Beilage
Mittwoch, 16. Januar 1929
Porimo
" Nachtsitzung" im Gebirgsschnee.
Die Reichswehr hält seit einigen Tagen bei der Neuen Schlesischen Baude im Riesen gebirge ( 1195 m Höhe) Ski- Uebungen im Gelände- und Staffellauf ab. Unser Bild zeigt ein Nachtbiwak während der Ski- Uebungen.
Wenn die Heilquelle versiegt.
Franz Klinger Komotau erzählt in der Reichenberger Zeitung ": Der 12. Febrnar 1879 mar der Tag der Tepliker Quellenfata
strophe und es mar gerade auch mein zwölfter Geburtstag. 3wei Tage vorher war in dem Döllinger Schacht bei Dur beim Arbeiten Wasser so schnell und start eingedrungen, daß 19 Berg leute ertranfen; als dieser Schacht vollgelaufen mar, ergoß sich das Wasser auch in den anschließenden Fortschritt"- und„ Neljon"-Schacht und in die Viktoria" und Nelson" Grube. Menschenleben gingen mohl nicht mehr zugrunde, aber 300 Bergleute wurden arbeitslos.
In der Badestadt Teplitz wurde mit Sorge die Thermalquelle beobachtet und am 12. Februar um 5 Uhr nachmittags das Sinken des Wasserspiegels im Reservoir wahrgenommen. Um diese Zeit begam gleichzeitig ein heftiger Sturm zu wüten. Lage trat ein rasches Sinfen der Quelle ein und
die zwei Löwenköpfe fpendeten fein Waffer mehr. Nach der um 19 Uhr erfolgten Deffnung der Urquelle zeigte der Wasserstand bereits 32 Zentimeter unter dem Normale, die Temperahur mar um 1 Grad auf 37,2 Grad Reaumur gefunken und die Thermalquelle ganz ausgeblieben.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Hiobspost durch die Stadt und in die Umgebung und löste eine Panif aus. In erster Linie äußerte sie sich durch einen Sturm der Einleger auf die städtische Spartaffe. 87 000 Gulden( ie 1,70 M.) murden allein am ersten Tage ohne Kündigung ausgezahlt. Darauf tam die Landbevölkerung angerückt. Als gegen 400 000 Gulden zurüdgezahlt waren, hatte das Drängen erst sein Ende.
Profeffor Dr. Laube stellte fest, daß sich das Thermalwasser in die Schächte ergieße und dadurch die Urquelle immer tiefer
schloß, um das Thermalwasser zu heben. Im Stadttheater gab es eine Festvorstellung„ Der Freischütz ".
Nach weiteren Sprengungen wurde die Quelle freigelegt und begann zu fließen. Die vier Weltkurorte Karlsbad , Tepliß, Franzensbad und Marienbad hatten vereint um eine Gesegesvorlage angesucht zum
Schuh gegen Schädigung durch den Bergbau. Die Bergwerksbesitzer hatten dagegen einen Protest eingebracht. Die Sachverständigen erklärten in der Verhandlung, daß durch das Auspumpen der Schächte die Thermalquelle wieder zurückgehen merde, morauf die Entscheidung gefällt wurde, daß das Verbot des Auspumpens so lange aufrecht bleibe, bis die Entscheidung der höheren Instanz erfolgt sei. Diese geschah am 31. März mit dem Auftrage, mit dem Auspumpen bis 15. September, nach Saison. schluß, zu warten.
Bei den weiteren Arbeiten nahm der Zufluß des Thermal: massers stetig zu, die Temperatur erreichte wieder 38,2 Grad Reaumur und es fonnten wieder alle Bäder genügend gespeist werden. Der Staat gewährte ein Darlehen von 120 840 Gulden zu 4 Proz., rückzahlbar in 15 Jahresraten. Endlich floß das Wasser wieder aus den Löwenköpfen und am 16. März wurde das erste Bad bereitet.
Die Schachttiefe hatte 15 Meter erreicht, ein Weiterar= beiten war durch die heißen Dämpfe nicht mehr möglich. Am 1. Mai begann die große Wasserhebemaschine ihre Tätigkeit und am 16. März erfolgte die llebergabe. Sie wurde durch ein Fest gefeiert, wie es Teplitz nicht wieder gefehen hat.
Der Abend
Spalausgabe des Vorward
Was der Tag bringt
Ameisen als Pflanzenverteidiger.
In der Naturgeschichte ist es wohl feine Seltenheit, daß gewisse Pflanzen von verschiedenen Ameisenarten mit Borliebe aufgesucht merden. Daß aber Pflanzen Ameisen Wohnung und Nahrung geben, um dafür von ihnen verteidigt zu werden, verdient wohl besonders ermähnt zu werden.
In Brasilien ist aus der Familie der Maulbeergewächse der Trompetenbaum( Cesropia peltata) beheimatet. Den deutschen Namen erhielt er wohl, weil die Eingeborenen seine hohlen Stengel zur Herstellung von Blasinstrumenten benutzen, aber auch Ameisen machen sich die hohlen, gefammerten Stengel zumuze. Besonders dünne Wandstellen geben Ameisen die Möglichkeit, leicht einzudringen, und ihre Nester darin anzulegen. Am Grunde des Blattstiels und auch in den Kammern werden von den Pflanzen nährstoffreiche Körperchen erzeugt, die den Ameisen als Wohnung dienen. Ein Grund für die Ameise, den Baum nicht mehr zu verlassen. Warumi num diese sinnreiche Einrichtung? Der Trompetenbaum wird des öfteren von der sogenannten Blattschneiderameise überfallen, die dem Baum, wie der Name schon sagt, sämtliche Blätter abschneiden, um sie zum Nestbau zu verwenden. Ist mun ein Baum von der zuerst erwähnten Ameisenart bewohnt, so setzen diese sich energisch zur Mehr und vertreiben die Blattschneiderameisen. Der schuldige Tribut wird von der Pflanze durch freie Kost and Wohnung gegeben. g. y.
Kein Papier, aber Schnaps soviel man will.
Das Zentralorgan der russischen Gewerkschaften Trud" vons 19. Dezember berichtet über den Papierhunger in Sowjetrußland, der zur Schließung einer Reihe von großen Druckereien geführt hat. Den russischen Papierfabriken fehlt es an Rohstoffen, der Papierimport ist starf gefürzt. Um einigermaßen dem Uebel abzuhelfen, ist eine Berfügung erlassen worden, daß aus den Archiven alles, überflüssige Papier zum Zerstampfen abgeliefert und daß in den Kanzleien soviel mie möglich gespart merde ungefähr wie bei uns mährend der Inflation, mur noch etwas schlimmer. Dafür gibt es aber Schnaps, soviel man mill. Darüber weiß die kommunistische Jugend- Pramba" zu berichten. In Rostow am Don sind im Laufe von sechs Monaten 2% Millionen Liter Schnaps verkauft worden, ungefähr sechs Liter auf jeden Einwohner, die Kinder inbegriffen. Dieser unerhörte Erfolg hat dazu geführt, daß eff neite Schnapsa verfaufsstellen errichtet werden sollen.
Vom Regenschirm ermordet.
Der Imter Jules Charlodhet aus Lezinnes( Frant
reich) fam durch einen bisher wohl einzigartig dastehenden Unfall
ums Leben. Er glitt auf der regenfeuchten Straße aus und fiel so unglüdlich gegen seinen Regenschirm, den eine Dame geschlossen in der Hand trug, daß ihm zwei Stahlrippen des Regenschirmes durch das Auge ins Gehirn drangen und ihn auf der Stelle töteten. Rekordwahnsinn.
Aus Anlaß ihres 40jährigen Bestehens veröffentlicht die Amateur Athletic Union in New York eine Liste von 132 Reforden, die von ihren Anhängern aufgestellt wurden, die aber zum Teil noch der Bestätigung harren. Die Lifte enthält 39 Rekorde auf dem Gebiete der Leichtathletik für Männer, 31 für Frauen, 37 Reforde für Schwimmer, 24 für Schwimmerinnen.. Die Rekorde der AA1. werden aufgestellt, indem eine Untergruppe der AAU. dem Rekordkomitee" die Leistung ihres Mannes" mitteilt und Anerkennung fordert. Dazu ist aber notwendig( und muß durch Zeugenunterschriften erhärtet werden), daß die Strecken genau gemessen, daß die Startregeln befolgt und die Kämpfe vorschriftsmäßig durchgeführt wurden. Troß diefer strengen Vorschriften kommen jedoch immer wieder Schiebungen vor, denn es ist doch gar zu schön, irgenda ein Refordinhaber zu sein. Praktisch hat dadurch also die Rekordliste menig Bedeutung, fie zeigt vielmehr, daß der Refordfimmel so vieler bürgerlicher Turn- und Sportvereine zu recht bedenklichen Ergeb nissen führt.
finte. Am 15. Februar ließ Bergrat Wolf die Urquelle durdy Karnevalistische Industrie bie mitgebrachyte männliche Begleitmannschaft muß, ihre Stimme ab
Ausbrechen des Porphyrfelsens tiefer erschließen.
Bei dem Beiterarbeiten ergab sich die Gewißheit, durch Abteufen die Quelle wiederzufinden. Diese Zuversicht veran laßte die Stadtvertretung, am 18. Februar wieder die erste Theatervorstellung zu gestatten. Man führte„ Der Widerspenstigen Zähmung" auf. Am 22. Februar wurde die beschlossene Teufung fest fich begonnen, ganz Teplitz war auf den Beinen. Bürgermeister 1herr sprach: Ich ergreife die Haue, um als Bürgermeister der Badestadt Tepliß den ersten Schlag zu tun zur Auffindung der Quelle. Möge Gott der Allmächtige geben, daß das Unternehmen gelinge und die Quelle wieder fließe zum Heile der Menschheit!" So begann nun in der Badgasse die Teufung durch den harten Borphyr, von welchem mein Vater ein Stüd als Erinnerung mita brachte. Professor Sueß, der berühmte Wiener Geologe und Schöpfer der Hochquellenwasserleitung, begründete die
Notwendigkeit eines zweiten Schachtes zur Sicherung der Quelle für alle Zukunft.
Tag und Nacht wurde gearbeitet. Am 24. Februar, 11 Uhr yachts, zeigte sich starte Dampfausströmung und am 3. März, 7 Uhr morgens, schlug bei 8 Meter Tiefe der Häuer Marzin das Wasser an. Die Spalte wurde erweitert und konnte der Obersteiger Oppel um 28 Uhr mit einem Stode, an welchem ein Lappen gemidelt war, bereits das Wasser erreichen. Beim Herausziehen war der Lappen mit heißem Wasser vollgesaugt.
Glud auf! Die Quelle mar gefunden! Rum wurde die Spalte ermeitert. Man fand ein ruhig stehen des Thermalmaffer vor. Unterdeffen aber war die frohe Kunde bereits in die Deffentlichkeit gedrungen und die Badgaffe füllte fich mit Menschen. Da erschien Bergrat Wolf, mit Schlamm besprizt, und rief voll Freude in die Menge:„ Das Thermalwasser ist da, 13 Meter unter der Straßenoberfläche mit+37,2 Grad Reaumur. Ungeheurer Jubel brach los. Die Glocken begannen 3 läuten, Freudenschüsse wurden abgefeuert und bald prangte die Um 5 Uhr war Gemeindeausschuß Stadt im Fahnenschmucke.
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jigung, welche die Beschaffung einer 25- HP- Dampfmaschine be
Der Mummenschanz zur Fastnachtszeit.
Leben und leben lassen, heißt ein alter Spruch. Und all der bunte, grell glitzernde Mummenschanz, in den wir uns zur Faschingszeit hüllen, um als schmachtender Pierrot, oder als glut äugige Spanierin, als fesser Zilletyp oder als kokettes Rofofodämchen den traditionellen Narrentanz mitzufeiern, ist, bei nüchternem Tages: den traditionellen Narrentanz mitzufeiern, ist, bei nüchternem Tageslicht besehen, ein ,, Saisonartikel" wie jeder andere.
Da wird in den großen, fleineren und fleinsten Masten verleihgeschäften schon seit Monaten der etwas verstaubte Fundus wieder aufgefrischt. Da werden die Hemden der ungarischen und russischen Bäuerinnen gewaschen, da werden die Atlasjacken der. Tscherkessenreiter gereinigt, dort werden Rüschen, Falbeln und Bändchen geplättet, die Hüte und Kappen, vom langen Sommerschlaf arg zertnautscht, wieder zurechtgebogen. Dort wird eine Feder, eine Dort wird eine Feder, eine Blume neu ergänzt, schadhafte Stellen werden ausgebessert. Den ganzen Tag jurren die Nähmaschinen, zischen die dampfenden Plätt: eisen über die Gewebe, und leise Benzindüfte erfüllen den Raum. Ein Stück Romantik, halb Märchen, halb Theater, alltagsfern und geheimnisvoll, schließt all der bunte Blunder in sich ein Man fühlt sich in Gerhart Hauptmanns Ratten"-Milieu versetzt und glaubt im Fundus seines Direktors Hassenreuther zu stöbern.
In den großen Berleihgeschäften, die ja das ganze Jahr über zu tun haben, da sie auch die Theater mit Kostümen beliefern, ist jetzt Hochbetrieb. In der richtigen Ballsaison werden 200 bis 300 Kostüme pro Tag verliehen. Neben dem Verleihgeschäft haben die großen Mastengeschäfte auch ihre eigene Fabritationsabteilung, wo fämtliche Kostüme auf Wunsch angefertigt werden können. Hier werden auch die besseren Kostümmodelle für die großen Warenhäuser angefertigt. während die billigen Kostüme der Warenhäuser 10 bis 12 Mart gibt es schon einen flotten Pierrot oder ein forsches in den kleinen Arbeitsstuben aus billigstem StoffWäschermädel material und wahrscheinlich auch niedrigst bemessenen Arbeitslöhnen hergestellt werden. In den kleineren Verleihgeschäften fängt die Leihgebühr schon von 3 Marf an. Hier spielt sich der Haupt
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unt
betrieb am Sonnabend ab. Da wird probiert und gustiert, geben, wenn diese auch nicht gerade immer entscheidend in die Waga schale fällt.
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Na, det Dings is aber reichlich kurz und een bisken gar zur jugendlich," mein da einer zu seiner Herzensdame, einer stattlichen Schwarzhaarigen, die die erste Blüte bereits hinter sich hat. ,, Meinste," erwidert sie treuherzigen Blickes. Dann überlegt sie einen Augenblick und sagt schließlich zur Verleiherin. Also Fräulein, sie machen mir's passend" die Sache spannte nämlich außerdem ein wenig allzuprall über die wohlgebildeten Formationen es wird schon gehen, was?" Augenzwinkern der beiden Frauen, die Sache war entschieden. Der Charakter der Kostümierung vera ändert sich im Laufe der Zeiten eigentlich wenig oder gar nicht. Pierrots und Pieretten, Russenkostüme in ihrer kleidsamen Buntheit, Odalisten, Rofokostilkleider und vor allem natürlich die so sehr beliebten Hosenkostüme: Matrofen, Comboys, tesse Jungens, Jodeis usw. Das Dreiviertel- oder noch weniger Angezogene ist wieder im Abklingen begriffen..
Das Verleihgeschäft in den kleineren Betrieben ist nicht allzu rege, da man erstens für wenige Mark schon ein fig und fertiges Kostüm erhält und außerdem mit geschickten Händen und ein wenig Phantasie für noch billigeres Geld sich selbst ein Kostüm zurechtzimmern fann, das man schließlich für sich allein und für immer hat und damit bei Bedarf mehrere oder auch viele Faschingsvergnügen besuchen kann. Die Verkäufer der Maskenkostüme find denn auch angewiesen, dem Kunden, dem der Kauf eines Kostüms zu teuer erscheint, die preiswerten und vielseitigen Schnittmuster zur Selbstverfertigung zu empfehlen.
Eine ganz selbständige Industrie ist die Anfertigung der Schmudgegenstände, Masken, Najen, Kottillonorden, tomischen Hüte und anderer Scherzartikel. In Thüringen , in Mane bach und anderen Ortschaften werden diese Artikel fabrikmäßig, zum größten Teil als Hausindustrie, genau wie das Kinderspielzeug, hergestellt und in die ganze Welt versandt. Amerika , England und alle Ueberseestaaten werden beliefert; Deutschland soll sogar verhältnis mäßig fein allzugroßer Abnehmer sein.