Der Abend
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Nr. 66
B 33 46. Jahrgang.
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München , 8. Februar.( Eigenbericht.)
Die bayerischen Fürsorgeanstalten waren schon wiederholt Gegenstand öffentlicher Diskussion. Von Fall zu Fall wurden zwar besonders schlimme misst än de daraufhin abgestellt, grundfählich wurde an den„ Erziehungsmethoden aber nicht viel geändert. Noch immer find Stod und rohe Gewalt Hilfsmittel dieser Pädagogik. Bon erschütternden Einzelheiten berichtete die Sozialdemokratin 2mmon im bayerischen Landtag aus dem sogenannten Kinderheim Mariaquell bei Dorfen ( Oberbayern ).
Dort führt eine Frau Dr. Knippen das Regiment; sie wird dabei unterstützt von einem Pater Blume. In dieser Anstalt
werden
drei- bis fünfjährige Kinder mit Stodhieben„ erzogen", so daß fie blutunterlaufene Striemen davontragen. Mehrma's wurden fleine Kinder mit verbundenen Augen vor der Haustür im Freien angebunden. Die Frau Doffor und der Herr Pater fl a chen die hilflosen Kinder mit Pinzetten ins Gefäß, damit sie das Gefühl bekommen sollten, als wären sie im tiefen Keller und würden von Raffen gebiffen. Ein 4½jähriger Junge wurde in einen Sad geftedt, ein anderer mit ketten gefeffelt in den finsteren Keller gesperrt. Die Berpflegung ist fauschlecht, wochenlang bekommen die Kinder schwarzen Kaffee.
Als Einzelheiten über die haarsträubende Behandlung aus den Mauern dieses Kinderheims" hinausdringen, befaßte fich eine amtliche Untersuchungskommiffion mit den Methoden der frommen Anftaltsleitung. Dabei gab die Direktorin im großen und ganzen die Berfehlungen zu und versprach Befferung. Das genügte der Kommission. Die Untersuchung wurde eingestellt, ohne daß irgendwelche Garantien für das Aufhören dieser Foltern geschaffen worden wäre.
Wie aus Moskau gemeldet wird, hat die Sowjet: regierung beschlossen, Brotbücher" zur Verteilung des Brotes außer in Moskau auch in Leningrad , Charkow ,
"
Kommunistenprotest im Reichstag.
Bei Eröffnung der heutigen Reichstagssigung um 12 1hr gab Präsident Löbe die offizielle Mitteilung des Reichsfanzlers vom Rücktritt des Ministers v. Guérard bekannt. Ferner teilte der Präsident mit, daß die Kommunisten eine Brotesterflärung gegen die gestrigen Maßnahmen des Präsidenten eingebracht haben. Die Ber lesung dieser Erklärung, so führte der Präsident fort, müsse er ablehnen, da sie Anschuldigungen und Berdächtigungen des amtierenden Präsidenten enthalte. Präsident Löbe erklärte schließlich, er werde dem Aeltestenrat die Entscheidung darüber überlassen, ob die Erklärung später verlesen werden soll.
Darauf wird die
fortgesetzt.
erfte Beratung des Arbeitsschutzgesehes
Abg. Fahrenbrach( 3.) begrüßt die Vorlage. Die Arbeitszeitverordnung, die jetzt durch das Gesez abgelöst werden soll, habe nur den Charakter eines Rotgesetzes gehabt. Die Zeit für die dauernde gesegliche Festlegung des Achtstundentages sei längst gefommen, zumal ja schon vor der Revo Iution die Unternehmerverbände in freiwilliger Vereinbarung mit den Gewerkschaften die Durchführbarkeit dieser Arbeitszeit anerkannt hätten. Der Widerstand mancher Staaten gegen die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens dürfe Deutschland nicht hindern, schon vor der Ratifizierung von sich aus eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, die diesem Abkommen entspricht.
Bei der Besprechung der Einzelheiten des vorliegenden Gesetzes verlangt der Redner vor allem einen ausreichenden Schuß für die fugendlichen und weiblichen Arbeiter. Den weiblichen Arbeitern müsse der arbeitsfreie Sonnabendnachmittag gewährt werden, auch weibliche Aufsichtsbeamte, Aerztinnen und Arbeiterinnen müssen herangezogen werden.
Prinz Heinrich vor dem Arbeitsgericht Ein fünfhundertfacher Betrüger Berichte 2. Seite
Arbeiterwahlfieg in England.
Labour gewinnt einen Sitz in Battersea.
Bei der Parlamentsnachwahl in South- Battersea er hielten Bennett( Arbeiterpartei) 11 789 Stimmen, Selley( Konservativ) 11 213 und Alba( Liberal ) 2858 Stimmen. Bennett ist somit gewählt. Das Wahlergebnis bedeutet einen neuen Gewinn der Arbeiterpartei, da der Wahlkreis seit den letzten Wahlen durch einen Konser vativen im Unterhaus vertreten war.
London , 8. Februar. Amerika und Rußland feine politischen und wirtschaftlichen Gegensäge auf, und auch im jeßigen Stadium der Entwidlung sind keine derartigen Gegensätze zu erwarten; im Gegenteil, beide Länder ergänzen sich. Rußlands Wiederaufbau kann sich ohne ernsthaften ausländischen Beistand auf wirtschaftlichem, finanziellem und technischem Gebiet nur langsam vollziehen, auswärtige Mitwirkung dagegen müßt Rußland und damit der ganzen Weltwirtschaftslage. Unter Hinweis auf die Probleme der wirtschaftlichen Konsolidierung Europas und der Welt im allgemeinen sowie auf die Frage der Vereinigten Staaten von Europa erklärte Scheinmann, nach feiner Meinung würde die Lösung oder wenigstens Teillösung solcher internationalen Probleme erleichtert werden, wenn die riefige potentielle Zahlungsfähigkeit der vielfach noch unberührten Naturschäße des russischen Boltes in den Bereich des internationalen Geschäfts und Finanzwesens einbezogen würde.
Bei der vorjährigen Wahl hatten die Konservativen 19588 und die Arbeiterpartei 14 371 Stimmen auf gebracht. Die frühere konservative Mehrheit von 5217 Stimmen ist danach in eine arbeiterparteiliche Mehrheit von 576 Stimmen umgewandelt worden.
Macdonald erklärte zu dem Ergebnis, diese Nachwahl bedeute den größten Schlag für die Regierung, da sowohl Arbeiterpartei wie Konservative sich der Bedeutung dieser Nachwahl bewußt gewesen seien und ihr Bestes gegeben hätten. Die Nachwahl sei eine Art Probe auf die allgemeinen Wahlen gewesen.
Moskau wirbt um Wallstreet . Sowjetstaatsbantpräsident redet in New York .
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Der Vorsitzende des Direktorenrats der sowjetistischen Staatsbant, Scheinmann, war heute Ehrengast bei einem von der amerikanisch russischen Handelskammer gegebenen Frühstück und hielt bei dieser Gelegenheit seine erste Rede in Amerika . Er führte in seiner Rede u. a. aus: Die russisch- amerikanischen Handelsbeziehungen erstarken beständig. Die Zahl der an den Geschäften beteiligten amerikanischen Firmen und der in Frage kommenden Warengattungen nimmt zu. Immerhin sind die Fortfritte langsam und stehen noch in feinem Verhältnis zur Wirtschafts- und Finanzkraft Ameritas sowie zu den produktiven Möglichkeiten und der unbeschränkten Aufnahmefähigkeit des ruffischen Marktes. Dank der glücklichen historischen Umstände wiesen
Burgfriede in Frankreich . Wiederzulassung der Orden.
Parks, 8. Februar.( Eigenbericht.) Um der Regierung Poincaré zu geffaffen, die Zeit der Berhandlungen im Sachverständigenfomitee zur Revision des Dawesplanes ohne Krise zu überstehen, haben die Parteien des französi schen Parlaments eine Art Waffenftill ft and abgeschlossen. Dieser Waffenstillstand scheine nun auch auf anderen Gebieten seine Früchte fragen zu wollen. Man weiß, daß sich bisher die kommisfion für allgemeine Verwaltung wie auch die Kommission für auswärtige Angelegenheiten geweigert hat, die Artikel 33-43 im Nachtragsetat, die die Wiederzulaffung der religiösen Orden nach Frank reich fordern, überhaupt in Beratung ziehen. Diese Haltung hat fich nun grundsätzlich geändert. Auf Antrag des Abg. Mandel, des früheren Mitarbeiters Clemenceaus, hat die Kommission für allgemeine Verwaltung am Donnerstag einen Berichterstatter für diese ominösen Artikel gewählt und sie auch alle in der Fassung der Regierung angenommen. Das Auffallende ist, daß diese politische Transaktion im geheimen erfolgt ist.