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41. Beilage des Vorwärts

Nr. 614 Jahrgang

Sonntag. 30. Dezember 1928

Berlins Verkehr im neuen Jahr.

Das Jahr 1929 wird für die Entwidlung des Berliner  Verkehrs eine außergewöhnliche Rolle spielen. 2m 1. Januar übernimmt die neugegründete Berliner   Berfehrs­G. den Betrieb der Straßenbahn, der Unter­grundbahn und des Autobus. Nachdem im Dezember die Formalitäten der Gründung fehr schnell erledigt worden And, beginnt damit in der Organisation des Berliner   Ber­fehrs eine neue Hera  . Es wird selbstverständlich längerer Arbeit bedürfen, bis die erwarteten Borteile, namentlich wirt­Ichaftlicher Natur, voll zur Geltung kommen; aber alle Bor­berellungen find getroffen. Die neue Gesellschaft wird eine radikale Verwaltungsreorganisation durch Vereinheit­ligung aller zusammengehörender Berwaltungszweige der bisher getrennten Gesellschaften vornehmen.

Wichtiger ist das, mas nach außen hin in Erscheimmg tritt. Das Jahr 1929 wird die größte Erweiterung des Schnellbahnnetzes bringen, die bisher überhaupt in einem Jahre durchgeführt worden ist. Eine gleich große Erweiterung wird auch in Zukunft taum auf einmal zu erwarten sein. Dafür ein paar Zahlen: Aus der Bor­triegszeit haben wir 37,6 Kilometer Untergrundbahnftreden über­nommen, in den Jahren 1923-1928, also in sechs Jahren, ist dieses Me um insgesamt 20,9 Kilometer erweitert worden, das Jahr 1929 mind eine Erweiterung um nicht weniger als 20 Kilometer bringen; das eine Jahr bringt alfo eine Ausdehnung, die beinahe ebenso groß sein wird wie die Erweiterungen der ganzen Zeit feit der Inflation bis zum heutigen Tage. Die Betriebseröffnungen, deren Termine noch nicht ganz genau feststehen, werden sich über das ganze Jahr verteilen. Am ersten merden bie beiden Berlängerungs­ftreden Stadion Rubleben( Spandauer Chauffee) und Slughafen- Tempelhof Südring fertiggestellt sein, vor­aussichtlich etwa im Mai/ Juni. Danach werden die Berlängerun gen Bergstraße- Grenzallee und Bobbinstraße- Thomasftraße in Reukölln und die Berlängerung Rorbring- Mühlenstraße im Ror­den der Stabt folgen. Reben diefen Bauten gehen bie Arbeiten an ber fogenannten Dahlemer Schnellbahn, die Dom Sommerfeld Konzern ausgeführt werden. Diefe Streden werden in

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Der Stochbahnhof Kottbusser Cor im Bau. den Sommermonaten in Betrieb genommen werden können. Sum Schluß wird gegen Ende des Jahres die Haupterweiterung um über 12 Kilometer folgen; das find die beiden großen neuen Bahnen Gesundbrunnen- Neukölln und Friedrichsfelde  - Lichten berg- Alexanderplatz Durch diese beiden neuen Bahnen wird eine außerordentlich wichtige Erweiterung unseres Schnellbahnnetzes zur Wirklichkeit, an der jahrelang gearbeitet worden tft. Die Bauten an der Jannowigbrüde und auf dem legenderplat felbft, mo bann drei Linien aufammenstoßen, die später noch um eine vierte

Bau der Elagen- U- Bahn unter dem Alexanderplats.

Soldat Suhren  .

Roman von Georg von der Vring  .

Copyright 1927 by J. M. Spaeth Verlag, Berlin  .

Wir aber find eine Schlange unser Schlangenhaupt ein Feldwebelleutnant, dem mir lautlos und schattenlos, von der Erde angefogen, eilig folgen über die unbekannte Ebene. Mar das ein Laut von uns, Kamerad?-Ein Kornfeld mar's, das ein Bind anblies.

Ich blicke auf und sehe nun die Spige der Schlange nach rechts abbiegen. Klar heben sich die Soldaten vom matten Himmel ab, und ihre Balfen bilden eine Kette von Strichen. Doch sieh, dort ist eine Unterbrechung in der Rette zwei Soldaten, nicht weit vor mir, die eben den anderen nach rechts folgen, tragen teine Balfen. Vielleicht haben sie ihre Laft fortgeworfen. Sie marschieren weiter eine Anhöhe hin­auf und nähern sich rasch dem Kern der Helligkeit. Es find Luijebam und Pfeiffer, die zwei. Doch nun jehe ich beutlich, daß fie doch etwas tragen, nicht Balten fürs Drahtverhau, fondern dünne Stangen, vielleicht Bohnenstangen und sehr lang. Sie schreiten hin, tragen die Stangen sehr steil an thren Schultern und reichen mit ihnen bis an den großen Stern.

Sie haben es sich ein wenig leichter gemacht, haben den Feldwebelleutnant getäuscht. Freude erfüllte fie darob, und es iſt, als ob sie ihr Herz leuchten ließen, feierlich unter ben es iſt, als ob sie ihr Herz leuchten ließen, feierlich unter belt Lagunemise arrenfrone vom Himmel zu fiechen. So Stangen, die sie wie irrende Ritter tragen, damit ziehen sie hin, die knie gehoben. Die Schlange windet sich,

und die Dunkelheit verschludt fie.

Der Abendfiern ist gefunfen. Unter den langgestreďten Nachtwollen raufen wir die zähen Getreidehalme, um eine Gaffe für den Laufgraben festzulegen. Der Schüßengraben mag ganz in der Nähe fein. Schuffe tnallen her, und wir liegen eine Weile im Kornfelb. Mehren zwischen den Zähnen. Einer mird vorbeigeführt. Wir blicken auf und flüstern erichroden.

Alles ist nas," lacht einer der Vorübergehenden ,,, es fäuft mir schon den Rüden entlang. Mir ist ganz schwindlig. Aber bran fist es noch.

Was bu bentft!" brummit der Begleiter. Ein Ohr blutet hos leidt. De jo midh einholen.

nach Beißensee vermehrt werden, gehören zu den tomplizierteften und interessantesten Bauwerten dieser Art überhaupt. Es follte wirklich fein interessierter Berliner   verfäumen, menigstens im Borübergehen auf diese Bauten einen Blid zu merfen, benn fie zeigen mit unerhörter Ein. bringlichkeit, meldhe gemaltigen Leiftungen notmenbig find, um den Steigenden Anforderungen des Ver. fehrs im Innern her Stabt gerecht zu werden.

Die neugegründete Berliner  Bertehrs.- G. wird noch im Baufe des Januar den städtischen Körperschaften ein neues Baupro­gramm für die nächfien Jahre vor­legen, meil auch nach der Fertig ftellung der jetzigen Bauten der Be darf an neuen Schnellbahnlinien noch nicht gebedt ist. Die intereffanteste Arbeit wird dabei der Bau einer neuen Enflaffungslinie im Jnneru der Stadt durch die Leipziger Straße  fein. Hier wird ebenfalls die Herstellung neuer Berkehrsverbin.

Sie find vorbei. Wir erheben uns, greifen mieber zu den Spaten, und einer sagt:

Der hat Dusel"

Dann wird etwa zwei Stunden lang fast ohne Unter brechung gegraben. Wir sind in gleichen Abständen aufge stellt, jeber hat seinen Abschnitt, und auch die Grabenbreite ift vorgeschrieben, nämlich: Spatengriff bis Spatenfchneide. Da man mit seinem Nachbarn Schritt halten möchte, arbeitet man, ohne aufzusehen und gerät start in Schmeiß. Es geht wie beim Rennen: einer gräbt wie wild( vielleicht ift er ein gelernter Erdarbeiter), und die Rebenleute müssen folgen, um teinen Anschnauzer zu beziehen.

Gegen 2 Uhr, als die Nacht zu Ende geht, fontrolliert der Feldwebelleutnant die geleistete Arbeit und nähert sich in bem durchweg einen Meter tiefen Laufgraben. Lurije. bam und Pfeiffer haben nur einen halben Meter Tiefe er reicht. Der Feldwebelleutnant schilt:

bungen von Straßendurchbrüchen begleitet werden müssen. Der Durchbruch der Frankfurter Allee   zum Meranderpla fann mir als Beginn großer Durchbruchsoperationen bezeich net werden, deren Inangriffnahme überhaupt nur möglich gewesen ift, weil die Bauten der Verkehrsunternehmungen jetzt nicht mehr non privaten Gesellschaften durchgeführt werden, deren Intereffe immer ein anderes als das der Stadt sein mußte. Nur durch die Stonzentration des gesamten Nahverkehrs in einer Hand und burd) bas enge Zusammenarbeiten mit allen Stellen ber Stadt und durch die ständige Berücksichtigung der öffentlichen Gefamtintereffen ist es möglich gewesen, an so große Durchbrüche und Playerweiterungen heranzugehen, von denen man hoffen kann, baß fie ohne erhebliche Belastung für die Stadt durchgeführt werden tönnen.

Daneben bleibt die Entwicklung der Oberflächen­verfehrsmittel nicht stehen. Die monatlich veröffentlichten Berkehrszahlen zeigen, wie auch dieser Berkehr ununterbrochen an­fteigt. Wir verfuchen in erster Linie die fehlenden Berbindungen in die Außenbezirke herzustellen. So hat die Autobusgesellschaft eine ganze Reihe neuer Berbindungen nach Orten eingerichts, die bisher ohne Nahverkehrsmittel waren. Ich erinnere mur an die Linien von Spandau   nach Staaten, Don Tegel über Waid­mannsluft nach Sübars, von Friedrichsfelde   nach Marzahn  , Don Friedrichsfelde nach Raulsdorf, von Grünau nach Bohns borf. Diesen Linien werden in den nächsten Wochen und Mona ten neue Außenlinien folgen, und zwar: von Röpenick nach Rau[ s dorf, von Beißensee nach Hohenschönhausen, von Ban fom nach Blantenfelde Shildom, Don Spandau nach Tegel  , von Mariendorf   über Brit nach Niederschöne metbe- Adlershof  . Eine neue Omnibusfinie wird ferner im

AL

Die Baulen an der JannonHabrücke. Korben der Stadt von der Seestraße dunh bie Schillerprome nabe- Graf- Röbern- Allee bis nach ermsborf hinaufführen.

Auch die Straßenbahn erweitert the Neh ständig. So hat e in diesem Jahre Lichtenrade   angeschlossen, das Kraftwert Stingenberg hat endlich Straßenbahnverbindung erhalten, im Ros

Da," grollt er, für Bohnenstangentragen und für fam mäßiges Arbeiten! Es folgt ein regelrechtes Handgemenge, halb im Spaß Ich bin so müde, daß mich diese Rauferei aufregt. Andere befehlen:

Mauf halten!" Lurtjebam gähnt:

Wer andern eine Grube gräbt, fällt Feldwebelleutnan

felbft hinein."

Dann heißt es: Rüdmarsch und eilig! Der Tag grout.

Kurz nach 5 Uhr sind wir zurüd in Apollonia, triechen in die Zelte und schlafen. Um 7 Uhr erfolgt allgemeines Weden, das ist hart. Wir sind auf 8 Uhr zum Gottesdienst befohlen, denn heute ist Sonntag. Der Teufel ist bestimmt anwesend, er hat den Einfall, uns zum Gottesdienst zu hetzen. ,, Berdammt wenig! Das ist doch kein Meter, Keris!" Der Anzug ist nach Möglichkeit zu säubern. Es riecht nach Gleich neben Pfeiffer aber hat ein tüchtiger Erbarbeiter geEs gibt aber Kameraden, die Schuhcreme befizen und sich Seine Zigarette glimmt näher auf, wieder schimpft er. Bech und Schwefel. Meine Stiefel sind vorn mit Segel band genäht und nehmen sich wie hölzerne Segelschiffe aus. graben, nämlich abst. Der Feldwebelleutnant vergißt seine Taschenlaterne spielen zu lassen, stolpert in ein fauber abge zum Gottesdienst fein machen, so Babft. Auch hat er ein ftochenes vierkantiges Loch und schlägt fich die Bigarette Stüd Spiegelglas auf einen Baun geſtedt und fämmt seine aus dem Munde. Er sucht sie wieder und schnauzt Babft an: benn sie bleiben, wo sie waren, aber fie liegen dort so, daß hübschen braunen Ringelloden zurüdmit wenig Erfolg, Ihr sollt doch keine Löcher machen haben Sie mich man gern hinfieht. Auch auf dem Wirbel stellt sich eine nicht verstanden?!- Man fällt fich tot!- widerspenstige Strähne anders wie erwünscht. Es ist lächer­lich, diese Bemühungen des Soldaten zu beobachten- man gähnt und beschließt, wie man ist vor seinen Gott zu treten, allerdings in aller Eile gewaschen Um 8 Uhr führt uns der Unteroffizier vom Dienst zur Mühle. Es fommen Auf all das gießt die Sonne Teufelswaffer, nämlich Hiße, noch mehrere Kompanien an, und ein Biereck wird gebildet.

Ein Anschnauzer in der vordersten Linie ist nicht weiter schlimm, denn der Ruffe schießt Salven, und der Feldwebel­leutnant betet die Erde an. Lurtjebam und Pfeiffer ducen fich haftig in ihr schönes flaches Grabenstück und stoßen da­dunklen Erbrinne und erwarten das Ende des Schießens. bei mit den Köpfen zusammen. Alle hoden mortios in der

Dann ist der Feldwebelleutnant fort, und mir friechen wieder heraus. Pabst ist voll But und nennt feine beiden Nachbarn Faultiere". Burtjebam fucht feine Bohnenstange, brudt fie neben seinem Abschnitt in den Aderboden und flüftert: Sier arbeitete vorbildlich der Musketier Julius Lurtje­Pfeiffer ergreift die seine, pflanzt sie daneben und ruft He, Babft, gib' ne 3igarett, denn du hast ihn umgelegt!" Babft gibt feine Zigarette, sondern einen Stoß mit dem

bam

laut:

Spaten.

trog der frühen Stunde.

Oben auf dem Rundgang der Mühle öffnet sich eine Tür, alle Helme machen einen Ruck nach hinten, und man erblidt den Pfarrer. Es ist ein großer Herr mit einem

ichwarzen Badenbart, dem die schmude Predigeruniform nicht übel steht. Er tritt an die Brüftung, stüßt seine Arme auf und öffnet den Mund, so daß ein weißer Fled von Zähnen sichtbar wird. Das blanke Kreuz liegt ruhig vor feiner Bruft. Man denkt: Gut, daß wir die Sonne im Rüden haben, die Kerle von jener Kompanie sehen bestimmt nichts.

Fortfegung folgt.)