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Morgenausgabe

Tr. 41

-46. Jahrgang

A 21

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Freitag

25. Januar 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die et Ripattige Ronpareillezetle 40 Pfennig. Reflamezeile- Reichs mart. Aleine Anzeigen das ettge brudte Mort 25 Pfennig( zuläffig zme fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 2 Pfennig. Steliengefuche das erfte Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. Straße 3, wochentägl, von 8 bis 17 Uhr,

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Die Regierungsfrage im Reich. Kriegsverzicht des Kapitals.

Feste Bindung oder verhängnisvoller Wirrwarr.

Der Sozialdemokratische Pressedienst" schreibt zu der Frage der Regierungstoalition im Reiche:

,, Es ist selbstverständlich, daß die bisherige Form des Re­

wird, nicht einfach.

rungen vorgenommen werden, und das ist, wie jeder zugeben Mit diesen Schwierigkeiten aber ist es noch nicht genug. Die fest. Ihre

Abschaffung des Krieges durch Sozialismus.

Der Reichsrat hat gestern den Gefeßzentwurf zu dem Bertrag über die Aechtung des Krieges angenommen. der Kammerdebatte über den Marokkovertrag Frankreichs Bor siebzehn Jahren, am 20. Dezember 1911, hat in Sozialistenführer Jaurès   über Frieden und Finanzkapital so aftuell sind, als ob sie

gierens, die sogenannte lo dere Bindung ihre Grenzen Boltspartei hält an ihrem Anspruch auf Hinzuziehung zur gestern geprägt wären. Er mies darauf hin, daß durch diesen

hat, und es fann faum einem Zweifel unterliegen,

daß wir uns einem trifischen Moment

nähern. Er liegt in der Notwendigkeit, den Etat zu verabschieden und für das Defizit eine De dung zu finden. Daraus ergibt sich für den Reichskanzler die Notwendigkeit, jeht, ohne zunächst offizielle Verhandlungen zu eröffnen, mit den leitenden Stellen der ein zelnen Parteien Fühlung zu nehmen und das Terrain zu fondieren. Mit diesen Unterhaltungen ist denn auch bereits am Mittwoch begonnen worden.

die

feine Roalition im Reich, und ob sich nun die preußische Frage so schnell erledigen läßt, wie die Situation im Reich es er­fordern würde, ist fraglich.

So sieht der Rahmen aus, innerhalb dessen sich die Kon ferenzen des Reichskanzlers mit den Parteiführern vermutlich be­wegen müssen, wobei der besonderen Hindernisse, die aus der Hal­tung der Bayern   erwachsen, noch gar nicht gedacht ist. Man fönnte nun auf den Ausweg verfallen, wenn die eigentliche Große Koalition zurzeit nicht zu erreichen ist, einen interfraktionellen Aus­Sicherlich werden die Sozialdemokraten, Demoschuß auf die Beine zu stellen, der über die jeweilig strittigen Fragen fraten, 3entrum und Deutsche   Boltspartei die eine Verständigung herbeiführt. Bayerische Boltepartei nimmt in gewissem Sinne eine Sonder­ftellung ein die Frage nach ihrer grundsäglichen Bereit. schaft zur foalitionsmäßigen Bindung mit einem 3a beantworten. Nicht ganz so gewiß ist es, ob sie alle auch gewillt sind, auf eine neue Distussion der fachlichen Voraussetzungen zu verzichten, obwohl sie ohne Unterschieb die Unzweckmäßig feit von langwierigen Programmdebatten und Richtlinientüfteleien zugeben. Aber damit sind die Schwierigkeiten noch nicht beseitigt. Sie liegen jeẞt insbesonder auf dem Gebiet der zahlenmäßi gen Bertretung der einzelnen Frattionen im Kabinett.

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Was im Sommer verhältnismäßig leicht zu regelu gewesen wäre, ist heute dorniger geworden. Damals verlangte das 3 en trum drei Sige in der Regierung. Die anderen waren bereit, fie ihm zuzugestehen. Dann aber tam es mit seinen bekannten For derungen, daß ihm der Posten des Bizetanzlers und schließ lich auch der des Innenministers eingeräumt werde. Daran fcheiterte die ganze Kombination: das Zentrum ließ sich nur durch einen Bertrauensmann in der Regierung vertreten, und die Demo­fraten erhielten zwei Plätze. Das Zentrum besteht jetzt auf seinem alten Verlangen. Niemand widersetzt sich ihm prinzipiell. Aber woher nehmen? Gut, ein Demotrat fann verzichten. Aber es fieht so aus, als ob das Zentrum im gegenwärtigen Augenblick weder auf das Justizministerium noch auf das Ernährungsmini­sterium besonderen Wert legt. Es müßten also Umgruppie

Reichstagsbeginn.

Kommunistisches Spettafelstück mit der Erwerbslosennot.

Der Reichstag   trat gestern nachmittag nach der Weihnachtspause wieder zusammen. In einer furzen Sigung befprach er die Regie: rungsvoriage über die Wartegelbempfänger. Die Borlage murde dem Haushaltsausschuß überwiesen.

Die fommunistische Thälmann  - Frattion ver. anstaltete am Schluß ein Spettatelstüd. Sie hatte auf der Zuhörertribüne ein Duhend junger Leute placiert, die taftmäßig einen Saz in den Saal riefen und ein Transparent entfalteten. Zwei Duzend kommunistische Abgeordnete flatschten dazu Beifall. Sie waren indes mit der Aftion nicht zufrieden, fie beklagten sich untereinander, daß die jungen Leute nicht vorschriftsmäßig die Internationale" gesungen hätten. Das Spettafelstüd sollte eine Demonstration für die Erwerbslosen darstellen. Es war ein Stüd der neuen ,, repolutionären Taftit".

Das Los der Millionen Erwerbslosen in Deutschland   ist fo bitter, daß selbst die Kommunisten sich schämen sollten, ihre Not zu einem geftellten Spettafelstüd zu mißbrauchen.

Afghanistan   und Preußenlandtag.

Kommunistische Agrarbetrachtung.

In der Aussprache des Landtags über den Landwirtschaftsetat am Donnerstag verursachte die Rede des Kommunisten Stielle rup bei ben wenigen, die ihm zuhörten, un getrübte heiter. teit. Er brachte es fertig, die deutsche Landwirtschaft in Berbindung mit Afghanistan   und Amanullah   zu bringen, um daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die deutsche   Sozialdemokratie feindselig gegen Sowjetrußland feil Aus diesem Wih fonnten selbst seine Frattionsfollegen nicht schlau werden, sie saßen mit verbugten Gesichtern da. Daß die Katastrophe nicht schon längst, über die deutsche Landwirtschaft gekommen ist, erklärte Abg. Reller von der Deutschen   Fraktion mit dem Gottvertrauen der deutschen  Bauern.

Die Aussprache wird am heutigen Freitag fortgefeßt; der sozial­demokratische Abg. Brandenburg   wird über die Landarbeiter frage sprechen.

Indeffen scheint auch diese Lösung feine allgemeine Zustimmung zu finden, und wir stehen vor der Frage, wie denn nun eigent­lich das Schiff über die klippen der nächsten Zeit, namentlich über die des Etats und der Deckungsgesetze, hinweggebracht werden soll.

Bertrag zum erstenmal die finanzielle Zusammenarbeit zweier Staaten als Staaten vereinbart sei und sagte über die Gefahren des Krieges und die Hoffnungen des Friedens folgendes: Aber es gibt drei Kräfte, die für den Frieden arbeiten. Die erste ist die internationale Organi­ation der Arbeitertlaffe... auf eine so offen­Hallation bare Tatsache brauche ich jetzt nicht einzugehen. Die zweite ist der Hoch kapitalismus in seiner modernen Organi­fationsform... Wie das Eigentum vom Bodenkapital zum Industriekapital und dieses sich zum Finanzkapital um­wandelt, so wandelt sich auch der Charakter der Politik um... Ueber die Rasse und 3ollgrenzen hinweg ara beiten die gewaltigen Trufts des Kapitalismus... das inter­nationale Finanzkapital der Banken verbindet die verschiede­Eine Kredit­nen nationalen Industriekapitalismen erschütterung in Paris   erschüttert den Kredit in Hamburg  , in New York  . So beginnt eine tapitalistische Solidarität zu entstehen, die unter der gemeinsamen Kontrolle der Völker eine Bürgschaft des Friedens sein kann; das sind von jeher unsere Auffassungen gewesen; erst vor wenigen Mo­naten hat sie in einem Meisterwert ersten Ranges Marr Jünger Hilferding dargestellt. Hier entwickelt sich eine neue ungeheure Macht, die, von den Kräften der Demokratie unkontrolliert, den Frieden unter elenden Vorwänden miß­brauchen kann, die aber, von freien und unabhängigen Nationen überwacht, in dem unsicheren Gleichgewicht der Mächte zur Erhaltung des Friedens beitragen kann. Die dritte Friedenskraft ist die Erneuerung des angel­fächsischen puritanischen Idealismus in Amerita. Es ist grundfalsch gewesen, die Amerikaner allein als Dollarjäger zu betrachten, bei ihnen hat sich der Idealismus ihrer Vorväter erneuert, die in ihrer Art von einer Gesellschaft der Freiheit und Gerechtigkeit träumten. Aus dem Geiſte dieses erneuerten Idealismus heraus hat der Präsident Taft die Schiedsverträge angeregt, deren Bedeu­tung man nur begreift, wenn man sie mit jener gewaltigen geistigen Bewegung in Verbindung bringt... Das sind die geistigen Kräfte, die den Frieden vielleicht zu sichern ver­mögen."

Unter allen Umständen, auch wenn eine Bindung zustande tommt, wird eine Berständigung über die Probleme, die uns jetzt auf den Leib rücken, nicht leicht herbeizuführen sein. Aber immerhin wären die Aussichten unendlich viel günftiger, als wenn die Frat fionen aufeinander gar teine Rücksicht zu nehmen brauchten. Auf die Dauer werben, sie mit ihren Wünschen und ihren For derungen zu den kompromißvorschlägen des Kabinetts nicht zurückhalten. Sie werden jede ihre eigenen Ersparnis- und Steuerpläne der Deffentlichkeit unterbreiten, und was die Sozialdemokratie angeht, so wird sie sicher nicht auf die Freiheit verzichten, von der die anderen Gebrauch machen. Das würde dann die Berwirrung auf die Spige treiben, und wenn einmal die Sonderprogramme aufgestellt sind, wird es faft unmöglich sein, eine Einigung, wie sie jetzt noch denkbar ist, her beizuführen. Das wäre dann die Krisis, und die, die es angeht, sollten es sich wohl überlegen, ob sie es auf diesen Ausgang antommen lassen wollen und wie sie sich die Beendigung der Krisis denten!

Der rätselhafte Bombenabwurf. Sollte er den Truppen Amanullahs gelten?

London  , 24. Januar.  ( Eigenbericht.)

So ist es fein Zufall, daß in den gleichen Tagen, an denen der Präsident der Vereinigten Staaten Coolidge als Amtsnachfolger jenes Taft, den Jaurès   pries, den Die Tötung von 13 englisch  - indischen Kavalleristen durch britische Kriegsverzichtsvertrag ratifizierte, der Präsident des größten Fliegerbomben an der indisch- afghanischen Grenze hat hier erheb- Bankkonzerns der Welt, Pierpont Morgan  , in den Sach­liches Aufsehen erregt. Man hält die bisherigen Berichte für unverständigenausschuß eintritt, um das größte internationale glaubwürdig. Dieser Verdacht ist besonders auch dadurch ver- Finanzgeschäft, die Finanzierung der deutschen   Reparations­stärkt worden, daß sich die Tragödie nicht bei Peshawar  , sondern schuld in die Wege zu leiten. Und wenn zugleich aus Eng­am Eingang zum Kaiber- Paß, wenige Kilometer von der land, Frankreich  , Deutschland  , Italien   und Japan   dazu die afghanischen Grenze entfernt, abgespielt hat. In London   ist das Staatsbankdirektoren, Bank- und Industriekapitäne in den Gerücht verbreitet, daß es überhaupt nicht Uebungsflüge Sachverständigenausschuß entsandt werden, so werden in gewesen seien, sondern daß die britischen Flieger gegen die diesen Ländern gleichzeitig alle Vorbereitungen getroffen, um Shinwari- Stämme eingesetzt worden seien und infolge der dem am 28. August in Paris   unterzeichneten Kriegsverzichts­schlechten Sicht eigene Kameraden mit dem Gegner verwechselt pertrag durch die Ratifikation Rechtskraft zu verleihen. haben. Dies im Zusammenhang mit der Tatsache, daß die Schinwari Während in Berlin  , Essen, Hamburg   die Herren Schacht, wieder zu Amanullah   übergegangen find, würde diesem Vorfall Kastl  , Bögler, Melchior die Koffer zur Reise nach Paris  einen politischen Hintergrund geben, der dringend der packen laffen: hat der Reichsrat den Gesetzentwurf über den Aufklärung bedarf. Darum hat Abg. Kennworthy( Arb.-P.) Kriegsverzichtsvertrag genehmigt. im Unterhaus den Staatssekretär für Indien   gefragt, ob es sich tat­fächlich um Uebungsflüge gehandelt habe oder ob die Flugzeuge im attiven Dienst geftanden hätten. Der Staatssekretär antwortete, man müffe die eingeforderten Untersuchungsberichte abwarten.

Südslawien ohne Parteien.

Alles aufgelöſt!

Belgrad  , 24. Januar.  ( Eigenbericht.) Heute wurden jämfliche politischen Parteien aufgelöst, radikale Demokraten, sozialistische Partei, deutsche und ungarische Demokraten, fosialistische Partei, deutsche und ungarische Partei, da Parteien laut Staatsverteidigungsgefeh nicht mehr egiftieren dürfen.

Todesurteile in China  . Bon japanischen Offizieren gefällt!

Nanfing über Befing, 24. Januar. Fünf Chinesen sind von der japanischen Polizei in Hantau unter Spionageverdacht verhaftet und vom japanischen Feldkriegs gericht zum Tode verurteilt worden. Die Nanging- Regierung hat fofort Schritte unternommen, um die Hinrichtung aufzuschieben.

Während die Herren Parmentier und Moreau ihre

letzten Unterhaltungen mit dem französischen   Minister­präsidenten haben, legt Briand   den Kriegsverzichtsver trag dem französischen   Parlament vor. Tief hinein bis ins Herz der proletarischen Diftatur" reicht der Zusammenhang zwischen Finanzkapital und Friedenssicherung durch Kriegs= verzicht. Moskau   hat seinem Staatsbankpräsidenten Scheins mann die Tore der Banten in der Wallstreet   New York   da­durch geöffnet, daß es sogar vor allen anderen Regierungen den Kriegsverzichtvertrag ratifizierte. So huldigt alle Welt dem ,, chriftlichen Idealismus", der allein in Amerika   zu einer Finanzkapitalisten aller Länder vereinen sich, um die Kriegs­lebendigen außenpolitischen Macht geworden ist, und die gefahren zu mildern, während die Kriegsminister und Rüstungsindustrien sie immer von neuem aufhäufen.

Der Kampf um die Ratifizierung des Kriegsverzichts vertrages   ist im Senat der Vereinigten Staaten   nicht leicht gewonnen worden. Gehört doch in diesem aus je zwei Sea natoren der 48 Staaten unterschiedslos zusammengesetzten Senat der Vereinigten Staaten   eine Zweidrittelmehrheit dazu, einen internationalen Vertrag gültig abzuschließen. Schon manche Schiedsverträge sind an der Engstirnigkeit west- und füdstaatlicher Senatoren gescheitert, die an der Doktrin der Souveränität der Vereinigten Staaten   festhalten, als ob es noch immer gelte, ihre Freiheit wie im 18. Jahr­