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Morgenausgabe
Nr. 551
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45.Jahrgang
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Mittwoch
21. November 1928
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Billigung für Stresemann.
Mißtrauensvotum mit 219 gegen 98 Stimmen abgelehnt.
Dem kleinen häuflein der Nationalsozialisten gebührt| morden seien, vertrügen sich schwer mit dem Geist und dem Dant dafür, daß es gestern im Reichstag den Mut aufbrachte, bar den Deutschnationalen wie den Kommunisten fehlte, und ein Mißtrauensvotum gegen den Außen minister beantragte. Seine Ablehnung mit 219 gegen 98 Stimmen bei 3 Enthaltungen zeigt, auf eine wie ſtarte Mehrheit sich die gegenwärtige Reichsregierung bei der Führung ihrer Außenpolitit stützen fann. Angesichts der bevorstehenden Berhandlungen über Reparationen und Räumung ist eine Regierung, die auf breiter Basis beruht, notbendig; und die ist jetzt auch vorhanden.
Nach einem Worte Friedrich Naumanns besteht der Fortschritt darin, daß man aufhört, eine Frage zu distu feren. Bendet man dieses Wort auf die legte außenpolitische Debatte an, so findet man, daß wesentliche Fortschritte in der Außenpolitik nicht erzielt sein können, denn es geht seit Jahren im Reichstag um dieselben Fragen. Genosse Breitscheid hat gestern von der Monotonie unferer außenpolitischen Erörterungen gesprochen daß er sie durchbredjen fonnte mit einer Rede. die das ganze Haus in Span hung hielt, war eine ungewöhnliche Leistung. Man genoß die spielerische Leichtigkeit, mit der der sozialdemokratische Redner seinen steifen Gegner, den Grafen West arp, aus Dem Sattel hob und fand sich zum Schluß mitgeriffen durch bas starte Bathos einer Auseinanderlegung über Deutsch tum und Menfchheit. Aehnliches hat auch schon ein anderer einmal mit anderen Worten gefagt, einer, den die Deutsch nationalen oft zitieren, aber niemals lesen: 3. G. Fichte, der Redner an die Deutsche Nation.
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Genosse, Breitscheid hatte sich in seiner Rede-mie auch der Bolfsparteder D. Rheinbaben vor ihm mit gewiffen fritischen Strömungen im Zentrum beschäftigt. Er gab damit dem Prälaten Dr. Schreiber das Stichwort, um mit einer Erläuterung seiner nielbesprochenen Rede von Münster hervorzutreten. Herr Schreiber, der über nicht genügende Berücksichtigung der Katholiken in Amt und Außenbienft geflagt hatte, warb nun links Bundesgenossen, indem er darauf hinwies, daß auch die Sozialdemokraten 3u ähnlichen Klagen Anlaß hätten. Und damit hat er wahr. haftig recht! Von der Reichstanzlei angefangen bis zum legten Reichsamt fann man unter den höheren Beamten Sozialdemokraten mit der Laterne fuchen.....
Vielleicht läßt sich dieser Zustand im Ausmärtigen Amt jogar etwas weniger schmer tragen als in anderen Aemtern, meil dort die Bolitit längst geradezu zwangsläufig auf die Richtung eingestellt ist, die zuerst von der Sozialdemokratie gewiesen wurde. Darum hielt sich auch die Kritik am einzelnen in bestimmten Grenzen, und die Billigung des Kurses im großen Ganzen fand in der Schlußabstimmung ſtarten
Ausdruck.
Stresemanns Auslandsecho. Angriffe der franzöfifchen Rechtspresse.
Paris , 20. November.( Eigenbericht.) Der„ Temps" schreibt am Dienstag zu der Reichstags rede Stresemanns, die Forderungen, die von dem Reichs eußenminister im Namen der Politik Locarno gestellt
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Gegen direkte Präsidentenwahl. Geipels Borschläge am sozialdemokratischen Widerstand gescheitert.
Wien , 20. November.( Eigenbericht.)
Die sozialdemokratische Frattion lehnte am Diens tag die Vorschläge des Bundeskanzlers, den Bundes präsidenten künftig in direkter Wahl durch das Bolk wählen zu lassen und ihm das Recht zur Auflösung des Nationalrats bzw. zur Ernennung der Regierung zu geben, einstimmig ab. Da die Bor. fchläge verfassungsändernder Natur sind, ist ihr Schicksal mit dieser Stellungnahme der Sozialdemokratie besiegelt
Der Faschistenrummel in Belgien . Schwarzhemden werden nicht mehr geduldet.
Brüffel, 20. November.( Eigenbericht.)
In der Kammer interpellierte der Brüsseler sozialistische Abge ordnete Brunfaut den Justizminister über die Umtriebe italienifer Faschisten in Belgien . Der liberale Juftig minister Jansen erflärte in seiner Antwort, er wolle die fried fiche Bropaganda von Ausländern nicht hindern, ob sie nun faschistisch oder antifaschistisch sei. Benn Antifaschisten juristisch ver folgt würden, fo geschehe das nicht auf seine Beranlaffung, aber er
Nationale Blätter, wie der Intransigeant" und die Liberté", fchlagen erheblich schärfere Töne an und glauben wieder einmal, entschieden Protest dagegen erheben zu müssen, daß Deutschland ein Recht auf die Räumung habe.
Schweizerische Wehrpolitik.
Das schweizerische Milizsystem hat lange Zeit einer ganzen Anzahl von sozialistischen Parteien als eigentliches Wortlaut der Verträge. Wenn Stresemann zu seinen ausländide al vorgeschwebt; man glaubte, mit ihm zu einem eigentschen Berhandlungspartnern genau im gleichen Ton rede, wie im lichen Bolfsheere fommen zu können. Jaurès hat in seinem Reichstag, so fönne man nicht unbedingt erfreulicher Resultate berühmten Buche über Die neue Armee" dieses System dem sicher sein. zu seiner Zeit auch in Frankreich herrschenden des Kasernenheeres gegenüber gestellt; Bebels Stellung zur Miliz ist bekannt, ebenso wie seine besondere Hochschätzung der schweizerischen Armee. In der Nachkriegszeit haben vor allem Jouhaur in seinem Büchlein über„ Die Abrüstung " und de Brouckère in einer vielbeachteten Rede in der Schweiz selbst das Milizsystem in Schutz genommen; ihre Ausführungen deckten sich in vielem wörtlich mit den Verteidigungsreden, welche der Vorsteher des eidgenössischen Militärdépartements, Bundesrat Scheurer, fast alljährlich den sozia listischen Angriffen im Barlament, und mit den Ausführun gen, welche Bundesrat Motta im Bölkerbund etwa auftretenden Kritikern unseres Heerwesens gegenüberstellt. Es wäre ein müßiges Unterfangen, nicht zugeben zu wollen, daß zwischen den Anschauungen französischer und belgischer Sozialisten, soweit sie selbst mit Jouhaug und de Brouckère einverstanden sind, und denen der überwiegenden Mehrheit der schweizerischen Sozialdemokratie ein Gegensatz besteht, der zwar durch die Beschlüffe des Brüffeler Kongresses etwas gemildert, feineswegs aber aufgehoben wurde.
Die weitere Besetzung des Rheinlands mit dem Wort laut des Bersailler Bertrages zu begründen, dazu gehört schon ein erhebliches Maß von Rabulistik. Wie man aber gar die militärische Beseßung mit dem Geist des Friedensver trages geschweige denn von Locarno rechtfertigen will, bleibt wohl das Geheimnis des Temps".
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Günftiges Echo in englischen Regierungsfreifen. London , 20. November. Wie Reuter erfährt, hat die geftrige Rede Reichsminister Dr. Stresemanns in amtlichen Kreisen Großbritanniens wenig eberraschung verursacht. Man ist der Ansicht, daß die Rede lediglich eine wiederholende, Darstellung der deutschen Ansichten über die Frage der Reparationen und der Rheinlandbelegung ist. Die Rede wird als eine im ganzen durchaus jach gemäße Darlegung des Falles angefehen, wie er sich vom beut ichen Standpunft qus ergibt. Es wird anerkannt, daß die allgemeine Tonart der Rede in vieler Beziehung freundlich ist,
London , 20. November.( Eigenbericht.)
Die außenpolitischen Erklärungen Stresemanns im Reichstag haben in London auf allen Seiten eine günstige Aufnahme gefunden.„ Evening Standard" nennt Stresemanns Rede eine begründete und nüchterne Berteidigung feiner Bolitif, bedauert jedoch, daß der deutsche Außenminister von einer Berschlechterung im Benehmen der Besagungsarmee gesprochen habe. Der liberale„ Star" stellt fest, daß die von Streje. mann geforderte sofortige Räumung des Rheinlandes und Trennung der Rheinlandfrage von der Reparationsendlösung in Großbritannien auf allgemeine Sympathie stoßen
werde.
Kowno , 20, November.( TU.) Wie aus Mosta u gemeldet wird, ist die Rede Dr. Streje. manns im Reichstag in russischen offiziösen Kreisen mit größter Aufmerksamkeit aufgenommen worden. Man bedauert, daß ziehungen mit teinem Wort erwähnt hat. Die Kritik über der Minister in seiner Rede die deutsch russischen Be das englisch- französische Abkommen sei nicht genügend scharf gewesen, wie es angesichts der großen Bedeutung dieser Angelegen. heit zu erwarten gewesen wäre. Die Anklagen gegen Frankreich und England bewiesen, daß die deutsche Außenpolitik das englisch französische Flottenablommen gegen Amerifa und Rußland nicht billige. Die drei Fragen: Räumung, Reparationen und Rüstung würden in der Form, wie sie vom Reichsaußenminister hervorgehoben wurden, von russischer Seite volle Unterstützung fin den, soweit sie dem Frieden dienen.
fönne der Staatsanwaltschaft. teine Befehle erteilen. Friedliche Urbeiter würden nicht ausgewiesen, sondern nur unerwünschte Elemente.
Diese Erklärung wurde von den Sozialdemokraten mit Bider spruch aufgenommen, dagegen zollten sie dem Versprechen des Justizministers Beifall, daß in Zukunft das Erscheinen ita lienischer Schwarz hemden in Belgien nicht mehr geduldet werden solle.
Boncours Posten bleibt unbesetzt. Schwierigkeit des Ersatzes.
Paris , 20. November.( Eigenbericht.) Die Regierung prüfte am Dienstag im Ministerrat ein gehend den augenblidlichen Stand der Reparationsper handlungen, insbesondere die Frage der Ernennung der fran zösischen Delegierten zur Sachverständigenkonferenz.
Der Ministerrat fam ferner nach Anhörung von Ausführungen des Außenministers Briand über die Demission Paul Bon cours zu dem Beschluß, den Posten eines Bölterbundedelegierten nicht wieder zu beseßen. Maßgebend für diesen Entschluß war, wie mitgeteilt wird, die Erwägung, daß die Bertretung der französischen Interessen in Genf durch den Außenminister Briand genüge. Der wahre Grund dieser Entschließung dürfte in der Schwierigkeit eines Erfages für Paul Boncour liegen, na
In der Borkriegszeit stand die schweizerische Partei auf dem Boden der Militärbeschlüsse, wie sie für die ganze Internationale Geltung hatten. nationale Geltung hatten. Sie war mit dem Milizheer durchaus einverstanden und verteidigte seine Eristenz gegen die Kritik und die Angriffe fonfequenter Antimilitaristen, mie sie damals von den heutigen Kommunisten Brupbacher und Tobler erhoben wurden. Sie forderte im wesentlichen nur den weiteren demokratischen Ausbau des Heeres: Leichte Zugänglichkeit, der Offiziersstellen für jedermann, Bahl der Offiziere durch die Mannschaften, gleiche Verpflegung für Offiziere und Soldaten, und was ähnlicher, bemokratisch scheinender Forderungen mehr sind. Die Bartei stand damit durchaus auf dem Boden der Landesverteidigung; in fonfequenter Berfolgung dieser Anschauungen schloß fie, genau so wie alle anderen Parteien, 1914 den Burgfrieden und forderte die Arbeiterschaft auf, sich bis zum letzten Mann hinter den Bundesrat zu stellen.
Die
Die Wandlung fam während des Krieges. Die Partei hatte, von ihrem Beobachtungsposten auf der Friedensinsel aus, wahrscheinlich besser als irgendeine andere Partei die Möglichkeit, den eigentlichen Charakter des Krieges fennen zu lernen; der Parteitagsbeschluß von 1917 jagt darüber, daß alle Kriege im fapitalistischen Zeitalter deckt sich in dieser Anschauung ungefähr mit dem, was die imperialistische Kriege sein müssen; der Beschluß letzten Abschnitte der Brüffeler Resolution sagen. Resolution von 1917 erklärte ausdrücklich den Weltkrieg als einen imperialistischen, der von der herrschenden Klaffe zur Betörung des Volkes als Krieg zur Verteidigung des Vaterlandes bezeichnet werde. An dieser Tatsache vermöge auch der Heerescharakter nichts zu ändern. Auch eine Miliz müßte, menn fie in diesen Krieg eingriff legten Endes den gleichen Bielen dienstbar werden, wie irgendeine Kasernenarmee; es fam dabei nicht auf die Form, sondern auf die Kraft und die politische Macht an, welche dieses Heer leitete. Die Miliz mußte ganz genau gleich wie irgendeine Kasernenarmee zum Instrument der Machtpolitik der herrschenden Klaffe werden.
Zu dieser start theoretischen Formulierung fam eine rein praktische Ueberlegung. Wenn die Schweiz in den Weltfrieg hineingeriffen worden wäre, so wäre es sicherlich nicht ihretwegen gewesen, sondern weil irgendeine Gruppe der Ariegführenden ihr Territorium zur Erreichung eines größeren Zieles, das außerhalb der Schweiz lag, notwendig zu haben glaubte. Mit dem Eintritt der Schweiz in den Krieg diente daher ihre Armee nur noch dem Scheine nach zu Berteidigung ihrer Unabhängigkeit; in Wirklichkeit mußte fie, Seite an Seite mit den Armeen einer Mächtegruppe, für die Erreichung des imperialistischen Zieles fämpfen, welches diese Mächtegruppe sich gesteckt hatte.
Nach dem Kriege änderten sich die Verhältnisse insoweit, als an der Nordfront der Schweiz die gefährliche Drohung des faiserlich deutschen Heeres nicht mehr bestand; mit den beiden noch bewaffneten Staaten, an der Südfront Italien und an der Westfront Frankreich , wurden Schiedsgerichtsverträge abgeschlossen, welche in viel kategorischerer Form als etwa der Kellogg - Balt jeden Krieg ausschlossen, alle Streitigkeiten dem Schiedsgericht übergaben. Die Partei forderte und unterstüßte diese Schiedsgerichtspolitif aus allen Kräften; aber gerade weil ihr außerordentlich viel daran lag, daß die Schweiz in ihrem eigenen Inters effe und in dem größeren des Weltfriedens das Beispiel einerwirklich friedlichen, auf den Krieg unbedingt verzichtenden