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Morgenausgabe

Nr. 75

A 38

-46. Jahrgang

Böchentlich 851, monatlich 3,60 2. Im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6. pro Monat.

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Der Barwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bolf und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen", Frauen ftimme", Technit"," Blid in bie Bücherwelt und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Donnerstag

14. Februar 1929

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pt.

Die einfpaltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile 5- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( suläffig zwei fettgebrudte Borte), jedes meitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentagl. von 81/2 bis 17 Uhr,

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Berlin fämpft gegen die Kälte.

Sonderfohlenrate für Erwerbslose.- Schließung der Schulen.

Das Reich als Banfier.

2,3 Milliarden Kredite und Garantien. Von Hugo Heimann .

Der Berliner Magistrat hat gestern beschlossen, eine| heizt als Aufenthalt für die Schulkinder dienen können, Reichshaushalt galt bis vor nicht langer Zeit als Geheim­Sonderkohlenrate in Höhe einer Monatsrate für die zu Hause kein warmes Zimmer haben.

Schließung der Bäder.

laufend unterstützte Erwerbslose und andere Minder­bemittelte auszugeben. Für den Fall, daß eine Kohlen­lieferung nicht möglich sein sollte, wird der einer Monats­Es sollen ferner sofort zunächst bis Donnerstag, den rate entsprechende Betrag in bar bezahlt werden und 21., einschließlich, die Schwimm, Wannen- und medizi­zwar 3,50 Mark für die Empfänger im eigenen Haushaltnischen Bäder geschlossen werden. Die Brausebäder wer und 1,75 Marf für Empfänger ohne eigenen Haushalt. den offengehalten.

Schu schluß.

erleichtern.

Die Reichsbahnverwaltung soll durch persönliches Zur Ersparung von Heizmaterial sind auf Beschluß Vorsprechen ersucht werden, die Kohlenanfuhr durch Ein. des Magistrats vom Freitag, dem 15., ab bis Donlegung besonderer Kohlenzüge zu ermäßigtem Tarif zu nerstag, dem 21. februar, einschließlich, sämt liche Schulen zu schließen. Die Schulverwaltung wird beauftragt, den Beschluß durchzuführen, soweit nicht im Einzelfalle technische Schwierigkeiten der Schließung ents gegenstehen.

Die Schulverwaltung wird ferner beauftragt, in eng bevölkerten Teilen der Stadt, namentlich im Norden und Often, dafür zu sorgen, daß einzelne Schulen gut durch

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Wenn die gegenwärtige Kälte noch acht bis zehn Tage anhalten sollte, so ist eine Vertnappung in der Kohlenbelieferung unvermeidlich. Auf Beranlaffung der fozialdemokratischen Fraktion des Preußischen Landtags wird sich der Hauptausschuß bei der Beratung des Bergetats mit der Kohlenversorgung beschäftigen.

Die deutsche Leistungsfähigkeit.

Hauptthema der Pariser Konferenz.

Paris , 13. Februar.( Eigenbericht.)

Im Mittelpunkt der Sachverständigenfonferenz steht der vom Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht begonnene Bericht über die wirtschaftliche Lage Deutschlands , besonders die Lohn und Gehaltsverhältnisse. Auf die Bitten einiger Delegierter gaben Schacht und die anderen Deutschen Aufklärungen zu einigen Bunt. ten des legten Berichts des Reparationsagenten. Die Untersuchung ber deutschen Leistungsfähigkeit bi det, wie dies logischerweise gar nicht anders erwartet werden konnte, den Ausgangspunkt der Ar­beiten.

Ueber den Inhalt der Beratungen bewahren alle Delegierten Stillschweigen Um fo eifriger werden natürlich Legenden ver breitet. Geheimrat Ka ft 1 gab am Mittwoch vor Pressevertretern deutlich seinem Unwillen über diese Seniationsmache­rei Ausdrud, zu der sich leider auch deutsche Blätter bereit finden. Kastl erflärte, daß, wenn derartige Meldungen fortdauerten, überhaupt fein Rommuniqué mehr ausgegeben werden fönnte. Er spielte damit auf eine am Mittwoch von einem Berliner natürlich rechtsstehenden Blatt veröffent ichte Meldung an, wonach die deutsche Delegation in der Konferenz einem ge. schlossenen Blod der Gläubigermächte gegenüber. ftehe, die entschlossen seien, den Tribut des besiegten deutschen Boffes an die Sieger möglichst hoch zu schrauben. Tatsächlich find Dar stellungen dieser Art, ganz abgesehen davon, daß sie in teiner Weise der Wahrheit entsprechen, nur geeignet, die Ar beiten der Konferenz zu stören.

Die Aussprache im Komitee erfolgt, wie rühmend erwähnt wird, mit anerkennenswerter Objektivität und Leidenschafts­loligteit. So fonnten sich die deutschen Delegierten eingehend über die Wirtschaftslage Deutschlands , das Lohn- und Gehaltsniveau, über die Wirtschaftslage Deutschlands , das Lohn- und Gehaltsniveau,

den finkenden Lebensstandard der deutschen Bevölkerung und die steigenden Steuerlasten äußern und so, ohne den letzten Bericht Parter Gilberts auch nur zu erwähnen, einen großen Teil der irrigen Auffaffungen, die er in der ganzen Welt verbreitet hat, zichtigstellen. Gewiß war man in den anderen Delegationen um Gegenargumente nicht verlegen, und so tam es ganz von felbft, daß die Diskussion über die wirkliche Leiftungsfähigkeit Deutsch lands, die nach dem Wunsche Frankreichs ganz ausgeschaltet bleiben sollte, zum Ausgangspunkt der Verhandlungen geworden ist. Diesen taftischen Erfolg muß man nicht überschäßen, er läßt aber die Atmosphäre, in der das Sachverständigentomitee arbeitet, in einem sehr erfreulichen Licht erscheinen.

Dawes' Antwort.

Paris , 13, Februar. Der Borsigende Owen D. Young verlas diese Antwort des Generals Dames auf das Begrüßungstelegramm des Romitees: Ich bestätige dantend den Empfang des Grußes des Sachverständi genausschusses. Die Welt erwartet im Vertrauen auf das hohe Ziel und die Bedeutung des großen Wertes hoffnungsvoll bellen Bollendung, die so wesentlich für das Wahlergehen der Belt ist

Der durch Havas ausgegebene offizielle Bericht schließt: Wie man sieht, ist der Ausschuß erst noch bei einer Untersuchungs. arbeit ziemlich allgemeiner Art, die wahrscheinlich noch mehrere Tage fortgesetzt werden wird und die die unerläßliche Vor arbeit für die Erfüllung seiner Aufgabe darstellt.

Trotti in Konstantinopel .

Scharfer Sicherheitsdienst.

Konftantinopel, 13. Februar.( Eigenbericht.) Die Blätter melden, daß Trogti am Dienstag abend unter Stambul eingetroffen und zurzeit hier ist. Wo er sich hier einem Geheimnamen auf dem Odessadampfer Ilitsch" in aufhält, ist nicht bekannt. Es verlautet, daß er von Kriminal. polizei scharf bewacht wird, da man weiß gardistische Anschläge für möglich hält. Auch über die weiteren Pläne Trogfis verlautet nichts.

Attentat in Venezuela .

Opfer die Attentäter.

New Bort, 13. Februar.

Ein Drahtbericht der Associated Preß " aus der unweit der venezolanischen Grenze gelegenen folumbischen Stadt San José Gomez ein Anschlag verübt wurde, der jedoch mißglüdte de Cicuta besagt, daß auf den Präsidenten von Benezuela Während sich Präsident Gomez mit einigen Begleitern auf einer Automobilfahrt in der Nähe von Maracai, einer unweit Cara­ cas gelegenen Stadt, befand, fchoffen fechs Männer, die in einem groellen Automobil gefolgt waren, auf Gomez, trafen ihn aber nicht. Die Begleiter des Präsidenten erwiderten das Feuer and töteten alle sechs Angreifer. Der Präsident und feine Begleiter blieben unverletzt. seine Begleiter blieben unverletzt.

Die Kämpfe in Bombay.

Auch Europäer getötet.

London , 13. Februar. Bon den bisher im Berlauf der Unruhen in den Straßen von Bombay Getöteten sind nach amtlichen Mitteilungen aus Bombay 50 Hindus, 10 Moslem, 10 Pathans, 1 Barfi, 6 Eropäer. In den Krankenhäusern find ihren Verlegungen erlegen: 35 Hindus, 16 Moslems, 9 Pathans, 1 Europäer. Die Gesamtzahl beträgt damit 138. In der Stadt ist es am heutigen Mittwoch ruhig. In den Eisenbahnwerfstätten und in 70 Baum wollspinnereien wird wieder gearbeitet.

Das Reichshaushaltsrecht und der auf ihm aufgebaute wissenschaft einiger Beniger. Die Bemühungen der Sozial­demokratie, hier Wandel zu schaffen, hatten wenig Erfolg und fanden in der bürgerlichen Presse wie bei den bürger­lichen Parteien nur geringen widerhall. Insbesondere die hohe Bureaukratie, vor allem die des Reichsfinanzministeri­ums, förderte in feiner Weise die sozialdemokratischen Ber­verständlicher zu gestalten. Erst langsam und allmählich hat fuche, den Reichshaushalt durchfichtiger, einfacher und damit dieses Verhalten sich geändert. Der Zentrumsminister Dr. Köhler war der erste Reichsfinanzminister, der den soziala demokratischen Bemühungen Interesse und Verständnis ent­gegenbrachte. Die äußere Anordnung des Etats und damit feine Uebersichtlichkeit wurde verbessert und 1927 zum ersten mal ein sogenannter ,, Ueberblic" dem Haushalt beigegeben. Diefer 62 Seiten umfassende Ueberblid erläuterte in mehreren Abschnitten die äußere Anordnung wie den sachlichen Inhalt des Haushalts und erwies fich als gutes Hilfsmittel zum Studium des Etats. Der Reichshaushalt für das Rechnungs­78 Seiten erweiterten Ueberblick. Legterer erhielt in weiterer jahr 1928 brachte weitere Verbesserungen und einen auf Folge durch Beigabe einer vom Generalreferenten des Reichsrats, Ministerialdirektor Dr. Brecht , verfaßten: Bergleichenden Uebersicht der Reichsausgaben getrennt nach 3weden" eine wertvolle Ergänzung.

Der vom Reichsfinanzminister Dr. Hilferding vor gelegte Reichshaushalt für 1929 bedeutet einen großen Schritt vorwärts auf dem seit 1927 beschrittenen Wege und der auf 201 Seiten erweiterte Ueberblid bringt in, 24 Ab­schnitten und 16 Beilagen eine Durchleuchtung des neuen Reichshaushalts, die dem Leser unendlich viele, früher auf­zuwendende Mühe und Arbeit erspart und eine dauernde Bereicherung der Literatur über die deutschen Etatsverhält nisse bilden wird.

3u begrüßen ist es auch, daß Finanzminister Hilfer. ding im Ueberblid mit dem auf manchen Gebieten bisher ängstlich gehüteten Grundfah der Geheimhaltung bricht. Im Reichshaushalt wird die Art der Bewirtschaftung öffentlicher Gelder festgelegt. Die Deffentlichkeit hat daher ein Recht, volle Klarheit über diese Bewirtschaftung zu erhalten. Dieses Recht wurde aber z. B. auf dem Gebiet der Sub­ventionsmaßnahmen des Reiches bisher dadurch umgangen, daß in allen früheren Etatsgesehen dem Reichs­finanzminister die Ermächtigung gegeben war, unter ge= wiffen Borausfegungen und mit Zustimmung des Haus­haltsausschusses, die fast ausnahmslos ingeheimer Sigung erfolgte, Krebite zu gewähren und Garantien zu Subventionsmaßnahmen tann ab 1. April übernehmen. Finanzminister Hilferding hat im Etatsgesetz für 1929 auf solche Ermächtigung verzichtet. Die Erledigung von daher nur durch Reichsgesetz, also in aller Deffent­fichteit erfolgen. Die Geheimepoche ist abgeschlossen, und es ist daher wichtig, festzustellen. wie das Reich in dieser Evoche sich als Banfier der Privatwirtschaft betätigt hat.

Die Einstellung der Privatwirtschaft zur öffentlichen Wirtschaft des Reichs hat im Laufe des lezten Jahrzehnts wiederholt grundsäglichen Wandel erfahren. Die Zeit liegt noch nicht weit zurück, da die Wirtschaftsführer" hochmütig auf die gesamte öffentliche Wirtschaft herabjahen und ber zuversichtlichen Hoffnung waren, bald die Herrschaft der Wirtschaft über Reich und Staat errichten zu können. Seit der Stabilisierung hat das Blatt sich gewendet. In den jüngst Sanierungsbureau auftun müssen, um große privatwirt. verfloffenen Jahren haben Reich und Länder sich oft als schaftliche Unternehmungen vor dem Zusammenbruch zu retten. Die gewährte Hilfe bestand nicht nur in hohen Subventionen, die ohne genügende Rechts­ohne, baß das Reich fich dauernden Einfluß auf die titel, ohne entsprechende Gegenleistungen, fubventionierten Unternehmungen ficherte, gewährt wurden, ohne, daß das Reich sich dauernden Einfluß auf die sondern ebenso in teilweiser oder ganzer Streichung aufgenommener Schulden, in Steuer­stundungen und Steuernachlässen. Hierzu famen dann die nicht seltenen Fälle, in denen die gewährten Kre­bite gegen niedrige 3infen oder ganz ainslos ge geben wurden. Bei der Höhe vieler Darlehen und der Länge der Darlehnsfristen bedeuten Subventionen solcher Art auf jeden Fall Millionenverluste für das Reich, die voll­tommen ins Leere fallen, da sie nirgends etatisiert sind. All diese Unterstügungen werden zum überwiegenden Teil durch die Mafferbelastung von den unbemittelten Klaffen aufge­bracht, fließen aber fast ausnahmslos den großen Konzernen zu, die den Zugang zu den maßgebenden Ministerien am leichtesten zu finden wußten und am ehesten den Anschein des öffentlichen Intereffes zu erzeugen vermochten.

In welchem Ausmaß das Reich als Helfer der Privat­wirtschaft eingesprungen ist, wohlgemerkt, eingesprungen