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Gabotierende Regierungsparteien.

Die Abstimmung über das Warteftandsbeamtengeset.

Das Gejez über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Warte­standsbeamten hat als verfassungsänderndes Gesez in der Schluß­abstimmung am Freitag nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit gefunden. Bon 409 anwesenden Abgeordneten haben 248 für, 121 gegen das Gefeß gestimmt; 40 Abgeordnete haben sich der Ab­stimmung enthalten. Das Gesetz ist damit gefallen. Die Niederlage der Regierung ist in Wirklichkeit eine Niederlage des Reichstags; denn dieser hat in zwei Entschließungen nahezu einmütig den Willen nach einer unverzüglichen Regelung dieser schwierigen Materie zum Ausdrud gebracht. Der Entwurf der Re­gierung hätte in Berbindung mit der Arbeit des Haushaltsausschusses den abgebauten Beamten eine wesentliche Verbesserung ihrer Rechts­verhältnisse gebracht und zugleich die Möglichkeit einer umfang­reftheren Wiederbeschäftigung der Wartestandsbeamten eröffnet, womit die unproduktive Berausgabung von Wartestandsgeldern wesentlich eingeschränkt worden wäre. Die Beamtenorganisationen haben trop verschiedener Bedenken, die in der Hauptsache nur aus taftischen Gründen geltend gemacht wurden, im Grunde die Ber abschiedung des Gefeßentwurfs sehnlichst gewünscht. Dasselbe tann man auch von einem Teile der Oppositionsparteien behaupten, die allerdings gehofft haben mögen, das Gefeß merde trog ihrer ablehnenden Haltung nicht gefährdet sein. Die be­queme Taftif, das Zustandekommen einer gefeßlichen Maßnahme innerlich zu wünschen, zugleich aber die Verantwortung für weniger erwünschte Teile des Gesetzes in einer gehäffigen und demagogischen Agitation den Regierungsparteien zuzuschieben, hat wieder einmal tläglich Schiffbruch erlitten.

Aber auch das Berhalten des Sentrums und der Bayerischen Boltspartei fordert zur Kritik heraus. Beides find Regierungsparteien und haben die Berpflichtung, die gesetzgeberischen Absichten der Regierung zu fördern. Ihre Minister haben im Kabinett der Borlage ihre Zustimmung gegeben. Während der Beratung des Gesetzes und vor allem durch ihr Berhalten bei der Schlußabstimmung haben diese Parteien jedoch den demagogischen Manövern fommunistisch- beutschnationaler Opposition Borschub ge­leistet. Bon den bei der Schlußabstimmung anwesenden 46 Mit gliedern der Zentrumsfraktion haben sich 16, von den 16 an­wesenden Mitgliedern der Bayerischen Boltspartei 12 der Ab ftimmung enthalten. Hätten diese 28 Abgeordneten von Regierungs­parteien für das Gesez votiert, so wäre es mit drei Stimmen über die erforderliche Zweidrittelmehrheit angenommen worden.

Diese Disziplinwidrigkeiten gefährden jede politische Arbeit der Regierung. Die Tatsache, daß folche Disziplinwidrigkeiten nicht nur bei dieser, sondern bei den verschiedensten Gelegenheiten, vor allem in den Ausschüssen wiederholt beobachtet worden sind, läßt auf eine gewisse Sabotageabsicht schließen, die von der Sozial­bemotratie auf die Dauer unmöglich toleriert werden kann. Be= sonders tommentiert wird in parlamentarischen Kreisen das Ber­halten einiger Zentrumsabgeordneten, denen man nachjagt, daß sie durch die Häufung von Schwierigkeiten hoffen, mit persönlichen Wünschen rasch ans Ziel zu tommen.

Bemerkenswert ist, daß das Scheitern des Gesetzes die Folge hat, daß die Barteftandsbeamten mit Wirkung vom 1. Februar 1929 nun nicht einmal die Zeit auf ihr Benfionsdienstalter angerechnet er

halten tönnen, die sie als Martestandsbeamte während einer Be fchäftigung im Reichs- oder Landesdienst zurückgelegt haben.

Emminger Reform in Deutschösterreich Gegen die Sozialdemokratie aber nicht durchzusehen.

Wien  , 2. Februar.( Eigenbericht.)

Die Regierung beabsichtigt, die Schwurgerichte nach deutschem Muster durch große Schöffengerichte zu er. feßen. Die Sozialdemokraten find Gegner dieses Blanes. Da die Schwurgerichte in der Berfassung festgelegt sind, ist die Ab­ficht der Regierung mur mit Zweibrittelmehrheit durchzusehen; diese ift gegen die Sozialdemokraten nicht zu erreichen.

Der Geitz Attentäter begnadigt.

Wien  , 2 Februar( Eigenbericht.)

Dem Chorfänger Richard Strebinger, der seinerzeit wegen des Mordanschlages auf den Wiener   Bürgermeister Seiß zu Jahren schweren Kerkers verurteilt worden war, ist vom Bundespräsidenten der Rest der Strafe im Gnadenwege erlassen morden. Strebinger hatte mehr als 1 Jahr seiner Strafe verbüßt. morden. Strebinger hatte mehr als 1 Jahr seiner Strafe verbüßt

Amanullah   und Sowjetrußland.

Er schickt seinen Gohn nach Moskau  .

Paris  , 2. Januar. Das Journal berichtet, daß der älteste Sohn Amanullahs Hedajatullah in Unterbrechung feiner Studien an einem Pa­rifer£ yzenum über Berlin   nach Mostau abgereist ist. Er erklärte, er habe von seinem Bater durch den afghanischen   Gesandten in Moskau   einen Brief erhalten, der ihn auffordert, unverzüglich nach Moskau   zu fahren. In Berlin   werde er sich drei oder vier Tage aufhalten.

Die Tel.- Union verbreitet aus Kowno   eine angebliche Moskauer  Meldung, wonach im Gegensatz zu England sowohl die Sowjetunion  als auch die Türkei   Amanullah   als den König von Afghanistan  anerkannt haben. In Kandahar   hat das provisorische Außenmini­fterium feine Tätigkeit aufgenommen, um mit den ausländischen Mächten in Verbindung zu treten. Infolge des Sieges Ali Achmeds über Habibullah   sind die Aussichten Amanullahs wieder geringer geworden. Die Borhut Ali Achmeds ist bereits in der Sommerresidenz Amanullahs, Pagman, eingerückt. Die Lage Amanullahs verschärft sich dadurch, daß im Falle eines Rückzugs Habibullahs aus Robul die Stadt dem Böbel schußlos aus. geliefert sein mürte. Die ausländischen Gesandtschaften stehen noch unter dem Schutz der Truppen, doch habe der Emir Habib­ullah die Gewalt über feine Truppen verloren. Ein Regiment habe gemeutert und versucht, das Schloß im Sturm zu nehmen. Nur mit Mühe ge'ang es der Leibwache, den Angriff abzuwehren und die meuterer zu entwaffnen. Der Kriegsminister soll ve haftet sein. Am Freitag plünderten Soldaten wiederum zwei auslän­dische Geschäfte und erschlugen die eingeborenen Wächter, Der Funkverkehr zwischen Kabul   und Tashkent  ( Russisch- Zentral­afien) fonnte bisher qufrecht erhalten werden.

Der englische   Seeresetat. Times zufolge verlautet, daß die Heeresporanschläge für das Jahr 1929, die Ende Februar veröffent licht werden, eine Verminderung von ungefähr 10 Millionen Mart aufweisen werden.

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Wittenbergplatz.

Sicher vor Einbruch und Feuer,

Vor allem auch vor

der Steuer

Steuer

144

Steuer

erkl.c

Freut mich ganz ungeheuer­

Der Spass war etwas

teuer!!

H.ABEKING- 29

Bölferbund und Minderheitsvölker

Märzdebatte auf Antrag Deutschlands  .

Genf  , 2. Februar.

Das Generalsekretariat des Bölferbundes veröffentlicht folgende Mitteilung: Der Generalsekretär hat einen Brief des deutschen   Rats­mitgliedes Dr. Stresemann erhalten, der in Uebereinstimmung mit der Erklärung Dr. Stresemanns in der Ratssitzung vom 15. Dezember in Eugano darum erfucht, folgende Frage auf die Tagesordnung des Rats zu sehen:

Die Garantie des Bölterbundes für die Beffim­munnen zum Schutz der Minderheiten." Infolgedessen hat der Generalsekretär diese Frage auf die vor. läufige Tagesordnung der nächsten Ratsfihung, die am 4. März in Genf   beginnt, gejeht.

Auf Antrag des fanadischen Ratsmitgliedes Dandurand ist die Frage des bei Minderheiten- Petitionen einzuschlagenden Berfahrens auf die Tagesordnung des Rates gefeht worden.

Schutz vorenthalten, und sie tönnen sich in ihrer Not und Drangjal nicht einmal bittend an den Völkerbund wenden, und die beiden deutschen   Mitgliedstaaten des Böllerbundes, Deutschland   und Deutschösterreich, können dort nicht für diese schändlich verfolgten Boltsgenossen eintreten. Die Minder­heiten aber, die das dürfen, haben nur allzu viel Grund, über die Langwierigkeit und das Unbefriedigende des Ver­fahrens zu flagen, dem ihre Beschwerden unterliegen Es ist längst an der Zeit, hier Wandel zu schaffen, und das ist der lobenswerte 3wed der Anträge Stresemann   und Dandurand. Mögen sie nun auch dafür sorgen, daß die übliche Ausschuß­* beratung nicht ewig währe und die ganze Attion nicht in einer Resolution ausgeht, die nur den 3med verfolgt, feinem weh zu tun.

Es ist sehr zu begrüßen, daß diese Anträge gestellt werden und ebenso zu hoffen, daß die Antragsteller sie mit Energie und Ausdauer verfolgen. Die Minderheitsvölker in andersnationalen Staaten sind durch die Friedensbestimmun­gen in ihrer Zahl gewaltig vermehrt worden- man dente nur an die Nationen der früheren Habsburgermonarchie, die dort nicht Minderheiten, sondern, wenigstens in der öfter. reichischen Reichshälfte, nach dem Verfassungsartikel 19 gleich­Staatsnationen und Minderheitsvölter, was für die Tschechen berechtigte Böller waren. Heute sind sie zugleich! in Polen  , die Slowenen in Italien  , die Deutschen   in der Tschechoslowakei  , Ungarn   und Jugoslawien   gilt und schon gar Dazu kommen die vielen anderen Fälle, in denen Bolts für die Ukrainer unter polnischer und tschechischer Herrschaft. stämme und Sprachgemeinschaften unter andersnationale Herrschaft gestellt worden find. Nicht für alle von ihnen ift ein völkerrechtlicher Schutz Dorge sehen, so hat man den Deutschen   in Südtirol   diesen

*

Die Sozialistische Internationale, bie Interparla­ mentarische Union   und der Minderheitenfongreß haben die jetzt übliche Behandlungsmethode der Minderheits beschwerden an den Bölferbund als unzureichend ab­gelehnt und fordern eine ständige Minderheiten­ommission mit möglichster Heranziehung von Ber­tretern der Beschwerdeführer.

Erftes Pariser Echo.

Paris  , 2. Februar.

"

Unter Hinweis auf das Schreiben Dr. Stresemanns an das Bölferbundssekretariat erklärt der Genfer   Bertreter des Journal des Auslegung der von Stresemann verlangten Garantie des Débats, es sei wahrscheinlich, daß der Bölkerbund nähere Bölkerbundes für die Bestimmungen zum Schutze der Minderheiten" verlangen werde. Es handle sich bei dieser Frage sicherlich um eine der ernste sten, mit denen sich der Rat auf der Märztagung zu befassen haben werde.

Belagerungszustand in Litauen  .

Die Vorgeschichte des Konflikts der Putschbrüder.

Kowno  , 2. Februar.( Eigenbericht.) Ministerpräsident und Kriegsminister Woldemaras hat den verstärkten militärischen Schuh des Staates angeordnet. Diese Maß­nahme steht mit dem Rüdt.ift des Generalstabschefs Oberst plecha­vicius im Zusammenhang.

Seit einiger Zeit bestehen in der herrschenden Partei der Tau­fininkai( Bölfischen) starte 3erwürfniffe, besonders ernste Mei­nungsverschiedenheiten zwischen Woldemaras und dem Staatspräfi­denten Smetona  . Während Smetona   für gemäßigte Haltung und Verständigung mit der Chriftlichen Voltepattel eintritt, ist

Woldemaras der Vertreter des schärfsten Faschismus und rücksichtsloser Difialurmethoden.

Die Taufininkai sind mit Woldemaras Taffif höchst unzufrieden, da man praktische Erfo'ge nicht fieht und die wachsende Selbst­herrlichkeit des fleinen Profeffors" als eine Gefahr für die Partei und für das Cand betrachtet.

entschieden: er war ffärfer ,. Plechavicius mußte gehen. Man er­wartet aber, daß die Opposition in den eigenen Reihen sich nicht a bichreden laffen wird. Ueberraschungen und offene Konfitte sind deshalb für die nächste Zeit nicht ausgeschloffen. Als Nachfolger des frankheitshalber" entlassenen Generalstabschefs wird Oberst Kubilanus genannt.

Mit Plechavicius verschwindet der lehte Führer des Militär­putfches von der politischen Bildfläche. Vor ihm mußten schon Oberst Storupffi, Kriegsminister Daukantas, Schulauskas und an­dere gehen.

Preffefnebelung im Memelland  .

Memel  , 2. Februar. Der memelländischen Presse wurde ein schriftlicher Befehl des Kommandanten zugeleitet, wonach die Zeitungen fünftig in ihren Berichten über die Sigungen des Landtages die Reben der Ab geordneten der deutschen Mehrheitsparteien nur dann veröffentlichen dürfen, wenn sie auch gleichzeitig die Reden der litauischen Abgeordneten ausführlich bringen. Geschieht dies nicht, so werben die Reben der Mehrheitspartelen von der Zenfur gestrichen werden. Ferner ist den Zeitungen verboten wor nehmen. Die Zeitungen dürfen lediglich die Ratifizierung veröffent lichen. Schließlich wurde noch verboten, über Plechavicius. über seine Entlassung usw. irgendeine Notiz zu bringen.

In lehter Zeit verschä: ste sich auch der Konflikt zwifchen Wolde­maras und dem Innenminiffer, dem Finanzminister und einigen anderen führenden Köpfen der Bölfischen derart, daß der Rüd­fritt des Diftators fozusagen öffentlich gefordert wurde. Es gelang der Opposition gegen Woldemaras, auch im Offiziers- ben, zu dem deutsch  - litauischen Handelsvertrag Stellung zu forps, das die wichtigste Stüße der Diktatur ift. Anhänger zu finden; an ihrer Spitze Plechavicius, den Helden des Militär­putsches. Dieser Kampf ist nun vorläufig zugunsten von Woldemaras