Morgenausgabe

Rr. 23

46. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

15. Januar 1929

Groß- Berlin 10 Pi. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige Ronpareillezetle 40 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen das ettge drudte Mort 25 Pfennig( zulässig med Jettgebrudte Borte), jebes weitere Bort 2 Bfennig. Steuengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmart Beile 60 Pfennig Familienanzeigen für- Ebonnenten Seile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Lindens traße 3, wochentädt, von 8 bis 17 Uhr

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Bernsprecher: Donboft 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Amanullah hat abgedankt!

In London bestätigt.

Sondon, 14. Jannar .

Wie Neuter erfährt, wird an zuständiger Stelle in London bestätigt, daß der König von Afghanistan Amanullah abgebantt hat.

Bugunsten des älteren Bruders.

Die Abdantung soll zugunsten des älteren Bruders, Prinz Inayatullah, erfolgt sein. Amanullah foll Kabul im Flug zeug perlaffen und sich nach Kandahar begeben haben. Die brahtlose Station Don Stabul ist seit drei Tagen völlig stillgelegt.

Schon während der Europaretje Amanullahs tauchte das Gerücht auf, daß die Lage des Emirs im eigenen Lande höchst unsicher sei, und es wurde schon damals die Frage laut, ob es sich unter diesen Umständen lohne, fich mit Empfangs­feierlichkeiten und Geschenken, die in die Millionen gingen, in Unfosten zu stürzen. Jezt stehen die europäischen Regie: rungen, die um die Gunft dieses erotischen Gastes wetteifer­ten und sich dabei durch Lurus und Klimbim gegenseitig zu übertrumpfen versuchten, ohne Ausnahme blamiert da: die Reichsregierung nicht weniger als die französische, die ita i

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Britische Außenpolitif.

Stillstand auf der ganzen Linie!

E. W. Condon, im Januar.( Eigenbericht.) Es gehört zu den eigentümlichsten Erscheinungen ber lienische nicht weniger als die englische, und am aller europäischen Politik, daß die Bürger Großbritanniens trog meisten vielleicht die sowjetrussische, die hinter den der weltweisen politischen und wirtschaftlichen Interessen fapitalistischen Republiken und Monarchien nicht zurückstehen ihres Landes in ihrer großen Mehrheit an außenpolitischen ihres Landes in ihrer großen Mehrheit an außenpolitischen wollte. Jetzt find in allen europäischen Hauptstädten afgha- Fragen wenigerinteressiert sind als sonst Bewohner nische Herzogmäntel und Klempnerwaren billig zu ver- irgendeines anderen demokratisch regierten Landes. Dabei faufen, auch in Deutschland . Herrn Wilhelm Mark immer wieder anzutreffen ist, im Mutterlande des Parlamen herrscht die unpolitische Haltung, die auf dem Kontinent faffungswidrig„ Ausgezeichneten" ist dieses Mißgefchid die sich ,, um Bolitik nicht fümmern", ist eine Seltenheit. Aber Herzog von Amanullahs Gnaden, und den übrigen ver tarismus feineswegs vor. Der Mann oder die Frau, jedenfalls zu gönnen. Das ändert nichts daran, daß der Fall Amanullah etwas die politische Leidenschaft beschränkt sich im großen ganzen Tragisches in fich birgt. Er ist zweifellos als Opfer im auf innerpolitische und in geringerem Maße auf Fragen bes Rampfe für den technischen und intellektuellen Empire, während die Außenpolitik noch immer vielzuvielen Fortschritt gegen das Mittelalter und gegen tabu" ist noch immer herrscht, besonders in den Mittel­den religiösen Fanatismus gefallen. Der Teil des afghani schichten, aber auch bei einem Teile des Proletariats die schen Bolkes, der noch unter dem Einfluß der Priesterkaste Borstellung, als ob Außenpolitik eine Geheim wissenschaft fteht, war eben noch nicht reif für die Abschaffung des fei, nur Eingeweihten zugänglich und am besten von einer Frauenschleiers, der Bielehe und sonstiger Vorschriften des gewiffen historischen Herrenklasse oder zumindest von aus­Korans. In diefem Manne, der den Kampf gegen Aber gesprochenen Spezialisten betrieben. Im Gegensatz zum Ston­glauben und Rückschritt aufgenommen hatte, und der dabei tinent, wo der Bierbankpolitiker, der mit Kontinenten jong­unterlag, steckte jedenfalls mehr Charakterftärte und fortiert und Weltreiche mit einem Federstrich zertrümmert, eine schrittliche Gesinnung als bei manchen seiner europäischen Gastgeber, den jezigen, Herzögen a. D.

Zivkowitsch maßregelt Beamte.

Schwarze Listen amtlich angefordert.

Belgrad , 14. Januar. Ministerpräsident General 3ivkowitsch, hat an die Ober­gefpane folgenden underta gerichtet: Parteipolitische Einflüsse haben zur Einstellung von Beamten ohne die not­wendige Borbildung und ohne moralische Eignung geführt. Sie müffen durch anständige und fleißige Beamte ersetzt wer­

den, die die Urbelten rasch zu verrichten und den Intereffen des

Staates und des Boltes zu entsprechen verstehen. Ich mache Sie für die Tätigkeit der Ihnen unterstellten Behörden und Beamten verantwortlich. Unterbre ten Sie mir innerhalb von

fünfzehn Tagen besonders begründete Vorschläge für jene Beamten, die aus dem Dienst entfernt werden müssen, fel es mangels genügender Vorbildung, wegen Untätigkeit oder aus anderen Gründen.

Der lungenfrante Außenminister.

Genf , 14 Januar( Eigenbericht) Der bisherige ständige Gefantte Serbiens in Genf otitsch ift, wie zuverlässig verlautet, zum Stellvertreter unb mit

Marschall Foch schwer erkrankt.

Sieben Aerzte am Krankenbett.

Paris , 14. Januar.

Uus eluem heute abend von der Agentur Havas veröffentlichten, won fleben ersten unterschriebenen Krankheitsbericht erfährt man von einer offenbar nicht unwesentlichen Erkrankung des Mar­Ihalls Joch. Der Bericht fagi: Marshall Foch leidet seit einigen Lagen an einer Herzfrife, die vollkommene Ruhe erfordert. Der Marschall liegt felt zwei Tagen frant. Jm Canfe des heutigen Abends hat man eine leichte Besserung feststellen tönnen.

arbeiter bes ferbischen Außenminifters Marintomitich aus ersehen. Marinfowitsch wird in den nächsten Tagen zu einem lan­geren Erholungsurlaub in Davos eintreffen. Fotitsch, der feit zwei Jahren Serbien beim Bölkerbund vertrat, gilt als einer der fähigsten außenpolitischen Köpfe Serbiens.

beliebte Wigblattfigur geworden, ist der entsprechende eng­ lische Menschentyp eher geneigt, ein gemiffes Gottesgnaden tum der Curzon und Chamberlain ungefragt anzu erfennen und, ebenso wie sein religiöses Leben, auf ein eigenes Urteil zu verzichten. Daran hat merkwürdigerweise weder der Weltkrieg, noch die kurze Episode der ersten Ar­beiterregierung grundsäglich etwas geändert, wiewohl doch die Erfolge der Außenpolitit Macdonalds auch dem Blindesten zeigen fonnten, wieviel in verhältnismäßig furzer Zeit mit neuen Mitteln und Methoden erzielt werden fann..

Angesichts dieser Apathie gegenüber außenpolitischen Fragen ist um so bemerkenswerter, was sich 1928 abgespielt hat. Großbritannien und die Welt ist Zeuge einer Reihe von ausgesprochenen Revolten der öffentlichen Mef­nung geworden, gegen die Außenpolitik des Kabinetis Baldwin im allgemeinen, gegen das Außenamt und Sir Austen Chamberlain im besonderen. In der britischen Po­litik des vergangenen Jahres ist kein Ereignis denkwürdiger, als jener Sturm, den das englisch - französische

Protest der französischen Liga für Menschenrechte. Iottentompromis ausgelöst hat und nichts ein­

Paris, 14. Januar.( Eigenbericht.)

Die französische Liga für Menschenrechte veröffentlicht hebung der jugoslawischen Berfassung burd) ben am Montag einen energischen Proteft gegen die Auf König Alexander. Mit diesem Att habe der König feinen Eid verlegt und die Rechte freier Menschen und eines freien Boltes mt Füßen getreten. Durch die Aufhebung der Breffe und Ber­sammlungsfreiheit merde die öffentliche Meinung des Landes ge Enebelt. In einer Zeit, in welcher überall sich Diftaturen erhoben, bestände für die Republikaner aller Länder um o mehr die Bilicht. zur Berteidigung der Demokratie ihre Stimme zu erheben.

mit einem diplomatischen Baß versehen war und Empfeh lungen höchster politischer Persönlichkeiten bei sich zu tragen pflegte. Diefe hätten ihn in aller Form bei der belgischen Regierung eingeführt, als er in Brüffel eine Filiale der„ Gazette du Franc" gründen mollte.( Auch bei mussolini hat Bloch vor gesprochen. Reb.)

Heimwehrmordtat in Tirol. Sozialdemokratischer Eisenbahner lebensgefährlich verleht Wien , 14 Januar.( Eigenbericht.)

Die Protektoren der„ Gazette du Franc" und traf ihn in die Lunge. Der Eisenbahner ist sehr schwer ver­Lazare Bloch reifte mit Diplomatenpaß.

Paris , 14. Januar. ( Eigenbericht.) Der geschiedene Gatte und Geschäftsteilhaber der Frau Hanau , Lazare Bloch, ist am Montagnachmittag zum erstenmal feit seiner am 4. Dezember erfolgten Berhaftung vom Unter­fuchungsrichter verhört worden. lleber das Ansehen, welches Bloch bei den höchsten französischen Behörden bis zuletzt genoß, wußte bereits seit Wochen die Humanité" zu berichten. Am Montag ver­öffentlicht die nationalistsche Liberté ihrerseits Erklärungen eines der wichtigsten Mitarbeiter Blochs, des„ Generafinspektors der Gazette du Franc" für den Norden. Der Generalinspektor, der Jeiner Ueberzeugung Ausdrud gibt, daß schließlich troß allem die volle Zahlungsfähigkeit des Konzerns erwiesen werde und die ganze Angelegenheit lediglich auf die machenschaften einfluß­reicher Gegner der Gazette du Franc" zurückführt, bestätigt bie non dem tommunistischen Blatt gemachte Feststellung, daß Bloch

In der Nordfiroler Ortschaft Telfs schoß ein Heimwehr führer auf einen sozialdemokratischen Eisenbahner leht, fein Aufkommen zweifelhaft. Diese neue Ausschreifung der übermütigen und durch die Tiroler Landesregierung fyftematisch ge­förderten Heimwehrleute vergrößert natürlich die Empörung der Ar­belterschaft über diese faschistischen Gewalttäter.

Etatberatung der Reichsregierung.

In der gestern unter dem Vorsitz des Reichskanzlers abgehalte­nen Minister befprechung wurde die Generaldebatte über den Reichshaushalt und die Deckungsgesetze zu Ende geführt. In der heutigen Kabinettsfihung werden die Einzeletats zur Beratung ge­langen.

Der Weltestenrat des Reichstages ist für Freitag, den 18. Januar, vormittags 11 Uhr, zu einer Sigung einberufen worden, um über den Wiederzusammentritt des Reichstages zu beschließen. Die sozialdemokratische Reichstagsfrattion hält am Montag und Dienstag der nächsten Woche Fraktionssigungen ab.

drucksvoller als die Beigerung aller Organe der öffent­lichen Meinung, die englisch - amerikanischen Beziehungen durch einen politischen Schnißer gefährden zu lassen. Biel­die allenthalben fühlbar wurde, als die Hintergründe leicht noch aufschlußreicher war jedoch die tiefe Besorgnis, jenes Flottentompromisses, die Zugeständnisse, die England als Kaufpreis an Frankreich gezahlt hatte, bekannt wurden. Galt es hier doch, anders als im Falle Amerika , unter Ueber­mindung starter innerer psychologischer Hemmungen für Locarno gegen die alte Entente mit Frankreich , für Deutschland und in einem gewiffen Sinne gegen Frant­reich Stellung zu nehmen. Mochte man, was sich zwischen Downing- Street und dem Quai d'Orsay abspielte, unverbind liche Abmachungen, Erneuerung der alten Entente, Neue Entente" oder gar Allianz nennen, Tatsache ist, daß die öffentliche Meinung sich instinttiv gegen die Folgerun­gen einer solchen Politik wandte, die England wieder zu Frankreich in ein anders geartetes Berhältnis fegte, als zu Deutschland oder Italien und sich nach außen hin darin aus­drückte, daß die Bertreter Großbritanniens in Genf zum Erstaunen der Belt und zur tiefen Beschämung vieler Briten wie Basallen Poincarés auftraten.

Es wäre jedoch bittere Selbsttäuschung, wollte man von Diesen spontanen Ausbrüchen der öffentlichen Meinung die peran berte Haltung ableiten, die in den lekten Monaten bemerkbar murde. Gemiß, bas englisch - französische Flotten­tompromiß ist tot. Aber es ist nicht an der beinahe ein­mütigen Entrüstung der britischen Deffentlichkeit, sondern an den Antworten der amerikanischen und der italie­nischen Regierung gestorben. Und wenn es heute fo scheinen möchte, als ob auch die neue Entente" von den Leitern der englischen Außenpolitit mehr und mehr als eine so Berlegenheit empfunden würde, fo war es auch hier nicht der Kampf der liberalen und der Arbeiterpreffe, die Tag für Tag die tiefere Bedeutung jener anglo- französischen Ab­machungen aufdeckte, waren es nicht die warnenden Borte Lloyd Georges und Ramsay Macdonalds im Unterhaus, fondern die Rüdwirkungen, die diese neue Politif in Berlin , Rom und Mostou auszulösen begann. Die Sprache der öffentlichen Meinung selbst blieb der Regierung verfchloffen. Man sah in Whitehall , dem Regierungsviertel, n'chts als fünstliche Stimmungsmache, und ein Minister scheute sich nicht, die widerspenstige Presse in einer Weise zu schulmeistern, die eines Mussolini würdig ge melen märe. Es ist auch falich in jener Kette verfehlter außenpolitischer Maßnahmen des Kabinetts Baldwin, die so viel zum Rückschlagsjahre 1928 beigetragen haben, tiefe machiavellistische Zungen entdecken zu wollen. Männern vom