Das vereiste Försterhaus.

Aus einem Brief aus der Altmart.

Ich hätte längst geschrieben, aber an meinem Fenster play fann man bei dieser grauenhaften Kälte nicht ſizen. Selbst hier am Tisch hat man nach kurzer Zeit falte Hände und Füße, ob­mohl wir unsere Stube tüchtig heizen und beinahe Tag und Nacht das Feuer nicht ausgehen lassen. Die. Aermsten, die sich nicht mal Feuerungsmaterial taufen tönnen! Daran mag man gar nicht

denken!

Ich

Unser ganzes Haus ist wie ein Eisfeller. Alle Vorräte, als Wurstwaren, Eingemachtes, Aepfel, Zwiebeln ufm. hatte ich bis vor etwa zehn Tagen in der kleinen Stube hier nebenan. heizte da einen Tag um den anderen und hielt dadurch die Tempe­ratur immer um einige Grab über 0. Seit zehn Tagen haben wir nun unsere beiden 3iegen hier nebenan in der kleinen Stube; nun stellt euch die Schmuzetei vor! Ich war aber auch so mißvergnügt darüber, daß ich erst mal fünf Minuten lang geheult habe, und dann holten wir sie rein. Sie wären uns sonst im Stall erfroren. Sie legten sich gar nicht mehr hin, standen mit gesträubtem Haar und dicken Röpfen und zitterten unaufhörlich, mochten weder fressen noch trinken. Ich holte mir das Thermometer nach dem Ziegenstall, und da fiel es in furzer Zeit bis 10 Grad unter 0 na, das war ja schon über und über genug. Wir versuchten erst noch, ihnen Säcke und Friesdecken überzubinden; das lassen sie ja aber nicht sitzen. Die ersten drei Tage hier in der kleinen Stube maren sie musterhaft artig. Lagen fast immer zufrieden im Stroh, und man jah ordentlich, wie wohl sie sich fühlten. Nun find sie sehr frech. Die Hornziege ftößt alle Augenblid mit ihren Hörnern mit voller Wucht gegen die Stubentür, daß man immer Angst hat, sie stößt die Füllung durch. Dann hat jede auf ihrer Seite angefangen, die rote Tapete abzureißen und aufzufreifen. Wenn sie sich nun daran vergiften wollen, dann ist das ihre Sache, es scheint aber, als bekäme sie ihnen ganz gut. Unsere Vorräte aber haben wir nun alle hier in der Wohnstube. Es ist das reine Warenlager.

Morgens haben wir lange zu tun mit dem Auftauen des Brunnens, drei Eimer kochendes Wasser gehören dazu. Aber dann haben wir doch wenigstens soviel wir wollen. Fritz füttert alle Tage die kleinen Bögel, aber es werden immer weniger. Die Hühner legen gar nicht, die meisten haben erfrorene Kämme.

Frth hatte im Herbst, als Muschen" wieder Junge hatte, einen| Meinen Stater liegen laffen, der follte aber nur an Stall bleiben und gar nich ins Haus tommen. Er war auch furchtbar scheu und ließ sich selten sehen, geschweige denn anfassen. Eines Morgens höre ich jämmerlich schreien, fehe aus der Hintertür da steht der fleine Kerl, taumelt hin und her, fann die Hinterbeine gar nicht mehr mit­Briegen und ist dreiviertel erfroren. Na, wir tauten ihn auf, und nun haben wir also drei Katzen in der Stube...

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Wir sehnen uns alle sehr nach dem Frühling!

„ Handbuch des öffentlichen Lebens."

Ein Nachschlagewerk der Politif.

In fünfter Auflage ist der von Müller- Jabusch herausgegebene Politische Allamanach( Verlag Köhler) unter dem Namen Hand­buch des öffentlichen Lebens" neu erschienen. Es umfaßt die Sach­gebiete: Staat, Politik, Wirtschaft, Verkehr, Kirche, Presse, Bil­ dungswesen , Gemeindewesen, Verbände, Ausland, Statistit.. 560 Don den insgesamt 900 Seiten sind Deutschland gewidmet, dem Aufbau des Reiches und der Länder( alle Reichsfabinette, Be­hörden, Reichswehr , Gerichtswesen, Bildungswesen), den Banken, Berkehrseinrichtungen, den Finanzen, Steuern, Befol­dungsordnungen, politischen Parteien, Kriegsteilnehmer­verbänden und anderen Organisationen( der Hauptausschuß für Ar­beiterwohlfahrt kommt dabei etwas furz weg, der Verein der Frei­denker für Feuerbestattung fehlt völlig). Ausführlich sind die Wirt­schafts- und Gewerkschaftsverbände aller Richtungen verzeichnet, aus der großen Politit sind die wichtigsten Teile des Versailler und die Hauptverträge der Nachkriegszeit bis zum Kriegsverzichts­vertrag hin dargestellt. Bom Ausland sind 67 Angaben über Staaten und staatsähnliche Gebilde vorhanden. Sie enthalten stets Mitteilungen über Verfassung, Umfang, Einwohnerzahl, deutsche Ronfulate, wichtigste Städte, Hotels, Preffe, Parteien usw. Der Völkerbund wird eingehend dargestellt, ebenso die große Bresse des In- und Auslandes einschließlich des Nachrichten­bureaus. Ueber 100 Seiten sind ganz knappen Angaben über politische Persönlichkeiten gewidmet. Ein statistischer Teil stellt Gebiete und

Benöfferung, Erzeugung und Berbrand, Marbet unb Bertehr, Gels und Finanzwesen, Breise und Löhne, die Arbeiterorganisationen dar. Auch in seiner neuen Form ist das Handbuch des öffentlichen Lebens ein sehr wertvolles Nachschlage- und Studienwert.

Zu Kurt Eisners Gedächtnis!

Am Morgen des Sonntags, den der kirchliche Kalender Remis niscere( Erinnere Dich) nennt, fanden sich, gebeten von der Deuta schen Liga für Menschenrechte, Freunde und Verehrer des vor zehn Jahren ermordeten Kurt Eisner im Theater am Schiffbauerdamin zu einer Gedächtnisstunde zusammen.

Professor Strupp und Kapellmeister Ribinger leiteten die Feier mit dem edlen Vortrag der Händel- Sonate in D- Dur ein. Nach kurzen Worten Ernst Tollers sprach der Schauspieler Mein­ hart Maur Eisners ergreifenden Dreiflang Krieg". Toller las Stücke aus des Toten Rede an die Baseler Studenten„ Der So­Des Gemeuchelten Sekretär Felir zialismus und die Jugend". Fechenbach sprach die Gedenkrede. Er machte den Kämpfer lebendig, der von Kant fam, um dann die Synthese zwischen dem Königsberger Philosophen und Karl Marg zu suchen. Er schilderte die Zeit von 1905, als Eisner , der Verfasser der Broschüre„ Der Sultan des Weltkrieges", die fommenden Schrecken voraussagte. Den inneren Kampf Eisners in den ersten Monaten des Weltkrieges schilderte er, und er machte uns flar, daß Eisner, nachdem er die lleberzeugung von einer starken deutschen Mitschuld am Kriegsaus­bruch gewonnen hatte, aus Gewissensgründen handeln mußte, wie er es tat. Fechenbach wies darauf hin, daß damals unter den Sozialisten verschiedene Ueberzeugungen herrschten. Aber er betonte weiter, daß Eisners letztes Ziel immer die große einige Sozialdemokratie war. Noch einmal berichtete Fechenbach über die Tragik des Todes, den Lüge und Berleumdung dem großen Wahrheitssucher brachten. Seinem Idealismus nachzueifern, ist unsere Aufgabe!

Ergriffen und ergreifend, las Maur Eisners ,, Gesang der Bölker". Beethovens Trio C- Moll mit Professor Stegmann am Violincell schloß die Feierstunde.

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