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Die Zersetzung der KPD . Berliner Tagung des Thalheimer-Branöler-Zlügels. . Die„Rote Fahne " hat ihre Schweigetaktik gegenüber dem inneren Kampf in der KPD. plötzlich aufgegeben. Sie veröffentlicht einen langen Bericht über eine Zusammen- kunft des Brandler-Thalheimer-Flügels in Berlin , die als Vorkonferenz für eine zum 30. Januar geplante Reichskonfe- renz gedacht war. Unter den Teilnehmern nennt die„Rote Fahne " neben Thalheimer Brand ler und Frau, Karl Friedberg, Haufen, Jakob Walcher , Melcher, Tittel, Rosi W o l f st e i n— alles alte Mitglieder der KPD . und des Spartakusbundes, die alte Garde der KPD . Ueber das Referat Thalheimers berichtet die Fahne: Zunächst habe der Leninismus ein großes Kapital unter dem Weltpro'etariat gesammelt, das nur allmählich vertan werde. Es sei auch nicht das Entscheidende, wie lange es dauerte, sondern das Entscheidende sei die Tendenz der Entwicklung selbst und daß ■ He die Tendenz des Bankrotts und Niedergangs sei, sei ganz zweifellos und heute schon feststehend. Die Entwicklung müsse ganz naturnotwendig die Sektionen und die gesamte Komintern nach einer Reihe von bitteren Erfahrungen -ur Selbstbesinnung bringen, wie dies in der Maslow-Period« in Deutschland gleichfalls der Fall gewesen sei, und kategorisch die Aende- rung des Kurses herbeiführen. Aber dieser Kurs könne nur ge- uidert werden, indem sich die Komintern dann auf die jetzt durch den Offenen Brief verurteillen Genossen und Gruppen orientiere. Dann iei der Zeitpunkt für die fälschlicherweis« als„Rechte" verschrieenen. die in Wirklichkeit nichts weiteres seien als die wahren Leni« ui'sten in de r Kommunistischen Internationale, ge» kommen, und dann bildeten sie den entscheidenden Machtfaktor der Kamintern. Wenn sie(die Brandleristen) jetzt auch zeitweise außer- halb der Internationale ständen, so fei dies nur eine Episode. Thalheimer erklärte, daß die russischen Genossen sie nicht mehr ichen werden, bis sie ein Machtfaktor geworden sind und wo 'ic alsdann als gleichberechtigte Macht gegen Macht sprechen könnten. Den Behauptungen des Offenen Briefes , daß sie(die Rechten) eine sozialbemokralische Strömung in der KPD . seien, glaubt Thal» heimer damit entgegentreten zu können, indem er ihr.Bekenntnis" zur Diktatur und zu den Räten betont, dos von den rechten Sozial- Demokraten grundsätzlich abgesehnt werde und auch die linken So- zialbemokraten lehnten die proletarische Diktatur ab. Diese Grund- oerschiedenheit in dem programmatischen Be» kenntnls zur proletarischen Herrschaft trenn« sie von der Sozialdemokratie. Dagegen müsse man sich gegenüber der heuti- gen Leitung der Komintern abgrenzen, die die russischen Erfahrungen einfach aus alle anderen Länder schablonenhaft übertrage. Immer wenn in der russischen Partei Differenzen entstehen und innerparteiliche Kämpfe stattfinden, würde die Komintern zur Ab- lcnkung von diesen Differenzen die übrigen Sektionen mobilisieren und die Komintern sehe aus Erscheinungen in der russischen Partei jetzt überoll, selbst in Java und Borneo usw. eine rechte Gefahr. Weiter führte Thalheimer aus, daß die deutsche Partei nicht auf Grund der russischen Revolution, sondern bereits vor 1910 als linke.r Flügel in der alten Sozialdemokratie entstanden sei. Das zeige, daß die deutsche Partei eine eigen« geschichtliche Tradition habe, die von der Komintern voll- ständig verkannt wird, was der Hauptfehler der heutigen Leitung der Komintern sei. Ebenso habe die Komintern eioea Grundfehler begangen, indem sie einfach die OrganisaUonssorm der bolschewistischen Partei in den übrigen Ländern schablonenhaft kopiert habe und die Partei auf Betriebszellen aufbaute, was im Gegensatz zur Erfahrung in allen westeuropäischen Ländern zum Verhängnis der Parteien weden müsse. In Deutschland seien die Betriebszellen im Kampfe gegen die Ultralinken geschaffen worden, um den Einfluß der Ultralinken zu brechen. Dos müsse heute ins Gegenteil umschlagen, weil das das schwierig st e Hemmnis für die Demokra- tie dar st eile, die ein Grundelement der w« st«uro» päischen Arbeiterbewegung sei und gleichfalls zur Liqui- dierung der Parteien beitragen würde. Die Lage, in der sich jetzt die rechte Fraktion befindet, be- zeichnet Thalheimer als durchaus„befriedigend". Die KPD . sei immer in Fraktionen getrennt gewesen, und der Vorwurf, daß sie Fraktionsmacher seien, sei kein Schreckgespenst für die Parteimitglie- der, sondern die Parteimitglieder seien an die Fraktionstätigkeit von jeher gewöhnt. Ueber ihre weitere organisatorische Tätigkeit be- «richtet Thalheimer, daß nicht die Absicht bestehe, einen neuen Spar- takusbund zu gründen, sondern daß jetzt Zellen gebildet werden müssen der Ausgeschlossenen mit den Anhängern innerhalb der Partei. Diese Zellen sollen die Bezeichnung Zelle.Einheit " tragen. Die Aufgabe dieser Zellen sei, vor den Tagungen der Partei uürimmenzutreien um die Taktik in den betreffenden Parteiorgan!- i.uionen festzulegen. Die.Hauptausgab« der Zellen„Einheit" mühte icdach darin bestehen, in den Massenorganisationen(Ge- werkschast, Genossenschaft, Sport, Freidenker usw.) überall Fraktionen zu bilden und überall mit ihren besonderen An- lichten den Fraktionen der Partei entgegenzu- treten. Das müsse sowohl in den Fraktionen der Partei go- scheben, wie auch in den allgemeinen Versammlungen der Gewert« ichaft, Genossenschaft, der Sportler, Freidenker usw., wo sie genau :o. wie die Partei durch ihr« eigenen Redner ihre besonderen Aus- iassungen sowohl den Reformisten, wie der Partei gegenüber zum Ausdruck bringen müßten. Zur Unterstützung dieses öffentlichen Auftretens soll die Zeitung„Gegen den Strom" weiter auege- baut werden, und zu allen politischen Fragen Stellung nehmen. Außerdem sei geplant, eine periodische Zeitschrift der Gruppe herauszugeben. Auf dieser Grundlage glaubt Thalheimer allmählich die Partei zu erobern, mindestens in einer Reih« von Parteiorganisationen die Mehrheit zu gewinnen, um bei einer Aende« rung des Kurfes. nachdem sich die„Thätmann-Clique" abgewirt- schaltet habe, die Führung in die Hände zu bekommen In der Diskussion forderten— nach dem Bericht der Fahne— RosiWolf st ein und Kar l� Friedberg di« sofortige Gründung einer neuen Partei, da alles das. was Thalheimer vorschlage, ohnehin Elemente einer neuen Partei darstelle. Brandler wandte sich dagegen. Es könne sehr wohl eine Situation geben, in der zeltweilig die E x i st e n z einer Partei zwischen KPD . und SPD. mög« l i ch sei. aber diese Situation sei jetzt nicht gegeben. Praktisch bedeuten die organisatorischen Maßnahmen, die die Gruppe Brandler-Thalheimer ins Auge faßt, daß in allen Zweigen der Arbeiterbewegung neben das kommun- nistifche Spaltungselement. noch ein zweites Spaltungs- element treten soll, das mit dem kommunistischen konkurriert.
Der Afghanenkönig Amanullah soll sich den Aufständischen gegenüber bereiterklärt haben, den Freitag wieder als Feiertag ein- zuführen, eine Mädchenschule, die den orthodoxen Moslim nicht paßt, zu verbieten, auch sonst noch Reformen aufzuheben und ein neues Parlament zu berufen, in dem die Stammeshäuptlinge und die Armeeoffiziere stärker vertreten sind. Ist das richtig, so zeigt es eine Nachgiebigkeit, die mit dem angeblichen Sieg über den Auf- stand schlecht zusammenstimmt: außerdem scheint danach die Armee durchaus nicht so unbedingt zum König zu stehen. Dazu wird nun gemeldet, daß die anglo-indische Regierung eine hohe Belohnung sür die Festnahme des Sirdars(Generals) Muhammed Omar Khan ausgeschrieben hat. Muhammad Omar Khan, der der afghanischen Königsfamilie entsprossen ist, gehörte zu den 1200 afghanischen Flüchtlingen, die unter behördlicher Ueber- wachung in Indien lebten. Er wohnte bisher als Gefangener auf Ehrenwort in Allahabad . ist ober feit dem 29. Dezember ohne Er- loudni» der englischen Behörden von dort verschwunden, offen- bar. um Thronansprüche in Afghanistan zu erheben.
Amanullah hat.den Kriegsminister Mohammed Walik Khan zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte ernannt. Der König hat diesen Posten abgegeben. Oie Zugeständnisse bestritten' Loudon, Z. Januar.(Eigenbericht.) Die afghanisch« Gesandtschaft dementiert die Meldungen, wonach König Amanullah die Schließung der Mädchenschulen an- geordnet habe, um die Reaktionäre zu besänftigen. Ebenso falsch sei es, daß die Reg erung den Schleier für Frauen wieder emge- sührt Hab« und an Stelle der Sonntagsruhe wiederum den Fr« i- tag als öffentlichen Ruhetag erklärt habe. Oer Abflug der Fremden. Peschawar , 3. Januar. Am Dienstag haben noch mehrere Ausländer Kabul an Bari » englischer Flugzeuge verlassen, eine Anzahl D e ut s ch e r, Türken und Inder.
Hugenbergs Oiktaturverem.
Hugeuberg hat einen neuen Verein gegründet, sich selbst vor der Gründung»um Vorsitzenden ernannt und gleichzeitig seine Liuab- setz barkeit proUamiert.
Vorsitzender Hugenberg:«.Hand weg! Ich dulde bei mir keine Abstimmung!�
Dir hoffen allerdings, daß nicht die Arbeiterbewegung in ihrer Masse, sondern höchstens die Spalter selbst davon ge- schädigt werden. Geistig ist die Entwicklung dieser Gruppe sehr inter- essant. Die Ernüchterung ist grenzenlos. Ihr Programm heißt Abkehr vom Experiment der kommunistischen Inter - nationale, Bersuch� die Ideen des Linksradikalismus aus der Vorkriegszeit in Einklang zu bringen mit den historisch ge- wordenen Organisationsformen der deutschen sozialdemokra- tischen Arbeiterbewegung und ihrem demokratischen Grund- element. Von hier führt eine geradezu zwingende Linie zur Erkenntnis, daß die Diktatur eben eine mit dem innersten Wesen der deutschen Arbeiterschaft und damit des politischen Lebens in Deutschland unvereinbare Staatsform ist. Die Forderung der geistigen und politischen Autonomie für die westeuropäischen Kommunisten, die Abtehnunq des jesuitisch -mllitaristischen Systems der kommunistischen Inter - nationale sind Anfangselemente dieser Erkenntnis. Es sind Elementarforderungen, die in der Geschichte der KPD. bisher alle jene als Kampfforderungen gegen Moskau erhoben haben, die im weiteren Verlauf des Klärungsprozesses den Weg zur Sozialdemokratie zurückgefunden haben. Die Brandler-Thalheimer werden dieser Perspektive ein entrüstetes„Niemals" entgegensetzen. Aber die Wucht der Elementartatsachen, der geistigen Grundlagen der sozial- demokratischen Arbeiterbewegung, hat sie erfaßt— sie ringen dagegen ebenso vergeblich wie die geistlosen Unter- offiziere der Komintern in Deutschland , die Probleme über- Haupt nicht kennen, weil es nicht ihres Amtes ist zu denken.
Weichende Konjunktur. Böses Zeichen für Hilgenberg. Im„Fränkischen Kurier", dem in Nürnberg erscheinen- den Hugenberg-Vlatt. liest man das folgende Inserat: „Fahne. 10 Meter long, schwarzweisi- rot, mit Skange. billig zu oertaufen." Ein« schwarzweißrot« Fahne. 19 Meter lang, das ist schon ein« ganz ansehnliche Gesinnung, sozusagen eine Gesinnung Üb«? mehrer« Stockwerk« hinweg. Und diese 19 Meter lang«, hoch- achtbare, schwarzweißrot« Gesinnung soll billig verkauft werden? Ja, w* ist denn das? Ein Blatt Hugenbergs gibt sich dazu her, diesen Handel mit der schivorzweißroien Gesinnung zu inserieren, noch dazu so kurze Zeit, nachdem Herr Hilgenberg die beutschnatlo- nale Führung übernommen hat. Das sieht doch nach wankender Konjunktur ausl Kaum ein paar Wochen amtiert Herr Hugenberg und schon werden 19 Meter lange schwarzweißrot« Gesinnungen billig abgegeben. Das ist«in böses Omen!
Türkischer Beschneidungskrieg. Kemal als Schiedsrichter. koastaullnopel. 3. Januar.(Eigenbericht.) Di« Refonnmaschine Kemal Paschas und seiner Anhänger stampft mechanisch unentwegt weiter. In brutaler Form und mit erstaunlicher Schnelligkeit wird die Europäisierung der Türkei be- trieben. Fez und Schleier sind gefallen, die Klöster der Derwische wurden 1923 ausgehoben und verriegelt, die Wall- sahrtsort« der türkischen Monarchisten-» die Sultans- gröber— sind versiegelt, der Harxmswirtschast ist ein Ende bereitet. Noch müht sich jung und alt mit den lateinischen Schrift- zeichen, und schon rüsten die fanatischen Reformisten zu einer neuen Tat. In Konstantinopel hat sich ein« Refornigruppe gebildet, an deren Spitze der Chefarzt Dr. N a s i m B« y steht, die ein B e r- bot der Beschneidung anstrebt. In den Blättern weist sie darauf hin. daß die Sitte des Beschneidens in der Türkei keineswegs religiösen Charakter trage und der fortschrittlichen jungen Republik unwürdig sei. Als besonders stichijaltiges Argument wird ins Feld geführt, daß die Beschneidung die Zeugungskrast des Mannes ungünstig beeinflusse und hemme, wodurch ssch der erhebliche G e- burtenrückgang in der Türkei zum wesentlichen Teile er« kläre.(Die Juden und gerade die östlichen, sind ob ihres Kind.es- reichtums belannt. Red. d.„V.") Die Gegenpartei, die Freund« der Veschneidung, ereifern sich. da dies« ein« dogmatische Vorschrift des Korans sei, deren Aufhebung das religiöse Gefühl sämtlicher Mohammedaner aufs tiefste verletzen müßte. Der Ritus der Beschneidung reiche bis auf den Propheten zurück und fei zcldem von höchstem hygienischem Werte. Die Diskussion über den Wert und Unwert der Beschneidung hat sich zu einer heftigen Fehde ausgewachsen, die die Aerzteschaft in zwei feindliche Fronten gespalten hat, welch« sich solange bekämpfen werden, bis der„Gast"(Der Siegreiche, Ruhmestitel des Staats- Präsidenten Kemal vom Wellkrieg her. Red. d.„V.") sein Votum fällen wird. Im Januar folgt in Angara ein großer Aerztekongreß. auf dessen Tagesordnung die Frage der Beschneidung als ers-c-. Punkt gesetzt ist. Und dann spricht der„Gass".
Genosse Paul Löbe ist gestern abend v R i g a zu mehrtägigem Besuch eingetroffen. Gr wohnt beim Präsidenten des lettischen Por« laments. Genossen Dr. Paul K a l n i n. Der griechische Gesandle in Moskau berichtete seine Regierung, daß das Kiewer Gericht einpn griechischen Ingenieur zu zehn Iahren G-sä.ngnie wegen Wertspionage verurteilt habe. Der Gesandte berichtet, daß da? Gericht heimlich g*to� hätte.