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Morgenausgabe

Rr. 43

-46. Jahrgang

A 22

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bolt und Zeit und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen".. Frauen.

ftim Technit". Blid in die Büderwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend

26. Januar 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige Nonpareillezetle 40 Pfennig. Reflame eile- Reichs mart. Aleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwe fettgebruckte sorte), jedes weitere Wort 2 Pfennig. Steuengesuche das erste ort 15 Pfennig, jedes meitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden. Straße 3, wochentägl, Don 81%, bis 17 Uhr,

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Frankreich und das Elsaß  .

Beginnende Einsicht in Paris  .

Paris  , 25. Januar.  ( Eigenbericht.) Bergleicht man die bisherigen Preffekommentare zur diesmali­gen Elsaß  - Debatte mit den früheren Auslassungen der Bariser Blätter über das Elsaß, so muß immerhin ein Fortschritt festgestellt werden. Man beginnt hier langsam zu erfassen, daß es sich wirklich um das Elsaß   und nicht um ein neues beliebtes Thema französischer Innenpolitif handelt. Um so ver wirrter zeigen sich freilich noch die Gemüter, da es mit der Auf­stellung der eigenen Forderungen nicht mehr recht zu gehen scheint. Man fann also von einer Krise der öffentlichen Meinung bezüglich des Elsaß   sprechen.

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Es muß als ein an sich erfreuliches Symptom dieser Krise ge= wertet werden, wenn ein Mann wie der frühere Ministerpräsident Herriot  , den die Rechte ihrerseits für das Uebel verantwortlich macht( in den Augen der Linken ist Miller and der Alleinschul­dige), heute in der Ere Nouvelle" plöglich entdeckt, daß das Elsaß  in den vergangenen Jahrhunderten

ein Tummelplatz der Völker

mar und auf eine tragischr Geschichte zurückblickt. Freilich gibt es von Herriot   auch nur eine Erklärung für den Autonomis: mus: die deutsche   Herrschaft, unter der die Elsässer sich das Protestieren an gewöhnt hätten. Ein positives Heilmittel weiß er nicht anzugeben, und ein anderes Linksorgan, die Bolonte", vertröstet auf die Zeit, in der die Linke wieder an der Macht sein werde. Borläufig muß fie fich jeder Aeußerung enthalten, da der Ministerpräsident im Namen Frankreichs   zu den Elsässern sprechen merde. Man tann schon jetzt absehen, daß die Debatte teiner lei praftische Folgen nach sich ziehen wird, und das Beste,

Hoffmann firafversetzt.

Er wird Oberlandesgerichtsrat in Hamm  .

Wie der Amtliche Preußische Pressedienst erfährt, hat der Breußische Justizminister in Ausführung des Urteils des Disziplinar fenats beim Oberlandesgericht in Naumburg   und des Großen Disziplinarsenats beim Kammergericht den Landgerichtsdirektor Hoffmann, bisher in Magdeburg  , mit sofortiger Wir. fung als Oberlandesgerichtsrat nach Hamm   i. W. Derjeßt. In welches Richteramt der, übrigens bis Ende März frankheitshalber beurlaubte, Landgerichtsrat Rölling in Magde­ burg   in Ausführung des Urteils des Großen Disziplinarsents beim Rammergericht zu versehen ist, wird der Preußische Justizminister noch bestimmen.

-OUG

Er legt

Friedensschluß im Zentrum. Stegerwald zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. den Borsih im Gewerkschaftsbund n eder. Die Zentrumsfraftion des Reichstags wählte am Freitag abend den Fraktionsvorsitzenden und den Fraktionsvorstand. Zum

ersten Borfizenden wurde der Abg. Stegerwald durch

Zuruf einstimmig gewählt. Abg. Stegerwald nahm die Wahl mit Dant an und erflärte, daß seine Hauptaufgabe in Zukunft politischer Natur sein und daß er infolgedessen den Borsig im Deutschen  Gemertschaftsbund niederlegen werde.

Der Abg. Kaas dankte dem Abg. Stegerwald für die Annahme der Wahl und machte dann einige Mitteilungen über die Verhandlungen, die der Wahl vorausgegangen find. 3u ftellvertretenden Borfizenden wurden die Abgg. Berlitius und Effer gewählt. In dem weiteren Fraktionsvorstand wurden wieder gewählt die Abgg. Dr. Bell, Giesberts, Joos, Klöckner, Ulizka und Frau Beber. Neu hinzugewählt wurde der Abg. Dr. Wirth.

Der Deutsche  , das Drgan des Gewerkschaftsbundes, hat der Wahl Stegerwalds eine Borbemerkung vorausgefchickt, die den Inhalt der Berhandlungen andeutet, die vor der Wahl ftattgefunden haben. Sie lautet:

Heute abend wird man in der Reichstagsfrattion des Zentrums die mehrfach verschobene Bohl zum Frattionsvorstand vornehmen. Man ist sich im Zentrum, besonders seit dem Kölner   Parteitag, flar geworden. daß die Forderung der Zentrums. arbeiterschaft nach einer ftärteren Bertretung im Parteiförper und nach einer ftärteren Beteiligung an der Führung der Partei durchaus berechtigt ist. Unb man ist gewillt, diese Forde rung der Arbeiterschaft zu erfüllen. Besonders der neue Bartei vorsitzende, Prälat Prof. Dr. Ka as, betont in dieser Hinsicht seinen guten Willen immer wieder. Und aus diesem Willen heraus hat man Stegerwald immer wieder gebrängt, die Führerstellung als Frattionsvorsitzender anzunehmen, und man hat ihm erklärt, man würde braußen im Bande nicht verstehen, wenn er diese Führer

was man im Augenblick noch hoffen kann, ist, daß der Minister. präsident, der am nächsten Donnerstag sprechen wird, die Lage durch allzu energisches" Auftreten nicht noch verschlimmert. Ver­geblich wird freilich die Debatte nicht gewesen sein. So schmerzlich es für die französischen   und insbesondere die Pariser   Zentralstellen fein mag, fie müssen sich daran gewöhnen, daß ihnen im elsässischen Autonomismus eine Erscheinung entgegentritt, die

nicht mit gewöhnlichen Verwaltungsmethoden und Maßnahmen zu fassen ist. Zu der hierfür nötigen Selbstbesinnung trägt in breiteren Kreisen der Bevölkerung sicher die Debatte bei. Die Kammer fegte am Freitagnachmittag die Aussprache fort. Der Abg. Selg( Ets. Vp.) forderte eine stärkere Berüd sichtigung des Deutschen   durch die Beamtenschaft. Es sei aus prattischen Gründen Art notwendig, daß die Beamten im Elsaß   das Deutsche   genügend beherrschen. Die Bevölkerung verlange daher vor allem, daß die deutsche Sprache in den Schulen ge­nügend gelehrt werde. Es müßten Schulfommissionen geschaffen werden, in denen auch die Eltern vertreten seien. Auf einen Ein­wurf Poincarés, der auf die Verhältnisse während der deutschen  Herrschaft hinwies, erflärte Selz, seit 1900 sei verordnet worden, daß die Kinder der französischen   Minderheit im Elsaß   im ersten Schuljahre französisch lesen lernten. Heute fordere man nichts anderes für die deutschen   Kinder. Selz schloß mit der Aufforderung an Poincaré  , die Bergangenheit auszutilgen und Milde walten zu lassen.

Nady Seltz bestieg der Meyer Abgeordnete Moncelte die Tribüne, der eine Reihe Beschwerden und Wünsche der loth ringischen Bevölkerung vorbrachte.

stellung ausschlägt, nachdem die Arbeiterschaft so stürmisch auf seine stärkere Beteiligung an der Führung gedrängt habe.

Es ist anzunehmen, daß Stegerwald diesem Drängen nach geben wird. Darum ist damit zu rechnen, daß heute abend Steger wald zum Fraktionsvorstand der Reichstagsfraktion gewählt wird. Wie wir zu wiffen glauben, dürfte die Parteileitung des Zentrums dies wohl zum Anlaß nehmen, um zu den Wünschen und Forderun­gen der Arbeiterschaft, wie sie auf dem Kölner   Parteitag laut ge­worden find, fich zu äußern."

Herr Stegerwald hat also Frieden mit Herrn Kaas geschlossen. Die Zentrumsarbeiter erhalten Ber­sprechungen.

Finanzkonferenz der Länder Besprechung der Entschädigungs- und Aufwertungsansprüche Beim Reichsfinanzminister Dr. Hilferding waren am Freitag im Reichstag   die Vertreter der Länderregierungen versammelt, um die zwischen dem Reich und den einzelnen Ländern schwebenden vermögensrechtlichen Fragen zu erörtern. Die Reichsregierung wird auf Grund der gewonnenen Uebersicht ein Vorlage ausarbeiten, die in einer für die nächste Zukunft in Aussicht genommenen Aussprache erörtert werden soll.

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Wilhelm feiert sich.

Durch ein neues Daily Telegraph  " Interview.

Im Herbst 1908 gewährte Wilhelm II.   einem Vertreter des ,, Daily Telegraph  " ein Interview. Der Inhalt bedeutete für Deutschland   eine außenpolitische Ratastrophe. Was da in findischer Unreife zum besten gegeben wurde, war geeignet, alle Bölfer der Welt von England bis Japan   zu Deutschlands   Feinden zu machen.

Ueber Wert und Bedeutung dieser kaiserlichen Aeußerun­gen gab es feine Meinungsverschiedenheiten. Durch ganz Deutschland   ging ein Stöhnen. Im Reichstag   kamen der Sozialdemokrat Paul Singer   und der Konservative v. Heydebrand sachlich ungefähr zu demselben Resultat. Der Reichskanzler fuhr zum Kaiser und machte ihm Vor­haltungen. Dieser dachte erst daran, dem Thron zu entsagen, beschränkte sich aber dann doch darauf, Besserung zu geloben und zu versprechen, sich in Zukunft mehr zurüd­haltung aufzuerlegen. Er hat dieses Versprechen nicht lange gehalten.

Da Wilhelm II.   feit mehr als zehn Jahren ein im Aus land lebender Privatmann ist, ist er ja jetzt an fein Ber­fprechen auch nicht mehr gebunden. Die findische Unreife ist ihm aber geblieben und mit ihr der Drang, in die auswärtige Politik Deutschlands   jezt der Deutschen Republik- hinein­zupfuschen.

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Er betätigt ihn zur Feier seines 70. Geburtstages. Er hat sich zu diesem Zweck einen Vertreter der ,, Associa ted Preß" verschrieben, und das sonst ernst zu nehmende amerikanische   Nachrichtenbureau ist leider auf diese geschmack­lofe Idee eingegangen- wahrscheinlich nicht einmal in der Ab ficht, Deutschland   zu schaden, sondern aus bloßer Sensations= luft. So ist ein neues Interview entstanden, das sich dem Daily Telegraph  "-Interview würdig zur Seite stellt. Der Text ist der rechtsstehenden deutschen Presse übermittelt wor­den zu dem Zweck, heute, am Vortag des 70. Geburtstags Seiner Majestät, veröffentlicht zu werden.

Schon die Einleitung dieses Interviews ist sonderbar ge­nug. Sie sieht so aus:

Eine Persönlichkeit aus der Umgebung des ehe­maligen Kaisers gewährte einem Bertreter der ,, Associated Preß  " im Einverständnis mit dem ehemaligen deutschen   Kaiser eine Unterredung. Der ehemalige deutsche   Kaiser gab dieser Unterredung folgendes einleitende Borwort:

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,, Das Wohl des deutschen   Volfes zu fördern und den Frieden in der Welt zu erhalten, das ist stets oberstes Gesetz meines Handelns gewesen. Im festen Glauben an Gott   den Ge­rechten hoffe ich daher, auch den Tag zu erleben, der uns Deutsche von der Last der falschen Beschuldigung, den größten aller Kriege entfesselt zu haben, befreien wird."

Auf die verschieden gestellten Fragen wurde hierauf wie folgt geantwortet:

des Erkaisers. Die Vermutung liegt nahe, daß dieser große Unbekannte" niemand anderes ist als der Ertaiser selbst. Denn was das Wesen dieses Mannes ausmacht, die vollendete Taft­losigkeit und das Unvermögen, die Wirkung der eigenen Worte vorauszusehen, tritt in diesem törichten Frage- und Antwort­spiel ungemildert in Erscheinung.

Die unbekannte Persönlichkeit" ist also das Sprachrohr

Die Sozialdemokratie hat stets den Glauben an die deutsche   Alleinschuld bekämpft. Sozialdemokratische Reichskanzler haben die ersten, die schärfsten Erklärungen

Der Faschistenführer als Wechselfälscher. gegen diesen Glauben abgegeben, und mit Hilfe gerechtdenken­

Gefälschter Wechsel aus Staatsmitteln bezahlt!

Mailand  , 25. Januar.  ( Eigenbericht.)

Es verlautet, daß der frühere Generalsekretär des Mailänder Fascio, Mario Giampoli, in Festungshaft fikt, weil er seine Anhänger zur Rebellion gegen die Befehle Mussolinis augestiftet hatte, nachdem er plötzlich aus seiner Stellung entlassen worden war. Ueber die Gründe seiner Enthebung vom Amt wird bekannt, daß Giampoli einen falschen Wechsel in Umlaufgesett hatte, um eine Spielschuld im Kasino von San Remo zu decken. Der Wechsel wurde später aus Staatsgeldern be. ahlt, um einen öffentlichen Standal zu verhindern.

Drei Flugzeugabstürze. Schwedisches Flugzeuggeschwader abgestürzt. Stodholm, 25. Januar. Hente mittag haben sich nicht weniger als drei Flugzeug­anfälle in der Nähe von Stocholm ereignet. Drei Armee­flugzeuge, die einem Geschwader der Fliegerschule in Malms­laet angehörten und sich auf dem Fluge nach Stockholm   befanden, stürzten über verschiedenen Orten in der Gegend von Stockholm   ab. Dabei wurden ein Offizier getötet und zwei Unter. offiziere schwer verletzt. Die Unfälle sind wahrscheinlich darauf zurüdzuführen, daß durch das herrschende Schneegestöber die Sicht erschwert wurde.

der Ausländer ist es auch gelungen, ihn zu erschüttern. Wil­ helm II.   tann ihn nur wieder befestigen, indem er fich zur Erörterung dieser Frage taktlos und ungerufen in den Vordergrund drängt. Wenn es einen Deutschen   gibt, der zu schweigen hat, wo über Schuld und Unschuld am Kriege gesprochen wird, dann ist es der ehemalige deutsche   Kaiser. Er hat jahrzehntelang durch feine törichten Reden dem deut­ schen   Bolf in der ganzen Welt Feinde geworben, er hat in den kritischsten Tagen Europas   durch sein Hin- und Hertaumeln zwischen fäbelraffelnden Großsprechereien und angstvoller Entschlußlosigkeit dieses Urteil ist noch milde! Ausbruch der furchtbaren Katastrophe beigetragen. Er ist der leßte, der das Recht hat, für die Unschuld Deutschlands  zu bürgen, für diesen Zeugen bedankt sich das in Wahrheit unschuldige deutsche   Volk! Er ist der legte, der das Recht hat, den Anflägern draußen das Wort von der strupellos erfundenen Lüge" entgegenzuschleudern, das im weiteren Berlauf dieses Interviews gebraucht wird.

zum

In dem Interview wird eine Reihe ausländischer Schriftsteller zitiert, die der Legende von der deutschen Alleinschuld entgegengetreten sind. Sie haben den Mut gehabt, für ihre Regierungen den Anteil an der Ge­samtschuld festzustellen, der ihnen zukommt. Bollen wir nach ihrem Beispiel handeln, dann müssen wir mit dem gleichen Mut unseren Anteil auf uns nehmen. Und der besteht darin, daß wir zehn Jahre lang nach der ,, Daily- Telegraph  "- Affäre diesen Kaiser geduldet haben! Wir haben das teuer genug bezahlt. Aber nun fommt Er zerschmettert die Lügner, die ja Wilhelm als Retter. von deutscher   Schuld sprechen und er will wie er sagt

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