öütmfag 15. November 1925
Änterhalwng unö ÄNissen
Vellage des Vorwärts
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Das Leben in Musik. Von Setnn'ch Wiegavd. Franz Schubert bedarf der Feier nicht, um Hervorgehott zu werden. Schubert ist tebendigfie Gegenwart. Da» Lolk smgt ihn und biegt sich sein« Melodien zum bequemen Gebrauch zurecht, oft ohne den Schöpfer und die Beschaffenheit des Originals zu kennen. Extreme Anführer moderner Musik, Krenek und Strawinsky. bekennen sich begeistert zu ihm. Dennoch können die zahllossen Feiern dieser Monat« eine not- wendig« Mission erfüllen: das Bild Schuberts reinigen von geistiger Enge, Operettenauszügen und falschen Gemütlichkeiten, die «ine bequeme Biographie und das bürgerliche Tagesbedürfni» für den Umgang mit Genies ihm angehängt haben. Die ersten drei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts be- Srenzen Schuberts Leben. Noch ist er Zeitgenosse einer der gröfsten künstlerischen Epochen der Menschheitsgeschichte, wird selber in jener Stadt Wien geboren, in der mährend eines halben Jahrhunderts die Musik ihr« reichst« und schönste Blüte erlebt«. Schubert tonnt« keinen Nutzen mehr von dieser unglaublichen Mufikentsaltung ziehen. Sr steht an der Wende, wo der Schutz der Künste, de» der Adel zu seinem Genutz ausübte, übergeht aus das Bürgertum, weil der Adel insolg« der Bestürmung der Dell durch Revolution und Napoleon l. versank. Wäre Schubert zehn Jahre früher geboren worden, hätte sich wohl sein Leben leicht«? gestaltet. Wer er geriet mitten in die Not hinein, nie hat er wie chaydn und Beethoven den Weg in die Fürstenhäuser gefunden, nie Gehalt oder Rente empfangen, weil dazu die Bürgergesellschaften, die sein Bezirk waren, nicht Besitzmacht genug hotten. Doch ohne die bürgerlichen Dilettantenorchester, ohne die Vereinigung seiner musikalischen Freunde wäre kaum jemals ein Merk von ihm zur Ausführung gelangt. Beethoven hat die Auf- führung aller seiner Sinfonien erlebt, Schubert keine einzige. Außer Liedern ist von Schubert nur weniges zu Lebzeiten gedruckt worden... Er hätte sein« Existenz durch Airchendienst sichern können, mochte ober weder die Kirch« leiden, noch schien ihm überhaupt«ine An- st-llung erstrebenswert, weil er all« Zeit zum Komponieren brauchte. ols hätte er gefühlt, daß für ihn nur eines blieb: aufzuschreiben. was in ihm erklang: auf die Nachwelt kommen, weil ihm die Mit. «elt nichts zu geben H-'H» Vach war«u Kirchemnann, Händel«w Hofmann und Unternehmer, Haydn überall verehrt, Mozart in den Hauptstädten Europas gefeiert,»««thoven ein« Sehenswürdigkett Wiens : Schubert reicht« nicht weit über Wien hinaus und trieb sich in der Dorstadt herum. Er oertritt den Tqpu» des pro- letarisierenden Lohemien. Damals, in der dumpfen äußeren Ruhe der Menschheit, nach den Kriegen, kam die Maschin«, mit ihr die neu« Wirtschaftsform und eine neue Form de, Proletariat«. Di« Kunst, den völligen Wandel der Zeit spürend, aber noch unter der Macht der miterlebten Klassiker— heißen sie nun Goethe oder Leethooen— will von der Klassik weg und über sie hinaus. Schubert repräsentiert diese Sc- nercttion. die romantische, unbewußt, er ist unter den romantischen Künstlern wohl der potenteste, blieb— wenn wir all« Künste durch- gehen— von ihnen der Lebendigst«. Daß er«cht in allem erreichte, wo« er gewollt hat. dafür steht weniger sein kurzes Leben, als die klnsicherhcit seiner Existenz. Erst nach seinem Tode wurde entdeckt, daß Schubert auf seine Meise neben Bach, Mozart und Beethoven einzuordnen war. daß er Vollendetes, Einzigartiges geschaffen hatte und in vielen Stücken, nicht nur in dem erst von ihm zur Güttigtett erhobenen Lied«. niemals übertroffen werden könnt«. Em« solch« Fülle der Mustk. öi« in ihm ruhte, ist nicht wiedergekehrt, mit ihm nahm die Musik Abschied von der quellend geheimnisreichen Füll«. Der ,M u s i k a n t der Armen', dieser Trostmusikant der»«inen Leute kam geistig- wusikalifch als Vorläufer: und das mußte de» maieriellen Mißerfolg seines Lebens selbst im mufikseligen Wien stärken. Er experimentierte, wie» in die Zukunft auf Bruckner und Wahler. war ein versrühter, von Bindungen gelöster, zwiespältiger Mensch Schuberts romantischer Doppelnatur entsprach schon seine äußere Erscheinung. Derbe sinnlich« Züge mischten sich mtt zarten und geistigen im mohrenhasten Gesicht. Di« Unbedeutsamkeit der Figur kontrastierte dem Riesenmaß« des Genies, das in d«r Er- kegung sein Gesicht stark oerändert«. Jnteresiant« Ereigniff« find in Schuberts äußerem Leben kaum zu nenne», seine seelische Vera»- kugung drängt« in die Stille, in dos Schassen. Schuberts Großvater, ein Bauer aus dem Mährischen, hatte zehn Kinder. Schuberts Bater. ein Boltsschullehrer« Wien , vier- zehn. Schubert » Bruder Ferdinand siebzehn. Franz hat kein« Kinder. dafür achthundert Lieder, neun Sinsrmten, sechs Messen, ein halbes Dutzend Opern und noch viele Bände andere Musik gemocht. Di« Fruchtborteii lag in der Familie, so oder so. Das Genie war seiner Eltern zwölftes Kind. Weil sich sein« Begabung bald zeigte, wurde es in dos Konvikt der Hofsängerknaben aufgenommen, wo es weidlich hungern mußte und sehr unglücklich und frühreif war. Dann bleibt einem armen Jungen, der dem Militärdienst entgehen wollt«, nichts anderes übrig, als Lehrer zu werden. Siebenzehnjährig komponiert er zum ersten Male Goethe, und es wird ein unvergängliches Meisterwerk. Die Textworte hießen: Meine Ruh' ist hin. mein Herz ist schwer", Gretchen singt so am Spinnrad... Das war freilich Schuberts eigenes Bekenntnis. Sein« Ruh' war hin, er fand sie nimmer und nimmermehr, er mußte die Musik seines Jmieru herausschleudern, bi« er zersprang. Und auch die un- glückliche Liebe Gretchen» war sein« Sache, die Mädchen, die er liebt«, hat er nie haben können. Bei denen, dl« er nicht liebt«, hat «r sich wahrscheinlich die Krankhett geholt, die infolge mangelnder Kur und Pflege sein End« beschleunigt«. Drei Jahre Hütt er die quälende Schulmeisterei aus, dann»er. sucht«x gl» freier Künstler zu existieren. Es bleiben ihm nach zehn 3ohr«. oft verbittert durch Sollegenneid und die grotesk« Verständnis- kvfizkeit der Verleger,«rtchmert durch feine sträiliche Unerfahrenheit '» Geschäften. Der vreißisjährige bettelt die Stiefmutter um ein paar Groschen von ihrem Ersparten an. der erst« Verleger de« "Wanderers' verdiente an diesem einen Lied« Schuberts 27 000 Gulden! Im Berkehr mtt den Freunden, im Saffeehouj«. in den Wein- orten, auf den Landausslügen sucht« Schubert flüchtig« Auslösung Noch schwerster Arbeit. Cr. ein Genie der Freundfchaft. schrieb aber «ach solchen Exzess«n streng in sein Tagebuch: JDae H-rz-st Herr- scher, der Geist sollt« es sein', und ein andermal: �Zeicht« Sinn. leichte, Herz— zu leichter Sinn bringt meistens zu schweres Herz!' Das ist der Scklüsiel zu Schuberts Leichtsinn und d«n sogenannten Schubertiaden. b« denen viel musiziert, getrunken und getanzt wurde. Er s«lb«r tanzt« nicht mit. er saß am Klavier und spielt« unermütckch. Ghumtl. M» er f» hte beschmwgteste»«elodien verschenkt,. er
3« Schuberts Gedächtnis. Die 100. Wiederkehr seines Todestages am 19. November.
Wer ist— was ist uns Schubert ? Vom Vater, der Schul- lehrer in einem Wiener Vorort geworden war, vom Großvater her mährisches Vouernbbtt; und Sohn einer Köchin, die eines Schlossers Tochter gewesen: unter vierzehn Kindern das zwölfte. Ein Kind des Volkes: so kam er auf die Well: einunddreißigjährig Hot er sie am 19. November 1528 verlasien. Sie hat von ihm, im Wunder seines Lebenswerkes, als Vermächtnis die reinste, vollkommenst« Erfüllung dessen empsangen, was der Rame Volkskunst besagt, der Dreiklang Musik— Volk— Kunst an Sinn und Möglichkeit in sich schließt: sie lohnt es ihm mit dem— allzu oft mißbrauchten— Wort, da» sie ols höchste« Titel zu vergeben hat: Unsterblichkctt. Ein Gesamtwerk von unermeßlichem Reichtum— Klaviermusik, Kammermusik in unübersehbarer Füll«. Sinfonien. Messen. Chöre, Opern— mehr als sechshundert Lieder: es ist, Ertrag eines unbegreiflich gesegneten Lebens, die Arbeit von anderthalb Jahrzehnten. Freunde und Bekannte, ein kleiner Kreis, wußten um dieses Schaffen, die Fachwelt hörte den Namen Franz Schubert nennen. Aber dos war in einer anderen Stadt, in Dresden , ein Musiker gleichen Namens, und der war sehr ungehalten, witterte Betrug und Hochstapelei, als er mit dem obskuren Musikanten, der eine Kantate„Erlkönig ' komponiert haben sollte, verwechselt und ihm.Dergleichen Machwerk' zugeschrieben wurde, ihm. dem Dresde - ner Schubert . So berühmt ist. als er noch lebte, der ander«, der Wiener Schubert, gewesen. Ein einziges Mal. nahe vor dem Ende — es war an dem Tag. an dem zum ersten Male Beethoven » Tob sich jährt«— hat er, Traum de» Künstlers, die stolze Freude erlebt, in einem eigenen Konzert mtt eigenen Werken vor die Oeffentttchkeit treten zu dürfen. E, soll, auch finanziell,«in schöner Erfolg gewesen sein. Ein paar Monate später ist er arm und elend gestorben. Kann er glücklich gewesen sein in solchem Leben? Er war genügsam, unsagbar bescheiden:«in Kleinbürger an Bedürfnisse» und Lebenshaltung, fast immer in gedrückten Der- bältnisse«: doch sarglos. soviel ihm auch zu einer sorgenfreien Existenz fehlte. Zu einer Anstellung als Kapellmeister hat er es nie gebracht: vom Verleger, zufrieden, wenn er überhaupt einen fand, wurde er übervorteilt. Mit Mustk war nicht viel zu verdienen in jenen Zetten. der Künstler galt nicht viel. E» war eine große Sache, als ihn einer von oben, dex Graf Johann Esterhazq. als Mufiklehrer für seine hochgeborenen Töchter auf sein Schloß, irgend- wo im Ungarischen, berief.„Sehr niedlich gebaut.' schreibt Schubert . sei e« gewesen: doch leider, der Graf„ziemlich roh'. Und der kleine Hauslehrer, selbstverständlich, zählt« zum Gesind«: wir haben ein« Vorstellung, was das bedeutete. So sahen in diesem kümmer- lichen Dasein die Tage des Glanzes aus. Aber nichts Rebellisches war in der Natur Schubert », da« sich gegen die Misere seines Standes, gegen die Unwürdigkctt seiner sozialen Lage auflehnte: er unterwarf sich. Die er auch fein Leben lang zu Beethove» in Ler- i
ehrung. in Ehrfurcht beinahe, ausblickte: von dessen revolutionären Geist hatte er nichts. Er beschied sich: so ist die dumme Legende vom fröhlichen Musikanten, vom vergnügten Philister entstanden. Er beschied sich— weil sein Leben sich anderswo, nicht im Aeußeren, abspielle. Musik war ihm Leben und zugleich Flucht vor dem Leben, in dem er ewig unglücklich war. „Was sollten wir auch mit dem Glück ansangen, da Unglück doch der einzige Reiz ist. der uns übrig bleibt?'—; das sind Worte eines Künstlers, der seine Mission fühlt. Unglücklich im Leben, unglücklich m der Lieb«: daß er es war, ist zum größten Glück für die Menschheit geworden. Es wäre zu wenig gesogt und ein bißchen gewöhnlich gedacht, sein Schassen sei ihm„Trost im Unglück" gewesen. Nein, schaffend hat er Unglück in Glück— Sehnsucht in Musik gewandelt. Wenn wir mit einem Wort, das nicht viel und doch alles sagt. Schubert » Kunst„beglückend' nennen— wer in aller Welt soll durch sie„beglückt" werden: die Glücklichen— oder die Unglücklichen? Dos ist die Sendung Schuberts , ist die Sendung der Musik, und ist nie erfüllt worden wie in seinen Liedern: Glück zu verbreiten, das die Menschen über die Not des Tages, des Lebens trägt. Mehr ols sechshundert Lieder— sie sind, so Großes, Bedeuten des er auch auf anderen Gebieten geschaffen, der unvergänglichste Teil seines Werkes. Sie sind Musik— kein Ausruhr darin, nichts Revolutionäres, wie bei Beethoven , in den Sinfonien. Aber sie bedeuten, als kunsthistorisch« Totsache, Revolution ohnegleichen. Schon das erste, das Schubert mit siebzehn Iahren schrieb,„Gretchen am Spinnrad', war eine umstürzende Tat: eine neue Kunstgattung ist in diesem Lied geschaffen. Aber ohne Beispiel in der Geschichte ist es, wie der Eine, der die Revolution des deutschen Liedes heraus geführt. Schubert , sie allein vollendet hat. Wieviel in einem Jahr- hundert, wieviel Neues nach ihm auch geschaffen worden, das Schubert -Lied konnte nicht überholt werden. Es war Erfüllung vom ersten Tage an. unerklärbar wie das Genie, das sich darin offenbart: aber feine Lebenskraft ist der Widerhall, den es, umvider- stehlich, in den Menschen weckt. Alles Beglückende eines überreichen Musikcrherzens verströmt in diesen Melodien. Ihre Sprache, von einem Meister geprägt, ist nicht Alltagssprache: aber jeder oersteht sie, der guten Willens, und dem Musik nicht fremd ist. Die Lieder Schuberts sind Volksseele und Volkskunst, find Besitz- tum des Bolk«: sie sollen es bleiben, indem sie es immer von neuem werden. Mit Schubert wußte die Welt, solange er lebte, nicht viel anzufangen: die Zeit Hot sich zu ihm bekannt. Sind die Menschen „schubertischer' geworden? Sie haben das Schubertische in der Musik, sie haben ein wenig Gluck, das sie über die Röte des Lebens trägt, nötiger als je. Schubert lebt, hundert Jahre nach seinem Tod: die Well braucht ihn. Klaus Pringsh.eim.
zwischen hinein«in«, der Säst« Menne» Sie eigentlich«in« lustige Musik?' 1S2Z kommt die Krankhett, sie wechselt mit Gesundheit bis zum Tode, es geht immer auf und ab. Im Spital, in der Armenobteilung. komponiert er den Liederkreis von der schönen Müllerin. Während seiner Entbehrung«! schuf er Musik, blühend im Klang, gesättigt von Humor und in der Klag« noch berückend. Er war wie«in Jnstru- ment, durch da« die Musik der Welt ging, er schrieb wie noch Diktat, aber hinterher kontrollierte«r mtt hellem, scharfem Verstand«, ver- warf vieles und stellt« neu« Fassungen her. frei von Eitelkeit, voll von Berantworllichkett. An manchen Tagen komponierte Schubert acht Lieder, an einem sechs Lieder und vier Chöre, in zehn Tagen entstand«in himmlisches, großes Streichquartett. In solcher Musik ist nicht Wellanschauung, nicht Ethik, aber das Herz der Menschen in Angst und Wonne, Mut und Erlösung, und die Natur gewann mtt Schuberts Entzückungen an der Wiener Landschaft darin rein«, tönend« Gestalt. Zu Leginn des November 1528 meldete sich das Genie beim Theorielehrer Sechter, es wollte in der Wissenschaft von der Fug« hinzulernen. Tag» darauf packte ihn der Typhus. Im Krankenbett bat er um Romane von Eooper, der den Lederftrwnpf geschrieben hat— den Sterbenden lockte die unendliche Wette der Urwälder, die Freiheit der natürlich lebenden, unzivilisierten Menschen. Im Delirium rief er:„N«n, hier liegt Beethoven nicht!' Mittwochs, am 19. November, nachmittags Z Uhr, starb er im Fieber. Man begrub ihn auf dem entfernten Währinger Friedhof, neben Beethoven . trotzdem dadurch das Begräbnis 70 Gulden mehr kostet« und Schubert kein bares Geld hinterließ. Das Amtsprototoll über den Nachlaß oerzeichnet nur Kleidungsstück« und Musikalien...
Gchuberi-Museum in Wien . Bon Käthe Vrau». prager. Ein Leines einstöckiges alles Wiener.Haus mtt den so beliebten gebogenen Fenstern inmitten ein« gerat« großstädtischen Häuser- zeile. die allerdings auch noch erstaunlich viele, mehr als hundert Jahr« alt« Häuser aufweisen kann. Dieses eine ober, von dem wir sprechen, ist besonders ausgezeichnet, und wenn auch manch« von den stiefmütterlich bchandellen anderen vielleicht sogar reizvoller und archttektonisch liebenswerter erscheinen, dieses hat eben den Borzug: es ist das Geburtshaus Franz Schuberts . Wie die meisten der alten Wiener Häuf««ine näher« und plastisch« Bezeichnung hatten, so hieß dieses„Zum tote« Krebsen Rr. 72". Heute sieht man«in eingerahmte, Stück Salzdurger Marmor, das die Zahl 72 eingemeißell trägt und im Vorraum des Schubert . Museums hängt. Di« Tafel ist historisch geworden, und das Haus heut« mit ollen anderen modernen, uns unpersönlich scheinenden(welcher Geist mag vielleicht jetzt wieder in den un» jo häßlich vorkommenden, einförmigen wallen) in die neue Straßenordnung eingereiht. Früher hieß es am Alsergrund Nr. 72. setzt Nußdorfer Straße Rr. 5l. Die Bezeichnung..Alsergrund ' hat sich für den Bezirk, zu dein die Straße gehört, erholten. Nun sind die Wohnräume, die Schubert seit seiner Geburt bis zu seinein zehnten Jahre mtt Eltern und Geschwistern bewohnte, in ein Museum vermandelt. lieber den unverändert gebliebenen allen, ausgetretenen Stiegenaufgana kommt«m» iwers» m die weiß
gestrichen«, die getrennten Wohnräume oerbindende, sich fast in allen asten Häusern befindende, so überaus anheimelnde Glas- veranda, deren weiß gestrichene Fenster in den lieben allen Wiener Hof und den rückwärts angrenzenden Garten schauen. Gleich im ersten Zimmer steht Schuberts Klavier, davor sei» mit schwarzem Leder gepolsterter Lehnsttchl. Das Klavier ist ver- sperrt und dadurch ebenso unlebendig wie die zwei Biedermeier- stühle„aus der Zeit' und die Vitrinentisch«. Bilder von Schuberts Estern, Bater und Stiefmutter, feilten Geschwistern und Freunden, die wir all« längst aus den so gern gelesenen Schubertbüchern und Schwindmonographien keimen, sind an die dem früheren Geschmack angepaßten Wände gehängt. Ich sah mir die Familienbilder an und fand, was mich heiter stinrntte. das berühmte Schub« rtsch« Grübchen im Kinn des Vaters, seiner Schwester und aller seiner Brüder wie von einem Kinderfinger«ingedrückt. Schwind» liebes Kindergesicht, Schobers und Mayerhofers traurige Züge, des Sänger» Vogel längliches und großes Profil. Anselm Hüttenbrenners. Bouernfelds. Grillparzers Lockenköpf«, meist Kuppelwiefersche BiU der. führen uns in den Kreis der Schubertfreunde liebevoll ein, Und dann, um endlich ein« ganz sinnlich plastische Vorstellung von Schubert zu bekommen, kann mau in der Vitrine eine Haar- locke von ihm sehen, rotgold glänzend, fem wie Frauenhaar: da» neben liegt die Laute und seine schwarz eingefaßte Brille. Im Geiste denke ich sie mir unter die Haarlocke, über die blauen Augen gelegt, die hohe Stirn dazwischen, darunter der kindliche Mund und das Kinn mtt dem Grübchen. Aber schon gerstört das Bild seines Totenschädels, das ich unlängst sah, die freundliche Erinnerung. Rur daß alte Zähne bis auf zwei noch erhalten sind, beweist den viel zu frühen Tod diese« Geistes. Wenig ist uns aus seinem Besitz übrig geblieben, weil er ja selber so wenig dosessen hat, bescheiden war und, wie es leider fre immer bei Menschen dieser Art der Fall ist, ständig mtt Geldnot zu kämpfen hatte. Ich geh« die Räum« durch, kann mir's nicht versagen, durch da« gewölbte spiegelnde Fensterglas noch der Straß« hinunterzu- sehen und die Elektrische und die Automobile wie aus einem Traum« heraus zu betrachten, wenn man gerade mit„Zeiserl- wagen',.Einspänner" und„Fiaker" gefahren ist. Und dann geh« Ich noch einmal in die Glasveranda, sehe hinunter in den allen Wiener Hof, wo Menschen noch immer so wohnen wie damals, trotz Anttohupen und Antennendrähten. in den ebenerdigen Jim« mern, wo ein Kinderärmchen das Fensterbrett erreichen kann, und geh« langsam die Stieg« hinunter. Ehe ich durch das breite. hochgewölbtc eichene Haustor, das für einfahrende Heuwagen ei»' gerichtet ist, die lärmend« Strvße bettet«, gehe ich durch den Hos, über dem die mit Eisenstabgittern geschützten offenen Gänge liegen, zur versperrten Garteittüre. Stufen führen in dos Leine Gärtchen, dos im Frühling Flieder und Goldregen zieren wird. Hier mag die Mutter im Mai dem kleinen drei Monate alten Franz geduldig die Brust gereicht hoben, hter wird er bis zu feinem zehnten Jahr gespielt und später Aufgaben in dem lieben Lusthöuschen geschrieben haben. Oben im Museum hängt ein Schulzeugnis und zeigt, was für ein guter, braver Schüler er war. Ein liebes Kind muß es gewesen sein mit dem Leinen Näschen, dem runden Gesicht, den tiefen Grübchen am Kinn und dem goldenen Ringelhaar. Mtt diesem Bild vor meinen Augen gehe ich aus dem Hause, mtt dem Bilde von dem Sind« Franz Schubert : Kind ist er bis im fem gebenaende iw schönsten Sinn bes. Woria». gpbkaben