�Wilhelm, du hast ungangbare Ausdrücke gebraucht. Sieh dir mal hier das Körbchen an!' Die russische Kälscherwerkstatt. Amtliche Darstellung der Berliner Polizei.
Der Polizeipräsident teilt mit: Di« Erhebungen der politischen Polizei über die Tätigkeit der Dotumentenfälscher Or» l o f f und Pawlonowsti sind insofern zu einem gewissen vor. läufigen Abschluß gekommen, als nunmehr die Sichtung des beschlagnahmten Materials beendet ist.?n dem Orlofsschen Besitz wurde eine Anzahl„Originaldokumente" gesunden, welche dieselbe Unterschrift„T r i l i s s e r" tragen, wie die dem ameri. tonischen Journalisten Knilkerborker angebotenen Schriftstücke. Es konnte durch Vergleich mit den S ch r i s t t y p e n der bei Or- loff beschlagnahmten Schreibmaschine einwandfrei fest- g e st e l l t werden, daß dies« Schreibmaschine zur Herstellung der Schriftstück« benutzt worden war. An der Hand dieses Ueberführungs- Materials hat Orloss cingestaudeu. die Fälschungen ia den Jahren lSZK/Z? au- gefertigt zu haben. Der Zweck der Herstellung der..Dokumente' war offenbar der gleich«, wie bei der Verfertigung der dem ameritanischen Journalisten Knicker- bocker vorgelegten Schriftstück«, nämlich sie den Interessenten zu verkaufen. Es ist in der Press« vielfach von der Auffindung dokumentarischen Materials auch über den bekannten„Anastasia. Fall' berichtet worden� Tatsächlich handelt es sich hierbei lediglich um ein« S a m m« l m a o p r. in welcher Orloft Prefsestimmen und ZeitungsoMchnitt« für seinen Priootgebrauch gesaNrmelt und durch persönlrch« Auszeichnungen ergänzt hat. Irgendein« Verwendung dieses Materials zu politischen Zwecken kannte bisher nicht nachgewiesen werden. Fest steht nur, daß Orloft aus Anregung des Herzogs von L« u ch t e n b e r g auf Schloß Seeon in Layern Nach' forschungen vornahm, die ihn mit einem bekannten früheren Mos- kmier Professor der Medizin zusammenführten, der in einem hiesigen Sanatorium die angeblich«„Anastasia" behandelt und beobachtet hat. Die hier erhaltenen Auskünfte hotten Orloff— wie er erklärte— zu der Ueberzeugung gebracht, daß„Anastasia" totsächlich die überlebende Zarentochter sei. Die bei Orloff vorgefundene Kartei stammt in der Hauptfach aus feiner Tätigkeit als Untersuchungsrichter und hat an- schinend lediglich historischen Wert. Allerdings steht fest, daß Orloft aus dieser Kartei, wie aus seinen gesamten Kenntnissen der russischen Verhältnisse die Unterlagen für den Inhalt seiner gefälschten„Doku- mente" schöpfte. Ein weiterer Teil des Materials, der auf eine ge. wisse nachrichtlich« Tätigkeit des Orloff nachdem Aus- lande hindeutet, unterliegt gegenwärtig noch der genauen Prüfung. Die bei Orloff vorgefundenen Stempel und Vlankopopier« find«in besonders wichtiges Beweismillel für die Fälschertätig keil Orlyffs.
Das bei Pawlonowsti gefundene Material ist offenbar über- altert und für die gegenwärtige Untersuchung von geringer Be- deutung. Die in einem Teil der Presse aufgestellt« Behauptung, daß Orloff der politischen Polizei Berlin Agentendienst- gegen deutsche Kommunisten geleistet habe, ist unrichtig. Daß Orloff 1SZ2 aktiv an der Dorbereitung von angeblich geplanten Attentaten oder An- schlagen gegen Tschitscherin , Krassin und R a t o w s t i be- teiligt gewesen sein soll, ist bereite im Juni 1927 von der kommu- niftischen Presse behauptet worden. Das seinerzeit von der Staats- anwaltschaft I Berlin daraufhin sofort eingeleitete Crmittlungs- verfahren gegen Orloff mußte mangels jeglichen Noch- weises einer strafbaren Betätigung Orloffs eingestellt werden, Dos in diesem Verfahren erörterte angebliche Geständnis des früheren russischen Stabsrillmeister« Elvengreeu. der an der Vorbereitung zu diese« Anschläge« beteiligt gewesen sein sollte, wnrde von ein« Reihe namhafter Vressestimmen als dnrch die GPU. erpreßt bezeichnet. Hier konnten Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung nicht festgestellt werden. Auch der Dokumentensälscher V r u s ch i- lo wf k i hat be, seinen Dernehnrungen durch die Berliner Polizei niemals den Namen Orloffs erwähnt. Bewetsmaterial für einen �Zusammenhang der Fälicheitängkeü von Druschilowfki und Orloft hat sich, bisher n,cht erbringen lassen. Di« Erhebungen werden fortgesetzt, besonder» noch der Richtung hin, ob das bei Orloff vorgefunden« Materiol im Vergleich mit den von omerika- nischer Seite in Aussicht gestellten Lichtbildern der Borah Dokumente den Schluß rechtfertigten, daß Orloff auch als Verfertiger dieser Dokumente in Frage kommt In gleicher Weise wird an der Hand von Lichtbilden, des Sinowjew -Briefes eine etwaige Beteilgung des Orloff auch an dieser Fälschung eingehend nachgeprüft, ebenso auch die Frag« nach seinen etwaigen Hinter- Männern und weiteren Gehilfen. Zu der Behauptung eines kommunistischen Berliner Llottes, daß bis in die letzten Monat« hinein Orloft von der Polizei».'» Zuträger und Denunziant des Bolschewismus Verdächtiger benutzt worden fei, ist festzustellen: Der Verdacht einer Fälschertätig- keit des Orloff taucht« Mitte vorigen Jahres bei der Berliner polt- tischen Polizei auf. Die seit jener Zeil angestellten sorgfältigen Beobachtungen und Erhebungen gaben in dem gleichen Augenblick zu einem Borgehen gegen Orloft Veranlassung, in dem der amenko- nische Journalist Knickerbocker seine Wahrnehmungen der Polizei mitteilte.
Oer neueste Kommunistenschwiudel. Faschismus— Bolschewismus— Demokratie. Heute und morgen findet in Berlin ein.Entern atio- naler Antifaschisten-Kongreß' statt, der nichts anderes ist als eine der vielen Aktionen der Moskauer Internationale unter falscher Flagge. Vor diesem Kongreß ist schon vor Wochen vomSekretariatderEozialistischen Internationale gewarnt worden. Der Kampf gegen den Faschismus, kann nicht in einer Front mit den Vätern des Faschismus geführt werden. Die Bolschewisten sind nicht nur die E rz e u g e r des Faschismus im geschichtlichen Sinne, sie haben nicht nur in Italien , Ungarn . Bulgarien usw. den Faschismus oder Halbfaschismus durch ihre wahnsinnige Putschpolitik groß werden lassen, sie sind auch ideologisch die besten Stützen des Faschismus. denn sie kämpfen in einer Front mit ihm gegen die Demo krqtie. Kein anderer als M u s f o l i n i hat mit zynischer Offen- heit diese geistige Verwandtschaft bestätigt, als er Lenin seinen Lehrmeister nannte. Zwischen Kommunisten und Faschisten findet seit Jahr und Tag em wahrer Wettbewerb des Hasses gegen die Demokratie statt. Was bei uns als die oft zutage getretene Einheitsfront von„Hakenkreuz und Sowietstern" charakterisiert wurde, wiederholt sich in allen Ländern, bei allen Tagestämpfen, bei allen Wahlen, in allen Parlamenten. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die Kommunisten in Italien , Ungarn und Bulgarien von den herrschenden Faschisten verfolgt werden und daß es allerorts in Deutschland blutige Köpfe zwischen Rechts- und Links- radikalen gibt: denn in der Verungltmvfung der Demokratie sind die beiden Extreme einig. Daß das faschistische Italien und die Sowjetunion polltisch und wirtschaftlich sehr gute, zeitweise sogar intime Beziehungen unterhalten, sei hier nur nebenbei erwähnt. Die Berliner Tagung findet unter dem Vorsitz des französischen Dichters Henri Barbusse statt. Dieser ist, wie so mancher französischer Intellektueller, unter dem Ein- druck des Krieges zur Kommunistischen Partei ge> gangen, kann aber diese Stellung nur unter Ueberwindung starker Gewissensbisse aufrechterhalten. Jedesmal, wenn er wegen der Gewalt- und Greuelakte der Bolschewisten gestellt wurde, antwortete er ausweichend, daß er grundsätzlich die „russische Revolution' nicht kritisiere. Diese Antwort würde jeder sozialdemokratische Zwischenrufer auf der hiesigen Ta- gung erhalten, der bei der Erwähnung der saschistiscken Deportationsinseln im Mittelmeer auf die sowjetrussischen Solowetzky-Inseln im Weißen Meer hinweisen würde, wo Hunderte von Sozialdemokraten, Sozialrevolutionären und neuerdings auch Trotzkisten zugrunde gehen. Kürzlich verbreiteten die Arrangeure des Kongresses einen Aufruf, in dem der Kampf der Faschisten gegen die Demokratie gegeißelt wurde. Und jetzt soll ein Kam- m u n i st den Borsitz in dieser Veranstaltung führen, die von den anderen Feinden der Demokratie finanziert wird! Das sagt alles! Die einzige Macht, die das morallsche Recht und die Kraft hat. den Kampf aegen den Faschismus zu führen, ist die internationale Sozialdemokratie. Sie kann diese Aufgab« nur erfüllen, indem sie gegen die An- bänger Moskaus die schärfst« Trennungglinie zieht. Für sie gilt das Wort, das dev größte Märtyrer unter den Opfern des Faschismus, Genosse Glacomo Matteotck�j kurz vor seinem Tode in Brüssel sprach:.Die Freiheit ist wie die Lust und das Wasser: man erkennt erst dann wirklich ihre Unentbehrllchkeit, wenn man sie verloren hat!' Bekennen sich auch die Kommunisten zu diesem Hohelied auf die Freiheit?__ Trohki an den„Aniifaschifienkongreß". Taosende werden gefoltert und geschlagen. Arotzti setzt in dem Organ des Leninbundes— vom 8. März — feine Artikelreih« über fein«»Ausweisung au » Ruß» land' fort. Seiner Antwort an Stalin auf dessen Mi- matum, entweder die Opposition aufzugeben oder Gefahr einer Aenderung seiner Existenzbedingungen zu laufen, entnehmen wir: »Di« Dnchung. meine Existenzbedingungen zu ändern und mich von der politischen Tätigkeit zu isolieren, klingen so. als ob ich nicht 4000 Kilometer von Moskau entfernt bin, 250 Kilo- n'eter von der Eisenbahn, und ungefähr genau so entfernt von den Grenzen der wüsten westlichen Provinzen Chinas , wo die heftigste Malaria sich in die Herrschaft mit der Lepra und der Pest teilt. Als ob die Fraktion Stolin», deren unmittelbares Organ doch die GPU. ist, nicht alles getan hat, was sie kann, um mich nicht nur vom politischen, sondern auch von jedem andere» Leben zu isolieren. Die Moskauer Zeitungen kommen hier in einer F rist von zehn Tagen bis zu einem Monat und noch länger au. Ws äußer st eSeltenheitgelangenBriefsanmich. noch- dem sie zwei bis drei Monat« in den Schubfächern der GPU. und des Sekretariats des ZK. herumgelegen haben. Zwei meiner nächsten Mitarbeiter seit dem Bürgerkrieg. S er» muks und Posnanfti. die freiwilUg mich nach dem Ort der Verbannung begleiteten, wurden sofort nach ihrer An- kunft verhaftet, mft Kriminalen in den Keller ge- steckt, um dann in die enfterntesten Winkel de» Nordens ver- schickt zu werden. Don meiner hoffnungslos krank da- niederliegenden Tochter, die si« aus der Partei ausgeschlossen und von der Arbeit entfernt haben, brauchte«in Brief an mich aus dem Moskauer Krankenhaus 78 Tage, so daß meine Antwort sie schon nicht mehr lebend angetroffen hat. Den Blies über die schwer« Erkrankung meiner zweiten Tochter, die sie ebenfalls aus der Partei ausgeschlossen und von der Arbeit entfernt haben, Hab« ich vor einem Monat aus Moskau am 43. Tage erhalten. Die telegraphischen Anfragen über die Gesundheit gelangen in den meisten Fällen gar uicht an die Adresse. Zn gleicher uvd noch viel schlechterer Lage befinden sich tan- sende der besten Bosschewiken-Leninisten. deren Verdienste an der Okloberreooluklon und am internationalen Proletariat unendlich viel größer sind al» die Verdienste derer, die sie verbannen oder in die Kerker geworfen haben. Bei der Vorbereitung neuer Repressalien gegen die Opposition versucht die enge Fraktion Stolini, den Lenin in seinem.»Tesia« ment" grob und unloyal(gewissenlos) nennt, zu einqr Zeit, als sich dies« sein« Eigenschaften noch nicht zum hundertsten Teil so entwickelt haben wie jetzt, der Opposition irgendeine.Verbindung"
mft den Feinden der Diktatur in die Schuh« zu schiebe«. Im engen Kreise sogen die heutigen Führer:„Das muß man wegen der Massen tun." Und manchmal noch zynftcher:„Das. ist für die Dummen!' Meinen nächsten Mitarbeiter, Georgi Wossiljewitsch Lütow, Sekretär des Revolutionären Kriegsrates während des Bürgerkrieges, hqt man verhaftet und unter unerhörten Bedingungen festgehalten: von diesem reinen und bescheidenen Menschen versuchte man die Bestätigung van bewußt falschen und unterschobenen Beschuldigungen im thermidorianischen Sinn« zu erholten. Lütow antwortete mit seinem heldenmütigen Hungerstreik, der 50 Tage dauert«, und ihn im September dieses Jahres im Gefängnis auf» Sterbelager warf. Vergewaltigungen, Schläge, Folter, physische und morallsche. werden an den besten Arbciier-Volschewiken angewandt. Das sind die Bedingungen, welch« nach den Worten de» Kollegiums der GPU. der politischen Betätigung der Opposition und meiner insbesondere„nicht im Weg« stehen'. Die elend« Drohung, diese Bedingungen zu ändern, bedeutet nichts anderes als den Beschluß der Fraktion Stalins, die Der» bonnung durch den Kerker zu ersetzen.'
Oeutschnaiionale gegen Arbeiierbilduug <5in Anschlag auf die Akademie der Arbeit. Auf die in mühsamen Kämpfen des Vorjahres endlich etats- mäßig geworden« Akademie der Arbeit an der Universi- tät Frankfurt a. M. bereiten die D e u t f ch n a t i o na l e n ein Attentat vor. Ein im Hauptausschuh des Preußischen Land- tages zur Beratung des Kultugriats gestellter deutschnatipnaler An« trog fordert die Kürzung der für die Akademie vorgesehe- n e n M> t t« l u m 1 0 P r o z. Eine ernsthaft« Spormahnohme kann mit dieser Absicht nicht verbunden sein, Angesichts der bescheidenen Mittel, die der Aka-
demie zur Verfügung stehen, würde sich bei Annahm« des deutsch - nationalen Antrages praktisch ein Abstrich von nur 3000 Mark«r». geben. Di« wahr» Ah ficht ist vielmehr die, die einzig« ausgesprochen« Arbeiterdildungsinstittttion an einer deutschen Universität in ihrer weiteren Entwicklung zu gefährden.
Luchhe, eine Niederlage; Deutschnationale Freude über. Senf. Der Bogriff des»Rationalen ' war lang« Zeit umstritt««. Durch das Verhalten der deutschnational«» Presse in den letzten Tagen scheint er jedoch hinreichend geklärt. Danach sst offen- bar derjenige als»national' anzusprechen, der ssch freut, wenn da»«igen« Volk«ine Niederlage erlitten hat. Ein' abschließende» Urteil über da» Ergebnis der Genfer Minderheiterchebatte behalten wir uns vor, auch darüber, ob man ernstlich von einer„Niederlage" Deutschlands sprechen kann. Für heute genügt«» zu wissen, daß die deutschnationale Press« dies« Niederlage behauptet und in den schwärzesten Farben schildert— und daß sie sich darob in Purzelbäumen dar Freud « überschlägt. „Minderheiten-Pleite in Genf . Deutsche Niederlag«' ver- kündet Hugenbevgs.Nachtausgabe' triumphierend.„Ein großer Schlag, der daneben ging" heißt die Ueberfchrift einer Karikatur, hie Strsfemann in lächerlichen Baxerstellungen und schließlich verbunden im Bette zeigt.„Briand reibt sich belustigt die Hände" schreibt der..Lokalanzeiger". Und er selber tut es auch! Nicht«in- mal der Gedanke, daß eine wirkliche Niederlage für oiel« Millionen Deutscher jenseits der Grenzen ein schweres Unglück wäre, stört die Leutchen in ihrem Vergnügen. Hauptsache ist doch, daß der „Erbfeind' den mißliebigen Stresemann gründlich verdrischt. Dann sind sie für den„Erbfeind". Und dos überkullert sich• vor Entrüstung über die ongeblich« »Vaterlandslosigkeit' der Sozialdemokratie. Man möchte mit zu- gekehrter Rückieit«. den Kopf leicht nach links gedreht, zu ihnen sprechen:»Ihr seid mir scheene Patrioten!'