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Ttr. 547» 45. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Gonnkag, IS. XM*mfter-192S

Die Berliner Siadkoerardneienversamm. long hat erst dieser Tage sich mit dem Geschastsbetrieb ge­wisser sBofjnnungsoermlHluiMjsbuteaus beschäftigt. Die Be­ratungen verdichteten sich zu einem Beschluß, in dem gesagt ist, dah Bureaus, die eine geschästlich und moralisch unanfecht­bare Braxls ausüben, nicht verboten werden sollen, dich aber gegen wohnuugsvermlttler mll ossenslchtlich betrüge­rischer Absicht mit der vosten Strenge des Gesetzes vorgegangen werden wird. Wohnungsnot! Das alte, unglückselige Lied, dessen Text wir all« zur Genüge kennen. Das ewig ungelöste Problem, stber da» stch Tausende von Amts wegen die Köpfe zu zerbrechen haben. Wir wollen nicht etwaweise* Ratschläge erteilen. W>r wollen nur einige Beispiele aus der täglichenPraxis* der vielen unehrlichen Wohnungsvermittler geben, die es im Laufe der Zeiten mit einer geradezu bewunderungswerien Fertig» keit zuwege brachten, den gesamten Wahnungsmarkt an stch zu reisten und bei der Legion jener Suchenden, die eine Veränderung ihres Wahnwesens oder den Erwerb einer Behausung erstreben, den Anschein eraiecken: Hier belominst du, was dir fehlt! Wie«.gearbeitet� wird. Durch wahrhaft bombastisch wirkend« Reklamean geböte, vor allem aber durch«in verwirrend reichhaltiges Warenlager an Aus- Hängezetteln in hen Schaufenstern wird der Köder ausgeworfen. Aus dem Wust der.günstigen Angebote glaubt natürlich' jeder, das für ihn Passende� möglichst- rasch zu finden und Zahlt daher«, im guten Glauben an-»in baldiges Gelingen, den verlangten Obolus. Die Einschreibegebuhr beim Vermittler, die unter den schwang- voWen Tiroden kulantester und schnellster Bedienung entgegen- genommen wird-'in längstens vier Wochen haben Sie die pas- sende Wobnung*. so lautet gewöhnlich der Lockruf, schwankt Zwischen 10 bis 30 Mark. Äußer diesem Betrag beansprucht der Vermittler für seineBemühungen* bei Abschluß des Mietoertrages enstveder 10 Prozent der Zahresmiete, oder 10 Prozent der Ab­standssumme, oder eine Monalsmiele. Eine kleine, aber sichere Lebensrente sür den Herrn, deren Bezahlung er großmütigst in einigen Teilbeträgen gestattet. Nachdem man sich mit diesen Be­dingungen(gerichtlicher Erfüllungsort Berlin ) durch llnterschvist einverstanden erklärt und die Anzahlung geleistet hat. erhält man vom Vermittler einig« Wohnungsadresten in die Hand gedrückt.

Leicht betäubt von der übermts optimistischen Beurteilung des Woh° nungsmarlt« durch den Vermittler begibt man sich hoffnungsfroh und voller Zuversicht auf die Wohnungsjogd. Man scheut weder Mühe noch Zeit, noch Telephon- und Portospesen. And nun hagelt es Enttäuschung auf Enttäuschung. Entweder die Wohnung ist be- reits vergeben, oder die andere Partei ist, ärgerlich durch die long« Verschleppung der Angelegenheit(ebenfalls durch den Bermitster) von ihrem Angebot wieder zurückgetreten: dann Ist ein sehr häufig vorkommender Fall folgender: Partei A., die ihre Zweizimmer- wohnung gegen eine Lierzimmerwohnnng tauschen will, wendet sich an die Partei B., deren Adresse sie durch den Vermittler erhielt, und erfährt mm im Lause des Gespräches, daß B. keine Zwei- zimmer-, sondern eine Siebe nzimmerwohnung sucht. Hält man dem Vermittler seinen Irrtum unter die Nase, dann ont- wartet er seelenruhig:Ja, das hätte sich hier um einen Ringtausch gehandelt*. In Wirklichkeit ist an all soichen zeit- und geldraubem den vergeblichen Unterhandlungen natürlich da» wahllos zusammen­gestöppelte Adressenmatenal schuld. Nachdem sich im Laufe der Be- gebenheiten sämtliche Wohnungstreffer* alsNieten* erwiesen haben, wendet man sich wiederum an den Vermittler, der einen mit tröstenden Warten auf die bester« Zukunft verweist. Gelegent- lich erhält man dann als Drucksache«in Paket Adresten, unter denen sich wiederum nicht das Gewünschte befindet und schließlich schläft dl« geschäftliche Verbindung mit dem ansang» so übereifrig scheinen- den Vermittler wenigstens von seiner Seit« au» gänzlich ein. Immer wieder versucht meist sein Heil, telephoniert, schreibt, nicht», nichts als leere Versprechungen und spärliche Angebote ohne jeden Erfolg. So wird man müde, verbittert und läßt schließlich den Dingen ihren Lauf.» Und all die Dielen, die ihr schwer verdientes Geld dorthin tragen, wo man ihnenin längstens vier Wochen* «ine günstige Erledigung oerspricht, sind nach Monaten, meist noch nach Kahren mit keinem Schrill ihrem Ziel nähergekommen. Es bat den Anschein, als fei der geschäftliche Ehrgreiz oll dieser skrupel- losen Herrschaften mit der Entgegennahme der Einschreibegebühr auch restlos befriedigt. Und bei der großen Zahl der also Hineilt« gefallenen, denen sich täglich neu« hinzugesellen, kamt man wirklich sagen:Die Masse bringt es.* Verkleidete Inserate. Mit. ollen möglichen Trick»- und' Winkelzügen'-wird hier ge- arbeitet und wer noch kein Lehrgeld bezahlt hat und somit der Sache nicht mit dem nötigen Mißtrauen entgegentritt, der wird immer wieder darauf' hineinsollen. Zum Beispiel lautet ein In- serat:Wohnung direkt durch den Hauswirt*: man kommt hin und der Bevollmächtigte entpuppt sich als der Ver- mittler, oder:Wohnung vollkommen« b st o n d s l o s*: später er- gibt sich bei den Verhandlungen, daß der Hauswirt dl« vollständige Renovierung der Wohnung zur Bedingung macht, oder daß eine Zahresmiete im voraus bezahlt werden muß usw. All dies ist natürlich aus dem Inserat nicht ersichtlich, und wer nun als Neu- ling zum Vermittler kommt und auf diese Winkelzüge nicht geeicht ist, der hat wieder einmat sein Geld umsonst geopfert. Da war aber einer, der gelobte, mit der etwas dunklen Tradition semer

Berufsgenossen zu brechen. Er empfing seine Kundschaft mit sol- genden Begrüßungsworten:Ich arbeite anders, wie mein« Kollegen, ich bin reell und gebe Ihnen schriftlich, daß Sie die Anzahlung zurückerhalten, wenn Sie nichts Pastendes finden. Sagte es und schrieb totsächlich auf die Quittung:Betrag zurück, falls nichts Pastendes gesunden wird." Ansonsten der üb- lich« Vorgang: Adresseninoterial, das sich als unbrauchbar erwies und allerlei glänzende Versprechungen. Nachdem über zwei Mo- nate verstrichen waren und auch weiterhin keine Aussicht auf Er- folg bestand, versuchte unser Gewährsmann, seinen Obolus zurück- zuerobern. Er rnst bei dem Betreffenden an: ,Vch möchte Herr» N. sprechen." Das Bureaufraulein:Herr N. ist nicht mehr hier, die Firma ist in Konkurs gegangen. Vielleicht rufe» Sie wegen näherer Auskunft nächster Tage an." Neuerlickier An- ruf:Ich möchte Herrn N. sprechen." Eine Männerstimme:Die Firma besteht nicht mehr, um was handelt es sich?" Ich erzähle. Der andere:Bedaure sehr, Herr 3t hat sich mit mir afiazilerf, ist aber nur für meine Hunden zu sprechen. Wenn Sie m i r vielleicht die Wohnungsangelegenheit übergeben wollen? Sie können ver- sichert sein.... Was mm? Erneuter Anruf. Es meldet sich das Bureaufräulein.Bitte wo ist jetzt Herr N. zu sprechen?" Dos Fräulein:Herr N. ist Angestellter der Firma." Aha, eilt neuer Trick. Nächster Tag. Anruf bei der Firma(Herr N. ist selbst am Telephon, seinausländischer" Akzent ist unverkennbar): ,Herr 9t?" Schluß, ans. N. hat den Hörer airgehängt. Wohnungsschein gefällig? Da cernet man von Pontius zu Pilatus, buhlt um die Gunst de» Walinungsamtes, well man den Wunsch hat,«in eigen Dach über d«m Kops« zu spüren. Man wartet, man hofft und man ver- zweifelt schier! Denn immer ist mannoch nicht dran" und wenn man eventuell dran wäre, dann müßte man aber auch wieder Kinder zur Füllung der Zimmer haben oder es klappen irgend­welche andere Formalitäten, deren eine unendlich« Reih« zu er­füllen sind, wieder einmal nicht. Jedenfalls: Verlorene Liebesmüh, Resultat negativ, Parole: weiter warten. Und wahrend man, voll Ingrimm mit dem Schicksal hadernd, wieder einmal die Zeitung nach irgendwelchen Möglichkeiten durchstudiert, da liest man und die Augen werden groß und größer: wahvungsschein«erschafft ehemaliger Wohnung». Inspetlor. Sämtliche Schwierigkeiten«erden schnellsten-> an» dem Wege geräumt* Ra alsol Wozu denn das ewige Lamento? Wo man es hier so beguem hat! Aus dem Inserat geht allerdings nicht hervor, wie- weit die Befugnjst« des HerrnInspektors o. D." reichen und vor allem auch nicht, wie hoch er feine Bemühungen ziffernmäßig be wertet. Aber es ist doch immerhin ein beruhigendes Gefühl zu wisten, daß ein solcher Ueberfluß an Wohnungsscheinen herrscht, daß man damit sogar handeln kann. Wenn es auch vielleicht bloß ein Geschöststrick des izerrn Inspektors ist, der gleich seinen Fa- kultätsgenosten aus der Woh nungsb ronch« auf Dummenfang aus- geht. Eines steht fest: Es herrschen schlimme Zustände aus dem Gebiete des Bermitt- lungswesens und oll jenen Parasiten, die aus der Not der Zeit den Boden für ihr üppig wucherndes Schmarotzertum bereiten, muß schleunigst das Handwerk gelegt werden. Schafft öffentliche. kontrollierbar arbeitende Wohnungsvermittlungsstellen, wo An­gebot und Nachfrage der Objekte einander die Wage halten.

Soldat Surren.

Ovoman von Georg von der OSring. Copyright 1927 by X M. Spaeth Verlag, Berlin . Wann aber. Lisa, begann meine große Freiheit? Als ich erkannte: es ist nur ganz wenig auf der West, das kostbar ilt. man muß es suchen. Du solltest mich jetzt küssen. Liebste! Eigentlich aber denke ich jetzt so wenig an Dich. Immer nur an mich denke ich. Ich bin Hiob und hadre mit Gott . Er hat mich in ein schlimmes Kleid gesteckt und meinen Füßen Gewichts angehängt. Meine Peiniger eilen sich nicht, sie sind gewiß, daß sie mich mit der Zeit mürbe bekommen. Sie lassen mich ruhig allein liegen, denn ich entrinne ihnen nicht. Ich muß Zeit haben, mich zu quälen, meinen sie. hernach werden sich mich williger finden. Meine Peiniger? Ach, es gibt nur einen Peiniger er quält olle! Er schickt allen alles, er verpestet die Welt mit seinem Gestand. Er schlägt uns mit Krankheit, daß wir die kleinen Fliegen um ihren beweglichen Latrinenbalkenspazier- gang beneiden. Mein Freund daß ich ihn nicht vergesse! ist krank. und nun... ,,,... Ich kann nicht weiter schreiben, es ist unmöglich, Lisa. Meine Gedanken besudeln Dich. Ich bin ein Leichnam, der >m Flusse gelegen hat.......... Und doch! Mußte ich vielleicht in Erniedrigung und Selbstqual kommen, um zu lernen, wie viel Kostbares es auf» zufinden gibt? Und blieb mir noch übrig, so vieles zu finden? Ach. dieser Gedanke ist richtig und gut, ich fühl« es tief. Oder nein: ich würde ihn tief fühlen, wenn es mcht diesen ge- waltigen Nebel gäbe, der über mir und um mich se,ne Wand schließt. Wie Lichtlein sehe ich die Augen meiner Kameraden und kann nicht zu ihnen gehen, will es auch nicht, denn mem eigenes kleines Licht zittert und vermindert sich, es kämpft um fein Leben. Kastanienblüten sind mir vergällt. Zitronenfalter achte ich für nichts. Gottes Atem erregt mir Ekel, feit ich em Soldat Solche" Gedanken wühle ich hm aufs Papier, zwischen den Rädern des Wagens liegend. Danach wmd zur Latrme gerannt,«ie ich m» fitze, stößt emer nebe» mir-w froh-

liches Bellen hervor. Es ist eine Folge von ganz hohen lustigen Lauten, so. als ob ein kleiner, weißer Hund den Himmel eines Pfingstmorgens anbellt, um diesem seine Achtung zu bezeigen, wobei das Stummelschwänzchen hin und her schwirrt. Ich weiß es sogleich: es ist Albering. der bellt. Da ist keiner in der Reihe, der ihn tadelt. Sie finden es ganz natürlich, daß er bellt, man trifft unter den Soldaten die sonderbarsten Geschöpfe. Mir ist das Bellen furchtbar, und ich sageLaß doch das Bellen, Kerl, machst ja den Fliegen bange!" Er unterbricht sich und meint:Da ich unfern Herrn Jesus Christus eine Stunde lang angebellt habe, sollte itb doch auch Suhren mit einer kleinen Salve beehren dürfen!" Und zu allen gewandt, fügt er hinzu:Kinder, auf dieser Stange, das kann ich euch versichern, da fühlt man sich bei- nahe im Himmel!" Ich gehe hinaus und zerreiße im Hof meinen Brief in tausend kleine Fetzen: die Zeichnung aber mit dem Wagen, dessen Ueberbau aussieht wie ein gotisches Fenster, kommt in «men Briefumschlag, und so geht der Brief fort. Ich habe sogar noch etwas van einem schön verlebten Nachmittag hinaufgeschrieben. Ich sträubte mich dagegen, aber meine Hand schrieb es von selbst. Kunsthonig. Endlich kommt«in Festtag im Stroh der Müllerei. Nickst etwa ein Sonntag, nein, ein richtiger simpler Donners- tag. welcher dienstfrei ist. Der Himmel, oer durch die Boden- luke scheint, ist vom Wind gekämmt, Wolkensträhnen ordnen j sich überm Blau. Morgen verlassen wir die Stadt. Da kann es keine Trauer geben. Die Soldaten knien fröhlich vor ihren Tor- nistern und verpacken zum zwanzigstenmal ihre Sachen. Sehr wohl möglich, daß es ein« weite Reise geben wird je weiter, desto besser! Im Tornister fügt sich alles immer noch praktischer zusammen. Ist er fertig, so rollt man den Mantel, wie es gelernt worden ist, und legt darüber, sauber und wie am Lineal geknickt, die Zeltbahn. Hast du Zeltstöcke zuviel, Suhren?" fragt Albering, der seinen Leinenbeutel untersucht hat,mir fehlen zwei." Ich habe keine Zeltstücke zuviel. Dann müssen sie ins Stroh gekrochen fein, werde noch mal genau nachsuchen. Die Dinger werden sich nützlich er- weisen, wenn wir erst unsere Hütten auf dem Berge Tibor aufrichten müssen."

Tibor?" Na ja glaubst du vielleicht, daß es dort überhaupt einen einzigen kleinen Stock zu finden gibt? Mit dem Mikroskop kannst du los gehen! Tibor ist nämlich kohl, lernten wir in der Religionsstunde im Seminar." Er brummt noch anderes vor sich hin, immerfort das Stroh durchwühlend. Klees schilt:Was willst du mit dem Berge Tibor? Mußt du immer neue Parolen aufbringen? Erst Vogesen , dann Karpathen, dann Dolomiten und nun bist du schon in der Religionsstunde angelangt!" Und er fügt leise hinzu:Uebrigens heißt es nicht Tibor, sondern Tabor." Klees ist guter Laune," stichelt Albering,hat ein Briefchen vom Mädchen, da können ihn die Preußen ruhig bis auf den lausigen Tibor laufen lassen er leckt sich alle Finger danach, einen Liebesbrief zwischen Herz und Nabel im Futter...-da ist ja auch der zweite Knüppel, nun sind sie vollzählig. Rein in den Beutel! Wenn der Tibor be- stiegen ist, kommst du wieder heraus!" Nun ist aber doch ein Soldat wütend, das ist der kleine Hahn. Er streicht sich seinen weißblonden Sichelbart, um wirkungsvoller sprechen zu können, dreht im Knien den Kopf her, und Halt bloß das Maul!" näselt er,mach uns bloß nicht weis, daß du mehr in dir hast als andere Leute! Mach dich bloß nicht lächerlich, du" Albering antwortete leise: Sprach ich vielleicht mit dir, Hahn? Ich wüßte nicht." Hört mal den!" kräht jetzt der Kleine.Hört bloß mal den! Er will uns vormachen, daß er weiß, wohin es gehen wird! Als Lehrer muß er es wissen? meint er. Als Unter- lehrer bestimmt! meint er." Nun mischt sich Lurtjebom ein, der unterm

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seine großen mageren Füße mit Salbe bearbeitet:Tiber ? Unsinn? Wo ist überhaupt der Berg Tiber ? Ist meines Wissens«in Fluß, wo Rvmulus und Remus ihre Patsch - Hände um die Euter der Natur wölbten..." er ahmt nach, wie die Kinder unter der Wölfin sitzen, legt den Kopf schief in den Nacken und hebt seine beschmierten Hände über sich, so oder kreisten, na und so weiter ich bin kein Lehrer." Ein Dichter bist du," sagt Mbering.das ist viel schlimmer." Also nicht Tiber . Nein Mazedonien ist das Zi«t unserer Träume, wo der Oelbaum wächst..." (Fortsetzung folgt) j

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