Beilage
Donnerstag, 14. Februar 1929
Der Abend
Spalausgabe des Vorwand
Lärm und Arbeitsleistung Diamanten- Proletariat
Schon mancher Arbeitende wird gefunden haben, daß er in einem geräuschvollen Raume sich mehr anstrengen muß, um eine Arbeitsleistung zu erzielen, die er sonst mit leichtester Mühe erreicht. Bersetzung an einen ruhigen Platz fann sich hier ebenso günstig ermeisen wie eine Ruhepause, auch bei gleicher Tätigkeit. Um dies festzustellen, hat der Leiter des psychologischen Laboratoriums der Universität Colgate, Dr. Donald A. Laird, Prüfungen veranstaltet, über die er im, Journal of Industrial Hygiene" berichtet hat. Man hat schon wiederholt Gehörsstörungen andauerndem starken Geräusch zugeschrieben. Doch darüber, welchen Einfluß die vermehrten Geräusche unter moderner Maschinenzivilisation auf die Arbeiter haben könnten, waren wir bisher auf bloße Mutmaßungen beschränkt. Nun wurde diese Beeinflussung der Leistung und des Energieverbrauchs bei Maschinenschreibern im Laboratorium gemessen, und zwar durch Einsammeln und Analyse der ausgeatmeten Luft. Den Prüflingen wurde eine Gasmaste angelegt und diese durch Röhren mit benachbarten Zimmern verbunden; aus den Analysen wurden die verbrauchten Kalorien berechnet.
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Es wurde eine elektrisch betriebene Geräuschmaschine" gebaut und auf einer Wandleiste angebracht, um die in Bureaus vorkommenden Laute zu erzeugen. Bei vollem Betrieb brachte sie Geräusche eines Elektromotors hervor; Kugellager rotierten in einer sechseckigen Gußeisentrommel; eine Autohupe und eine Telephonflingel wechselten miteinander ab. Wenn die Wände des Prüfungsraumes unbebeďt waren, verdoppelten sich die Geräusche durch Widerhall, während der Lärm sich bei Abdämpfung durch besondere Baneele um ungefähr 50 Prozent verminderte. Man nannte dies die Ruhephase; während der lauten Phase war der Raum nicht geräuschvoller als viele Bureaus.
Für die Versuche wurden geübte Maschinenschreiber beiderlei Geschlechts gemählt, drei von Durchschnittsfönnen, einer von hervorragendem Können. Sie nahmen zuerst vor einer Schreibmaschine in der beim Schreiben üblichen Haltung Blaz, ohne zu schreiben, nach einer halben Stunde wurde eine Atemluftpause analysiert, um den Kräfteverbrauch bei Ruhe festzustellen. Dann wurde die Geräuschmaschine in Gang gebracht und die Schreiber angemiesen, an die Arbeit zu gehen; die Zeit vom Beginn bis zur Beendigung eines Briefes, zum Einlegen eines neuen Bogens wurde durch elektrische Leitungen vermerkt. Es wurde mit Höchstgeschwindigkeit ohne Baufen gearbeitet. Alle Viertelstunde wurde die ausgeatmete Luft gesammelt und nach Kalorien geprüft. Die durchschnittliche Zunahme des Kräfteverbrauchs bei der Arbeit gegenüber der Ruhe betrug 52 Prozent, wenn der Lärm durch Paneele gedämpft war, bei unvermindertem Lärm 71 Prozent. Dies ist eine Ersparnis von 19 Broz, an Energieverbrauch über den Bedarf der Ruhezeit unter geräuschlosen Bedingungen.
Es gab zwei Prüfungsgruppen für die Arbeitszeit: 1. für das Schreiben eines Briefes oder Niederdrücken der Tasten in der Minute und 2. zum Herausnehmen des fertigen Briefes und Einlegen eines Bogens. Unter Geräuschumständen betrug die Zeit für das Schreiben 162 Sekunden, verglichen mit 155 Sefunden bei gemäßigtem Lärm, also hierbei ein Gewinn von 4,3 Prozent an Schnelligkeit. Je schneller der Schreibende arbeitet, um fo mehr mird seine Leistung durch Lärmftörungen ungünstig beeinflußt. Bährend die am langfamsten Schreibenden bei Geräusch weniger fehlerhaft arbeiteten waren die schnellsten etwas forrefter bei ge= ringerem Lärm. Berner fand man am Ende der zweistündigen Arbeitszeit, daß bei ruhigeren Bedingungen die Durchschnittszeit von 7 Sefunden abnahm, während bei ungedämpftem Lärm am Schlusse das Tempo für einen Brief 5 Sefunden langsamer war.
Eine unerwartete Wendung zeigte sich bei den alle 15 Minuten gemachten Kalorienberechnungen. Es war angenommen worden, daß der Energieverbrauch unter ungünstigen Verhältnissen allmählich zunehmen würde, und man war überrascht, zu entdecken, daß die Verbrauchsdifferenzen nach den ersten 15 Minuten der Arbeit bei lauben und leisen Bedingungen die gleichen blieben.
R. B.
Die Grippe wandert Spanien , Frankreich , Deutschland , England, Arfrika Die Grippeepidemie, die uns diesmal der Winter brachte, erinnert in manchem an die europäische Grippewelle von 1918. Bon Spanien her hatte die Epidemie im Mai 1918 ihren Zug durch Europa angetreten und anfangs Juli schon fast alle Staaten des Kontinents erfaßt. Es handelte sich damals um eine echte Influenza, wie sie zwei oder dreimal in jedem Jahrhundert die Welt in großen Zügen heimsucht. Es ist nur zu verständlich, daß die damalige Welle, die man wegen ihrer Ausdehnung als Pandemie bezeichnen mußte, in dem durch die langen Kriegsjahre geschwächten Europa einen günstigen Nährboden fand. Sie nahm deshalb einen besonders bösartigen Charakter an.
Südafrika war zunächst infolge des weiten und im Kriege wenig befahrenen Seeweges verschont geblieben. Als aber Mitte September der Heimtransport der farbigen Soldaten erfolgte, da wurden die Hauptverkehrszentren des Landes fast gleichzeitig infiziert, und die Grippe breitete sich explosionsartig aus. Nach einigen Wochen hatte die Krankheit die englischen Truppen Ostafritas erreicht und damit auch unsere Schutztruppen gerade zur Zeit der Uebergabe.
Am meisten zu leiden hatten, wie Dr. Kriele, der sich um jene Zeit in Deutsch- Südwest aufhielt, in der Medizinischen Welt" berichtet, die Farbigen und die in Südafrika geborenen Weißen. Die Sterblichkeitsziffer wuchs von Tag zu Tag.
Eigenartig mußte es anmuten, daß die Paviane, die dort in großen Herden auftreten, zu Tausenden infiziert wurden und unter den typischen Erscheinungen der Lungenentzündung zugrunde gingen, angestedt wahrscheinlich durch die an entlegenen Wasserstellen gestorbenen Eingehorenen.
Lehrt uns die Verschelppung der Krankheit nach Südafrika wie die Anstedung fogar der Tiere, über die enorme llebertragbarfeit der Grippe und die Notwendigkeit energischster Isolierungsmaßnahmen, so ist daneben doch noch ein anderer Bunft von Wichtigkeit, auf den die afrikanische Epidemie unser Augenmert gelenkt hat, die Gefährdung der Schwangeren und Wöchnerinnen. Kaum eine einzige von ihnen soll in der Kolonie die Grippe überstanden haben. Dies zeigt uns, wie wichtig für diese Gefährdeten eine ausreichende Schwangerenfürsorge gerade in solchen Zeiten erhöhter Gefahr ist und wie notwendig es ist, die Schwangeren und Wöchnerinnen vor ber Grippeansteding zu schützen! Dr. L. H.
Betrachtungen eines Beobachters
Großspurig und massiv, mit flobigen Türmen, gleich aufgeflege!| deren Emanzipation" zu verkünden. Aber so was soll auch in
ten Ellenbogen, hat sie sich da hineingepflanzt zwischen harmlosen Amsterdamer Häuschen, die große Diamantenschleiferei, nnfroher Riesenbau aus braunen Ziegeln, wie er auch im Osten Berlins stehen könnte oder irgendwo an der Ruhr. Die zweifelhafte Romantit der alten Schleifmerkstätten ist abgebaut, hier gibt es feine geheimnisvollen Arbeitsvorgänge mehr, im Gegenteil: es geht recht gutbürgerlich zu, es ist alles so hausbaden rationalisiert und prattisch, so von der Feld, Wald- und Wiesenmechanisierung, d. h. Transmissionen laufen und die Räder surren. Freilich, auch die moderne Maschine zerjägt einen Diamanten nicht schneller als in drei Tagen, aber unten in der mächtigen Halle spalten tausend Maschinen gleichzeitig tausend Diamanten, und dabei brauchen nur ein paar Mechaniker auf die elektrischen Schaltungen aufzupassen. Gleich hinter der nächsten Tür fizen sie über Räder gebeugt, 800 Schleifer in Reih und Glied, die singen... wissen Sie, so ein ganz altes Lied, eine hebräische Melodie, noch von den Maranen her, überliefert und hinübergerettet in die moderne Fabril. Und schleifen dabei 38 Facetten und mehr auf den winzigen Diamanten, das tut den Augen nicht gut. Biele sind nach zwanzig, dreißig Jahren blind, dann sieht man sie auf der Alten Schanze als Straßenhändler der Sonntagsmärkte Andenken" verkaufend, die sich Frau Meier nach Berlin mitnehmen fann: Windmühlen aus Blech oder winzige Holzpantinen der Agent aus Boston bietet....
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Wieviel bietet der Agent aus Boston ? Immer noch so viel, daß die Inhaber der großen Schleifereien draußen am Meer in stattlichen Billen wohnen können. Der Absatz nach Amerika floriert und ist größer als je; Japan fauft, und wenn auch nach den großen Erdbeben den japanischen Multimillionären der Mut vergangen ist, allzu großen Luxus zu entfalten, so gibt es wiederum in Britisch Indien Neureiche genug, die gern ein schön geschliffenes Stück erwerben. Indien ist nach den USA . das Hauptexportland für die Amsterdamer Diamantenindustrie fragen Sie mal den Herrn oben im Verwaltungsgebäude, er wird Ihnen genau sagen, wieviel die einzelnen Kolonisten wert sind und wieviel Pfunde sie wiegen". Er ist über die Umschichtung der europäischen Vermögen orientiert, er könnte Ihnen über manchen deutschen Diamanten in manchem deutschen Geldschrank wirklich unbezahlbare Indiskretionen erzählen und schließlich sitzt in Hanau und in Schwäbisch Gmünd die Bijouteriefabrikation, die allein für einige hunderttausend Gulden jährlich einkauft, um zu verarbeiten und wiederum zu exportieren.
Aber bekanntlich flagen die Großunternehmer immer dann am meisten, wenn es ihnen am besten geht, und die in Amsterdam machen davon keine Ausnahme. Sehnse mal, junger Mann. die Bolschewiken! Vor dem Krieg haben wir nach Rußland der tauft, noch und nach, dann kam die Revolution, unsere besten Kunden mußten fliehen, haben sich noch rasch soviel Brillanten in die Tasche geſtedt wie nur irgend ging, und dann verkauft. Gott , sie wollten doch schließlich auch leben. Aber die haben ums den ganzen europäischen Markt verstopft. Und die belgische Valutafonfurrenz. Antwerpen macht ja auch Diamanten, nicht unsere gute Qualität, aber das Ausland zahlt doch lieber in belgischen Franken als in teuren holländischen Gulden."
Der Mann hat nicht Unrecht. Aber die Folgen der Vajutaniedrigere fonkurrenz? Nicht etwa fleinere Gewinne, sondern niedrigere Löhne. Nicht der Unternehmer trug etwaige Verluste, sondern der Arbeiter. Ein Schleifer, der noch vor vier, fünf Jahren 80 Gulden wöchentlich verdiente, bringt es heute im Affordlohn allerhöchstens auf 50. Die meisten aber find froh, am Freitagmittag, wenn die Sirene zum jüdischen Weekend" bläst die Schleifereien ruhen
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am Sonnabend und arbeiten am Sonntag, ihre 30 Gulden in ber Tasche zu haben. Müde Kolonnen wandern dann heimwärts. Ins
alte Ghetto, dem die modernen Großschleifereien längst den Rücken
gefehrt haben, um mit dem sozialen Aufstieg ihrer Inhaber auch
Volksmedizin
Erschröckliches aus alter Zeit- aber wie ist es heute?
Religion, Aberglauben und Medizin sind Dinge, die sich bis auf den heutigen Tag in den Köpfen unaufgeklärter Einfalt zu einer mystischen Dreieinigkeit verbinden. Wir brauchen nicht bis in jene Zeiten geschichtlicher Anfänge zurückzugehen, wir brauchen nicht zu jenen primitiven Bölkern hinüberzuschweifen, denen Priester, Medizinmann, Wunderdoktor und Zauberer ein und derselbe Begriff war und ist, auch inmitten unserer von Aufklärung und Kultur durch fättigten 3onę gewittert der Glaube an die Dreieinigkeit nach. Die Therese von Konnersreuth , die Wallfahrten nach Lourdes , Spiritismus, Fetischismus und der Aberglaube in seiner snobistisch- ab surden Form furden Form das alles sind Erscheinungen, die dem einfältiggläubigen Treiben der Primitiven sehr wenig fern sind.
Natürlich wenn wir uns die Heilmittel aus der alten guten Beit ansehen, wie sie Dr. Jules Garnier in der„ Med. Welt" aus einer vor etwa 150 Jahren erschienenen Heilmittellehre zusammenstellt, so tommt uns ein gelindes Grufeln an. Hier öffnet sich ein Kapitel für sich und erst wenn man die rückschauende Ueberlegung einschaltet, wird einem bewußt, daß hier vielleicht nicht nur der Aberglauben, sondern auch Not und primitivste Erfahrung das Rezept gemischt haben. Beginnen wir den Reigen: Die Medizin der Straßburger Heilmittellehre traute dem Blut mancher Tiere eine wunderbare Heilkraft zu. Dem Blut des Ziegenbods& B., getrocknet und gepulvert, schrieb man schmerzlindernde Eigenschaften zu, sein Talg galt als schweißtreibendes Mittel. Auch Pulver aus menschlichen Schädelfnochen hatte seine Blütezeit, und das getrocknete Erfrement von Hunden fand unter der poetischen Bezeichnung Album craecum( weißer Hundstot) vielfach Berwendung.
Dem Fett der verschiedensten Tiere, pedantisch der Reihenfolge| nach geordnet, wird eine schmerzlindernde Wirkung nachgerühmt. Man benutzte es auch als Haarwuchsmittel. Besonders beliebt war das Fett von Bipern, Bären, Dachfen, Murmeltieren und Gänsen
In feiner anderen Industrie ist Art und Umfang der Ausbeu hung so eraft auf den ersten Blick feststellbar, wie in dieser. Etma so: Schleifer Nr. 313 arbeitet an einem Diamanten, der, nehmen mir einmal an, roh 1000 Gulden wert ist, ein ganz durchschnittliches Objekt also. Nach einer Woche ist der Stein fertig, ein wundervolles Stück in Form von zwei Pyramiden auf gemeinsamer Basis. Schleifer Nr. 313 empfängt seinen Lohn von bestenfalls 50 Gulden
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der Diamant ist nun aber nicht mehr 1000 Gulden wert, sondern infolge der Bearbeitung, 1500. Berechnen wir die sonstigen Unkosten sehr reichlich mit nochmals 50 Gulden, so bleibt immer noch ein Der Reingewinn von 400 Gulden an diesem einen Diamanten. Unternehmer hat inzwischen feinen Finger gerührt, amerikanische Einfäufer figen direkt in Amsterdam und ersparen ihm sogar den Weg zur Diamantenbörse, der für ihn stets ein Gang nach Kanossa wäre. Ein Risiko des Verkaufs besteht also gar nicht, eher noch ein Risiko des Einkaufs: die Preise sind abhängig von den Vorgängen auf den südafrikanischen Diamantenfeldern, unterliegen häufigen Schwankungen. Aber stets ist die Situation so, daß die Baisse des einen durch die Housse des anderen Tages wieder mettgemacht wird. Der Gewinn des Unternehmers beruht ausschließlich, wie man sieht auf der handwerklichen Geschicklichkeit des einzelnen Arbeiters. Auf die fann er sich verlassen. Wer einmal fchlechte Arbeit liefert, fliegt" Aber nach fünfjähriger Lehrzeit und bei dieser Tradition liefert niemand schlechte Arbeit. Es ist eine Kunst, die sich vererbt. Die Künstler aber werden gefiebt", unerbittlich, bis die besten übrig bleiben.
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Und der Klaffenkampf? Die Diamantenarbeiter sind ausschließ lich im Allgemeen Nederlandschen Diamantbewerkersbond" organt fiert, und es ist wohl ein einzig dastehender Fall, daß sämtliche Ar beiter einer bestimmten Industrie der zuständigen Gewerkschaft anghören. Die Gewerkschaft der Diamantenarbeiter, in einem eigenen großen und prachtvollen Faus, ist eine der bestfundierten und ältesten im ganzen Land. Ihre Hauptaftionszeit aber ist vorbei. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens, 1894 bis 1904, da gab es Aussperrungen, Streits von 4 bis 5 Monaten Dauer, erbitterte Kämpfe. Dann wurde es still. Und blieb still bis auf den heutigen Tag Warum? Achselzuden. Bon 7000 Diamantarbeitern in Amsterdam liegen 1000 auf der Straße.
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Aber es gibt da noch eine andere Gruppe im Diamantenhandel, die steht ganz abseits: die kleinen, arg proletarisierten Unternehmer, die ihre winzigen Werkstätten noch im Judenviertel haben, um die portugiesische Synagoge herum, in alten, schiefen, halbzerfallenen Häusern, und die auch heute nicht viel anders spalten und schleifen als zu den Zeiten des Kezers Spinoza . Freilich sind es nicht viel, 150 vielleicht, doch bilden fie einen vollständigen Staat im Staate mit eigener Tradition, eigenen Gesetzen, eigenem Gottesdienst. Die Amtssprache ihrer Gemeinden, freilich mir bei offiziellen Anlässen und beim Niederschreiben wichtiger Dokumente gebraucht, ist portugiesisch, Sprache eines Landes, in dem sie gemartert und gesteinigt wurden, und zu dem sie längst keine Verbindung mehr haben. Fünf Tage stehen sie am Schleifrad, am sechsten verkaufen sie: die Diamantenbörse ist das Revier, das mir ihnen gehört, ihr Primat und verbrieftes Vorrecht. Am siebenten Tage aber tragen ihr Rabbi, verbrieftes Vorrecht. ihr Borbeter, ihr Chor- Régens und ihre Tempeldiener die Tracht jener Borfahren, die der Inquisition entrannen, und sie stellen brennende Kerzen vor die Pläße ihres Gotteshauses, vor die murma zerfreffenen Bänke aus schwarzem Holz.
Proletariat? Gewiß viele leben ärmlicher und elender als mancher Schleifer der großen Fabriken, hausen in schlechten ungefunden Wohnungen. Und doch werden sie sich sozial niemals irgendwo eingliedern lassen. Sie sind und bleiben der Fremdkörper.
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und last not least Handel kam.
Georg Biesenthal,
ein Mittel, das als„ Menschenfett" in der
Wolfleber, in Weißwein gefocht, dann getrocknet und zu Bul ver verrieben, galt als unübertroffenes Mittel gegen Wassersucht; andere gingen noch weiter und schrieben vor, daß hierzu die Leber eines tollen Wolfes verwendet werden müßte. Leber gilt übrigens auch heute wieder als Heilmittel. Allerdings begnügt fich die moderne Organtherapie, jene erfolgreiche neue Behandlungsmethode, die mit frischen Organen mancher Tiere arbeitet, mit der Leber weniger seltener und schwieriger Tiere, wie Hammeln und Rindern. Doch zurück zur Straßburger Heilmittellehre. Das Bulper eines verbrannten Igels mard als ideales Mittel gegen Bett näffen verabfolgt, das Bulver eines verbrannten Maulwurfs bei Fisteln und Strofeln.
Schwalbennefter mußten herhalten, um die Halsentzündung zu bekämpfen, das gepulverte Rüdgrat der Quappe follte epileptische Anfälle beseitigen; das Storpionöl betrachtete man als Mittel gegen tierische Gifte, Eidechsenöl galt als das Wundheilmittel par excel lence. Tausendfuß und Asseln dienten in einem Gelee gereicht als Abführmittel. Rote Ameisen wurden wegen der hautrötenden Wirkung der Ameisensäure zur Belebung gelähmter Gliedmaßen permanbt. Das Mittel wird übrigens heute noch angewandt.
In fulturentlegenen Gegenden fann man es heutigen Tags noch erleben, daß man an Krampfzuständen leidenden Kindern einen in Alkohol tonfermierten Schlangenkopf um den Hals bindet, um den bösen Geist zu vertreiben. Auch der Brauch, Kuhfladen zu Umschlägen und Kazenfelle als Rheumatismus vertreibendes Mittel zu benutzen, hat sich vielerorts erhalten.
Mittelalter und Neuzeit wohnen oft dicht nebeneinander. Ber den Aberglauben fennt, der sich auch heute noch und gerade in jenen Kreisen breit macht, die mit ihrem Gelde und ihrer Stammtafe auch die Kultur gepachtet zu haben glauben, wird den Aberglauben und die hygienische Unzulänglichkeit vergangener Epochen milder beurteilen als jene, die mit ihren Auto- Talismanen und schwarzen Kagen die Welt burchsausen.