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BERLIN  Montag 21. Januar 1929

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Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

46. Jahrgang.

66 unzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeite

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Flaggen der Kaiferproklamation

Die Geschichte einer Verordnung.

Wir bezeichneten am Sonnabend morgen die Be-[ flaggung der Reichswehrverbände in Berlin   am Tage der Kaiserproklamation und Königsgründung als einen Unfug. Das Reichswehrministerium beruft sich dem­gegenüber auf die Flaggen- und Salutordnung vom

Die ganze Familie umgebracht.

30. April 1928, die der Reichspräsident Ebert unter Verleger erschießt seine Frau und sich selbst, nachdem er seine 2 Söhne vergiftet hat.

zeichnete. Wir sind diesem von der Rechtspresse mit Behagen aufgegriffenen Rechtfertigungsversuch nach­gegangen und sind in der Lage, folgende Feststellungen zu machen.

1. Wenn die Reichswehr   sich auf eine Flaggenordnung berujt, um damit die Beflaggung der Reichwehrgebäude in Berlin  zu rechtfertigen, so sollte man meinen, daß eine solche Flaggen­crdnung, wenn nicht für die Reichsmarine, so doch für das Reichs: heer gilt. Aber die zur Verteidigung und Entschuldigung an­geführte Verordnung heißt wörtlich: Flaggen, Salut- und Besuchs­ordnung für die Reichsmarine". Sie bezieht sich ausschließlich auf das Salutieren der Kriegsschiffe und das Flaggen der Marinegebäude ,, an Land"( nicht im Binnenlande!) Da wird 3. B. angeordnet, daß die Reichsfriegsflagge bei Einbruch der Nacht herunterzuholen ist, daß sie mit der ihr gebührenden Langsamfeit herauf und herunterzuholen ist, daß ein Admiral diesen, ein Flottillenschiff jenen Wimpel zu führen hat, daß während des Gottesdienstes an Bord ,, der Kirchenwimpel über die Flagge zu

Die nachstehende Flaggen, Salut- und Besuchs­Ordnung für die Reichsmarine" wird hiermit genehmigt.

Zu etwa notwendigen Erläuterungen und Ande­rungen nicht grundsäglicher Art wird der Chef der Marineleitung ermächtigt.

Die bisherige Flaggen, Salut- und Beiuchs­ordnung für die Kaiserliche Marine" tritt gleichzeitig außer Straft.

Berlin  , den 30. April 1923.

Der Reichspräsident

gez. Ebert.

Der Reichswehrminifter ges. Dr. Geßler,

Der Chef der Marineleitung gez. Behnde.

Die Einleitungsseite der von der Reichswehr   zur Recht­fertigung ihrer Flaggerei in Berlin   benutzte Flaggen­ordnung von 1923. Sie gilt allein für die Reichsmarine,

wie sich aus dem amtlichen Text ergibt.

Die Schreckenstat eines vor dem geschäftlichen, den Tod fest, der erst ganz turze Zeit vor Entdeckung der entsetzlichen Ruin stehenden Mannes, die einer ganzen Familie das Leben kostete, spielte sich gestern in Friedenau  ab. Im Hause Wiesbadener Str. 84 erschos der 47 Jahre alte Verleger Konrad Scheerer jeine 49 Jahre alte Ehefrau Jutta, vergiftete seine beiden Söhne, den 9 Jahre alten Nikolaus und den 6 Jahre alten Konrad und brachte sich dann selber den tödlichen Schuß bei.

lleber die furchtbare Tragödie werden folgende erschütternden Einzelheiten bekannt: Scheerer wohnte mit seiner 49jährigen Frau Jutta, sowie seinen beiden neun und sechsjährigen Kindern Nikolaus und Konrad seit vielen Jahren in der Wiesbadener Straße 84 und hatte im 2. Stockwerk des Borderhauses eine größere Wohnung inne. Der Verleger hatte am Sonntag abend mit einem Freunde, dem Kaufmann D., noch eine Zusammenkunft. Gegen 9 Uhr verabschiedete sich D. und Scheerer gab ihm ein kleines Paket mit, das er vierzehn Tage aufzubewahren bat. Dann sollte es entweder geöffnet oder an ihn zurückgegeben werden. Heute früh wurde D. um 8 Uhr von Scheerer telephonisch an= gerufen und gebeten, das Paket zu öffnen und sofort nach der Wiesbadener Straße zu fommen. Zu seinem nicht geringen Schrecken fand D. in dem Patet die Wohnungsschlüssel seines Freun­des. Boll böser Ahnungen eilte er nach Friedenau  . Er kam aber zu spät, um das Unheil zu verhindern. Dem Eintretenden bot sich ein schrecklicher Anblick.

In den Betten lagen die beiden Kinder und auf dem Diwan Frau Scheerer fof da. Um die Toten war ein Meer von Blumen gebreitet.

Auf dem Fußboden zwischen den Betten und dem Diwan lag ause gestreckt, Scheerer. Seine rechte Hand umflammerte trampf haft eine Mehrladepistole. Der Arzt stellte bei allen Personen

Tragödie eingetreten sein konnte. Während die leblosen Körper der Kinder keine äußeren Verlegungen aufwiesen, war der Tod der Frau, gleichfalls wie bei dem Manne, durch einen Schuß in die Mundhöhle erfolgt. Nach dem Befund und den kriminal­polizeilichen Ermittlungen ist das Ehepaar zweifelsohne im gegena feitigen Einverständnis in den Tod gegangen. Die Todesursache bei den Kindern konnte noch nicht festgestellt werden. Die kleinen Leichen wurden deshalb zur Obduktion ins Schauhaus gebracht. Es wird vermutet, daß ihnen in einer Speise Gift gereicht

Das Motiv zu der schrecklichen Tat sind wirtschaftliche Sorgen. Bei der Untersuchung der Wohnung wurden auf dem Schreibtisch im angrenzenden Zimmer mehrere Briefe, die an Angehörige des Ehepaares gerichtet waren, sowie ein größerer Umschlag mit der Aufschrift Testament" vorgefunden, leber den Inhalt dieser brieflichen Hinterlassenschaften, die sämtlich ver siegelt waren, ist bis zur Stunde noch nichts bekannt geworden. Scheerer hatte seinen Freunden gegenüber bitter über die schlechten Geschäfte und seine finanzielle Notlage geklagt. Er machte dabei versteckte Andeutungen, daß es so nicht weiter gehen könne, und daß es doch besser wäre, aus dem Leben zu scheiden. Heute früh, um 8 Uhr, rief Scheerer telephonisch bei seinem Freund an und bat ihn, unter einem Vorwand, sofort in seine Woh­nung zu kommen.

Scheerer hat früher bessere Tage gesehen. Er war viele Jahre Besizer eines Provinzialverlages, in dem mehrere Blätter erschienen, die hohen Gewinn abwarfen. In der Inflation wurde der Verlag, wie es heißt, von Hugo Stinnes   aufgekauft. Scheerer verlor fein ganzes Vermögen, und er mußte wieder von vorn anfangen. Das Glück war aber nicht mehr auf seiner Seite, und er hatte stets mit wirtschaftlichen Sorgen zu fämpfen. Zulegt tätigte er nur noch fleinere Bermittlungsgeschäfte.

Klara Zetkin   in Opposition!

Gegen den Thälmann  - Kurs der KPD  .

Die Presse der Rechtstommunisten veröffentlicht den Wortlaut| wurde, daß da der wahre Geschlagene die Weimarer Verfassung   fei. der Rede, die Klare Zettin im Präsidium des Moskauer Etti gegen den Thälmann  - Kurs gehalten hat. In dieser Rede, die von dem offiziellen Kommunistenorgan totgeschwiegen wird, heißt es u. a.:

Ich bin sehr erstaunt, daß in dem beschlossenen Brief( der Ekki an die KPD  . Red.) ein Lobgesang auf das Verhalten der Partei in der Ruhrkampagne angestimmt, aber kein Wort über den Ausfall der Anti- Panzerfreuzerfampagne gefagt wird. Meines Er­achtens wäre das unbedingt notwendig gewesen. Es ist sehr leicht, wie Genosse Kuusinen  , zu behaupten, daß die Rechten die Schuld an dem tatastrophalen Ausgang tragen. Nicht die Rechten haben den Fall Thälmann  , haben die Hamburger Angelegenheit geschaffen.

feßen" ist, wieviel Kanonenschüsse ein fremder Souverän zu be= anspruchen hat, und daß ein ausländischer Kronprinz Salut nur bekommt, wenn die Kriegsschiffe aller anderen Nationen Salut schießen usw. Diese Berordnung bezieht sich also ausschließlich auf den inneren Dienstbetrieb der Marine und ihre Repräsentations pflichten nach außen hin. Wenn die Reichswehr   nun etwa auf die Ausrede verfallen sollte, daß in den Reichswehrgebäuden in Berlin  die Marineleitung untergebracht sei, so hätte dieser Einwand soviel Dieser Standal stand leider riesengroß vor der Partei Wert, als wenn das Auswärtige Amt   am Verfassungstage und sie mußte Stellung dazu nehmen. Es ist ein Widerspruch, wenn schwarzweißrot flaggen wollte, deshalb, meil durch die Flaggenverordnung, über die Luther   stürzte, die schwarzweiß man einmal sagt, daß die Rechten eine fleine, einflußlose Gruppe roten Fahnen auf den Dienstgebäuden des Auswärtigen Amtes im Auslande wehen dürfen. Den einzigen Gebrauch, den die Reichsmarine u. E. von dieser Flaggenverordnung im Binnenlande machen dürfte, wäre, die Kriegsschiffmodelle im Berliner  Museum für Meereskunde zu bewimpeln, eine Spielerei, die wir ihr gern tonzedieren. Wenn also die Reichswehr   am 18. Januar in Berlin   auf Grund einer Verordnung für die Reichsmarine schwarz­weißrote Flaggen feßt, so ist das

eine Handlungsweise, die durch die gelfende Verordnung feines­wegs gededt werden kann.

2. Aber auch die Entstehungsgeschichte dieser Salut und Flaggenordnung der Marine rechtfertigt nicht im geringsten das Be­flaggen der Dienstgebäude. Die Salutordnung der Marine stammmt ur­prünglich vom 29. August 1921, Sie ist an dem gleichen Tage erlafie

sind, und das andere Mal, daß sie mächtig genug waren, den guten Ausgang der Banzerfreuzerfampagne zum Scheitern zu bringen. Man macht die Sozialdemokratie und die Bourgeoisie dafür ver­Man macht die Sozialdemokratie und die Bourgeoisie dafür ver­antwortlich, denn sie hätten unsere Kampagne totgeschwiegen. Seit wann ist es unsere Auffassung, daß unsere Feinde unsere Arbeit übernehmen. Aufgabe der Partei war es, dieses Totschweigenwollen durch eine planmäßige, wohlorganisierte Kampagne zu durchbrechen. Ich glaube, es war in der Roten Fahne", wo geschrieben

Diktatur setzt Richter ab 24 Beamic angeklagt

Berichte 2, Seite

Wenn man eine solche Meinung logisch bis zu Ende denkt, so fanm man sagen, daß unser Erfolg noch viel größer gewesen wäre, menn wir anstatt der zwei Millionen auch noch 1 200 000 Stimmen ver­loren hätten, denn dann wäre die Weimarer Verfassung   noch gründ­licher geschlagen worden.

Ich halte es für notwendig, daß von dieser Stelle aus die Mahnung an die deutsche Partei ergeht, daß von hier aus initiatio eingegriffen wird, damit die Ursachen dieser Niederlage nachgespürt, aufgehellt werden, weil das meines Erachtens die Bartei vor späteren Niederlagen schüßen kann. Das gleiche gilt betreffs des Berjagens der Partei im Ruhrkonflikt.

Wir müssen genau sehen, welche, organisatorischen, wie auch politi schen und tattischen Fehler durch die Partei begangen wurden, um fünftige Niederlagen zu vermeiden. Ich komme zum Schluß und fasse meine Ansicht folgendermaßen zusammen:

Keine Ausschlüsse, dagegen Diskussionsfreiheit bis zum Parteitag für alle Meinungen, für alle Tendenzen; eine wirkliche ernste Diskussion auf der Grundlage unserer programma­tischen Auffassung und innerhalb des Rahmens der statutarischen Vorschriften der Partei mit den Mitteln und Organen, wie sie im Barteistatut für die Diskussion strittiger Fragen vorgesehen sind. Als Bürgschaft für die wirklich ernste Durchführung dieser Diskussion die Zurücknahme der Maßregelungen,

die in den letzten Monaten vorgenommen worden sind, und die Ausdruck der Unterdrückung der nötigen Meinungsfreiheit sind und der dadurch entstandenen Disziplinlosigkeit. Als Bürgschaft weiter fofortige 3urückberufung von Heinz Neumann  , der meines Erachtens ein Agent Provokateur der Ausschlüsse und Spaltung ist