1929
Der Abend
Ericheint täglich aufer Sonntags. Fugleich Abenbausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 26
B13 46. Jahrgang.
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Die Veröffentlichung der geheimen Flottendenkschrift des Reichswehrministers Groener hat in Berlin das größte Aufsehen erregt.
Die Review of Reviews" scheint tatsächlich in den Besitz des Originalwortlauts der Aufzeichnungen Groeners gekommen zu sein, bie der Minister bor der Entscheidung über die Bewilligung der ersten Baurate für den, Panzerkreuzer im Reichs tag in Form eines Memorandums Memorandums den Mit. gliedern des Reichskabinetts zugänglich ge macht hat.
Bisher konnte noch nicht festgestellt werden, ob die Denkschrift aus dem Reichswehr ministerium selbst verschwunden oder bei einer anderen Behörde, der fie damals zugänglich gemacht worden ist, entwendet oder abgeschrieben worden ist. Der Kreis von Personen, der von diesen Aufzeichnungen offiziell Kenntnis hatte, war auf jeden Fall nur ein ganz fleiner.
London , 16. Januar.( Eigenbericht.)
In der von der Review of Reviews" veröffentlichten Dentschrift heißt es über die Aufgaben der deutschen Verteidigungskräfte: Die Wehrmacht erhält die Aufgabe, einen 5) and streich gegen deutsches Gebiet zu vereiteln und die Grenze so lange zu schützen, bis der Völkerbund oder eine Großmacht zugunsten Deutschlands eingreift. Die Geschichte seit dem Weltkrieg ist an solchen Fällen reich: Italien hat Fiume während des Waffenstillstandes über. fallen, Polen hat Wilna , Litauen Memel im Handstreich weggenommen. In allen Fällen war der Zweck des Einfalls, vollendete Tatsachen zu schaffen, und seine Wirkung, daß der Raub zum sicheren Besitz geworden ist. Das Verhalten Bolens liefert einen weiteren Beweis, daß der Fall praktisch werden kann. Der Hunger Polens auf deutsches Gebiet in Ostpreußen oder Oberschlesien ist kein Geheimnis. Die Reichsrefforts tennen seine Bersuche,
mit der Bevölkerung in deutsches Grenzgebiet vorzustoßen and planmäßig in die Wirtschaft und Kreditinstitute einzubringen. Die Anzeichen sprechen dafür, daß sich die Polen bevölke= rungspolitisch und wirtschaftlich das Sprungbrett zium Handstreich schaffen.
Die Verträge zum Abschluß des Weltkrieges haben die Welt gemaltsam neu gestaltet.
Die starten Spannungen zwischen der Tschechoslowakei und Italien , zwischen Italien und Jugoslawien , zwischen Polen und Litauen mit dem im Hintergrunde stehenden Rußland haben Europa nicht zur Ruhe kommen lassen. Die Gegenfäße zwischen England und Rußland find offenkundig. Die Enthüllungen der letzten Wochen beleuchten schlaglichtartig die Mächtegruppierungen der Zukunft um England- Frankreich einerseits und Amerita andererseits.
Der Austrag dieser Konflikte ist nur eine Frage der Zeit, und Deutschland , das 60- Millionen- Bolt im Herzen Europas , läuft Wenn schwerste Gefahr, in Mitleidenschaft gezogen zu werden. mir nicht wollen, daß unsere Neutralität verlegt und die Kämpfe auf unserem Gebiet ausgetragen werden, sind wir gezwungen, unfere Neutralität mit bewaffneter Hand zu wahren. Und wenn wir nicht wollen, daß die friegführenden Mächte über unsere vielseitigen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen, die überall über die Grenzen hinausstrahlen, rücfichtslos hinweggehen, müssen wir uns die Möglichkeit schaffen, unsere Interessen mit Nachdruck zu vertreten.
Im Rahmen dieser geschilderten Möglichkeiten umreißt die Denkschrift weiter die Aufgaben der Reichsmarine bei auftretenden der Marine im Falle eines Handstreiches auf Ostpreußen Konflitten. Im Vordergrund stehe dabei die Prüfung der Rolle In einem solchen Falle werde der Gegner überlegene Sträfte zur Berfügung haben. Der Durchbruch deutscher Streitkräfte nach Ostpreußen durch den Korridor werde laum gelingen, Ostpreußen merde in fürzester Frist unter Munitionsmangel leiden. Der Reichsmarine erwachse eine dreifache Aufgabe: dte Dedung der Lebenswichtigen Seetransporte, der Eingriff in Kämpfe im Küstengebiet, die Dedung der Landstreitkräfte gegen die Einwirkung von der See aus.
Bei einem Krieg fremder Mächte werde der Anteil der Flotte darin bestehen, daß sie die Neutralität der Küstengewässer schütze. Werde aber Deutschland gezwungen, sich am Kriege zu beteiligen,
find umfangreiche Störungen im Telephonvertehr eingefrefen. Auch haben Schneeverwehungen eine Störung des Berkehrs auf den Straßen verursacht.
Personenzug im Schnee stecken geblieben. Die Pressestelle der Reichsbahndirettion Breslau teilt mit:
Das Schneegestöber in Medienburg, das schon am Dienstagmorgen einsetzte, hält noch immer mit unver minderter Heftigteit an und hat bereits zahlreiche Berkehrsstörungen zur Folge gehabt. Ein Zug DifmarSchwerin mußte am Mittwochmorgen wegen starter SchneeSo hatten die D- 3üge, die von Warnemünde nach Berlin und verwehungen ausfallen. Mehrere Züge tamen mit Verspätung an. Hamburg fahren, eine Berspätung von mehr als 60 MiDer starte Schneefall in Verbindung mit dem heftigen Sturm in der Nacht vom 15. auf den 16. Jamuar in dem Gebiet südlich der nuten. Auch die Gjedjer- Fähre tam schon mit einhalbstündiger ginie Rohlfurt- Breslau- Oppeln hat im EisenbahnBerspätung in Warnemünde an. In Schwerin blieben am bezirf nicht unerhebliche Störungen verursacht. Auf allen Dienstag infolge des Schneefreibens einige Straßenbahnen gefährdeten Strecken mußten Schneepflüge eingesetzt werden. steden. Größere Störungen sind in der Bühower Gegend bei der Die Bersonenzüge wurden zum Teilgetürzt und mußten elektrischen Ueberlandzentrale zu verzeichnen. Es kam am Dienstag vielfach mit zwei otomotiv en fahren. Es wurde dadurch erzu einer mehrstündigen eight- und Stromunter- reicht, daß der Reisevertehr mir geringe Verspätungen erlitten hat. brechung, die das verspätete Erscheinen der Zeitungen und die Ein Personenzug blieb im Schnee steden. Der ReiseStörung von gewerblichen Betrieben zur Folge hatte. verkehr mit Berlin ist nur unbedeutend beeinflußt. Im Güterverkehr find dagegen stärfere Stauungen und erhebliche Verspätungen eingetreten.
Folgen des Schneesturms an der dänischen Küste.
Nach Meldungen aus Skagen hat die ganze schwedische Heringsflotte, insgesamt 120 Boote mit 1000 mann Bejakung, vor dem Schneesturm im dortigen Hafen Zuflucht suchen müssen. Auch zwei Begleitdampfer, darunter ein Kanonenboot, mußten in Stagen vor Anker gehen. Im Kopenhagener 5afen riß sich der deutsche Dampfer Eberstein“ von der Bertauung los und wurde gegen die Hafenmauer getrieben. Einige Schlepper konnten das Schiff unter großen Schwierigkeiten an seinen Liegeplatz zurüdbringen. Der Dampfer hat Beschädigungen erlitten. Zwei Kohlenprähme find im Schneefturm gefunten.
Unwetter über dem Schwarzwald . Schneesturm mit 14 Gefundenmetern Geschwindigkeit.
Am Dienstag nachmittag und die ganze Nacht hindurch tobfe auf dem Schwarzwald und in den Tälern ein wütender Nord. west sturm, dessen Stärke auf dem Feldbergobfervatorium mit 14 meter pro Sefunde gemessen wurde. Bei großer Kälte bis zu 11 Grad unter null fiel fortgesetzt Schnee. Durch den Sturm
so sei die Aufgabe der Flotte die gleiche wie bei einem Handstreich auf Ostpreußen . Operativ und politisch sei es sehr wohl vorstellbar, daß die Flotte in eine Front gegen andere Anliegerstaaten als Bolen einzutreten habe. Man dente an einen
Konflikt zwischen Polen und Rußland oder Rußland und den Grenzstaaten,
fönne.
Die Denkschrift legt nun dar, daß diese Aufgaben durch die neuen Panzerschiffe besser zu erfüllen seien, als durch die alten Linienschiffe. Die Flotte müsse die Ostsee gegenüber Polen beherrschen. Bolen verstärke seine Flotte auf zwei Wegen. An aus= ländischen Werften lasse es moderne Zerstörer und Unterseeboote bauen Außerdem sei ein
Bertrag zwischen Polen und Frankreich bekannt, in dem Frantreich fich verpflichtet, Polen im Kriegsfall durch ein ffarfes Kreuzergeschwader in der Offfee zu unterstützen.
polnische Flagge treten, ohne daß Frankreich am Krieg selbst Das Geschwader könne jederzeit, bevor Polen losschlage, unter teilnehme. Einer jo gestärkten polnischen Flotte sei Deutschland solange unterlegen, als nicht die neuen Panzerschiffe gebaut seien. Zusammenfassend sei festzustellen, daß die Flotte nach Ersatz der Linienschiffe durch Panzerschiffbauten die Ostsee gegenüber der Linienschiffe durch Panzerschiffbauten die Ostsee gegenüber Bolen nach aller Boraussicht beherrsche
Anschlag auf Arbeitsschutz. Vetter Wilhelms erschossen.
Berichte 2. Seite
Grippe wütet in den Schulen.
38 neue Fälle mit Lungenentzündung.
Das Berliner Hauptgesundheitsamt feilt mif: Die Ber liner Krankenhäuser, städtische sowohl wie nichtstädtische, nahmen am 15. Januar 1929 188 Grippetrante auf. Von ihnen hatten 38 eine Lungenentzündung. Im Bezirksamt Wedding wurden auf Grund eines Gutachtens des zuständigen Kreisarztes in der 245. Gemeindeschule 3 wei Schultlaffen gefchloffen, weit mehr als die Hälfte der Kinder an Grippe erkrankt waren. In Madrid täglich 60 bis 20 neue Fälle. Madrid , 16. Januar.
Die Grippewelle ift nun auch auf Spanien übergegangen. Seit einigen Tagen mehren fich täglich die Grippeertrantungen. Jn Madrid zählt man täglich 60 bis 20 neue Fälle. Todesfälle find bis jetzt noch nicht verzeichnet worden.
Großdachstuhlbrand im Norden.
Durch ein Großfeuer wurde heute mittag der Dachstuhl des Hauses Stargarder Str. 5 zerstört., Die Feuerwehr mußte sechs Schlauchleitungen in Tätigkeit setzen, um des Feuers Herr zu werden. Bei Schluß des Blattes sind die Wehren noch an der Brandstelle tätig..
Gasfreitod eines Ehepaares.
3m Fabrifraum erstickt aufgefunden.
Eine Gastragödie wurde heute vormittag im Hause Michaeltitchstraße 15 entdeckt. In seinen Fabriträumen wurde dort der 51jährige Konfitürenhändler Richard Roschte und feine 39jährige Frau Elisabeth durch Gas vergiftet leblos aufgefunden. Die Wiederbelebungs. versuche der alarmierten Feuerwehr waren ohne Erfolg. Roschte betrieb in der Michaelfirchstraße 18 ein kleines Kon
einen Fabrikraum gemietet, in dem er Konfekt, Schokolade usw. für den eigenen Verkauf und auch zum Weitervertrieb an andere fitürengeschäft. Drei Häuser weiter, Michaelfirchstraße 15, hatte er Händler herstellte. In letzter Zeit gingen die Geschäfte sehr chlecht und R. geriet in 3 ahlungsschwierigkeiten. Die schluß reifen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Als ewige Sorge um die Existenz ließen in dem Ehepaar den Entheute vormittag eine Angestellte in der Fabrik erschien, erhielt sie teinen Einlaß. Da aber von innen ein Schlüssel in der Tür steckte, schöpfte die Frau Berdacht und alarmierte Polizei und Feuermehr. Die Tür mußte gewaltsam erbrochen werden und in einent Nebenraum stießen die eindringenden Beamten auf die leblosen Körper des Ehepaares; sämtliche Gashähne standen.. weit offen. Die Leichen wurden ins Schauhaus gebracht.