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Die Zwölf.

Das Führerproblem in der Schwerindustrie.

( Von unserem Sonderkorrespondenten.)

Düffeldorf, 20. Rovember.

Angesichts der wachsenden Schwierigkeiten tröstet sich die Schwerindufirie damit, daß sie in die Aussperrung geschliddert sei ble Anno 1914 die Bölfer in den Weltkrieg geschliddert sind. Das it ein schlechter Troft und feine Entschuldigung. Bielmehr läßt die Geschichte des gegenwärtigen Arbeitstampjes in Rheinland und Beftfalen das viel erörterte Führerproblem in unserer Gerindustrie in seiner ganzen Bedenklichkeit hervortreten.

In der Deffentlichkeit bezeichnet man allgemein den General­birettor ber Gutehoffnungshütten, Reusch, als den Treiber zur usfperrung. Dieje Auffaffung ist im großen und ganzen auch richtig, aber ohne Zweifel war Reusch in den fritischen Augenblicken dor der Aussperrung wohl selbst der Getriebene. In seinen Kreisen

ailt

Bußtagstraum des Ruhrindustriellen.

ema

er als Brausetopf und Bolterer, der aber äußerst ſtarrtopfig S

fein tann, wenn er sich mal auf etwas, was ihm seine jungen Ratgeber einflüsterten, festgelegt hat. Dann wird er der Reusch, den die Deffentlichkeit fennt, der Repräsentant des ultraradikalen merindustriellen Flügels, für den man mit Glüd die Bezeichnung Gutehoffnungshüttetonsortium gefunden hat. Ronsortium felbft zählt ihn zu den sogenannten Alten.

Das

Dazu gehört auch Albert Bögler, den man gerade wieder in den letzten Tagen viel mit der Aussperrung in Zusammenhang gebracht hat. Albert Bögler unterliegt aber mitunter sozialen An mandlungen; man darf auch mit einiger Wahrscheinlichkeit an­nehmen, daß ihm in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit den Gemertschaften eine friedlichere Lösung lieber gewesen wäre als die Aussperrung. Bon der Technik tommend, hat er den phantastischen Aufstieg des Stinnes- Konzerns an der Seite des Derstorbenen Hugo Stinnes mitgemacht und nach der Liquidation des Konzerns die Deutsch - Lur in die Vereinigten Stahlwerke, den Ruhrtruft hinübergerettet.

Als sein Nachfolger wird Flid von der Charlottenhütte ge= nannt. Im Ruhrtrust sieht man in ihm den Charakter, der Jozialpolitisch härter" als Bögler ist.

Die Leute im Gutehoffnungshüttenkonsortium haben in ihrer Bolitik, die vorläufig mit der Aussperrungsfatastrophe endete, auf jeden Fall schon mit dem neuen Mann im Ruhrtrust, mit Friedrich Blid gerechnet. Merkwürdigerweise figen diese Scharfmacher nicht in der Eisenindustrie, sondern im Maschinenbau. Das ist eine in der Deffentlichkeit allzu wenig bekannte und paradore Erscheinung, le sich auch schließlich nur aus den komplizierten gelagerten Ver hältnissen in der verarbeitenden Industrie erklärt. So stammt 3. B. Stahl aus dem Maschinenbau , wo er den Duisburger Maschinen­trust beherrscht. Er hat den Gang der Ereignisse im Ruhrpott ver­bängnisvoll beeinflußt. In der Eisenindustrie, d. h. in den Ver­einigten Stahlwerfen wird er durch den jungen Boensgen aus Düffeldorf ergänzt. Helmut Boensgen zeichnet auch verantwort lich für die Rationalisierung im Ruhrtruft. Das besagt über den Tann wohl alles. Um diese beiden gruppiert sich der Chor ber Scharfmacher. Bon ihren ist wohl der Jurist Grauert durch bie Schiedsspruchaffäre in der weiteren Deffentlichkeit bekanntge­worden. Im Revier spricht man über ihn, der sehr wertvolle ver. wandtschaftliche Beziehungen besitzt, als von dem ,, schneldigen Staats. wall", der jett um den Schiebsspruch und feine Ehre fämpft. Darüber fönnen mehr als 200 000 ausgesperrte Metallarbeiter ver hungern und wertvolle Wirtschaftsbezirle in die Brüche gehen.

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Rheininch- westfalised zeilung

Aussperrung

G

O Gott, ich habe gräßlich geträumt. Mir war, als müffe ich wirklich für meine Zaten büßen!"

Zehn Jahre Frauenwahlrecht!

Frauenfundgebung in der Neuen Welt".

Unsere Parteigenioffinnen hatten zu einer Rundgebung in der gen Demokraten, das Frauenwahlrecht ab. Die deutsche Revolution Neuen Welt am Hermannplatz aufgerufen, und ihr Appell war nicht ungehört geblieben: in Massen waren Frauen und Männer er­[ chienen, um ihren Willen zum Kampfe für den Sozialismus zu befunden. Unser rühriger Dieß- Berlag botte Berbezettel und Probenummern der Frauenwelt" und anderer sozialistischer Schrif ten auf allen Blägen des großen Saales niedergelegt, eine wirtungs volle Lichtbildvorführung gab dieser Propaganda besonderen Rady brud.

Der Arbeiterfängerchor Berlin brachte unter stürmischem Beifall unsere Kampflieder Empor zum Licht und Der Sturm" zum Vortrag. Die Reichstagsabgeordnete

Genoffin Tonny Sender

nahm zum Thema bes Abends: 3ehn Jahre Frauenwahl. recht bas Bort. 1908, 1918, 1928- biele brei Seliablchnitte stellte die Rednerin einander gegenüber. 1908 bentonitrierten die Frauen zusammen mit ihren männlichen Sameraden gegen die wilhelminische Bolizei für ein gleiches und allgemeines Bahlrecht Mit den Männern zusammen ertrugen fie die Berfolgungen des alten Staates. Der Krieg stellte dann die Frauen auf sich allein, und ohne die Frauen wäre die Wirtschaft zusammengebrochen, aber schon 1915 waren es die sozialistischen Frauen aus allen Ländern, die das Banner des Friedens erhoben und zum Teil für dieses Steal ins Gefängnis gehen mußten.

Nur die Sozialdemokratie tämpfte wirklich für das Frauen­wahlrecht.

gab der Sozialdemokratie die Möglichkeit, den Frauen das Wahl= recht zu sichern. Die Berfassung von Weimar gibt den Frauen die Gleichberechtigung. Manches zum Schuße der Mütter, Kinder und Schwangeren ist inzwischen erreicht, aber noch steht durch das Verhalten, namentlich auch der weiblichen bürgerlichen Abgeord neten, die Reform des Eherechts und vor allem die 2b­fchaffung jenes Ausnahmegejeges gegen die Frauen, des§ 218 Reichsstrafgesetzbuch, aus. Die Bertruitung Deutschlands und die fogenannte Rationalisierung zwingen die Frauen in die Betriebe. 11% Millionen Frauen sind ermerbstätig, davon sind 3,7 Millionen verheiratet. Wie der Kapitalismus arbeitet, zeigt der Kampf an der Ruhr. Beim Rapp Butsch versuchte man, auf politi ichem Wege den November 1918 rüdgängig zu machen, jest will man das gleiche auf wirtschaftlichem Wege. Aber mit Frauen mollen uns mehren, mir laffen uns unser Recht nicht nehmen. Wir verteidigen die Republit, weil sie uns den Frieden gab,

wir fämpfen für den Sozialismus, weil er eine wirtliche Berständigung der Bolter verheißt. Bir Frauen stehen hier in der vordersten Front, um die neue Welt zu

schaffen und aufzubauen!

Bannern und unter dem Gesange proletarischer Lieder die Jugend. Dann rückte in den festlich geschmückten Saal mit mehenden Unter Leitung des Genossen Rößner brachte sie Zollers Sprech­

chor Der Tag des Proletariats" begeistert und begeisternd zum Bortrag. Der gemeinsame Gefang der Internationale fd; loß fich an Reichstagsabgeordnete Genoffin Wurm beendete die Kundgebung

Das ist aber der Geist dieser Jungen, pie fie fich selbst ennen. Sie betonen bewußt ihren Gegensatz zu den alten, die us Erichrung wiffen, was bei solchen Rämpfen mie ben gegen wärtigen auf dem Spiel steht und daß folche Rämpfe einmal mit einer pollenbeten Ratastrophe abschließen müssen. Die Jungen wollen aggreffio fein; fie sprechen Dom anderen Bind. Politisch zur Deutschen Bolfspartei gehörend Helmut Boensgen ist z. B. eingeschriebenes Mitglied dieser Partei über­tragen sie eine Art Stahlhelmperrücktheit auf die Erörterung wirt­schaftlicher und gewerkschaftlicher Fragen. Reusch, der Brausetopf in Oberhausen , ist ihnen gerade gut genug, für ihren Unfug als Aushängeschild zu dienen. Sie imitieren den alten Emil Air­dorf, der feine Generation überlebt hat, in Mülheim fißt und diese neue Zeit nicht mehr begreifen will und wohl auch nicht mehr noch 1918 lehnten die bürgerlichen Parteien, einschließlich der heuti- mit einem Hoch auf die internationale Sozialdemokratie. begreifen fann. Am hemmungsloseften find in diesem Kreis aber die verschiedenen Syndizi. Das ist begreiflich: Tun fie nichts, bann stellt sich ihre Ueberflüssigkeit heraus. Also provoziert man kämpfe, um den Befähigungsnachweis zu erbrin. gen Glückt ein solcher Kampf, dann sind sie eben die großen Männer. Wir wollen nur aus der Schar dieser durchaus über. flüssigen Eristenzen einen nennen, Schlenfer, seit einiger Zeit die rechte Hand Böglers. Der Mann tommt aus dem Reich des ehemaligen Eisenfönigs Stumm und ist mit Saarabischen Nei. gungen anscheinend erblich belastet.

"

Das Unglüd war, daß sich diesen Leuten im gegebenen Moment fein Mann von Format, teine Persönlichkeit entgegenstellte. Die beiden Springorums aus der Dortmunder Ecke, waschechte Nationalliberale mit deutschnationalem Barteibuch, gehören wohl zu den Leuten, die zu spät den Braten rochen und jetzt wohl oder übel die eingebrodte Suppe löffeln helfen. Krupp von Boh len. Halbach ist ganz sicher gefühlsmäßig gegen das Düsseldorfer Scharfmachertum eingestellt; auch von seinem Mann im Konzern, einem ehemaligen Beamten namens Funt, tann das gleiche gelten. iberstand gegen die wahnsinnigen Aussperrungserperimente haben aber beide nicht geleistet. Krupp von Bohlen- Halbach selbst ist zu­frieden, wenn er von Zeit zu Zeit äußerst forrette Reden vom Stapel laffen tann. Sie sollen regelmäßig Frau Berta Krupp bon Bahlen- Halbach zur Korrektur vorliegen. Diese Enkelin Alfred Krupps genießt überhaupt im Ruhrrevier den Ruf eines tüchtigen und intelligenten Frauchens. Auch die Tätigkeit riß Thys fens scheint durch ein deutschnationales Stadtverordnetenmandat boll und ganz ausgefüllt zu sein. Ein anderer Träger dieses Na­mens, der Baron Thyssen, hat in der Schmerindustrie nichts 3u jagen. Bet der Teilung der Erbmafie fielen die verarbeitenden Betriebe an den Baron Heinrich Thyssen , deffen bares Geld man heute auf rund 300 Millionen Mart schäßt und der augenblick lich in der Düsseldorfer City ein Riesenbureauhaus baut. Friz Thyssen übernahm die Schwerindustrie und damit den größte Aktien­patet in den Bereinigten Stahlwerten. Der dritte Thyssen, Auguft mit Bornamen, ist der verlorene Sohn". von dessen Affären man heute noch im Ruhrrevier bis ins Hundertste und Taufendste erzählt. Er lebt von recht ausfömmlichen Unterstüßungen der belden anderen Thyssen.

Politik?

Nein, politisch drapiertes Raufboldfum.

Drei Fälle aus füngster Zeit:

Erster Fall: Ein Nationalsozialist tehrt von der Hitler Bersammlung heim. Die Bersammlung hat bald nach 10 Uhr ge­schlossen, die Heimkehr dauert bis 5 1hr früh. Sie geht mit Freunden und Freundinnen von Lokal zu Lotal. Um 23 Uhr in der Frühe gibt es Rempeleien, Zusammenstoß mit Straßen arbeitern, wobei dem Hitler - Mann das Nafenbein zertrümmert wird. 3meieinhalb Stunden später stürzt er in den Landmehrtanal und tann nur als Leiche geborgen werden.

3 weiter Fa11: Kommunistische Demonstration. Am Abend die Moabiter Lotale voller Rotfront- Leute. Ein Hitler Trupp bemußt die Gelegenheit, um Reibereien zu suchen. Hauptführer ein gewiffer S. Aus dem ersten Lokal, wo er Händel fucht. wird er hinausgewiesen. Aus dem zweiten Lafal entfernt ihn bas herbei. geholte Ueberfallfommando. Kaum von der Bache entlassen, zurüd in jenes Lotal und abermals Händel mit Rotfront begonnen. Dabei erhält S. von zwei Rotfrontlern Schläge, an denen er stirbt.

Dritter Fall: 23jähriger Rotfrontfämpfer. Mehrmals wegen Diebstahl verurteilt und in der Korreftionsanstalt gewesen. megen Diebstahl verurteilt und in der Korrektionsanstalt gewesen. Lut sich mit Freunden zusammen um einen sozialdemokratischen Demonstrationszug zu stören. Borher hat man sich im Messer werfen geübt. 2lls der Demonstrationszug herantommt, stürzt sich der Rotfrontfämpfer mit dem Meffer auf die Spiße des Zuges und tötet einen im ersten Glied marschierenden langjährigen Partei­genossen.

Dererlei liest man und rubriziert es unter politische Mord­taten". Hat einer dieser drei Fälle wirklich etwas mit Bolittt zu tun? Junge Raufboldnaturen hat es seit jeher gegeben. Goethe hat sie wunderschön im Dfterspaziergang geschildert: 4. Handwerksbursche:

Man braucht sich nicht zu wundern, wenn es zur Ausfperrungs 5. tatastrophe tam: die Schwerindustrie verfügt heute über teine Bersonligfeit, die die Dinge meiſtarn fann.

Diese furge Charatteristik bemeift, wie fehr fich die Dinge in der Schwerindustrie überlebt haben und nach einer radikalen Neu­bring brangent

Nach Burgdorf fommt herauf, gemis bort findet ihr die schönsten Mädchen und das beste Bier, und Händel von der ersten Sorte." Handwerksbursche:

Du überluftiger Gefell , judt bich zum drittenmal bas Fell?

Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Drie." Heutzutage hat sich nur eins geändert. Die jungen Raufbolde gehen nicht mehr nach Burgdorf , sondern je nach Gefdamad a den

Hitler Beuten oder den Rotfronttämpfern. Bofitijche been spielen nur sehr wenig mit. Weit wichtiger ist das Re­nommee biefer Organisationen, daß sie dreschen, wo es nur zu dreschen gibt.

In der mittelalterlichen Zeit schlugen fich aus irgendeinem un erklärlichen Haß die Müller mit den Schreinern, die Schloffer mit ben Meggern, die Kürschner mit den Schneidern. In der Kommige zeit feligen Angedenkens wurden die Gegenfäße durch Infanterie und Artillerie, durch Refruten und alte Leute oder auch burch ver. schiedene Regimentsmummern ausgedrückt.

nehmen als was sie sind: Ausschreitungen einer rauf­Man soll die Hitler - und Rotfrontfeilereien für nichts anderes bedürftigen Jugend. Durch diese Bünde ist das Problem der Keilereigelegenheit start erleichtert worden. Man bat eine schöne Uniform, die einen bei Freund und Feind sofort tenntlich macht und außerdem einen viel stärkeren Anhang, als wenn man mur auf Nachbarschaft und Berufskollegen angewiesen ist.

Bohlgemertt: Nicht alle Bünde sind so, und auch in den hier genannten sind nicht alle gleich. Wie weit die Bünde bas Raufbolbtum an sich heranziehen, hängt wesentlich mit der Art ihres öffentlichen Auftretens zusammen. Die Extremen find es, die stets lärmend und gewalttätig auftreten und hie deshalb cine magische Anziehungstraft auf alle profeffio. nellen Raufbolde ausüben, wie das Licht auf die Motte. Organisationen, die ihren Mitgliedern ein anständiges Benehmen zur Pflicht machen es tommt hier auf die Richtung gar nicht an, es fann der Jung deutsche Orden ebenso gut genannt merden wie das Reichsbanner, werden von diesen Gewalt­naturen verächtlich als zu schlapp" gemieden.

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Ueber Politif zerbricht sich der Raufbold menig den Kopf. Hitler und Rotfront bedeuten für ihn fast dasselbe, was vordem Nord. partfotonne" oder Müllerstraßenbande" gewesen sind. Weshalb froß der angeblich extremen Gegensäße der Wechsel von Hitler zum Rotfront und umgefehrt gar nicht selten ist. Die politischen Phrasen werden höchstens gebraucht. um das Raufboldtum ideal zu ver­brämen. In Wirklichkeit sucht man die starke Faust, das dreiste Draufgängertum und die möglichst häufige Gelegenheit zur Brü gelei unter dem Schuße sicherer und wohldisziplinierter Mehrheit. Denn auch der größte Raufbold möchte immer mur, daß die anderen Brügel bekommen...

Wie das zu beffern ift, würde eingehender Unterfuchung be dürfen. Erfte Notwendigkeit ist jedenfalls, daß man sich abgewöhnt, diefen Typus der Schlägerei als politif au bekragtem