Nathan Asch
Ui?bertragung aus dem Amerikanischen von Hermynia Zur Mühlen . Copyright by Rütten&, Loening, Frankfurt a. M.
(3. Fortsetzung.) Woraus wartet er denn? Was will er eigentlich? Weshalb .-.immt er sie nicht? Sie gehört ja ihm, hat immer ihm gehört. hat sie nicht die ganze Zeit auf ihn gewartet? Muß sie ihn denn die Liebe lehren? Er wartete anscheinend auf eine Antwort, und sein« Blicke hafteten an ihren Brüsten. Der Augenblick war da, Gerty staunt« nicht, als sie seine Arme um sich geschlungen und seine Lippen auf den ihren fühlte. Sie erwiderte: „Ja, ich werde dich heiraten.� Er küßte sie, küßte sie immer wieder und wieder, und sie war zufrieden. Jetzt hörte sie Schritte, die Mutter kam. Gerty hörte, als er der Mutter sagte, daß sie ihn heiroten werde. Die Mutter entgegnete: „Das freut mich, Jim." Gerty riß die Augen auf und sah, daß sie nicht neben Harry saß. Las ist Jim, Jim, Jim. Ist nicht Harry. Sie sprang vom Sosa auf und rannte in ihr Zimmer. Als sie hinter sich die Tür zugeschlagen hatte, warf sie sich aufs Bett und stöhnte: „Was Hab ich getan? Was Hab ich getan?" 2. Einer der Angestellten. Ist es nicht die Hölle, acht Jahre lang für dieselbe Finna zu schassen, alles zu geben, was man hat, die ganze Zeit über so hart zu arbeiten, wie man kann, nie erschlaffen, nie es sich leicht, acht Jahre lang keinen einzigen Tag blau machen, oder zu spät kommen »nd— um das tun zu können, nie am Abend ausgehen, nie trinken, ja nicht einmal rauchen, immer nur Eines im Sinn haben: Arbeit, Arbeit, Arbeit; immer zu ollem, was Read behauptet, ja sogen, immer grinsen, wenn der alte Glymmer etwas sagt, besonders wenn man weiß, daß es ein Blödsinn ist: oder aufmerksam den Worten dieses verdammten Idioten Harry Widener lauschen, dem sein alter Herr eine Teilhaberschaft gekauft hat und der Staatspapiere nicht von einem ungarischen Gulasch unterscheiden kann, der nnmer von oben herunter zu einem spricht und Dummheiten anordnet, und dann gehen und das Rechte tun und dabei den Anschein erwecken, als habe er es angeordnet. Geht es gut aus. so ist er das Wunderkind, geht es schlecht aus, so ist man schuld daran. Jahr um Jahr sehen, wie ein anderer Kerl, der nicht halb so viel Erfahrung oder Verstand hat wie man selbst, befördert wird, erster Kassierer wird, mit einem herumkommandiert, und man macht für ihn olle Arbeit. Selbst- verständlich ist das so, weil man ein Jude ist und alle fürchten, daß man sie bei der ersten Gelegenheit verschlingt, als ob es nicht ein Kinderspiel wäre, dies« Stockfische zu verschlingen. Und dabei de- weist man immer wieder, daß man einer Beförderung würdig ist, daß man nur eine Chance braucht, um dos klar zu machen, daß man alle Aufmerksamkeit dem Geschäft und nur dem Geschäft widmet. Und dann, wenn man es endlich zur Genüge bewiesen hat, wenn Read einen zu sich ruft und erklärt, man sei ein guter Arbeiter und würde bei der nächsten Gelegenheit befördert werden, und wenn man fühlt, nun endlich habe man den ersten Schritt nach vorn getan, dann... dann geht die gottverdammte Firma pleite: wenn das nicht die Hölle ist, was zum Teufel ist dann die Hölle? Für die anderen ist es ja einerlei, die brauchen nur eine neue Stelle zu suchen, denen liegt nichts daran, was sie arbeiten, die sind nicht wie ich, der acht Jahre lang in einer Stelle geblieben ist, allem zum Trotz, der Feindseligkeit, den Neckereien, der Gleichgültigkeit, meiner eigenen kleinen lächerlichen Gestalt zum Trotz, meinen schlechten Kleidern. Ich hob' nichts gesehen alz meine Arbeit: und wie oft mußt' ich mich festhalten, um nicht einem eine herunter- zuhauen, die ganze Bande zum Teufel zu schicken. Aber ich hab's nicht getan, bin bei der Arbeit geblieben,. Hab' immer geglaubt, daß doch einmal etwas herausschauen wird. Und jetzt ist es mühselig und langweilig, wieder von vorne zu beginnen, wenngleich ich einen Ehrgeiz habe, der den anderen fehlt. Wenn ich zehn Jahre vor- ausdenke, sehe ich vor mir nur eine Flasche schiechten Schnaps am Abend und ein Mädchen im Bett.... Di« anderen haben keinen Voter gehabt, der sich nicht um sie gekümmert hat, solange sie ihm nicht über den Weg gelaufen sind, denen ist die Mutler nicht gestorben, als sie noch Kinder waren. Wie die Vierzehn waren und da» Gesetz ihnen erlaubt Hot, die Schule zu verlassen und arbeiten zu geizen, haben sie weitcrstudieren wollen, weil sie gewußt haben, daß man ohne Bildung nichts erreicht. Denen hat der Vater nicht gesagt, er schert sich nicht darum, was sie treiben, ober der Teufel soll ihn holen, wenn er jemanden er« hält, der schon selbst etwas verdienen kann. Ich ging an die Arbeit, aber die Abende Hab' ich trotzdem weiter gelernt. Und dann kam ich zu Goldstein, dem Rauchwarenhändler, einem miesen Kerl— er war ja gar nicht so mies, aber alles er» schien mir mies, wie die Dinge immer sind, wenn man nichts mit ihnen zn tun haben will. Ich wollie kein Rauchwarenhändler werden, das bringt nichts ein, oußerd«m paßte mir die Arbeit nicht. Ich wallte in die Street kommen, wo man Geld inacht. So oft ich für Goldstein einen Botengang hatte, bin ich mit der Untergrund« bahn in die Untere Stadt gefahren, in der Wall-Street ausgestiegen, ZU Fuß zum Curb-Market gegangen. Dort Hab' ich die Angestellten in den roten, blauen, grünen und gelben Röcken betrachtet, die Kmiden, Hab' da? Rufen und Brüllen gehört. Alle sind aufgeregt, rasen hierhin und dorthin, dos Telephon klingell unentwegt, die Laufbursche» rasen herum. Und mein Blut ist aufgewallt, ich wollte mitmachen, dorlhingehören. Ich Hab' ja gewußt, daß ich dort/xrfolg haben würde. Und ich bin immer öfter hingegangen, bis Goldstein behauptet hat. daß ich meine Arbeit vernachlässig« und mich fort» jagte. Mir war es einerlei, aber dem Vater Hab' ich's nicht gesagt, bin trotzdem jeden Tag von daheim fortgegangen, oft ohne Früh» stück, und bin die drei Meisen in die Untere Stadt zu Fuß gelaufen, weil ich kein Geld für die Untergrundbahn hotte. Das Bureau als einer der letzten oerlassend, schritt er, ohne >rg«nd etwas zu beachten, den Broadway entlang. Sonst verwandelten sich bei ihm fast alle starten Gefühle in Zorn, heute jedoch war er weit müder als zornig. Ein Gefühl der .liilflofigkeit überkam ihn. Er ging mit den gewohnten kurzen ner- vöjen Schritten dahin, schlenkerte mit den Armen, ober seine Gefühle drückten sich nicht in seinem Aeußeren aus.
Als er die Canal-Street erreichte, wo sich täglich gegen Feier- abend eine wilde, von der Arbeit heimkehrende Menge staut,»er- suchte er nicht, wie sonst, sich kühn einen Weg durch das Gewühl zu bahnen, sondern blieb stehen und sah sich erschreckt um. Er war dies«? Menge nicht gewachsen, dieser Menschenlawine, die sich schlängelnd über den Bürgersteig wälzte. Er starrte sie an und schritt dann auf die andere Seite der Straße, wo weniger Menschen waren. Von hier aus ging er weiter. Menschen pufften und stießen ihn, verhinderten sein Vorwärts» koinmen, zwangen ihn von Zeit zu Zeit. Halt zu machen. Manch- mal schritt eine Frau vorbei, hüllte ihn in eine Parfünnoolke ein, die ihn schwindelig machte. Er schritt weiter, wußte nicht wohin er ging, dachte auch gar nicht darüber nach. Von Zeit zu Zeit blieb er rein automatisch vor einem Restaurant stehen und las'die am Fenster angebrachte Speisekarte. Es war Essenszeit, aber er ver- spürte keinen Hunger. Er kaufte eine Zeitung, schlug instinktiv die Seite auf, die die Wall-Sireet-Nachrichten enthielt, erinnerte sich dann und wollte die Zeitung fortwerfen. Doch überlegte er es sich und behielt sie ir� der Hand. Wer im Geschäftsleben Erfolg haben will, muß hart werden. Er darf nicht das Jammern der anderen bemerken, darf für sie keine Teilnahme empfinden. Sind sie weiter vorn, so muß man ihnen ein Bein stellen, sie zu Fall bringen und ihre Stelle ein- nehmen. Sind sie weiter hinten, so muß man sie vergessen: wartet man auch nur einen Augenblick, so verspätet man sich und kann die verlorene Zeit nie mehr einholen. Beim Geschäst gibt es weder Tod noch Liebe, der Tüchtigere trägt den Sieg davon, und man muß der Tüchtigere sein. Es hat gar keinen Sinn, sich mit erfolglosen Leuten oder sentimentalen Kerlen einzulassen: freilich sind ihre Lebens- gcfchichten traurig und man würde gerne eine Weile mit ihnen weinen, aber nur eines zählt: der Erfolg. Das wußte er genau. Hatte es von ollem Anfang an gewußt. lind alles war gegen ihn gewesen: er besaß keine Beziehungen, sah nicht wie ein kluger Bursche aus, er mußte beweisen, was er konnte. Cr pfiff auf die ganze Welt, es war ihm einerlei, ob ringsum die ganze Welt zusammenbrach, wenn nur er unversehrt blieb. Er hatte keine Zeit für traurige Geschichten, das konnte er sich nicht � leisten.
Würde er krank, kein Mensch kümmerte sich darum, was ans ihm wird. Er kann sterben, und niemand wird es interessieren. Und wenn er alt wird und nichts erspart hat, so kann er in den Nachtasylen der Heilsarmee schlasen. Und wie er gekämpft hat. Mein Gott, wie er gekämpft hat! Bon Anfang an bis heute. Alles, was er erreicht, hat er nur durch (eine Zudringlichkeit erreicht, er hat die Leute solange belästigt, bis sie ihm das Gewünschte gaben, er hat sich dermaßen unentbehrlich gemacht, daß sie erkannten, es sei umnöglich, ohne ihn auszukommen. Er hat stets die Arbeit des nächst höheren Angestellten gelernt, ge- wartet, bis dem einmal etwas gefehlt hat, dann seine Stelle ein- genommen. Und war er einmal irgendwo angelangt, so ist er klebengeblieben, war nicht mehr zu vertreiben. Er hat die Arbeit auch innner besser gemacht als sein Vorgänger; deshalb mußten ihn die Leute behalten. Und nun ist alles vergeblich gewesen. Da schuftet man. arbeitet sich halbtot, holt sich beinahe eine Gchirnentzündung. hört die ganze Nacht das Telephon klingeln und die Namen der Aktien, ißt zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abendbrot Aktien, wird selbst zn einer Aktie,— wozu? Damit ein Bastcnd wie dieser Read eine Dummheit begeht, man auf der Straße liegt und wieder von vorn« beginnen muß. Das Restaurant, in das«r sich begab, war ein kleines dunkles Lokal, beschattet von der L-Bahn. Der Raum war ursprünglich einmal weiß gewesen. Wände. Tische. Fußboden, alles sah im Halb- dunkel schmutzig und ungewaschen«ms. Verschiedenartiger Gestank erfüllt das Lokal: der Geruch alter Bohnen und alten Krautes und, noch stärker, der Gestank in den Ecken verfaulender Speisen. An den Tischen und in den Lehnstühlen saßen Leute, Männer, den Hut auf dem Kopf, ties über den Teller gebeugt, als fürchteten sie. jemand könnte ihnen plötzlich das Essen fortreißen. Tatsächlich brauchten sie nur für einen Augenblick ihren Sitz zu verlassen, und schon kam der fettige ausländische Kellner und schleppt« die Speisereste in die Küche. Halb unbewußt ging er zum Schanktisch, bestellt« eine Tasse Kaffee und«in« Fleischpastet«. Dann setzte er sich auf einen niedrigen Sessel. Er begann zerstreut zu essen, steckte große Stück« der Fleisch pastet« in den Mund, verbrannte sich am siedenden Kaffee die Zunge. Ringsum wurde gesprochen; sorgenvolles müdes Flüstern, in einer Ecke rissen Chauffeure Witze, brachen bisweilen in lautes Gröhlen«ms. „Hallo, hast du was gefunden?" „Nein, ich hob' die„Morl d" zu spät bekonnnen." „Ich Hab' eine famose Stelle,«üs Wächter in einer Fabrik. Ich kann die ganze Nacht schlafen und bekomme dafür achtzehn die Woche. Und«ine Schlafstelle." „Famos." „Jim. leih' mir einen Vierteldollar. Ja, er hat mir eine Stelle versprochen. Morgen, ganz bestimmt. Ich geb' dir das Geld am Zahltag zurück. Leih' mir. Ich hob' dir ja auch gepumpt, als ich Geld hatte." ..Laß' mich in Ruh." „Eine Tasse Iavakaffee." „Schinken mit Ei." „Scheren Sie sich zum Teufel. Mit Euch Kerlen kann man ja nicht anständig reden. Hab' ich Ihnen nicht schon einmal verboten, hier zu hausieren? Soll ich die Polizei rufen?" lForts. folgt.)
RätseUEcke des„Abend liiiiiiiiiiiiiiiuiHitiiniiiiiiintniiiiiunnniniiiiiiuiiiHiiiiiiiiininniiiiimnniinmiiminKiuJHunmiiinniiuimNnmifliiiHiniimuinnimiiinnimiinmnnmimninniiiuiiiiiuinnnini«
Spiralen-Kreuzworträtsel.
Magisches Eckbortenrätsel.
Die Wörter gehen von der betressenteii Nummer bis zur gegen- überliegenden abschließenden Linie. Sie bedeuten: W a g e r e ch t: 2. Stadt in Südtirol ; 3. englischer Adelstitcl; 5. Stadt in Ingo- slawien; v. männlicher Vorname; 8. Seeschlachtort im Altertum; 9. männlicher Vorname; 11. Vildnis; 12. Naturerscheinung.— Senkrecht: 1. Flächenmaß; 2. Fisch: 4. Himmelskörper: 5. Raubvogel; 7. Angehöriger des Heeres; 8. Wochentag; 19. Ur- einwohner von Amerika ; 11. Sportplatz. Magisches Leistenrätsel.
Wagerecht und senkrecht: 1. Tochter des Zeus; 2. halb- blöder oder täppisiher Mensch; 3. bekannte Reisegesellschaft; 4 Nebenfluß des Inn. �. Vorsicht.' Laß die Eins und prüfe dich, .zwerdrei dich die Zweidrei bindet. Eine Mehrheit, glaube ich, Sich für Einszweidr« nie findet. ep. Bariationsrätsel. Au» den Bmhslaben o e k s t sind Wörter zu bilden. Wir wissen drei<1. indische Geselljchajtsklasje, 2. eure Mahlzeit; 3. ein Ewugots des Zimmermanns); wer weiß mehr?
Wag erecht und senkrecht: 1. bekannter Theaterleiter: 2. Gestast der deutschen Tiersag«; 3. römischer Odendichter; 4. europäische Hauptstadt. Kapselrätsel. ?!«nn nur die Musenstadt geschwind, In der sechs Dinge entHallen sind. Ein lust'ger Ausruf,'ne waldige Flur, Ein Nahrungsmittel, ein wuchtiger ochwur, Füg' noch einen Strom und'ne Erhöhung hinzu, So hast du die schmücke Stadt im Nu. Homonym(Unruhig und ruhig). Anmutig springend auf felsigen Höh'n,* Stets in Bewegung ist er zu fch'n. Nachts aber am strahlenden Firmament, Ein jeder als ruhiges Sternbild'ihn kennt.
bk.
Hb.
Auflösungen der Rätsel aus voriger Nummer. Kreuzworträtsel. Wagerecht: 1. Ski; 4. Ali; 7. Aloe; g. Oper; 19. Lissa; 11. Marie; 12. Tour; 13. Sinn; 14. Aar; 15. Del; 18. Jus; 21. Wasiertonne; 22. sie; 24. Poe; 26. Nir: 30. Elfe; 32. Meer; 34. heute; 35. Tango: 36. Anna; 37. Niel: 38. Rad: 39. Elz.— Senkrecht: 1. Salto; 2. Slio; 3. Iofua; 4. April. 5. Lein: 6. Irene: 8. Esra; 9. Das«: 15. Riese: 16. Osten: 17. Gas: 19. Urt; 20. Ina; 23. Lehar : 24. Pfund: 25. Oeta; 27. Imon; 28. lenie; 29. Protz: 31. Lena: 33. Engel. Ouadraträtsfl: 1. Otols: 2. Zahno; 3. Enoch: 4. Altar: 5. Zlogat. Verwandlungsaufgabe: Nebel, Atlas, Theodor, Hering, Abend. Natur. Dorothea, Enkel, Reblaus. Wiek , Elend, Irene, Salbe. Elba (Nathan der Weise). Scherzfrage: Den einen sucht jeder und findet niemand: den andern sucht niemand und findet jeder. Schieberätsel: Zlepfel, Birne«. Versrätsel: Schankwirt. Lottenrätsel: „Wenn andre klüger sind als wir, Das macht uns festen nur Pläsier. Doch die Gewißheit, daß sie tmmma, Erfreut fast immer." 3& Saf�