und sie flohen vor allem die Langeweile und den Ueberdruß, gegen die sie endlose Stunden an- kämpften. Als Mainguy die fahlgewordenen Trikots der Ueberlebenden ansah, mußte er jener Armen gedenken, die der Landstraße unter- legen waren. Im Geist sah er Le Bozec entmutigt in der Wirtsstube in stostens sitzen; den kleinen Crousse mit den pflosterfteifen Beinen: Gerardot, der sich in Lriangon legen mußte, weil er nicht mehr sitzen konnte: den im Regen zitternden Samba-Takore und noch viele andere, die erschöpft, trank oder verletzt waren oder deren Räder das Rennen nicht aushielten. Desto mehr stieg seine Bewunderung für jene, die trotz allem durchgehalten hatten:

Uor Spitzentabrer. Tampier, Blanc-Mesnil, und insbesondere Laboureur, der, obwohl ihn sein Gabelbruch auf den zehnten Platz zurückgeworfen hatte, keine Sekunde ans Aufgeben dachte. Run wurden die Fahrer von derart zahlreichen Radfahrerschwärmen bejubelt, daß der Maler gerührt davon war. Jubelt, schreit, brüllt und klatscht, dachte er bei sich, ihr wißt alle nicht, was sie geleistet haben, und könnt ihnen nie genug zujubeln! In den Autos herrschte fröhliche Stimmung. Di« Bericht- erstatter wußten, daß sie ihren nächsten Artikel nicht inmitten einer Hetzjagd, sondern hübsch ruhig an ihren Schreibtischen schreiben würden. Die Photographen, die dreißig Tage lang auf der Jagd nach Sensationen waren, die schnellstens in alle Welt verfchickl werden mußten, ließen endlich ihre Apparate ruhig auf ihren Knien liegen. Die Ehauffeure, denen von den zahllosen Kurven in den Bergen noch die Arme schmerzten, träumten schon vom grünen Rasen der Rennbahn, wo sie ihre Autos wie.zu einer Parade auf-

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stellen würden. Selbst die Wogen, die mit letzter Motorkraft die steilen Berge erklettert hatten, schienen, von ihren verblichenen Fähnchen überweht, leichter dahinzurollen. Tampier hatte eint Peitsche in der stand, um dem Sieger lästige Begleiter oder allzu begeisteNe Spaziergänger vom stals zu halten. Majotte verbarg sein braunes Gesicht unter einem durchlöcherten Pferdestrohhut. Cheoillard wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß oow Gesicht. Reiß dir bloß nicht die letzte staut weg!" sagte Tampier.Sie wird deine schmutzige Nase schon übersehen!" Jeanine wartete auf ihn. Ihren letzten Brief barg er an seiner Brust. Alle Qualen halt« er nun vergessen. Sie lieble ihn. Ei war wie im Märchen. Ruhm, Geld und Liebe strömten nun gleich« zeitig auf ihn nieder. Sein Name, den Taufende und aber Taufende begeistert riefen, schien thm der eines Fremden zu lein. Er fuhr wie im Traum. Er dachte an liebende Arme, die nun ball) seinen Hals um- sangen würden, an blaue Augen, die ihn bestaunen, an einen lächelnden Mund, der ihm Liedesworte flüstern würde. , Grimpart begann zu singen: Jetzt fahren wir nach Paris . nach Paris nach Paris !..." Die Fahrer lachten und waren schon vom Wirbel der großen Stadt gepackt, die ihnen bereits Tausende von jungen Radfahrern entgegensandte, die sich zwischen huschenden Motorrädern durch schlängelten, in deren Beiwagen reizende Frauen saßen und mit den ständen winkten. Cheoillard mußte an das junge Mädchen denken, das ihm aw Start die Rückenmimmer aufgenäht halte. Wie sie sich jetzt wohl freuen und die Zeitungen verfolgen, wie sie lachen würde, dem kleinen Cheoillard so großes Glück gebracht zu haben!. Ek hoffte innig, sie irgendwie, wieder, zusehen, um ihr danken zu könne«. Vielleicht stand sie sogar hier, längs der Straß«, und suchte ihn. Von nun an widmete er den Zuschauern etwas mehr Aufmerksanf keit, dankte durch Kopfnicken, wenn man ihm zurief ober lächelte, wenn ihm hübsche Frauen Kußhände zuwarfen. Die Ovationen wuchsen so gewaltig, als hätten die stunderttauserrde dreißig Tag« lang nur nach einem einzigen Namen gesucht, den sie nun>« sieghafter Freude, ihn endlich gefunden zu haben jubelnd hinaus« brüllten: Cheoillard!... Cheoillard!... Cheoillard!" Stundenlang hatten die Menschen Sonne und Staub getrotzt, um den Giganten der Landstraße Beifall klatschen zu können. Ma« erdrückt« sich fast, um wenigftens einen Blick von der zwanztg« köpfigen Spitzengruppe erhaschen zu können. Das Feld durchsauftf Beauvais , Poissy und Saim-Germain. . Hier wartete schon das echte, witzige und begeisterte Volk oo« Paris . Schluß!" sagte Mainguy.Jetzt gehören uns die Fahrel nicht mehr!"(Fortsetzung folgt.)

WAS DER TAG BRINGT.

Eipo letzte Erfrischung. Zeitungspapier unters Trikot stopften. Sie flohen die endlose Ein- tönigkeit sonnendurchglühter Landstraßen. Sie flohen den quälenden Durst, der sie wie Tiere an die Brunnen trieb, und die Müdigkeit, die chnen die sanften Wiesen nur noch verlockender und grüner fnachte Sie flohen dta Schwacheonsalle, die chnen die scharfen

Eisenbahnidyll von der Grenze. Wir deutschen Staatsbürger sind gewiß allerhand gewähnt von nicht besonders entgegenkommender Behandlung durch die Eisen- bahnoerwaltung. Aber ein Dorfall, der aus Nordböhmen be- richtet wird, ist wohl doch nur auf jener als.stille Weltmeerbohn" bekannten Strecke Röhrsdorf Zwickau Deutschgobel möglich: Während die Reisenden am Bahnsteig des Bahnhofes Deutsch- gabel dem Verschieben des Zügle zusahen und warteten bis sie ein- steigen konnten, dampfte der Zug plötzlich leer zum Bahnhof hin- aus. Di« schimpfenden Fahrgäste erhielten zum Trost das Geld am Schaller zurück, und eine Belehrung gratis dazu, daß in Deutsch- gabel nicht ausgerufen werde und jeder zufehen müsie, wie er wegkomme. Waltischfang zwischen Flensburgund Glücksburg. Die aus Robdschleswig gemeldet wird, sind in dem dortigen Fahrwasser, besonders in der Apenrader Förde, in diesen Tagen mehrere Walfische beobachtet worden, die sich, den Herings- zügen folgend, soweit nach Süden verirrt haben. Zwischen Flens- bürg und Glücksburg wurde ein junger, 5 Meter langer Wal von einem Fischer gefangen und an Land geschleppt. Das Tier wog ungefähr 750 Kilogramm. Radiumgewinnung in der Tschechei. Die Radiumgewinnung in der Tschechoslowakei in den letzten zehn Jahren betrug, einen kleinen Vorrat einberechnet, 14,6 Gramm, wovon an Anstalten und Aerzte 5,5 Gramm verliehen, 1,3 Gramm verkauft und der Rest in,Dorrat gehalten wurde. Für 1929 rechnet man mit einer Radiumgewinntutg von 3 Gramm. Bekanntlich ist der Radiumverkauf erst vor kurzer Zeit durch Ministerialratsbe- schluß freigegeben worden. Beendigung einer zehnjährigen Blutfehde. Nach langwierigen schwierigen Derhandlungen ist es endlich ge- lungen, zwischen zwei Familien im Kaukasus östlich von Batum eine Blutfehde beizulegen, die zehn Jahr« gewährt hat und in deren Verlauf auf beiden rund zweihundert Personen getötet worden sind. Bor zehn Jahren brach bei einem Markttage ein j Streit zwischen zwei angesehenen Bauernfamllien aus, der in Tät- > lichkeiten ausortete. Beide Teile schieden mit der Drohung, daß die erlittenen Beleidigungen mit Blut gerächt werden würden. Noch am selben Wend kam es zwischen den beiden Familien und deren Verwandten zu einem erbitterten Kampf, in dem siebenundzwanzig Personen getötet wurden. Von jenem Tage an nahm die Blut- fehde mit unerhörter Wildheit ihren Fortgang. Ws aus den er- littenen Verlusten ersichtlich wurde, daß be! einer welleren Fort- dauer der Fehde die beiden feindlichen Familien gänzlich ausge- rottet werden würden, legten sich die Nachbarn ins Mittel und ihnen gelang es jetzt endlich, die Aussöhnung herbeizuführen.

Zarenbildnis auf der Sowjetseife. Das Zentralgeschäft des staatlichen Konsums in Moska « wurde dieser Tage überraschend polizeillch geschloffen, well in ein« zelnen Filialen Seife mit dem Zarenbildnis als Präge' st e m p e l gesunden worden war. Die eingeleitete Untersuchung er gab. daß die Verwaltung der genossenschafllichen Seifenfabrik t>o! dem Andrang der Bestellungen den Kopf verloren und in der Eilt alte Prägestempel mitbenutzt hatte, die im Lager noch vorhanden waren, ohne sie sich erst anzusehen. Täglich fünfzehn Erdbeben in Japan . In Japan wurden im Verlauf der fünf Jahr« fest der große« Erdbebenkatastrophe, durch die Yokohama und«in Teil Tokio » zerstört wurden, im Durchschnitt fünfzehn Erderschütterungen ai« Tag beobachtet. Anläßlich des fünften Jahrestages dieser Kata' strophe veroftentlicht« das Geodynamische Zentralobservatorium i« Tokio einen Bericht, aus dem man erfährt, daß seit dem Jahr 19Ä 27 097 Erdbewegungen in Japan verzeichnet wurden, von den«« freilich nur 9259, das heißt etwa ein Drittel, stark genug waren, ui« sich den Bewohnern wahrnehmbar zu machen. Ritualmordgespenst im Lande des AffenprozesseS, Das Mätzchen vom Ritualmord ist kein Monopol des dunkelste« Rußland ; wenigstens könnten die Vereinigten Staaten es cht« streitig machen, wie folgender Fast beweist, der allerdings für abergläubischen Phantasten ein unangenehmes Nachspiel habe« könnte: In einem Städtchen im Staate New York oerschwand eine» Tages das Töchterlein eines Einwohners. Von irgendeiner Sei« her wurde das Gerücht verbreitet, die Juden hätten es aus rituelle« Gründen getötet. Der Leiter der Polizei lleß den Rabbiner komme« und stellte ihn zur Rede(!) Am nächsten Tage fand ma« das Kind: es hotte sich im Walde verirrt. Der Bürget' meister und der Polizeipräsident beeillen sich nun sich bei de> jüdischen Gemeinde zu entschuldigen. Diese legte jedoch gegen do« Verhallen bei dem Vorsitzenden des jüdisch-amerikanischen Komitee» Marschall Beschwerde ein. Marschall legte dem Bürgermeister nahe abzudanken, widrigenfalls er die Sache dem Gericht übergeben würde Die Kriminalität in Tokio . Wöhrend in Deutschland die Kriminalität im ollgemeinen zurü� geht, ist sie in Japan im steten Steigen begriffen: das steht>' engem Zujammcichang mit den mißlichen wirtschaftlichen Verhol« nissen. So hat sich die Zahl der Verbrechen in Tokio vom Jahre lllÄ bis zum Jahre 1927 fast verdoppell; st« ist von 49 687 auf 87 9# gestiegen. Es gibt da überhaupt kein Verbrechen, dessen Zahl lüt» zugenommen hätte. Einbruchsdiebstähle zeigen fast eine Verdrei sachung, einfache Diebstähle und Taschendiebstähle sind fast aus da' Doppelte giestiegen, ebenso Betrug und Unterschlagung Die Zah der in Japan überhaupt begangenen strafbaren Handlungen hat" in dem gleichen Zeitraüm von 430 831 auf 821«v erhöht.