Sozialdemokratie unter den in Deutschland gegebenen politU schen Verhältnissen für die Führung einer verantwortungs- vollen Finanzpolitik wenig oder gar nichts von äußeren in das Budgetrecht einzufügenden Bindungen oder Hemmungen, aber alles von der Selb st Verantwortung des Parlaments und der Verantwortungs- bereitschaft der Regierung erwartet. Auch Dr. Dorn nimmt in seinen eingehenden Darlegungen„die Schärfung der Selb st Verantwortung des Parlaments" als Ausgangspunkt für seinen, im Grundsatz daher nicht abzulehnenden, Dorschlag des „Ausgleichsantrags". Als Dritter im Bunde tritt— erfreulicherweise— neuerdings auch der frühere demokratische Reichsfinanzminister Dr. R e i n h o l d solchen Anschauungen bei. In der Reichstagssitzung vom 10. Februar 1926 hatte er noch ausgeführt: „Auch wir wenden zu der in England befolgten Praxis kommen müssen, daß Erhöhungsbeschlüss« nur im Benehmen mit der Regie- rung gefaßt werden und nur in Wirksamkeit treten können, wenn weitere Beschlüsse über eine entsprechende Einnahmeerhöhung vor- liegen. Das wird ein unumgänglicher Grundsatz der Praxis und des Budgetrechts werden müssen, der auch gesetzlich festgelegt werden muß." Am 13. September 1928 schließt er aber einen längeren Aufsatz in der„Boss . Zeitung" über Aenderungen des Etats- rechts wie folgt: „Ich komme deshalb zu dem Schluß: Gesetzlich« Maßnahmen, durch die Ausgabeerhöhungen erschwert werden, sind wünschen»- wert, aber nicht entscheidend. Entscheidend ist der Will« des Par- lamcnts, die Finanzen gesund zu erhalten und das Verantwortungs- bewußtsein des Finanzministers, zu diesem Zweck da« volle Gewicht seiner Person und feines Amtes zu jeder Stunde, die es nötig macht, in die Wagschale zu werfen." Der sozialdemokratischen Auffassung tritt nun in dem erwähnten Aufsatz der voltsparteiliche Abgeordnete Dr. Z a p f mit der überleaen-ironischen Frage entgegen, ob es denn nicht bekannt sei, daß es„der Selbstverantwortung des Parlaments gelungen ist", die Reichsausgaben von Jahr zu Jahr um rund 1 Milliarde zu steigern, und daß jetzt schon wieder Hunderte von Anträgen auf Ausgabeerhöhungen vorliegen. Diese Tatsachen sind der Sozialdemokratie nicht unbekannt. Es ist ihr auch bekannt, daß unter den neuen Anträgen sehr viele mit sehr hohen Anforderungen von der Deutschen Lolkspartei gestellt find, und daß die Deutsche Volks- Partei und die von den bürgerlichen Parteien gestellten Regierungen alle erhöhten Ausgabe- Bewilligungen der letzten Jahre gebilligt und gedeckt haben. Es ist der Sozialdemokratie des ferneren bekannt, daß zahlreiche Ausgabeerhöhungen von den bürgerlichen Regierungen der letzten Jahre vorgeschlagen und durchgedrückt worden sind. Gänzlich u n b e k a n nt ist der Sozialdemokratie aber, wie diese von chr nicht verschuldeten Verhältnisse durch die neuen volksparteilichen Anträge und das Allheilmittel der Zweidrittelmehrheit in Zukunft grundlegend gebessert werden sollen. Die volksparteilichen Anträge wollen bekanntlich die Erhöhung oder Neueinsetzung von Ausgaben an die Zu� st i m m u n g der Reichsregieruna und des Reichsrats binden. Die fehlende Zustimmung der Reichsregierung und des Reichsrats kann ersetzt werden dadurch, daß der Reichstag in nochmaliger Beratung mit Z w e i d r kt t e l m e h r h e i t seinen ersten Beschluß aufrechterhält. Wie nun die von Herrn Dr. Zapf geschilderten und beklagten Verhältnisse durch seinen Antrag gebessert.werden können, darüber besagt sein Aufsatz nur. daß die Anträge bezwecken,„der Regierung die Möglichkeit zu schaffen, ungehemmt durch die heute mög- lichen und üblichen Fallstricke und Wolfsgruben zu arbeiten und zu kämpfen". Der Reichstag zählt zurzeit 13 Parteien! Es rst in diesen Spalten wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die volksparteilichen Anträge nicht viel nützen und nicht viel schaden können, wenn die Regierungsparteien selber über die qualifizierte Mehrheit verfügen. Besitzen sie diese Mehrheit nicht— und diesen Fall haben die Anträge doch in erster Reihe im Auge—. so bedarf es wahrlich auf feiten der Oppositionsparteien keines besonderen Geschicks, um aus den volksparteilichen Anträgen neue Fallstricke für die Regierung und die Regierungsparteien zu knüpfen. In jedem Fall aber bedeutet, um mit Watten von Dr. Dorn zu schließen. ,chie Einschaltung der Zweidrittelmehrheit, die nuht in der Hand der Regierungspatteien ist, nichts anderes, als daß die Opposition zum Schieds- richte? zwischen Regierung und Regierungs- Parteien aufgerufen wird". Ein Ergebnis, das die nolksparteilichen Anträge sich kaum zum Ziel gesetzt haben dürften. Kür die älteren Angestellten. Ttotweodige Hilfsmaßnahmen. Im sozialpolitischen Ausschuß de« Reichstages berichtete Abge» ordneter Aufhäufer(Soz.) als Vorsitzender des Untorausschusies zum Schutz der älteren Angestellten über dessen Beratung. Der Unterausschuß hat sich in einer Generaldebatte mit den zahl- reichen Vorschlägen, wie Einstellungszwang von älteren Angestellten, Meldepflicht offener Stellen, Aerbot der Chisfre-Anzeigen. Beschrän- kung der Lehrlingshaltung. Ausbau des Kündigungsschutzgesetzes, Rechtssicherheit der Prooistonsogenten usw. befaßt und dazu die Er- klärungeu der Reichsregierung entgegeagenammen. Dieser groß« Komplex arbeitsrechtlicher Fragen werde im Unterausschuß weiter behandelt, sobald die einzelnen Fraktionen Stellung genommen haben. Um jedoch den älteren Angestellten sofort zu helfen, habe Aufhäuser dem Unterausschuß den Dorschlag ge- macht, zwei dringende Reformen der Angestelltenversicherung sofort zu entscheiden. Der Unterausschuß hat auch entsprechende Beschlüsse gefaßt. Er schlägt vor: 1. die Wartezeit in der Angestelltenversiche- rung van 129 aus 69 Beitragsmonate zu verkürzen, 2. die Altec». rente noch Bollendung des 69. Lebensjahres zu gewähren, wenn der Versicherte seit mindesten» einem Jahr arbeitslos sst und ein An- fpruch aus Arbeitslosenunterstützung oder Krisenunterstützung nicht mehr besteht. Aufhöuser empfiehlt dem Vollausschuß, über diesen Teilbericht des Unterausschusses sofort zu entscheiden, damit die be- dingte Herabsetzung der Altersgrenze, die zunächst bis zum Jahre 1333 gesetzlich eingeführt werden soll, noch zum 1. März 132S in Kraft gesetzt werden kann. In der Debatte wurde der Antrag des Unterausschusses von Frau Teusch(Zentrum) lebhaft befürwortet. Frau Arendsee (KPD .) erklärte sich ebenfalls für den Antrag, wenn dadurch die grundsätz- liche Entscheidung über eine allgemeine Herabsetzung der Alters- grenze nicht vorweggenoinmen werden soll. Abg. Schwarzer(Bayer. Boiksp.) stimmt gleichfalls zu, dagegen ergingen sich die Abgeorv-
Rationalistensturm gegen Severins Kettdells(Stahlhelmerei im Haushaltsausschuß.
In der Mittwochsitzung des Ausschusses für den ReichshaushoÜ wurde die Beratung des Nachtrogsetat» zum Reichsinnen- Ministerium in zweiter Leifu-ng fortgeführt. Di« Genossin Bohm-Schuch bedauerte, daß sie seinerzeit dem Antrag zu- gestimmt habe, die Frage der Beamtinnen in den Unteraus- schuh zu überweisen. Was jetzt bezüglich dieser Frage geschehen solle, sei eine Entrechtung der weiblichen Angestellten. Das Reckst auf Gleichstellung der weiblichen Arbeitskrast mit der männlichen, die die Verfassung gewährleiste, würden die grauen sich nicht nehmen lassen. Auf öie psychologisch« Gleichheit komme es nicht an. Genosse S t« i n k o p f interpretiert« den Beschluß des Unterausschusses bezüglich der weiblichen Beamten dahin, daß diese Entschließung zwar für die Zukunft Richtlinien für die Ueber- nahm« von Frauen in das Beamtenverhältnis fordere, daß sie aber nicht den ersten Schritt zur Lösung dieser Frage durch Uebernahm« bestimmter weiblicher Angestellten in das Beamtenverhältnis ver- Hinbein wolle. Abg. v. Keudell(Dnat.) erklärte, daß die Einrichtung einer kommunalpolittschen Abteilung beim Reichsministerium von seiner Partei abgelehnt werde. In der Titel- und Ordensfrage fei der Mnister Bayern gegenüber psychologisch nicht richtig verfahren. Das bringe eine neue bedauerliche Verschärfung zwischen Reich und Bayern . Der Redner kam sodann auf die gestrigen Erklärungen des Ministers über den„Stahlhelm" zurück, und fordert nach den neuesten Erklärungen der Stahlhelmführer, daß die Beamten, die im Dahlheim sind, genau so behandelt werden, wie diejenigen, die sich nickst im Stahlhelm befinden. Moroczowicz habe nur dem „System des schrankenlosen Parlamentarismus- den Krieg erklärt, nicht der Dersassung und dem Reich. Bei der Uebernahm« seines Amtes solle der Reichsinnenmlmster erklärt haben, daß er von seinen Beamten nicht nur die Beachtung der herkömmlichen beamten- mäßigen Berpflickstungen fordere, sondern auch die Liebe zur heutigen Slaatssorm. Das bedeyte für wertvoll« Beamte einen schweren Gewissenskonflikt. Mit dieser Forderung gehe der Minister über die Bersassungspflichten hinaus. Auch Hans Delbrück habe ertlärt, daß Liebe nicht befohlen werden könne. Reichsinnenminister S« v« r i n g erwidert«, er habe auf die freundliche Begrüßungsansprache des Staatssekretärs, der betont«, daß alle Beamten des Ministeriums loyal auf dem Boden der Dersassung ständen, wohl hinzugefügt, von den Beamten des Dersassungsministeriums müsse er mehr als eine formale Haltung zum neuen Staat erwarten. Was den Stahlhelm betreffe, so habe sich Herr Moroczowicz nicht nur gegen die Auswüchse des Parlamentarismus gewandt, sondern weiter ausgeführt, daß er diesen Staatsaufbau mll seinem Inhalt und seinen Formen hasse. Man kann gewiß auch als Per- schwörsr Liebe zum Vaterland haben, aber die Liebe, die z. B- die Herren Kapp und Lüttwitz 1929 betätigt hätten, sei doch immerhin
etwas eigenartig und diene den Interessen des Landes nicht.(Rechts große Unruhe und Zurufe: Und ISIS?) Die Männer von ISIS haben das Daterland gerettet. Di« Regierung wird und muh darauf halten, daß der Eid, den die Beamten der Republik geleistet haben, gehalten wir, und er stellt fest, daß auch die beiden berufenen Führer des Stahlhelms sich nunmehr dazu bekannt haben. Sie haben zwar gesagt, sie stünden in Opposition, zugleich aber betont, daß der Stahchelm nur auf legalem Wege seine Ziele verfolgen würde. Er freu« sich über diese Erklärung, käme aber die Bemerkung nicht unterdrucken, daß diese Erklärung in flriktem Gegensah stehe ju Kundgebungen, die von Slahlhelmführern in ganz Deutschland g« äußert worden sind. Er werde in dem Augenblick, wo eine Dis» krepanz zwischen diesen Erklärungen und dem Verhalten von Be» amten sich ergeben wird, gegen all« Beamten vorgehen, die sich dessei, schuldig machen. Di« neuesten Erklärungen der beiden Stahlhelm- führer erinnerten ihn an das Rüpelspiel im„Sommernachtstraum", insbesondere an Schnock, den Schreiner, der zwar brüllt, aber in Wirklichkeit kein Löwe ist, sondern eben Schnock der Schreiner . Er halte in seinem Ministerium auf äußerst« Sparsamkeit, müsfe�aber aus sachlichen'Gründen für die kommunal- politische Abteilung einen besondren Ministerioldirctto? erbitten. Wenn man im Reiche immer von Sparsamkeit spreche, und die Gsmeinben immer verantwortungsloser Ausgabewirtschast bezichtig«, so sei das ein Pharisäertum. In den Richtlimcn für die Beamtenlaujbahn werde seine Auffassung klar ausgesprochen werben. Er bekenne, daß die Hochschulbildung gut sei, man dürfe sie aber nicht überschätzen. An dieser Ueberschätzung kranke unser ganzes Leben. Im Jahre 1924 habe er generell solchen Kommunisten die Bestätigung zu Stadträten, Gemeindevorstehern usw. versagt, die die Weisung aus Moskau zur Störung der Gc- mein d«arbeit der Mitarbeit in der Gemeinde selbst zu deren Besten vorgezogen hätten. Abg. Dr. v. D r y a n d e r(Dnat.) polemisiert« in sehr erregter Welse gegen die Antwort des Iimemninisters. Dieser habe sich nicht immer so ausgedrückt. Cr gehöre einer Partei an, die in einer Broschüre die Pflichten gegenüber dem eigenen Lande und seinen Vertretern völlig den Pflichten gegen das Proletariat in den Hinter- grund zu stellen oersuche. Die Prinzen des früheren töniglichsu Hauses genössen im Stahlhelm kein« Bevorzugung, sondern ständen nur in Reih und Glied.. Reichsinnenmmister Severins erwiderte, daß in seinem Ministerium nach Entlassung des Staatssekretärs Schulz durch seinen Vorgänger kein Sozialdemokrat mehr vorhanden sei. Das empfind« er als ein« Lücke, die er auszufüllen trachte. Seine Rede vor den Studenten fei falfch wiedergegeben. Mit allen Stellen der Groenerschen Denkschrist sei er nicht einverstanden, wohl aber habe er die Tätigkeit Grosners anerkennend hervorgehoben. Er rede stets so, wie er glaube am besten den Interessen des deutschen Volkes zu dienen.
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Eigenartige Methoden des bayerischen Ministerpräfideute«.
Der bayarische Ministerpräsident, Herr Held, hat zu dem blamablen Interview, das er dem Berliner Vertreter der„Chicago Daily News". Anselm Mowrer, gewährt hat. eine Richtigstellung verbreiten lassen. In dieser Richtig- stellung heißt es, daß die Veröffentlichung der„Chicago Daily Rews" ein„durchaus unvollständiger und verzerrter Auszug" aus feiner Unterhaltung sei, daß diesem Auszug„frei er- fundene Behauptungen" beigemischt seien und daß der Artikel derart„handgreifliche Unrichtigkesten" berichte, daß sich ein westeres Eingehen darauf im einzelnen erübrige. Herr Anselm Mowrer hat nunmehr einen offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten gerichtet, in dem er Herrn Held darauf aufmerksam macht, daß er ihm bereits am 26. Februar einen Brief geschrieben habe, der u. a. die folgende Feststellung enthielt: „Nach der Unterhaltung fragte ich um die Erlaubnis, den wefent- lichen Inhalt unseres Gesprächs» in meiner Zeitung wiedergeben zu dürfen. Sie haben mir diese Erlaubnis ausdrücklich erteilt, nur mit der Bitte,«s nicht fenfattonell aufzumachen. Um in jeder Weise sicher zu gehen, wollt« ich die endgültige Nieder- fchrift vorher irgendjemand, den Sie mir nennen sollten, zur Durch- stcht übergeben. Nicht Sie haben diesen Wunsch geäußert, sondern ich habe die Frage an Sie gerichtet, ob Sie mir in Derlm eine Vertrauensperson nennen könnten, der ich den Bericht vor- legen könnte. Sie nannten mir den bayerischen Gesandten
in Berlin , Herrn v. Preger Am Rachmittag des 4. Februar sahen Herr v. Preger und ich den Bericht, soweit er du Ihnen persönlich zugsschriebenen Aeußerungen enthielt, durch. Am Ende sagte Herr v. Preger etwa wörtlich: „Ich kenne den Herrn Mmisterprästdenken und sein« Ansichten. ond alle? ist nngefähr so. wie er die Dinge ansieht.- Herr Mowrer schreibt wsster: „Wenn mein Bericht„oerzerrt- war, wenn er.Handgreifliche Unrichtigketten- enthielt, warum sollte dann Herr v. Preger oersäumt haben, sie zu bemerken und melne Aufmerksamkeit daraus zu lenken, als ich ihn freiwillig um fein« Hilf« bat... Wenn S'« meinten, daß ich Ihnen Meinungen in den Mund gelegt häti«. die Sie nicht vertreten haben, dannbtnichgezwungen, Ihnen zu widersprechen." Es scheint mst diesem Dementi des Herrn Held ebenso zu stehen wie mst seiner in Bayern öffentlich ausgesprochenen Behauptung, daß er sich bei der preußischen Regierung nicht habe entschuldigen lassen. Die preußische Regierung ist m der Lage, zu beweisen, daß ihre Darstellung der bayerischen Entschuldigung völlig zu Recht erfolgt ist. Der Hinweis des Herrn Mowrer auf den Vorfall mst Herrn v. Preger scheint auch nicht ohne Beweiskraft zu fein. Nebenbei bemerkt, Herr v. Preger, der bayerische Gesandt« in Berlin , schsint es mst einem solchen Chef nicht gerade leicht zu haben.
nete» Thiel(D. Dp.) und Lambach(Dnatl. Dp.) in lang. atmigen Betracytungen«rsicherungstechnischer Art und in Bedenk- lichkelten. Insbesondere versuchten die beiden Redner das neue Gesetz nur bi» 1931 zu befristen. Diese Abschwächungsversuche dürften aber allem Anschein nach vergeblich bleiben, die Abstimmung des Dollausschusses findet heur« statt.
Kort mit der Eidesseuche! Die Meineiösbestimmung im Strafrechtsavsfchuß. Im Strafgesetzausschuß des Reichstages wurde gestern die Erörterung der Meineidsparagraphen fortgesetzt. Abg. Dr. R o s e n f e ld(Soz.) erklärte für die sozialdemokrotische Fraktion. sie erkenn« die neuen Vorschläge des Ministers Koch als geeignet« GnuMag« für die Bekämpfung der Eldesseuch« an. Nach wissenfchasllichen Berechnungen würden in Deutschland nicht weniger als 79 990 Falscheid« jährlich geleistet. Allein im Jahre 1926 seien 2499 Verurteilungen wegen Cidesoertctzung erfolgt. Bei diesen Zuständen seien grundstürzende Neuerungen erforderlich. Bei den B«nühungen um die Einschränkung der Eidesleistungen müsse man daran denken, daß man im arbeitsgerichtlichen Verfahren f a st ohne Eideslei st ung auskomme und daß die Recht- sprechung der Arbeitsgerichte dennoch viel weniger kritisiert werde als die der ordentlichen Gericht«. Auch überflussige Anklagen wogen Eidesverletzung müßten vermieden werden, besonders jetzt, wo nicht mehr die alten Schwurgerichte über Meineidsanklagen zu entscheiden haben. Diese Gerichte boten mehr als die jetzigen Schwurgericht« einen Schutz vor solchen Anklagen. Leider sei der Minister nicht so well gegangen, die Abschajsung de» Eides überhaupt
zu empfehlen. Angeblich fei da» Volk heut« noch nicht so well, daß aus den Eid verzichtet werden könne. Dieses„noch nicht" werde immer ausgesprochen, wenn man nicht den Entschluß zu gründlicher Reform aufbringen könne. Es genüg« vollkommen, wenn derjenige mll Straf« bedroht wird, der vor Gericht ein« falsch« Aussage macht. Aus den Eid kann man verzichlen. Darin mutz dem Minister zu- gestimmt werden, daß das Gericht die Möglichkeii erhallen muß, von >stras« abzusehen, wenn in einem bedeutungslosen Punkt von der Wahrheit abgewichen worden ist. Die Richter sollten bei der Ab- nähme des Eides vorsichtiger verfahren: dann würde manch über- flüssiger Eid oermieden werden. Man soll mll Mut und Energie an eme grundlegende Reform herangrt>en. Dann weiche die Meincidsseuche verschwinden. Abg. Kahl(Bpt) sprach sich ebenfalls für die Beseitigung des El des aus. Diese Auffassung habe er nicht erst unter den radikalen Strömungen der legten Jahr« oertreten, sondern schon früher. Die Lüge könne man nicht beseitigen, aber die Komödie und den Mißbrauch, der vielfach bei den Eideelesstungen vorkäme. Abg. Strathmann(Dnat.) sprach sich als evangelischer Theologieprofessor gleichfalls für die Beseitigung des Eides aus. Di« Anrufung Gottes erfolg« bei Gericht oft in einer allem religiösen Empfinden widersprechenden Weis«. Gerade aus religiösen Gesichtspunkten müsse man den Cid abschaffen. Minister K o ch- W e s e r erwidert«, daß die schweren Bedenken der Justizverwaltungen där einzelnen Lander die Reichsjusttz- verwallung wieder davon abgebracht hätten, die Abschaffung des Eides vorzuschlagen. Man fürchte, daß die Wahrheiisermiittung ohne Eidesleistung erschwert werde. Der Ausschuß überwies alsdann sämtlich« Bestimmungen über die Eidesleistung einem Unterausschuß, der am Mittwoch nächster! Woche dem Ausschuß sein« Vorschläge unterbreiten soll.