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BERLIN Sonnabend, 5. Januar 1929

Der Abend

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Die Grippewelle in Berlin .

Die Krankenhäuser nehmen nur noch sehr schwere Fälle.

Die Grippewelle, die alljährlich auch Berlin heimsucht, dürfte nach Ansicht der beamteten Aerzte jetzt ihren Höhepunkt erreicht haben und man ist der Ansicht, daß in 10 bis 14 Tagen ein starker Rüdgang eintreten wird, wenn nicht warmes und regnerisches Wetter die Ausbreitung dieser Infektionskrankheit weiter begünstigen.

Gegenwärtig hat die Grippe, die diesmal glücklicherweise nur ziemlich leichte Formen angenommen hat, aber doch zahlenmäßig einen Umfang erreicht, der den städtischen Krankenhäusern und den privaten Pflegeanffalten ernstlich Kopfschmerzen macht. Die Kranken­häuser in Berlin find an sich alle überfüllt und das Hauptgefund­heitsamt hat zwar für alle Fälle noch eine Anzahl Pavillons in den Heilanstalten reserviert, die im Fall der Not mitherangezogen wer­den, aber es ist nicht mehr möglich, eine größere Zahl von Betten für Grippetrante freizumachen.

Sollten die Erkältungsfrankheiten wider Erwarten noch an Aus­dehnung zunehmen, dann müßten schon in furzer Zeit Schulen zur Unterbringung der Patienten herangezogen werden. Augenblicklich können die Groß- Berliner Krankenkassen etwa nur 30-35 Proz. der Grippekranken in die Krankenhäuser schiden und dort ist Anweifung gegeben, die wirklich schweren Fälle, vor allen Dingen solche, die mit Lungenentzündung verbunden sind, unter allen Umständen aufzunehmen. Alle leichter Erkrankten, selbst in den Fällen, in denen die Patienten Fieber haben, müffen jedoch abge­wiesen werden. Diese Maßnahme trägt natürlich nicht dazu bei, die Grippe zu beschränken, denn bei den Wohnungsverhältnissen in Groß­Berlin infizieren die Kranken, die in ihren Wohnungen bleiben müffen, sehr leicht die ganze Umgebung. Daß die Grippe einen recht erheblichen Umfang angenommen hat, beweist die Tatsache, daß in den städtischen Bureaus etwa 4 Proz. der Ange­stellten fehlen, die an Erkältungsfrankheiten leiden. Aehnlich hoch ist auch der Prozentjah in der Privatindustrie,

Die Berliner wissen sich zu helfen.

Nach dem letzten Schneefall konnte man dieses amüsante Bild in einer Straße Berlins sehen: einen Radfahrer als Motor für einen Rodelschlitten

Albert Thomas in Schanghai .

Ein Griff ins Wespennest.- Wehgeschrei der britischen Ausbeuter.

Zusammenfaffend läßt sich fagen, daß die Grippe, wenn sie auch bisher gutartiger verläuft als in früheren Jahren, prozentual ihre London , 4. Januar. ( Eigenbericht.) Arbeiterbewegung an Stelle der dritten Internationale zu über­Borgängerin im Jahre 1928 nicht unwesentlich übertrifft. Aus diesem Die ,, Times" hat von ihrem Shanghaier korrefpon- nehmen. Grunde wird auch die Stadtverordnetenversammlung denten ein langes Kabeltelegramm erhalten, das sich in gehässiger sich schon in furzer Zeit mit den immer unhaltbarer werdenden Zu- Weise mit dem Besuch von Albert Thomas in China befaßt und ständen in den Berliner Krankenhäusern, mit der furchtbaren Betten- sowohl wegen seines Inhalts, als auch wegen des symptomatischen not beschäftigen und, wie verlautet, werden von allen Fraktionen Charakters der Verleumdungen Beachtung verdient, zumal mit Anträge eingebracht werden, für ähnliche Fälle durch Aufstellung von Sicherheit anzunehmen ist, daß die in dem Kabel angeschnittenen Pavillons und Baraden Gelegenheit zur Aufnahme von Kranken Fragen nach der Rückkehr Albert Thomas' nach Genf zu ausgedehnten Bolemiken und Disfuffionen Anlaß geben dürften. Das Telegramm zu schaffen und die Zahl der Krankenhäuser zu vermehren. lautet in Uebersetzung:

Dampferkatastrophe im Mittelmeer .

27 Zote nur 6 Gerettete.

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Paris , 5. Januar.

Der französische 7000- Tonnen- Dampfer ma latoff" ist an den Balearen auf einen Felsen gelaufen und sehr schnell gesunken. An Bord befanden sich 25 Mann Besatzung und 2 Passagiere. Nur ein Offizier und fünf Mann konnten durch den Leuchtturmwächter ge­

rettet werden. Der Dampfer war von Le Havre in See gegangen, follte Marseille anlaufen und von dort nach Madagaskar gehen. Nach einer anderen Meldung ist der Dampfer auf der Südseite der Insel Artrus gegen den Leuchtturm gelaufen. Nach dieser Mel­dung waren insgesamt 33 Mann an Bord, von denen 27 um­gefommen sind, während sechs gerettet werden konnten. Als das Unglüd fich ereignete, fchlief der größte Teil der Mannschaft. Das Schiff jant in fieben Minuten.

Der Refordflug des Fragezeichens.

Ueber 90 Stunden in der Luft.

New York , 5. Januar. Das Flugzeug ,, Question Mark "( Deutsch : Fragezeichen") ist zu einem Rekordflug gestartet. Es war nach Meldungen aus Los Angeles um 6 Uhr abends Driszeit 90 Stunden in der Luft. Das Flugzeug ist so gebaut, daß es während 300 Stunden in der Luft bleiben kann. Die Flieger hoffen jetzt, auch den Rekord des Graf Zeppelin", der auf 112 Stunden Flugdauer lautet, zu schlagen. Das Benzin wird während des Fluges mit Hilfe eines zweiten Flugzeuges zu­geführt. Der belgische Dauerrekord, der unter gleichen Bedingungen aufgestellt wurde, ist bereits geschlagen.

Das neue Fabrifgeset, welches während des Aufenthalts von Thomas in Nanking eingebracht wurde, verfolgt gleich seinen Vorgängern lediglich zweierlei Zwecke: der eine besteht darin, den Sozialisten und Sozialarbeitern Europas und Amerikas zu zeigen, daß China in seiner Behandlung der Arbeiterschaft ultra modern vorgeht, und daß das Hindernis, das Fabrikgesetz in die Praxis um­zusetzen, lediglich in den extraterriorialen Rechten und ähnlichen Dingen zu suchen sei. Der andere Zweck besteht in dem Wunsch, ausländische Unternehmer in Verlegenheit zu versetzen. Liegt doch feierlei Absicht vor, den chinesischen Unternehmern die Durchführung dieses Gesezes aufzunötigen; diese würden eine wirt­

Die industrielle Gemeinschaft von Schanghai ( lies: die ausländische Unternehmerkolonie! Der Uebersezer) sind auf Albert Thomas , den bekannten französischen Sozialisten und Direktor des Internationalen Arbeitsamtes des BWölferbundes, mütend. Herrliche Durchführung dieses Gesetzes auch taum einen Monat überleben. Thomas ist nach China gekommen, um die industriellen Fragen zu studieren. Er hat sich kaum vier Tage lang in Schanghai , dem wich­tigsten Industriezentrum Chinas , aufgehalten und ist während dieser Beit völlig unter der Führung von Thomas Ifchu aus dem Departement für Arbeit im Handels- und Industrieministerium gestanden. Dieser legtgenannte Herr war weder Handarbeiter, noch Unternehmer, sondern ehemals industrieller Sekretär der YMCA. ( Christliche Organisation junger Männer) und war bei einigen schiedsgerichtlichen Verfahren anläßlich von Arbeitskämpfen tätig ge­wesen. Herr Thomas hat gesehen, was Herr Tichu ihm zu zeigen wünschte; nicht mehr und nicht weniger. Er ist niemals in der Nähe einer ausländischen Fabrik gewesen; als man ihn auf­forderte, dies zu tun, erklärte er feine Zeit zu haben, und dies un­geachtet des Umstandes, daß

die beiden bedeutendsten Arbeitgeber Chinas britische und japa­nische Firmen find.

Er hatte nur wenige Besprechungen mit ausländischen Arbeitgebern und stellte keinerlei Untersuchungen über Arbeitszeit, Löhne oder soziale Einrichtungen in den im ausländischen Besitz befind­lichen Unternehmungen an.

Herr Thomas ist deshalb nicht in der Lage, einen auf persönliche Eindrüde gestüzten Bericht über die Arbeitsbedingungen in Schanghai , abgesehen von einer oder zwei in chinesischem Befiz befindlichen Baumwollspinnereien, zu geben. Daher müssen notwendigerweise sämtliche Schlußfolgerungen, zu denen Herr Thomas kommen mag, entweder auf das von Herrn Tschu gelieferte material zurückgehen, oder aber auf vorgefaßten Meinungen beruhen, die auf die

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Als der Stadtrat von Schanghai im Jahre 1925 versuchte, ein Schußgefez für Kinderarbeit durchzuführen, waren es die chinesischen, nicht aber die ausländischen Unternehmer, melche dagegen protestierten. Hätte Thomas die japanischen und britischen Baumwollspinnerein und die britischen Tabakunternehmen besucht, so hätte er mit eigenen Augen Arbeitsbedingungen be= obachten können, mit denen sich kein chinesischer Betrieb vergleichen läßt. Die in ausländischen Betrieben herrschenden Arbeitsverhält­nisse sind unvergleichlich bessr, als diejenigen in den chinesischen Betrieben. Thomas besuchte jedoch keinerlei derartige Unternehmen. Er gab dem neuen Fabrikgesetz seinen Segen und es verlautet, daß er die Unterstützung des internationalen Ar­beitsamtes für dieses Gesetz so gut wie zugesagt hat.

Thomas soll anläßlich eines Empfanges, der von einer Reihe chinesischer Arbeiterführer zu seinen Ehren gegeben wurde, folgen­des gesagt haben:

Ich habe Gelegenheit gehabt, festzustellen, daß die Leiden der chinesischen Arbeiter auf die Unterdrückung im Gefolge der ungleichen Verträge zurückzuführen sind. Deshalb müssen in erster Linie die ungleichen Verträge mit ausländischen Mächten abgeschafft werden, um die Stellung der chinesischen Arbeiter zu verbessern."

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mag auf

Dies übrigens eine völlig falsche(?) Behauptung einer entstellenden Berichterstattung beruhen. Thomas ließ jedoch anläßlich seiner Abreise aus China eine Abschiedsbotschaft die er selbst in französischer Sprache abgefaßt hatte durch das Radio sprechen, in welcher er in so schmeichelhaften Borten von der neuen Regierung spricht, wie sie selbst die Be­geisterten ausländischen Freunde der Regierung, denen die wirk­zurückzuführen sind, darauf abzielen, die Führung der chinesischen lichen Tatsachen bekannt sind, nicht gebrauchen würden.

Bestrebungen der zweiten Internationale