Morgenausgabe
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-46. Jahrgang
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Vorwärts
Freitag
1. März 1929
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Ergebnislose Besprechungen.
Die Volkspartei will finanzpolitisch diktieren.
Krise zu suchen.
Die am Freitag unter dem Vorsitz des Reichskanzlers ab- handelt, um trotz aller Schwierigkeiten nach einem Ausweg aus der gehaltene Besprechung, an der die Führer der Sozialdemokraten( Breitscheid und Wels), der Deutschen Bolkspartei, der Demokraten und der
Bas die fachlichen Streitfragen betrifft, die sich in erster Linie um den Etat und die Dedungsmöglichkeiten
teilnahmen, verlief völlig negativ. Die Vertreter der drehen, so wird in Zentrumstreifen betont, daß die Sachverständigen batte über den Faschismus die Bauernfrage als die Lebens
Deutschen Volkspartei erklärten, daß für sie eine fraktionelle Bindung an die Regierung nicht in Frage komme, so lange nicht sichergestellt sei, daß der Etat ohne neue Steuern verabschiedet werde. Eine Ausnahme soll nur bezüglich der Besteuerung der öffentlichen Unternehmungen gelten, deren Steuerpflicht neu eingeführt werden müsse.
Nach längerer Aussprache über diesen Standpunkt der Volkspartei wurden die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen. Die Vertreter der Sozialdemokratie ließen feinen Zweifel daran, daß ihnen das Programm der Deutschen Bolkspartei grundsätzlich keine neuen Steuern, aber neue Eteuern für den Verbrauch von Gas, Wasser, Elektrizität und Massenverkehr- unannehmbar erscheine.
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Am Freitagnachmittag um 3 Uhr sollen die Besprechungen unter Hinzuziehung des Zentrums fortgesetzt werden.
Der Standpunft des Zentrums. Ueber den Standpunti des Zentrums in den Koalitionsfragen erfährt das Bd3.- Bureau, daß das Zentrum die Einladung des Reichstanzlers, am Freitag an der gemeinsamen Sigung mit den übrigen Parteien, die bei der Regierungsfrage in Betracht tommen, teilzunehmen, unter der Vorausseßung angenommen hat, daß es sich nicht um eine interfraktionelle Besprechung unter den Parteien, fondern um eine gemeinsame Besprechung bei dem Reichstanzler
partei mit ihren Anträgen auf Streichung von Ausgaben hervorgetreten ist, eifrig am Werte sind, um an Etatsausgaben Ersparnismöglichkeiten herauszufinden. Der Etat enthält eine ganze Reihe von Ausgaben, die an sich notwendig und wünschenswert sind, die aber nicht gerade so eilig find, daß sie nicht auch eine hinauszögerung auf spätere Zeit vertragen Auf jeden Fall beharrt das Zentrum darauf, daß die Erzielung einer Verständigung über diese Fragen leichter möglich sein wird, wenn die Parteien vorher die feste Bindung zu einer Koalitionsregierung eingegangen sind, als wenn diese Verständigung versucht wird, bevor die fraktionsmäßige Bindung erfolgt ist.
fönnen.
Gutheißung der Steuervorlagen.
3m Finanzpolitischen Ausschuß des Reichswirtschaftsrates.
Der Finanzpolitische Ausschuß des Reichswirtschaftsrats hat zu jämtlichen Steuervorschlägen der Reichsregierung, ausgenommen den jachlich unbedeutenden Gefehentwurf zur Senkung der Einfommenfleuer, feine gutachtliche Zustimmung gegeben. Der Reichswirtschaftsrat hat also auch zur hart umfämpften Biersteuererhöhung feine
neuen Vorschläge gemacht.
Den Einzelgutachten ist ein allgemeines finanzpolitisches Gut. achten vorangestellt, das im allgemeinen wirtschaftlichen Intereffe die größte Sparsamkeit in der Staatswirtschaft empfiehlt und Reichsrat und Reichstag um Bemühungen zur weiteren Herabdrückung des bestehenden Fehlbetrags im Reichshaushalt ersucht.
Rätselraten um Poincarés Pläne.
Er verhandelt mit Führern der Linfen. - Will er die Rechte ausschiffen? Tardieus Gegenzug.
Berbrechen sei. Alle aufrichtigen deutschen Bazifisten betonten, daß die Deutsche Republir in Gefahr gerate, wenn der Rhein geräumt werde.(?) Frankreich könne unmöglich die militärischen Garantien, die es jetzt in der Hand habe, durch finanzielle ersetzen, und der Bölkerbund, sowie die teutonische Ehrlichkeit feien wahrlich schwache Friedenspfänder.
ein politisches und ein wirtschaftliches Problem erster Größe. Die Einstellung der Sozialdemokratie zur Agrarfrise ist Otto Bauer , der Führer der Sozialdemokratie Defter reichs, hat im August des letzten Jahres anläßlich der Tagung der Internationale in Brüssel im Verlauf der Defrage des europäischen Sozialismus bezeichnet. Man mag darin eine gedankliche Ueberspizung sehen, die sich aus der aber wird darüber bestehen, daß auch das Reich des Faschis besonderen politischen Lage Desterreichs erklärt. Kein Zweifel Das Bauerndorf ist das Refrutendepot des deutschen Faschismus seine stärksten Reserven auf dem platten Lande hat. mus geworden. In dem Maße, in dem wir an einer posi Aktivität der Konterrevolution. tiven Lösung der Agrarfrise mitarbeiten, lähmen wir die deutsche Arbeiterschaft sta atspolitisch auf das stärkste In diesem Sinne ist die an der Gefundung der Verhältnisse innerhalb der Landwirt schaft interessiert.
Sie ist es nicht minder aus rein wirtschaftlichen Erwä gungen, aus ihren eigenen bitteren Nöten heraus. Anders gesagt: wenn der Bauer nicht oder nicht ausreichend faufen kann, findet der Arbeiter feine oder feine ausreichende Arbeit.
Der Arbeiter muß wissen: der Wert der Gesamte produktion der deutschen Landwirtschaft ist faum weniger als der Wert der Gesamtproduktion der deutschen Industrie. Allein der Wert der erzeugten Milch beträgt an die 4 Milliarden Mart Eine Wertgröße, an die fein anderes Einzelprodukt unserer Wirtschaft auch nur annähernd heranreicht. Die Landwirtschaft ist dementsprechend ein Verbraucher industrieller Waren liarde an Maschinen einschließlich Reparaturtoften, für eine in größtem Umfange. Sie fauft in einem Jahr für eine MilMilliarde an Kohlen und elektrischer Energie, für eine Milliarde an künstlichem Dünger und Chemikalien. Sie ist eine der größten Arbeitgeber der Industrie.
Der gesunde Blutkreislauf im Körper der Agrarwirt schaft ist heute empfindlich gestört. Der Enqueteausschuß hat, unter führender Mitarbeit von Parteiqenolien, einwandfrei festgestellt, daß allein von den 13 500 großen Gütern Oftelbiens mindestens 2000 rettungslos überschuldet und weitere 5000 mit mehr als 50 Broz. ihres heutigen Berkaufsmertes verschuldet sein dürften. Der Augenschein und die Statistik lehren, daß auch in manchen anderen Teilen des Reiches der Großbauer mit Einkäufen start zurückhält, und daß der Kleinbauer nicht selten, ohne einen Pfennig Bargeld zu be figen, glattweg darbt. Alle Zahlen, die uns zu Gebote stehen, beweisen den Umfang der Krise. Ohne Zweifel liegt hier eine der stärksten Hemmungen der Konjunkturgefundung und damit der Gesundung des Arbeitsmarktes vor. Aus feinem eigenen wohlverstandenen wirtschaftlichen Interesse heraus muß der Stadtproletarier die Heilung der agrar wirtschaftlichen Krankheitsherde fordern und unterstüzen. Agrarpoliti? ist nicht das schlechteste Stüd Sozialpolitit. Eine Einsicht, die angesichts des Massenelends der Erwerbslo'en Selbstüberwindung toftet. Aber doch eine notwendige Einsicht.
Die latente rise, in der sich die Regierung seit der letzten Abstimmung befindet, dauert weiter an, und die Cage ist fonfuler als je. Es haben sich, wie fich jeht herausstellt, Differenzen innerhalb der Regierung selbst herausgebildet, da ein Teil der Minister von dem Rätselraten der Oeffentlichkeit über die geheimen Absichten des ministerpräsidenten angestedt zu sein und ihm jedenfalls die Absicht zuzufrauen scheint, fich stürzen zu lassen, um alsdann unter Ausschluß der Rechten ein neues Kabinett zu bilden. Es ist verständlich, daß die von der Rechten ins Kabinett enffandfen Minister nicht bereit sind, fich fo ohne weiteres opfern zu laffen. Jedenfalls haben die langen Unterredungen Poincarés mit Vincent Auriol , Cazals und Im Zusammenhang mit den auf die Märztagung des Bölker. Herrlot Berdacht erwedt und Tardieu zu einem sehr geschickten bundrates gefeßten Berhandlungen über die Minderheiten Gegenmanöver veranlaßt. Er hat durch seine vorzeifige Indiskretion frage hat die litauische Regierung an den Generalfetretär tele- tung, die wirtschaftliche Tagesnöte an sozialistischen Grundüber die Absicht Poincarés, fich über die allgemeine politif inter- graphiert: Die Tagesordnung enthält unter Nr. 12 Litauen interpellieren zu laffen, die Pläne des Ministerpräsidenten durch freuzt, der daraufhin gezwungen war, fie fallen zu lassen. Tardieu ist nämlich der Ansicht, wie er dies bereits äußerte, daß die Regierung urfer allen Umständen sowie fie ift, am Ruder bleiben muß, auch wenn sie nur mit 3 Stimmen Majorität zählt und die nicht einmal.
Der General a. D. hetzt.
Gegen Rheinlandräumung.
Paris , 28 Februar.( Eigenbericht.) Der französische General Mordac, der wegen Mißstimmig teiten mit seinen vorgesezten Stellen seinen Posten in der Rheinfandarmee verlassen mußte und darauf ein Buch über die„ Deutsche Mentalität schrieb eines der verrücktesten Machwerte politi fierender Generäle der Nachfriegszeit-, hat seine unglückliche Liebe zur Politit nicht aufgegeben. Er tut, was nißvergnügte Generäle tun, deren staatsmännische Fähigkeiten nicht anerkannt werden: er reift im Lande umher und heht
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In seinem neuesten Vortrage in Paris sprach er vor einem patriotischen Kreise über die Rheinlanbräumung, natür. lich gegen bie vorzeitige Räumung, die ein Wahnsinn und ein
effierende Fragen; denn Litauen hat selbst Minderheitenver. trage abgeschlossen; es ist an den litauischen Minderheiten inter effiert. Gemäß Artikel 4 der Völkerbundsagung wird sich Litauen im Rat vertreten lassen.
Die Teilnahme Litauens ist nur zu begrüßen, hoffentlich wird sein Bertreter auch ermächtigt sein, über die Behand. lung der Memeldeutschen zu reden.
Die Brotfarten in Moskau . Wer fein Wahlrecht hat, bekommt feine. Mostau, 27. Februar. Bei der Durchführung der Brotrationierung in Mostau wurden Versuche gemacht, die Bersammlungen gewaltsam zu spren gen, wo die Bertreter der Hausverwaltungen über die Berteilung der Brotfarten berichteten. Die Urheber dieser Tumulte waren Bersonen, die bei der Sowjetwahl ihres Bahlrechts verlustig erklärt worden sind. Solche sollen nach den Bestimmungen teine Brottarten und damit auch keinen Anspruch auf billiges Brot erhalten.
Sozialistische Agrarpolitit muß heute mehr als je tonftruttive Agrarpolitif sein Ohne Dogmen, ohne Vorurteile. Besonnene Verantwortung und schöpferische Kühnheit in eins. Beispiel einer solchen Halgedanken orientiert, indem fie Erzeuger- und Verbraucherintereffen aufeinander abstimmt, war unsere Mitarbeit an der kürzlich verabschiedeten Borlage über den 3 uderzoll und den 3uderpreis. Ausländischer, vor allem tichedfi scher Zucker, auf der Basis von Hungerlöhnen in sozial rüdständigen Gebieten billig erzeugt. drohte den deutschen Zuckerrübenbau und die deutsche Zuckerindustrie mitsamt dem Heer der darin beschäftigten deutschen Arbeiter zu ruinieren. Die Sozialdemokratie hat darauf einer Erhöhung des Zuderzolls von 15 auf 25 Mart pro Donpelzentner zugestimmt, um den Zuckerzuftrom abzusperren. Ihre Zustimmung hatte sie an die Bedingung geknüpft, daß der Zuderpreis in Deutsch land im Großhandelspreis ohne Steuer, Berpackung und Transport 21 Mart pro Zentner nicht übersteigen dürfe, d. h. daß ein Kleinhandelspreis von etwa 31 Pf. pro Pfund ge= sichert sein müsse. Eine Regelung, die Erzeugern und Ver brauchern gleicherweise helfen soll. Mit vollem Recht haben die Bertreter der Sozialdemokratie im Blenum des Reichs tags, die Genossen Toni Sender und Kräßig, betont, daß 3 um er ftenmal in der Geschichte der deutschen Zollgefeggebung ein Gesetz neben dem Schuß der Erzeuger auch In eine Sicherung der Berbraucher vorsehe". diesem Zuckerzoll- und Zuderpreisgesetz ist vielleicht das Vorbild einer Reihe anderer agrarpolitischer Neuregelungen gegehen worden.
Aus der gleichen grundfäßlichen Haltung heraus hat bie