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Verfaffungödebatte im Reichstag. Beginn der Beratung./ Vorher Besprechung des Geburtenrückgangs.

Der Reichstag verhandelte am Donnerstag zunüchst«ine» Ausschußdencht, wonach an Stelle«ine» Antrags der Kommunisten folgende Entschließung angenommen werden soll: Der Reichstag hält wirksame Maßnahmen zum Schuß« kinder. reicher Familien für dringend erforderlich. Er ersucht die Reichs» rsgierung. die im Antrag Stoecker und Genossen enthaltenen be» oölkerungspolitischen Forderungen aus ihre gesetzgeberisch«, per- waltungstechnische und finanzielle Durchführbarkeit zu prüfen und entsprechende Gesetzentwürfe vorzubereiten. Die Kommunisten beantragen Annahme ihres Gesetzentwurfs. Di« Mehrheit beschließt eine Viertelstunde Redezeit. Abg. Höllein(Komm.): Dieser Beschluß der bürgerlichen Parteien beweist ihre Heuchelei und ihren Mossenbetrug. Vor der Wahl haben diese Parteien den Kinderreichen alles Mögliche versprochen, Interpellationen«ingebracht usw., alles nur, um Stimmen zu er- gaunern, mit denen man hier politische Geschäft« macht, nachdem man die Kinderreichen durch ölig« Phrasen eingeseift hat. Hohe Geburtenzahl soll dem Kapital Ausbeutungsobiekte und Giftgasfutter liefern. Minister Hirtfiefers Denkschrift, die au» meinem Buch ab- geschrieben ist(Heiterkeit), bezeichnet als dringend, was das Zentrum hier nicht erörtem will Ein Antrag der Kommunisten, wenigstens«ine« Dertreter der Regierung herbeizurufen, wird nachdem Präsident Löbe mitgeteilt hatte, daß zwei Ministerialihte anwesend sind abgelehnt. Abg. Frau Lehmann(Dnat.): Der Bund der Kinderreichen lehnt es ab, sich mit den Forderungen der Kommunisten zu identifi» zieren. Die von den Kommunisten verlangte völlige Straffreiheit für Abtreibung ist sicher nicht geeignet, den Geburtenrückgang auf- zuhalten. Abg. Frau Hartwig-Dünger(D. Dp.): Di« kommunistischen An- träge sind ein« ungeeignet« Grundlage für eine sachliche Beratung über den durchaus notwendigen größeren Schutz der kinderreichen Familien. Abg. Dr. Gertrud Räumer(Dem.): Der Geburtenziffer in Rußland von 44,9/* steht eine Totenziffer von über 24/" gegen­über, bei 11°/» in Deutschland . Schon unterm Zarismus stand Rußland In der Geburtenzahl obenan, aber aucd in der Säuglings- sterblichkeit. Heule mögen die frühen Ehen in Rußland zu der hohen Geburtenzahl beitragen. Soweit die kommunistischen Anträge erreichen wollen, daß Mutter und Kind möglich st lange beisammen bleiben, stimmen sie ganz Lberein mit dem Wollen unserer Wohlfahrtspflege, deren Ausbau allerdings die Finanznot der Gemeinden gegenübersteht. Abg. Marie Zuchaez(Gaz.): Auch ich bedauere, daß die Redezeit nicht etwas länger ist, aber well sie so knapp ist. müssen wir sachlich sprechen. Seit Jahr- zehnten sehen Wssenschost, Sozialpolitik und Dolkswirtfchost mit Sorge auf die beoölkerungspolitlschen Auswirkungen des heutigen Wirtschaftssystems. Di« einen fürchten Uebervöllerung, die anderen Unteroölkerung. die einen sehen die Differenz zwischen der oer- fügbaren Nahrungsmenge und dem Bedarf, andere meinen, daß der Nahrungsmittelspielraum durchaus erweiterungsfähig ist. Manch« fürchten, von dem Ein- und Zweikinderfostem ein« generativ« Ver- fchlechterung. Nach der Arbeiterschaft der Großstädte zeigt jetzt auch die Arbeiterschaft de» flachen Landes den Geburtenrückgang, mit dem da» Bürgertum, die Beamten usw. vorangegangen sind. Wellanschauliche Gründe sollten bei dieser Betrachtung ans- geschaltet bleiben. Der Geburtenrückgang»st verschuldet durch die Erschwerung der Eheschließung. Bei dieser Betrachtung muß das Mensch» liche zu seinem Recht kommen.(Sehr nchrig! links.) Auch die Lohnsragen, die Kauftraft des Geldes, ver Bedarf an menschlicher Arbeitskraft, vor allem die Wohnungsnot, ist mit m Betracht zu ziehen. Weitere Gründe sind sozialpolitischer Natur. ich nenne nur Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten. Ganz be­stimmt wirkt auch der bewußt« Wille der Bevölkerung mit. und er muß seine sozialen und wirtschaftlichen Gründe haben. Deutschland hat heute unter 22 Millionen Erwerbsrärigen llch Mil­lionen Frauen, davon eine große Zahl oerheiratet« oder doch eherelfe Frauen, die für die Dolksvermehrung aber nicht in Frage kommen. Seit 1890 ist die Geburtenziffer ununterbrochen gesunken, ersreulicherweis« auch die Säuglings st erblichkeit. diese jedoch bei den unehelich Geborenen weniger als bei den anderen. Die Zahl der unehelich Geborenen auf je lOv Geburten überhaupt betrug 1S0S erst Sch. 1913 schon 9,71, 1920 11,31. sie siel 1923 auf 10,48 und 1924 auf 9,4, ist aber 1923 auf 12 gestiegen. Roch einer Statistik des Regierungsbezirks Düsieldorf ist aber die Säuglingssterblichkeit der unehelichen größer als die der eheliche» Sinder. 1909 kamen auf 1000 Männer nur 1029 Frauen, und dieser Frauen- Überschuß stand im Alter von über 4S Jahren. Nach der Zählung von 1923 kamen aus 1000 Männer zwischen 2V und 45 Jahren schon 11öO Frauen des gleichen Alters, und in der Altersklasse von SO bis 35 Jahren 1235 grauen. Infolge dieses Ueberschusies bleiben im Alter von 20 bis 45 Jahren bis zu 420 von 1000 Frauen

unverheiratet, da der Eheschließung voltswirtschaftliche und andere Hindernisi« entgegenstehen welch ungeheure menschliche Tragik, welche Fülle von v«. zichl ans Leben sqlück steht hinter diesen Zahlen. wieviel Frauen sind heute noch unglücklich durch Scham und Aechtung, wieviele Mütter werden zu furchtbaren Verzweiflungstaten ge- trieben!(Zustimmung.) Das Glück vieler Familien wird durch die Wohnungsnot zerstört, die Liebe der Mütter zu Familie und Kindern wird durch ungeheure materielle Not verkümmert, die ihre physischen und seelischen Kräfte auszehren und Liebe in Haß verwandeln. (Lebhoste Zustimmung.) Nach einer bayerischen Regierungs- statistit lebt ei» Drillet der kinderreichen Familien zusammengedrängt in ganz unzureichenden Wohnungen, gerade der Familien, die sich räumlich ausdehnen müßten! Der kommunistisch« Antrag war wegen seiner Form im Ausschuß Indisku. tabel, aber mchtsdestowenloer müsten wir die bevölkerungspolitischen Probleme mit dem allergrößten Ernst behandeln, und deshalb ver- langt die Ausschußentschließung von der Reaierung, daß sie die Materie nach den verschiedensten Richtungen prüft. Man muß danach streben, daß die gesamte Cesetzgebuna von der Rücksicht auf die Devölkerungspolitik durchzogen wird. Bis jetzt ist dos viel zu wenig geschehen. Je ernster wir die Ursachen der allgemein be- dauerten bevölkerungspolitischen Tatsacken erkennen, umso frucht- barer werden die Leistungen der Gesetzgebung für Mutter und Kind sein. Deshalb unfere Hoffnung auf die Vorarbeit der Re- gierung. Abg. Zoos(Z.): Di« Fürsorg« für die kinderreichen Familien muß erheblich ausgebaut werden, aber ohne Ausschaltung der privaten und der kirchlichen Eharitae-Bestrebungen. Di« Regierung sollte mehr Initiative zeigen. Die Entschließung deö Ausschusses wird angenommen, der Antrag der KPD. abgelehnt. Eine Entschließung des Verkehrsousfchusses aus Frachtbegünstigung für bäuerlich« Siedler beim Umzug wird nach kurzer Besprechung angenommen. Run folgt die erste Beraiunq des Gesetzantrags der Veutschen Voltspartei. Hiernach sollen die Artikel 34 und 83 der Reichsoerfassung dahin geändert werden, daß Zweidrittelmehrheit des Reichstags erforderlich wäre, um der Regierung oder einem Minister das Ä e r- trauen zu entziehen; einfach« Mehrheit soll nur genügen, wenn der Mißtrauensantrag zur Schluhabstimmung über den Etat gestellt ist. Weiter soll der Reichstag Ausgaben über den Etats- e n t w u r f hinaus nur mit Zustimmung der Reichsregierung und des Reichsrats oder mit Zweidrittelmehrheit bewilligen können. Wenn im Laufe eines Biertellahre? die S t« u e re I n a ä n g e den Vor- anjchlog um 10 Proz. übersteigen, soll der Ueoerschuß zur Ver- Minderung des Anleihebedarfs, zur Schuldentilgung und im nächsten Etat zur Steuersenkung oerwandt werden. Diese Grundsätze sollen sinngemäß auch in den Ländern und Gemeinden ange- wendet werden.

Am Nachmittag widerfuhr uns Heil: wir hörten den Empfang des Boxers Max Schmeling auf dem Lehrter Bahnhof . Die An- gelegenheit oerlies genau so keierlich, wie früher die Begrüßung irgendeines regierenden Herrn und genau so fwmpfsinnia. Irgendjemand redete etwas von �großem Stolz. Ehr«, Glücklich fein. und das alles bezog sich auf die starken Muskeln des Boxers, und wenn einem bei diesem ganzen sinnlosen Gewäsch nicht rettungslos übel wurde, so lag das an Max Schmeling selber, der so menschlich sympathisch und hilflos antwortete, daß man spürte, er begriff den ganzen Spektakel im Grunde auch nicht recht. Ein Beethovenfches Kammerkonzert hatte für diese Haupt- und Staatsaktion den Platz räumen müssen. Das Abendkonzertin Berlin unterhielt mit Liedern von Viktor Holländer. Schöner war die Abend- darbietung, die Königswusterhausen verbreitete. E m m y v. Stet- ten sang mit ihrem wunderbar ebenen Sopran alte Lieder und Arten. Hübsch war die halbe Stunde, in der Gertrud Eysoldt aus Friedrich Schnack » phantasiebeschwingtem Buch JDaa Leben der Schmetterlinge" las. Bernhard Kellermann , der erst ömlich von seiner Astenreise Heimgekehrte, schilderte plastisch die hellige Stadt Benares , zu der die Pilgerscharen strömen, um sich in den helligen Quellen des Ganges zu baden. UeberDie Hilfs- Organisation für in N o t geraten, Künstler" sprach Helmut Jaro Jaretzki. Er stellte besonders eingehend die Entstehung der Deutschen Kunstgemeinschoft dar, die von Professor Segall be- gründet und von Staatssekretär a. D. Heinrich Schulz zu kräftigem, fruchtbarem Leben entwickelt wurde. Tes.

Abg. Dr. Zapf(v. Bp) begründet den Antrag: Di« Ausaab-n sind forlgesetz mächtig gestiegen. Regierungskrisen haben wir häufig und von langer Dauer. Der neue Etat� llegt dem Plenum noch gor nicht vor. Diese Mißstände müssen beseitigt werden. Di« Volksportei unterschätzt keineswegs den hohen Wert der Weimarer Verfassung . Danach ruht heute die Souveränität beim Volt und sie wird ausgeübt vom Reichstag. Ist dieser Souverän heute in Deutsch - land populär?(Lebhaft« Ruf« Nein rechts und bei der Kom­munisten.) Saum ein Monarch war je so unpopulär wie heul« der Reichstag . Das liegt zum Tell an dem Druck des VerfaUer Friedens, unter dem ein Volk nicht zufrieden sein kann. Die Schuld liegt aber auch im Wahlsystem, das bestimmten Interessengruppen in allen Fraktionen bedeutenden Einfluß gibt. Die Folge sind die Überzahlteichen An­träge, die Mehrausgaben fordern.(Rufe links: Die Anträge Ihrer Partei erfordern die größten Kosten!) Di« Parteien müssen die!« Anträge stellen, denn sie handeln unter dem Druck des Systems, das sie von Interessengruppen abhängig macht. Wir haben l» diesem Augenblick auf die Forderung einer Wahlreform verzichtet. wir wollen in unserem Entwurf auf andere Weise den Wettbewerb der Parteien um die Gunst bestimmter Bevölkerungsgruppen er- schweren. Wenn wir damit der Regierung ein« größere Der- antwortuna auserlegen, so müssen wir ihr ein« größere Sicherung

seiner großen Machtstellung für den Präsidenten empfiehlt sich für Deutschland nicht. Gerade die weniger stark hervorgetretene Stellung hat es den beiden Präsidenten der Deutschen Republik ermöglicht, sich die Achtung der ganzen Be- oölkerung zu erwerben. Deutschland bedarf mehr als«in anderes Land stabiler Regierungsvcrhältnisse, weil es mehr als ein anderes Land bedroht ist. Den Dementis der französischen und der belgischen Regierung werden wir erst glauben, wenn die Verträge und die Ver­abredungen der beiden Generalstäbe im Wortlaut ver­öffentlicht sind. Für Deutschland wäre auch der Uebergang zur Diktatur«in ge° fährlicher Sprung ins Dunkle, zumal er nur durch blutigen Bürger- krieg möglich wäre. Der Entwurf der Volkspartet will die Fehler des Systems ausmerzen, um dieses System gesunder und dcmerhajtcr zu gestalten.(Beifall rechts.) Ein Zwischenfall. Abg. Torgler(Komm.) beantragt nun. um 4)4 Uhr. den Abbruch der Beratung. Er beruft sich darauf, daß Präsident Löbe für Donnerstag kurze Sitzungen zugesagt hat.(Donnerstag ist der Tag der Fraktionssitzungen.) Präsident Löbe: Wie immer, hat Abg. Torgler mit seinen Aus. führungen auch diesmal Unrecht.(Erregter Widerspruch der Kam- mumsten, die Abga. Stoecker und Torgler rufen, das sei unerhört und eine Unverschämtheit des Präsidenten.) Präsident Löbe fordert Torgler und Stoecker mis, den Sool zu verlassen. Abg. Stoecker oeht'nach kurzem Zögern mit den Worten ab:Nur um Ihnen nicht noch mehr Gelegenheit zu verlchafsen!" Mit ihm verlassen die übrigen Kommunisten den Saal. Einer ruft von der Tür zurück:Sie ebnen der Diktatur den Wegl" Präsident Löbe: Abg. Torgler hatte insofern Unrecht, als die kurzen Donnerstagsitzungen bisher immer erst um 3 Uhr beendet wurden. Ein Antrag Schultz-Bromberg(Dnat.) auf Schluß der Sitzung wird abgelehnt. Zum volksparteilichen Antrag spricht nun Abg. Dr. Bredt(Dp.): Das jetzige System ist allerdings reform­bedürftig. Die Regierungen der Repubilt sind zu ollermeifl nicht durch Mißtrauensvoten gestürzt worden, sondern weil die F r a k- t i o n« n aus irgend welchen taktischen Gründen ihr« Minister a b- berufen haben. Varia muß ein Wandel eintreken. wenn der Varlamenlarismu, erhalten bleiben sali. Das ist aber durch den Antrag der Volk». partei nicht zu erreichen. (Widerspruch des Abg. Zapf.) Ihr« Partei, die ein« langdauernde Krise hervorgerufen hat. ist am wenigsten berechtig Der. fassungsänderungen zu beantragen(Abg. Zapf: Wenn man sich bei den Verhandlungen so drückt, wie Ihr« Leute!) Wir sind noch niemals ernsthaft ousgesordert worden, in die Regierung einzu- treten, aber wir laufen auch nicht monatelang der Regierung nach, wie die Volkspartei Wenn wir geholt werden, haben wir unser« Selbständigkeit. Wir müssen uns den wahrhaften Parlamentarismus Englands zum Muster nehmen. Nicht Verfassungsänderung, sondern Selbstbesinnung tut dem Reich». tag not.(Händeklatschen der Wirtschastspartei.) Der Präsident gib: die Maudatsniederlegung des 2lbg. Lammers(Z.) betonnt. Um b Uhr vertagt das Haus die Deiterberatuna auf morgen, Freitag, 1 Uhr, vorher Fürsorg« für die älteren Angestellten. Die kommunistische Reichstagsfraktion hat Torgler und Stoecker beauftragt. Beschwerde gegen ihre Ausweisung einzulegen.

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