Abenbausgabe
Nr. 586
B 292
45.Jahrgang
Bidendid 88 monelle 8,60 R Im soraus zahlbar. Boftbezug 432 2. einfcht Beftellgelb, Auslandsabonne atent 6,- pro Monat:
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Der Bormårts erscheint magentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Saluftrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen".. Frauen. ( timme". Techni!". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts
Mittwoch 12. Dezember 1928.
10 Pfennig
Ote etnt alttge Ronpareillezetle 80 Bfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" bas tettge. brudte Bort 25 Bfennig( zulässig zme fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zelle 40 Bfennig. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Linden Straße& wochentagl. von 8/2 bis 17 Uhr.
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Schicksal einer Krankenschwester
Schwesternelend im„ Mutterhaus".
Jm Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages wird darüber debattiert, ob man nicht die deutsche Unfallversicherung weiter ausbauen soll. Die deutsche Unfallversicherung geht bisher in ihren Leistungen weit über die Beschlüsse der Internationalen Arbeitskonferenz hinaus. Aber das deutsche Recht schließt leider zum Unterschied von diesen Beschlüssen der JAK. verschiedene Berufsgruppen vou dieser Unfallver ficherung völlig aus. Zu diesen von der Versicherungspflicht nicht erfaßten Betrieben gehören vor allen Dingen Krankenund Pflegeanstalten, Theater, Feuerwehren, Gaft- und Schantwirtschaften, Geschäfte und Berwaltungen. Wann endlich wird man in Deutschland soweit sein, daß man allen Unfallverletzten ein gewiffes Mindestrecht zukommen läßt? Wie lange noch will der Staat tonfeffionelle Bereinigungen, die nicht einmal den einfachsten Menschenpflichten gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern nachkommen, durch Gelder unter/ sfüßen?
Die Krankenschwester M. D. gehört feit fieben Jahren dem Mutterhouse in Lichterfelde an. Sie ist im reis franfenhause in 3oisen tätig. Am 21. Oftober 1927 wird. eine Wöchnerin mit ihrem fieben Wochen alten Kinde eingeliefert Die Brüste der Wöchnerin sind start entzündet. Das Kind ist am ganzen Körper mit abheilendem Ausschlag bededt, Der behandelnde Arzt verabsäumt es, die Krantenvorgeschichte aufzunehmen. Die Mutter hatte bereits zwei Fehlgeburten und damit bestand der Ber dacht auf Syphilis bei Mutter und Kind. Die Kranken kommen auf die Krankenstation. Das Pflegepersonal erhält natürlich auch feine besondere Belehrung über mögliche Anft e dungsgefahren. Die Brüfte der Mutter werden geöffnet. Schwester M. pflegt die Krante und ihr Kind, das nach etwa 14 Tagen stirbt. Da erst tommen diesem Arzte Bedenken. Die Seftion des Kindes ergibt einwandfre: pererbte Syphilis". Die nun endlich erfolgte Blutuntersuchung der Mutter fällt positiv aus. Nach einigen Tagen hat Schwester M. eine Geschwürbildung an einer hand. Nach weiteren drei Wochen zeigt sich an der anderen Hand eine ganz bösartig eiternde Geschwulst. Auch das Gesicht bleibt nicht verschont und zeigt nun Geschwulstbildungen. Nach der eigenen Aussage des Chefarztes hat er die Furunfel" gesehen und behandelt. Er gibt zu, daß die Schwester M. mit diesen offenen Geschwüren an den Händen weiter die Kranken pflegen mußte. Aber das interessiert hier nur nebenbei. Für Schwester M. begann nun eine Leidenszeit. Die Schwesternmentalität verbietet ihr, direkt einen Arzt um Blutuntersuchung zu bitten. Wie beim Militär teilt sie dem Feldwebel ,, Ober. Schwester ihre Beschwerden und seelischen Nöte mit. Man lacht fie nur aus. Sie muß arbeiten. Das Gift frißt langsam in ihrem Körper. Die Wunden heilen zwar, aber die förperlichen Beschwerden werden von Tag zu Tag schlimmer. Hals- und Glieder. schmerzen, förperliche Ermattung und seelische Depression sind der frommen Oberschwester nur Grund, sie durch Taten und Redensarten
zu qualen.
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Zwei große Explofionen haben am Dienstag in Berlin Arbeiter.| die Explosion eines Azetylenapparates 24 Arbeiter zum Teil schmer leben in Gefahr gebracht. Die eine erfolgte in der Holzpoliererei von verlegt worden. Unser Bild zeigt die Verwüstungen, die diese Siemens in Spandau, die andere bei Hempel in Falkensee, wo durch Explosion in der Fabrik anrichtete.
Der Tod im Bergwerf.
Das Unglück auf Zeche Diergardt.
Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat zum Grubenunglüd| der Gasschuhapparate den Tod gefunden haben, bestätigt. folgende große Anfrage eingereicht:
Die Zechenverwaltung teilf auf Anfrage mit, daß ein abschließendes Ergebnis der behördlichen Untersuchung über die Unglücksursache bisher nicht vorliegt und daß fie daher zu den Gerüchten über die Unzulänglichkeit der Sauerstoffapparate noch nicht Stellung nehmen tönne. Am Mittwoch vormittag fand eine Befahrung der Grube durch die Bergaufsichtsbehörde statt, deren Feststellungen man mit allgemeiner Spannung entgegen sieht.
Durch Funkenbildung entstand in der Nacht vom Sonntag, dem 9. auf Montag, dem 10. Dezember 1928 auf der Zeche Diergardt Meviffen, Schacht I, in Rheinhausen Emmerich in einem Haspel aufbruch ein Grubenbrand. Durch die entstehenden Brandgase sind vier Bergarbeiter in einer abgelegenen Abteilung zu Tode gekommen. Bon der Rettungstolonne, die aus vier Mann bestand, und die mit Gasschußgeräten ausgerüstet mar, sind drei davon ums Leben gekommen, weil die Gasschußgeräte bei diesen drei nicht funktioniert haben. Durch diesen Grubenbrand sind insgesamt sieben Bergleute getötet worden. Wir fragen das Staats. Das Gasschußgerät wird nach den polizeilichen Vorschriften in be ministerium: 1. Ist es bereit, mitzuteilen, wie die Funfenbil. dung, durch die der Stapelbrand entstand, gefchehen konnte? 2. Sind in diesem Aufbruch Bertefelungsanlagen vorhanden gewesen, womit das im Entstehen begriffene Feuer gelöscht werden konnte? 3. Sind die Gasschußgeräte, mit denen die Rettungsfolonne ausgerüstet war, auf ihre Sicherheit geprüft mor. ben? 4. Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, damit bei etwaigen Grubenbränden das Leben der Bergarbeiter gefichert wird?
Endlich Anjang Januar erreicht Schwester M. eine nochmalige Borstellung beim Arzt. Es paßt zu dem Gesamtbilde dieses Arztes, daß er die Beschwerden ohne jede nähere Untersuchung als Rheu. matismus" erkennt und Lichtbäder verordnet. Schwester M. Seelisch zerrüttet und zermartert gibt ihren Unwillen über eine berartige Untersuchung durch einige harte Borte Ausdrud. Prompt erklärt dieser Arzt ,, Simulantin, ich behandle überhaupt nicht mehr". Schwester M fucht und hofft nun Hilfe im Mutterhause" zu finden. Nach langem Bitten erreicht fie, daß die Oberin des Mutterhauses fie dem leitenden Arzte vorstellt. Wohl erkennt dieser Arzt, daß die Schwester unbedingt ins Bett muß, aber man perlangt, daß Schwester M nach 3offen zurüdfährt. Das läuft aber dem dortigen ärztlichen" Leiter wider den Strich. Nach einigen Tagen wird der Schwefter das Ultimatum gestellt, entweder die Arbeit wieder aufzunehmen oder das Kranten. haus fofort zu verlassen. Die Schwester geht. Am letzten Tage bittet fie den Assistenzarzt um eine Blutuntersuchung. Das Bochum, 12. Dezember.( Eigenbericht.) Resultat ist positiv und wird ihr nach Hause zu den Eltern nachBon gewerkschaftlicher Seite werden die Meldungen, daß bel geschickt. Man macht mit Schwester M. noch eine kurze Kur und entläßt sie dann, indem man sich auf den Standpunkt ſtellt, dem Grubenunglüd auf der Schachtanlage 1/2 Diergardi- Mevissen Schwester M hat sich die Krankheit durch eigenes Verschulden" in Hochemmerich die Rettungsmannschaften infolge Bersagens geholt. Zum Schaden also noch den Spott und Hohn!
Ergänzend fei noch nachgetragen, daß nicht nur Schwester M. die Oberschwester auf eine mögliche Infektion aufmerkjam gemacht hat, sondern auch ihre Geschwister im gleichen Sinne mit ihr ge. sprochen haben.
Schwefte. M tlagt nun vor dem Arbeitsgericht. Der Prozeß schwebt noch, aber wird zu ihren Gunsten ausfallen, ( Bortlegung auf der 2. Seite.)
Die Gasschutzgeräte versagten.
Berichte 2. Seite
Ueber die Handhabung der Gasschußapparate erfahren wir: sonderen Kammern aufbewahrt. Die Apparate stehen unter ständiger Kontrolle. Die mit dem Gasschutz versehenen Mannschaften sind von der Außenluft vollkommen unabhängig. Aus Sauerstoffbehältern wird dem den Apparat Handhabenden ständig Luft zugeführt. Beim Ausatmen passiert die Luft einen mit Kalipatronen ver sehenen Filter, der sie reinigt. Hiernach wird die Luft wieder mit Sauerstoff gesättigt und geht dann zur Lunge zurüd. Wie ver lautet, sollen die in dem Kalifilter befindlichen Patronen infolge eines, bisher ungeflärten chemischen Borgangs sich zerfett und dadurch ein Bersagen hervorgerufen haben. Jedenfalls dürften die Feststellungen Aufschluß über die start umstrittene Frage der Unglücsurfache bringen.
Werden sie mit dem Leben davonkommen? Bie von der Zechenvermaltung und pom Krankenhaus Hom berg übereinstimmend mitgeteilt wird, ist das Befinden der vier gestern beim Brand der Seche Diergardt durch Gafe vergifteten Bergleute Derhältnismäßig" zufriedenstellend. Komplitationen irgendwelcher Art sind bisher nicht eingetreten. Es ist zu hoffen, daß die Vergiftungserscheinungen bald behoben sind. Lebensgefahr besteht jedenfalls zurzeit nicht mehr.