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Donnerstag, 8. November 1928.
Beilage 1928.
lokmo? ut 9 Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Der Weg der Revolution.
28.10 Kid
Wilhelms
haven
Koln 7.71.
HAMBATS Bremen 6.71 6.17.
Zil. Magdelis
Militärtechnische Bemerkungen zum Novemberaufstand.
8.77
18570
Gerade in den Kreisen des fönigstreuen Offizierforps" hat man sich Jahr für Jahr den Kopf zerbrochen, mie es möglich mar, daß das deutsche Feldheer und die heimatliche Bejagungs truppe im November 1918 feinen Finger rührte, um trog aller Fahneneide und Verpflichtungsscheine den ruhmlosen Abgang des Kaiserreiches hintanzuhalten. Man pflegt das Ber fagen" der faiserlichen Militärgemalt vor der revolutionären Welle auf die Niedertracht bolfchemistischer Verschwörerhorden, die Feig heit der Etappen und Heimattruppen fomie auf die schmähliche Rapitulation der Reichsgemalt in Berlin vor der militärischen Revolte zurückzuführen, ohne sich weiter den Kopf zu zerbrechen über die seelische und moralische Verfassung der damaligen Truppe", die Maßnahmen der Oberften Heeresleitung und der Hellvertretenden tommandierenden Generale, fomie über den mili tärtechnischen Berlauf der ganzen Aufstandsbewegung.
Wie die Revolution erstickt werden sollte.
Die Oberste Heeresleitung war zmeifellos noch in ben ersten Novembertagen bereit, gegen jeden Umsturzversuch die Militärgemalt in ihrer ganzen Schwere zum Einsatz zu bringen. Am 2. November bereits erbat der preußische Kriegsminister, als Militäroberbefehlshaber der Heimat, von der Obersten Heeresleitung eine zuverlässige Division. Daraufhin wurde die 2. Garde Infantericdipifion nach dem Truppenübungsplay Altengrabors in Marsch gefest. Am 6. November setzte die Oberfte Heeres leitung weiterhin die 52. Reservedivision und eine Reihe von Einzelformationen nach der Heimat in Bewegung. Am 7. November murden sogar drei Armeenbertommandos zur Niederschlagung der Revolution aufgestellt und der Abtransport meiterer Divisionen angeordnet. Ein besonderer Rheinbrüdens du 13" für den Rüdmarsch dieser drei Armeen sollte organisiert und zu nächst ein marschbereites Armeeforps nach Berlin vorges führt werden.
Auch die Kommandobehörden der Heimat haben ihrerseits alles getan, um die von Kiel ausgehende militärische Revolte nach Kräften zu erstiden. So befahl der fommandierende General in Altona , der mit der militärischen Operation gegen den repoltierenden Reichstriegshafen beauftragt war, den Vormarsch von zwölf Kompagnien aus Stettin , die Heranziehung einer ge mischten Abteilung aus Hannover , somie die völlige Absperrung der schleswig- Holsteinischen Südgrenze in Richtung Kiel 211e militärischen Gegenmaßnahmen zur Unterdrüdung der Aufstandsbewegung sind jedoch vergeblich gewesen. Ohne einen Schuß gingen die großen Garnisonen zu den Revolutionären über und als die Reichshauptstadt bereits von einem brennenden Ring der Revolte umgeben war, hatte der„ Oberkommandierende in den Marken" lediglich die Berliner Grjagtruppenteile, die als höchst verdächtig galten, sowie das Naumburger Jägerbataillon Nr. 4 als angeblich„ treue Truppe" zu seiner Verfügung. Die drei Jägerbataillone und die zwei Eskadrons, die der preußische Kriegs: minifter bei 3offen zusammengezogen hatte, verbrüderten sich bei der ersten Berührung mit den Bertrauensleuten der Revolution.
Von Polizeioberst a. D. Schützinger.
Lübeck über Hamburg , Magdeburg , Leipzig , Dres= den und schon zeigen sich im Ost en Sturmzeicheit über Danzig und Königsberg .
Auf Schilligreede vor Wilhelshaven fing es an. 18. November bereits um Berlin gelegt, von StettinDie Heizer der Thüringen " und der Helgoland " rissen die Feuer unter den Keffeln heraus. Daraufhin wurde das erste und dritte Geschmader als tampfunfähig nach Kiel zurückgeschickt. Dort tam es am 4. November zum offenen Aufstand, zur Besetzung der Schiffe, zur Wahl der Soldatenräte, furz und gut zur Kon= stituierung der Marinerevolution.
Bon der Waffertante ins Land.
Von Kiel aus dringt sie zunächst gegen die Hansastädte Lübeck , Hamburg und Bremen vor. Am 6. November fällt Altona , Curhaven, Hamburg und Bremen in die Hände der Aufständischen. In Altona spannt die Artillerie die Geschüße aus, die Infanterie übergibt die Kasernen an die Revolutionäre, der fommandierende General nerläßt fluchtertig sein Amt und martet in Lüneburg auf die von der Front zurückgeschickte Felddivision. Von Hamburg und Bremen schlägt die revolutionäre Welle noch am Abend des 6. November nach Hannover über. Am Morgen des 7. wird die Bahnhofswache in Hannover überrannt. Die Truppen des Generalfommandos laufen ohne einen Schuß zu den Matrosen über. Der General Don haenisch, der sich als einziger Komman dierender General" persönlich den Revolutionären entgegenstellt, mird niedergeschlagen und gefangengefeßt.
Noch am Abend des 7. November frißt die Revolution sich nach Besten und Süden fort. In Köln merden die Militär gefängnisse gestürmt, die gesamte Garnison von 45 000 Mann schließt fich den Revolutionären an. Am 8. November mechselt die ganze Brovinz Sachsen , Braunschmeig und Magdeburg die Front, Frantfurt a. M., Leipzig , Halle und Dresden fapitulieren. Ganz Mitteldeutschland tritt ohne einen Schuß der Militärrevolte bei.
Der revolutionäre Ring hat sich also am Abend des
Der Oberkommandierende in den Marken", der brane Linsingen, den der Kaiser so rühmt, steht also am Mor gen des 9. November bereits auf einer unhaltbaren Position. Als fich um 10 Uhr vormittags in Berlin die proletarischen Massen gegen das Stadtinnere in Bewegung setzen, gibt er zwar noch den Befehl, die Umzüge zu verhindern und baut sich an den Brücken über die Spree und über den Landwehrkanal eine Verteidigungslinie auf. Die Schußmaffen sollen jedoch nur gebraucht werden, wenn die Truppe angegriffen wird. Um 12 Uhr fommt der Räumungsbefehl des Rommandierenden des Gardeforps. Um 1 11hr tommt die Meldung, daß die Ersazbataillone des Alegan derregiments und des Regiments Franz sowie das be= rühmte Raumburger Jägerbataillon Nr. 4 zu den revolutionären Arbeitern übergegangen sind. Da fapituliert Generaloberst von Linsingen, weil er feine Truppe hat, die schießen will. Ilm 4 1hr flattert die rote Fahne über Berlin .
Ein leichter Sieg? Gewiß. Die Opfer dieser Revolution sind nicht allzu groß gewesen der Bankerott der alten Gemalten mar zu fehr in die Augen springend, trotz aller hohlen Phrasen des nach Spaa ausgerückten Soldatentaisers von der Animort, die er der deutschen Revolution mit Maschinengemehren aufs Pflaster schreibt. Größer als die Armee von 5 Millionen Soldaten mor der 3orn der Massen. Der fegte die fommandierenden Generale und ihre Regimenter meg; denn er mar feine Machhe und feine Phrase. Er fam aus den tiefsten Tiefen eines belogenen Boltes zur letzten Abrechnung mit einem fluchbeladenen System.
Novembertage an der Front
Von Franz Künstler.
In feinem foeben erschienenen Buch Gebanten eines Soldaten| Explosion geführt, auch ohne die Ereignisse in Deutschland . In zerstört der ehemalige Chef der Heeresleitung der Reichswehr , Generaloberst on Seedt, die Legende von dem Dolchftoß. leber den Einfah der amerikanischen Streitkräfte an der Westfront schreibt er auf Seite 85:
,, Als es sich zum Eintritt entschloß( Amerika , d. B.), fegte eine überwältigende organisatorische Tätigkeit ein, melche ermöglichte, aus dem unerschöpflichen Reservoir von Menschen und Mitteln eine ganz neue moderne Armee aufzustellen, deren Kraftquellen am Ende des Krieges noch keineswegs erschöpft
maren."
Mit diesen Worten bestätigt General Seedt nur das, was alle Frontsoldaten im Besten täglich verspürten, daß mit dem Eintritt Amerifas in den Krieg die Niederlage Deutschlands besiegelt mar. Gegen die mit Waffen und Munition aus bestem. Material überreich ausgestatteten Heere der Alliierten konnte die deutsche Armee nicht mehr mit Erfolg an fämpfen. In Ermangelung von Kupfer und Messing verwendete die deutsche Munitions- und Waffenfabrikation vielfach Eisen und Eisenblech.
So mangelhaft und ungenügend wie die Bekleidung und Bemaffming mar auch die Berpflegung der deutschen Soldaten Die Offiziere hatten bis zum Infrafttreten des Waffenstillstandes eine meit bessere Verpflegung als die Soldaten. An dieser Tatsache wird auch nicht das geringste geändert, menn hie und da Offiziere mit den Mannschaften die gleichen Bortionen geteilt haben. So entfinne ich mich noch einer Begebenheit am Beihnachtsheiligabend 1917. Das Infanterieregiment 451, dem ich angehörte, wurde in den Tagen des Festes der gesamten Christenheit" in Marsch gesetzt, um bei Cambrai gegen die vorrüdenden Engländer zu kämpfen. Wir waren nicht wenig erstaunt, als wir erfuhren, daß für den Regimentsstab auf Befehl des Kommandeurs Major Hüls mann Brötchen aus feinstem Weizenmehl gebaden maren. Filets und Beefsteaks waren für die Offiziere des Regimentsstabes feine Seltenheit. Hielt der Bursche oder Koch nicht dicht, so murde er abgelöst; als Strafe dafür, daß er seinen Kameraden von der unzureid; enden" Ernährung der Offiziere Mitteilung gemacht habe, wurde er in den Schüßengraben gesteckt.
Jeder Frontsoldat tennt die Dinge mehr oder weniger aus cigener Erfahrung, und die Stahlhelmbundführer täten gut daran, ihren Kameraden diese nicht wegzuleugnenden Tatsachen nicht vorzuenthalten, wenn fie vom fameradschaftlichen Geift reden und Die oberste militärische Spitze gab sich eben damals der Täuschreiben. Auf dem Rückmarsch durch Löwen sah ich mit eigenen schung hin, daß man mit irgendwelchen Verbänden des durch Augen, wie ein mit allen Lederbiffen angefülltes Proviantamt von vier Jahre Krieg nerwäfferten" und ausgelaugten" Feldheeres noch Belgiern ausgeräumt wurde. Ganze Lebensmittelzüge fielen in Ganze Lebensmittelzüge fielen in irgendwelche Artionen gegen die Heimat unternehmen die Hände der nachrüdenden Engländer. An der Westfront ging fönnte. Die Zeit der militärischen Operationen gegen das eigene dann auch das Sprichwort vom schlichten Soldatendeutsch um: Bolt war damals längst vorbei. Das Feldheer fowohl wie die Er ,, Gleiche Löhnung und gleiches Essen, jazztruppe in der Heimat war längst teine Prätorianer garde des Kaisers mehr. Dazu war selbst das Truppenoffizier des aftiven sowie des Beurlaubtenstandes durch die mahn wißigen Blutopfer der vier Kriegsjahre feelisch und geistig ent murzelt.
Im übrigen trifft die politisch militärische Reichsleitung in Berlin am allerwenigsten eine Schuld an der Kapitulation vor dem„ inneren Feind". Am Morgen des 9. November hatte sich bereits ein revolutionärer Ring um die Reichshauptstadt gelegt, aus dem es für den Schießfreudig sten Blagtommandeur fein Entrinnen mehr gab. Die Revolte war seit dem 4. November von Kiel und den übrigen Hafenstädten aus unaufhaltsam wie ein Lauffeuer durchs Land geflogen. Da half tein Stommando, fein Gewehr, tein Geschütz, teine Bahnsperre, tein Stintatt
dann wäre der Krieg schon längst vergessen.
Ein besonders tapferer Herr war mein Regimentstommandeur Hülsmam. Bor Arras hatte er hochfieberfranke Soldaten( es war die Zeit der sogenannten spanischen Grippe) nicht in die Aufnahmeftellung oder in das Lazarett bringen lassen, weil nach seiner Anficht die ertranften Soldaten schließlich auch noch die gefunden Mannschaften ansteden fönnten. Er ließ die schwererkrankten Sol daten in der Feuerlinie, obwohl er felbft als Kommandeur fich nicht in den ersten Graben wagte. Auch ihm mar befannigeworden, daß unter den Soldaten Empörung über sein Verhalten herrschte. Im Requirieren mar er ein Genie. Alles, was nicht niet. und nagelfest| und nach seiner Meinung mertvoll mar, ging als Heeresgut nach und nach seiner Meinung mertvoll mar, ging als Heeresgut nach Deutschland . In Douai lud er die Backwagen brechend noll.
Die verzweifelte Stimmung der Frontsoldaten infolge der miserablen Behandlung und Ernährung hätte bestimmt zu einer
Erlenntnis dieser Sachlage nahm fichy mein Regimentsfommandeur ein Bespiel an feinem obersten Kriegsherrn Wilhelm II. und verließ noch vor Abschluß des Waffenstillstandes fluchtarlig sein Regiment. Als das Regiment auf dem Rückmarsch am 9. November in Cambron- St. Vinent antrat, war der Herr Kommandeur auf und davon. In einem von Franzosen requirierten Dogcart und in Begleitung seiner beiden Burschen fuhr er nach Deutschland . Auf Eintritt in belgische Gastwirtschaften nicht mit„ Herr Major" an der Fahrt bat der Kommandeur seine Burschen, daß man ihm beim reden möge. Fürmahr, ein idealer deutscher Held!
In dem erwähnten belgischen Orte setzte nunmehr meine militärische" Karriere cin. As Soldatenrat gewählt, hielt ich Bersammlungen bei den einzelnen Kompagnien ab. Meine Borträge michen ganz ab von den bisher üblichen, die die Herren Offiziere gewählt hatten. Republik und Demokratie, Waffenstillstand und Frieden behandelte ich sehr eingehend vom Standpunkt der Sozial. demokratie. Eines Nadmittags sprach ich bei der vierten Kompagnie. Meine Kameraden sollten um diese Zeit zum Appell antreten. Sie ließen ober Appell Appell sein und hörten aufmerksam meine Ausführungen an. Draußen standen der Herr Bataillonskommandeur und der Kompagnieführer und warteten vergebens auf die Kompagnie. Durch einen Goldaten ließ ich die Herren einladen, an unserer Bersammlung teilzunehmen, um sich über die politischen Ereignisse unterrichten zu laffen.
Die Oberste Heeresleitung hatte in Uebereinstimmung mit den Boltsbeauftragten für den 1. Dezember 1918 einen Bertretertag der Soldatenräte des Feldheeres nach Bad Ems cin berufen. Die Chargierten meiner Division, die 234. Infanterie. divifion, wählten u. a. einen Kandidaten der Theologie als Ber treter. Das ging mir wider den Strich, und ich setzte schließlicy durch, daß in einer ordentlichen Versammlung die Wahl nochmals porgenommen wurde. Im Beisein unseres Divisionärs, des Generals Stumpff , wurden von mir und dem Herrn Kan didaten politische und programmatische Reden gehalten. Der Erfolg war auf meiner Seite. Der Herr Kandidat mußte seine Legitimation und seinen Fahrschein für Bad Ems dn den Gefreiten Künstler abgeben.
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Meine politischen Ausführungen mußten auf der alten General etwas Eindruck gemacht haben. Als meine Wahl vollzogen war stellte er an mich die Frage: Was sind Sie denn eigentlich vor Beruf?" ,, Schlossergeselle." war meine Antwort. ,, So, alfi Arbeiter." Jawohl," gab ich zur Antwort zurück. Darauf de alte General: Dann haben Sie wohl schon früher mit Politik z tun gehabt?" Schon etliche Jahre vor meinem Eintritt in da Heer war ich eifriger Anhänger und Funktionär der Sozialdemo tratie," gab ich zurüd. Damit hatte dieser politische Dialog zwische einem General und einem Gefreiten sein Ende erreicht.
Nach Schluß des Kongresses ging ich zu meinem Regimer zurüd, das bereits in a an im Rheinland im Quartier lag. Jef fonnte ich auch einmal Kommandeur spielen und beantragte bein Regiment, daß ein Befehl erlassen werde, wonach zur bestimmte Beit das ganze Regiment sich auf dem Schulhof in Haan zu ve fammeln habe, um den Bericht des Soldatenrats Franz Künſtli entgegenzunehmen. Fast alle Offiziere und Mannschaften ware zur festgesetzten Zeit versammelt. In einer dreiviertelstündig Rede über den Emser Kongreß erijob ich die Forderung nach d Schaffung einer sozialistischen Republif.
Als Delegierter der 234. Infanteriedivision nahm ich an de Rongreß aller Arbeiter und Soldatenrä: Deutschlands teil und begann auch sofort wieder meine Täti teit in Berlin für Bartei und Gewerkschaft.