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Morgenausgabe

Nr. 565

A 286

45.Jahrgang

Böchentlich 85t, morati 3,60 tm voraus zahlbar, Boitbezug 4,32 2. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6, D. pro Monat.

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Der Bormärts ericheint modentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Juustrierte Beilagen Bolf und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen". Frauen ftimme". Technif". Blick in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Freitag

30. November 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands

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Einer soll entscheiden!

Der Vorschlag der Reichsregierung zur Lösung des Eisenkonflikts.

Der Sozialdemokratische Pressedienst" meldet: Die Unterbrechung der Vermittlungsaffion des Regie­rungspräsidenten Bergemann hat eine neue Situation im Cifenkonflikt geschaffen. Die Reichsregierung hat fich deshalb veranlaßt gesehen, in der Zwischenzeit selbst den Berjach zu machen, eine Berständigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Am Frei­tag werden die Bertreter der Unternehmer und die Ber­freter der Arbeiter in getrennten Verhandlungen vom Reichskanzler Müller gehört werden, ob sie bereit sind, fich an einer Bermittlungsattion zu beteiligen, die von. einer beiden. Parfeien genehmen autoritativen Persönlichkeit ausgeht, und ob sie gewillt sind, deren Entscheidung vorbehaltlos anzunehmen.

brechern ganz anders verfahren, als es jetzt geschieht und leider geschehen muß, weil eine Reichstagsmehrheit, die zu drakonischen Mitteln greift, noch nicht vorhanden ist. Was aber noch nicht vorhanden ist, das fann noch fommen, und die Unternehmer haben bisher alles getan, um sein Kommen zu beschleunigen. Was sie nun weiter tun wollen, steht bei ihnen.

Die Sozialdemokratische Partei   ist sich dessen bewußt, daß es in diesem Kampfe um die wichtigste innenpolitische und soziale Entscheidung geht, die seit Jahren gefallen ist, um eine Entscheidung, die noch auf viele Jahre hinaus dem gesamten fozialen Leben der Republit ihr Zeichen aufdrücken wird. Sie ſieht die Zerriffenheit dieses Reichstags: eine kom munistische Partei, die über inneren Fraktionskämpfen und Der Name der Persönlichkeit, die zu diesem schweren tölpelhaften Intrigen gegen Sozialdemokratie und Bewert Amte auserjehen ist, wird offiziell noch nicht genannt. Ausschaften den Kampf für die Arbeiterfache gänzlich vergessen dem Industriegebiet melden bürgerliche Blätter, daß der hat, eine bürgerliche Mitte, die von Aengsten verschiedenster Art hin und hergeworfen wird, und eine Rechte, die, jede Reichsinnenminister Genosse Senering den Parteien nor Maste verichmähend, offen für die brutale Kapitalsdespotie geschlagen werden soll. alch ist, daß die Barteien vor biefer Benennung um ihr Einverständnis befragt worden gegen die Arbeiter Partei ergreift. ch- find. Diese Befragung foll erst im Laufe des heutigen Tages erfolgen. Nicht minder falsch ist die Meldung, daß der in Aussicht genommene Bermittler fich zu den Barieten über den materiellen Inhalt seiner Entscheidung geäußert hätte. Das ift nach der ganzen Konstruktion des neuen Regierungsvor ichlags nollfommen ausgeschloffen.

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Die Parteien werden nicht gefragt, was sie annehmen Soder ablehnen wollen, sondern sie werden gefragt, ob sie einen bestimmten Mann als denjenigen anerkennen wollen, deffen Spruch sie sich vorbehaltlos zu fügen bereit sind. Es gibt also nur eine Einigung über eine bestimmte Person, es gibt aber feine Verhandlungen dieses Mannes mit den Barteien oder der Parteien miteinander. Der auf Ersuchen 76 beider Parteien amtierende Unparteiische würde die Parteien anhören und dann entscheiden. Eine Möglichkeit, diese Entscheidung auf dem Berhandlungswege abzuändern oder fie gar abzulehnen, würde nicht mehr bestehen.

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oder nahezu die gleiche Unterstützung erhalten, wie sie im Arbeits­falle Lohn beziehen würden. Diese Praxis ist finanziell jehr bedenklich, verstößt aber auch gegen die Unparteilichkeit. welche der Staat in allen wirtschaftstämpfen aufrecht­erhalten muß, und läßt befürchten, daß der Arbeitskampf auf un­gemessene Zeit verlängert wird.

Die Fraftion nimmt von dem Beschluß der Reichsregierung Kenntnis, eine Kommission in das betroffene Gebiet zur Unter­fuchung und Abstellung von Mißbräuchen zu entfenden und er­wartet eine beschleunigte Erledigung dieser Frage.

Die Fraktion stellt fest, daß der Reichstagsbeschluß vom 17. No­vember feine Mittel für eine Fürsorge im Sinne der Richtlinien des preußischen Wohlfahrtsministeriums zur Verfügung stellt und ersucht die Reichsregierung, teine Auszahlungen auf Grund des Be­schluffes vom 17. November zu leisten, bevor nicht die geforderten misstände abgestellt sind.

Dazu erfährt der Nachrichtendienst der Zeitungsverleger meiter aus voltsparteilichen Kreisen:

tenden Maffen flarer gezeigt hätte, daß von der Stärke Fraktion über die Mißftände bei der Gewährung von Unter­

Nie hat es eine Situation gegeben, in der sich den arbei­der Gemert­der Sozialdemokratie und haften alles für sie abhängt!

Unerhörter Vorstoß der Volkspartei.

Das Reich foll nicht zahlen!

Die Fraktion der Deutschen   Boltspartei hat in ihrer Sigung vom 28. d. M. die Lage im Eisentonflikt behandelt und einstimmig folgende Entschließung gefaßt:

Der Reichsregierung ist durch Beschluß des Reichstages vom 17. November d. 3. die Ermächtigung gegeben morden, Mittel zur Berfügung zu stellen, um den Gemeinden des Aussperrungs gebietes in Gemeinschaft mit Preußen eine ausreichende Erfüllung der ihnen obliegenden Fürsorgepflicht zu ermöglichen. Nach dem am 17. November geltenden Recht war in jedem Fürsorge hat jedoch das preußische Wohlfahrtsministerium eine Berfügung getroffen, wonach praktisch jedem ausgesperrten Arbeitnehmer die volle Fürsorgeleistung zu gewähren ist, ohne Rücksicht auf etwaige Beihilfen der Gewerkschaften. Die Vorauslegung der Hilfsbedürftigkeit ist damit im wesentlichen fallengelassen worden. Die Folge ist, daß in vielen Fällen organisierte Ausgesperrte mehr

Die Entscheidung, die von den beiden Parteien von vorn­4 herein und ohne vorherige Kenntnis ihres Inhalts anzufall die Bedürftigkeit zu prüfen, Am 19. November nehmen wäre, würde gleichbedeutend sein mit einem frei er willig abgefchloffenen Rollettivvertrag; sie würde also automatisch an die Stelle des für verbindlich erklärten Schiedsspruchs treten, und der gerichtliche Streit um seine Rechtstraft wäre damit gegenstandslos.

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Stimmen die Parteien dem Vorschlag der Regierung zu, lo faufen sie, volkstümlich gesprochen, die Katze im Sad. Ob fie diesen Kauf abschließen, hängt ab von ihrem Ber­trauen zu dem Mann, der den Sad hält. Go handelt es fich also für die Gewerkschaften um ein schwer zu er­füllendes Verlangen, dem sie nur dann nachkommen fönnten, benn ihr Vertrauen zu dem Mann alle Bedenken überwiegt, bie dem vorgeschlagenen Verfahren an sich entgegengebracht

werden können.

Bon den Unternehmern ist freilich nicht zu erwarten und Bu verlangen, daß sie dem Sozialdemokraten und Iten Gewerfichafter Severing- wenn dieser wirf. ich der Ausersehene ist ein besonderes Bertrauen ent­Begenbringen. Aber was ihnen an eigentlichem Vertrauen ehlt, mag vielleicht ersetzt werden durch das Grauen nor em, was fommt, wenn sie den Borschlag der Regierung ab ehnen.

Den Unternehmern bietet sich eine letzte Gelegenheit, iner Entwicklung vorzubeugen, die ihnen letzten Endes erhänignisvoll zu werden droht. Lehnen sie ab und bleiben e dabei, auch den Spruch des Reichsarbeitsgerichts, wenn er ihren Ungunsten ausfällt, zu mißachten, so beschwören sie ine Situation herauf, die den sozialen Kampf in Deutschland   zu einer bisher noch nicht erlebten Stärke steigert. ann wird es die Sozialdemokratie sein, die diesen ampf Schulter an Schulter mit den Gewerkschaften führen saird, und dieser Kampf wird, politisch gesehen, um einen eichstag gehen, der für das Bestehen einer starten rbeiterregierung den verfassungsmäßigen Boden Die Unternehmer haben das Recht mißachtet, fie haben ter Bruch bes Rechts Hunderttausende aufs Bilafter orfen, um sie durch Hunger mürbe zu machen und zum erzicht auf den rechtmäßigen Lohn zu zwingen. Ein Staat, dem die zum Klassenbewußtsein erwachte werftätige Bolts­hrheit die Regierung führte, würde mit solchen Rechts.

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bgibt.

Reichsminister a. D. Dr. Scho13 hat bereits am Nachmittag des 28. im einstimmigen Auftrag der volksparteilichen Reichstags­frattion den Herrn Reichstanzler von den Berhandlungen in der ftügungen an die ausgefperrten Arbeiter Kenntnis gegeben und ihn auf die ernsten politischen Folgen aufmerksam ge. macht, die fid) aus ihr ergeben.

Das Berhatten der Volkspartei zeigt, daß sich auch die einsichtigeren Elemente in ihr vor dem Machtwillen der Schwerindustrie gestreckt haben. Aus Angst, die Deutsch­nationalen fönnten mit ihrer Interpellation gegen die Reichs­hilfe die Gunst der Eisernen für sich allein geminnen, haben sie sich den Deutschnationalen beigesellt. Es ist wahrhaftig eine starte Zumutung, das Reich folle seine ,, lnparteilichkeit wahren zwischen Unternehmern, die ihre Arbeiter rechtswidrig aushungern, und den Arbeitern, die rechtswidrig ausge= hungert werden follen.

Was der Beschluß der Bolkspartei behauptet, ist eine un­sinnige lebertreibung. Fälle, in denen die Unterstützungen den Lohn erreichen oder gar übersteigen, fönnen höchstens ganz vereinzelt, bei Familien mit vier oder fünf indern, vorkommen. Wenn der Staat so parteilich" ist, Kinder nicht hungern laffen zu wollen, deren Bäter wider alles Recht auf die Straße geworfen worden sind, so sollte fein anständiger Mensch etwas dagegen zu bemerken haben. Inzwischen hat eine Kommission von Beamten aus drei Reichsministerien und dem preußischen Wohlfahrtsmini­

Frankreichs Rüstungspolitik.

Sozialistischer Angriff.- Mehrheit für die Regierung.

Paris  , 29. November,( Eigenbericht.)

Im meiteren Berfauf der Diskussion des Heeres budgets in der Kammer übte im Auftrage der sozialisti. schen Fraktion der Abg. Renaudel scharfe Kritit an der Höhe der vorgesehenen Militärausgaben. Renaudel ging nicht auf den zwischen dem Kriegsminister und seinen Gegnern am Mittwoch ent­ftandenen Streit um 3iffern ein, sondern schnitt jede dies bezügliche Diskussion mit der sehr richtigen Bemerkung ab, die von allen unbestrittene Tatsache, daß das gegenwärtige Militärbudget um mindesten ebenso hoch sei wie vor dem Kriege, genüge vollständig, um auf die Bolilit Frankreichs   einen Schaiten zu werfen. Man möchte fich fragen, wie Frankreich   angesichts derartiger An­forderungen für militärische Zwede überhaupt noch seine sozialen Aufgaben erfüllen fönne. Auch die sozialistische Gruppe trete für die Landesverteidigung ein, aber man föune nicht vorderungen stellen, die über die Kräfte des Landes gingen. Wenn man diese Rüftungspolitik fortfeße, so könne das geradezu einen Präventivkrieg

hervorrufen.

Renaudel beantragte schließlich die Weberweisung des

Bubgets an eine Spezialtommiffion zur Prüfung ber möglichen Streichungen und forderte eine Unterbrechung ber Sigung, bamit sich die Finanzfommission zu biejem Vorschlag äußern tonne. Dagegen mandte sich der Kriegsminister, während der Finanzminister

im Namen der Regierung die Vertrauensfrage stellte. Die Abstimmung ergab eine

Mehrheit von 385 gegen 195 Stimmen für die Regierung. Daladier   hatte porher im Namen der Radikalen erklärt, fie würden für die leberweisung stimmen, da darin kein Aft des Mißtrauens gegen die Regierung liege.

England gegen Reparationskommission. Noch feine Einigung Paris- London  .

Paris  , 29. November.( Eigenbericht.) 3mischen London   und Paris   scheinen, menn man der Pariser  Brefie glauben darf, neue Schwierigkeiten hinsichtlich der Sach­verständigungskommiffion zur Revifion des Dawes- Plans aufgetaucht lich die Zustimmung der französischen   Regierung nicht gefunden haben, namentlich deshalb nicht, weil sich England weigert, dis

311 sein. Die englische Antwort auf die deutsche   Demarche soll näm­

Sachverständigen durch die Reparationstommiffici ernennen zu lassen. Auch Belgien   habe sich über die englische Ant­mort jehr beunruhigt, und deshalb feien, wie der Petit Parifien"

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berichtet, Jaspar und Franqui am letzten Dienstag in tiefstem Ge beimnis nach Paris   wieder zurückgereift, um sich mit Poincard zu verständigen.