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Morgenausgabe

Jr. 21

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46. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

13. Januar 1929

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Poincarés Rechtsmehrheit.

Die Auferstehung des Nationalen Blocks.

Paris , 12. Januar..( Eigenbericht.)

Der Abschluß der Kammerdebatte ist für den Beftand des Ka­binetts fo günstig gewesen, wie erwartet werden fonnte. In deffen ist eingetreten. mas man vorausgesehen hatte: der

alte Nationale Blod hat seine Wiederauferstehung gefeiert and das Kabinett ist auf eine Rechts mehrheit angewiesen. Boincaré, der im Laufe der Debatte fo lebhaft seine leber einstimming mit Briand betonte, wird sich nunmehr bald felbst Die Frage der Oppofition vorlegen müffen: Bie stimmen Mehrheit und Reg arung zufammen? Genaffe.& éon Blum hat red, wenn er im Bopulatre" feststellt, daß die Situation zurzeit die gleiche Jei wie in den Jahren 1923 bis 1924, als die Radikalen aus dem Nationalen Blod" austraten und Boincaré mi etner reinen Rechts mehrheit am Rider blieb. Es sei sehr möglich, meint der Sozia listenführer, daß Boincaré die heutige Lage lebhaft bedauere. Mit jedem Schritte, mit dem sich die inte von Boincaré entfernt, mird tatsächlich fein Kabinett in immer ftärferem Maße ein Gefangener der Reaffion.

Fierin liegt die eigentliche Gefahr für die Regierung. Die Rechte hat es nicht für nötig befunden, einen Redner vorzuschicken Sie fieß gleichsam Herrn Boincaré für fich sprechen, und übermütige Bufe einiger ihrer Mitglieder nach den Bänken ber Linten hin­über bewiesen genügend, wie sehr sie sich als Herrin der Lage fühlte. Die Herren vergeffen nur dabei, daß der Ministerpräsident beshalb allein eine relatio fo starte Mehrheit erzielte, weil befon­ders die Parteien des Jinten Sentrums ihm Zeit zur Füh mmg der Reparationsverhandlungen geben wollten. Ble benft hierüber die Marin- Gruppe? Die auf diese Berhandlungen bezüglichen Erflärungen Boincarés waren freilich im ganzen so ge= halten, daß alle

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Finanzen und Koalition.

Die große Belaffungsprobe.

Koalitionen find Krüden . Sie sollen der politischert Fortbewegung dienen. Manchmal aber muß es schon ge nügen, daß sie das Stehen ermöglichen, menn es auch nur ein Still stehen ist. Auch das fann im Politischen ein Gewinn sein, weil es ein Vermeiden von Berfall und Zu fammenbruch ist.

Ansprache gerade gebannt wissen wollte, mit ihnen nertnupit werden tonnten. Wenn der Ministerpräsident aflerdings einleitend erflärte, daß Frankreich nichts von einer Renderung des Dames Plans zu ermarien habe, daß es weit mehr im Intereffe des So bescheidene Beisheit braucht man nur auszue Weltfriedens als in feinem eigenen Interesse handele, fofprechen, um zu bemerken, daß das Verhältnis der Sozial fönnte dies jenen unentwegten Heißspornen zu benten geben. Es demokratie zur Koalitionspolitif nicht einfach wird sich in der Tat bald ermeisen, ob man hier jo viel realpolitischen ist. Die Massen der Partei wollen leidenschaftlich vor­Sinn besitzt, um aus diesem Grunde Boincaré und alfo audy Briand märts aus der Not heraus, die sie bebrüdt. Nur gemiffen­zu folgen, oder ob der Ministerpräsident und fein Außenminister hafteste politische Schulung tann sie zu der Einsicht bringen, ihrerseits gewillt find, allem flaren Augenschein zumider, menn die daß der Wille der Massen und der Führer nicht genügt, daß ichige Mehrheit brohend werden sollte, die schöne Fiktion der hoch aufgetürmte Hindernisse erst nach langer Belagerung Rationalen Ginigkeit aufrechtzuerhalten und der Reaffion Ge- genommen werden können und daß es schließlich in der demo­folgschaft zu leisten. Ein Minister freilich, Herr Bainlevé, hat fratischen Republit auch Dinge gibt, an deren Bestand in der Periode ber Nationalen Einigkeit" ein wunderbares An fie interessiert sind. Zum Beispiel daran, daß das System paffungsvermögen an den Tag gelegt. Der einstige Borfämpfer bes der Demokratie funktioniert und daß Deutschland nicht auf Friedensgedankens ist heute beinahe ein Hort der Rechtsparteien die politische Kulturstufe Serbiens hinabsintt. Oder geworden, die für die von ihnen betriebene Rüstungspolitit auch daran, daß Deutschland den beginnenden Verhandlun auf feine marme Unterstügungg zählen können. gen über die Endregelung der Reparationen nicht ohne per handlungsfähige Regierung gegenübersteht. Ganz besonders aber auch daran, daß die Sozialdemotratifche Partei jo meit erftartt, daß sie eines Tages die Krüden ' entbehren tann. Daß ein solches Erstarten der Partei mög­Die Resolution, für die die Regierung heute nad die Berfid) mare, menn sie sich grundsätzlich der Teilnahme an der trauensfrage geftellt hatte, erzielte eine Mehrheit von Berantwortung enthielte und die Bürgerlichen allein regie 74 Stinenten( 325 gegen 251 Stimmen). Die Opposition fegt ren ließe, wird von manchen behauptet, von anderen fich wie folgt zufammen: 11 Stommunisten, 98 Sozlatiften. wir glauben, mit Recht bestritten. 116 Rabifale, 10 Sozialrepublikaner( Diffidentan der Fraktion Briand - Painlevé ), 5 Mitglieder der Unabhängigen Binlen, 6 Abge ordnete, die feiner Graftion angehören.

Die Linke nahezu gefchloffen in Oppofition.

Paris , 12. Januar.

10 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten, 19 Abgeord nete waren beurlaubt. Alle übrigen Abgeordneten haben für bie Regierung gestimmt, darunter die sechs Radikalen under Füh rung von Emile Morel, die schon bei der Gründung des zweiten Kabinetts Poincaré fich non ihrer Fratton getrennt haben. Drei Raditale maren beurlaubt und nahmen an der Abstimmung nicht

Forderungen des unnadhgiebigen Nationalismus, wie sie Herr Marin und andere Patrioten" noch fürzlich formu fierien, daß alle 311ustonen, die der Kammerpräsident in feinerteil

Coolidge und die Reparationen.

Aeußerungen beim Preffeempfang.

verständigenposten fel. Begreiffidh märe es, bag Coolidge umb Rellogg ihre Zurudhaltung gegenüber bem Reparations problem betonten angesichts ihrer Ueberzeugung, daß die Fragen der Reparationen und ber Alliiertenschulden durch aus getrennt behandelt werden müßten, obgleich fie fich mohl bemußt sein müffen, daß beide Probleme zu verbinden feien und nicht voneinander gelöst werden tönnen"

WIB. verbreitet den authentischen Zegt der Erflärun-[ unzweifelhaft der best qualifizierte Amerifoner für den Sach­gen, die am Freitag in Washington beim Preffe empfang im Weißen Haus zur Reparationsfrage abgegeben wurden: Der Präsident ist der Meinung, daß die lehte Sachverständigen­tonferenz, deren Vorfth General Dawes führte, einen erwiesener­maßen brauchbaren Plan zur Regelung der Reparationen ausgearbeitet hat, und er glaubt, daß die Ausführung dieses Planes erfolgreich gewesen ist. Daher meint der Präsident, daß elues der Dinge, die in erster Cinie berücksichtigt werden müssen, die Endsumme ist, die Deutschland zahlen soll.

Wenn man zu der Erkenntnis fommt, daß Deutschland auch weiterhin die zweieinhalb Milliarden Mart zahlen soll, die un­gefähr einer Summe von 625 millionen Dollar jährlich entsprechen, dann ist, mle der Präsident die Dinge fleht, die einzige Frage, die in Ermägung zu ziehen ist, wie lange Deutschland fortfahren foll, diese Summe zu zahlen.

Menu ein Grund gefunden wird, den Betrag( der Jahres zahlungen) abzu ändern, dann würde das eine andere Stage fein. Nach Auficht des Präsidenten soll die Konferenz der Sachverständigen einberufen werden zu dem 3wed, eine gerechte Euffheidung zu treffen zwischen Deutschland , unter Berüd­fichtigung seiner Zahlungsfähigkeit, und den anderen beteiligten Ländern einschließlich Japans und unter Einbeziehung des relativ geringfügigen Betrages, der den Bereinigten Staaten zutommt."

Eine Zeitungsente.

Washington , 12. Januar. Die schon som Schokomt dementierte Meldung eines Die schon vom Schahzamt dementierte Meldung eines Nem Borfer Blattes, das Schokomt und das Staatsdepartement hätten angekündigt, daß die Regierung der Bereinigten Staaten eine Muflegung der Dames Bonds auf dem amerikanischen Markt nicht billigen würde, wurde heute auch vom Staatsdepartement als abfurd bezeichnet.

Nur staffelweise Auflegung möglich.

New Bort, 12. Januar.

New Nor! Times" spricht Me Hoffnung aus, Omen D'Young werde nidit durch persönliche Gründe von der Zeil mahme an der Reparationsfinferery abgehalten werden, da er

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Infolge diefer in Washington angenommenen Haltung feien Gerichte entstanden, wonach sich Regierung und Hochfinanz gegen die Auflegung deutscher Reparationsbonds erklärten. Indeffen jei niemals behauptet morden, bie Bondauflegung fönne en bloc erfolgen. Die gleichzeitige Auflegung von fünf bis sechs Milliarden fel freilich unmöglich, nicht aber die flaffelmetse Auflegung je einer Miliarde von Zeit zu Zeit.

Die ftellvertretenden englischen Mitglieder des Expertenousschusses.

Condon, 12. Januar.

Bie amtlich mitgeteilt wird, haben sich Sir Charles Addis und Sir Bafil Bladett bereit erflärt, als ftellvertre tende englische Mitglieder an den Arbeiten des Sachverständigen ausschusses für die Reparationsfrage teilzunehmen. Addis, der dem Direktorium der Bank von England angehört und an der Epige zahlreicher Birtschaftsunternehmungen steht, mar Mitglied bes Generalrats der Deutschen Reichsbant. Bladett mar Finanzfachverständiger des Eretutiorats des Generalgouverneurs den Berfehrsunternehmens, in dem eine Reihe Rabel und Funt on Indien . Er wurde fürzlich zum Borsigenden des neuzugründen betriebe der Regierung aufgeben sollen, bestimmt. Auch ist er fürzlich in die Bant son England eingetreten.

Kritif an Zalesti ist verboten.

Eine deutsche Zeitung beschlagnahmt.

Das deutsche Bomereller Tageblatt" in Dirichay( Nou polen) if an amel Tagen hintereinander beschlagnahmt worden, meil es 3aleffis Lobpreifung des Sorridors und der sonstigen polnischen Sustände fritifiert hatte,

inte

einzugehen.

Aus politischen Vernunftgründen also hat fich die Sozialdemokratie nach ihrem lekten Wahlerfolg ent­fchloffen, die Spitze der Regierung zu übernehmen und mit den anderen Barteien, die zur Mehrheit notwendig sind, ein toalitions ähnliches Berhältnis Aus politischen Vernunftgründen ist sie bereit, dieses Ver­hältnis weiter zu befestigen. Es handelt sich um die nüch ferne Anerkennung von Notwendigkeiten, um die Erfüllung von Pflichten. Die Begeisterung für die Große Koa lition haben wir stets gern andern überlassen.

Die Frage, ob das bestehende foalitionsähnliche Ber hältnis zu einer wirklichen Koalition umgestaltet werden soll, mird non einem Teil der Bresse lebhaft erörtert uns scheint, daß die Zeit zu Bor verhandlungen zwischen den Partei führern längst versäumt ist, da das Kernstud des ganzen Fragenkomplexes schon morgen im Kabinett zur Berhand­Lung steht. Der Reichstag wird bis zum Sommer wenig Zeit haben, sich mit großen Angelegenheiten zu befaffen, qußer der einen brennenden des unge de dten Defizits und der Balancierung des Etats.

Steuervorschläge haben, ehe fie Gesez werden, drei Fege feuer zu paffieren: das Kabinett, den Reichsrat und den Reichstag . Daß fie aus ihnen unverändert hervorgehen. kommt nicht oft vor. Schon in der Kaiserzeit hat der fonit recht willensschmache Reichstag auf dem Gebiet der Steuer­politit stets starten Eigenwillen befundet. Die faiserlichen Reichsfinanzsekretäre fonnten ihre Kinder, die sie dem Reichstag zur Erziehung übergeben hatten, nach der Rüc tehr tamen sie überhaupt mieder meist faum wieder­erkennen.

Ohne ein arges Drüber und Drunter der Berhandlungen zwischen den Parteien ging es felten ab. Alch Goft, wie lagen denn die Sachen vor ungefähr sechs bis acht Wochen? Da lag es doch so, daß der Karren vollkommen im Sumpf stedte 3mei Pferde zogen rechts, zwei Pferde zogen fin ein Ruffcher war nicht zu sehen!" So schilderte der tonfervatine Führer v. Heydebrand in einer Reichstags= rede am 10. Sufi 1909 die Entwicklung der letzten großen Borfriegs- Reichsfinanzreform.

Das Hin und Herzerren wird auch diesmal nicht fehlen. Hauptsache ist, daß der Kutscher sichtbar bleibt. Haupt fache ist auch, daß es schneller geht als vor zwanzig Jahren, da man sich von Ottober 1908 bis zum Juli 1909 mit der Sache abquälte. Soptel 3eit haben mir dies. mal nicht!

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3m Jahre 1909 handelte es fich darum, ein. Defizit zx rechnet worden war. 48% Millionen sollten den Bändern beden, das von der Regierung auf 500 millionen be abgefnopft werden, 92 Millionen erwartete man von einer Erhöhung der Erbschaftssteuer, 100 Millionen aus Bier, 100 Millionen aus Branntmein, 77 QUIS Tabat, 20 aus ein, 50 aus Elettrizität und Gas; eine Anzeigensteuer follte 33 Millionen bringen. Die Berabschiedung dieser Steuerpläne oblag schon da mals einem foalitionsähnlichen Gebilde, nämlich dem Bulomblod, der aber die Probe nicht aushielt, sondern darüber in Trümmer ging. Der Bülowblod war nach den Hottentottenwahlen von 1907 aus Konservativen und Live­ralen gebildet worden. Paarung eines Karpfens mit einem