Mussolinis statistische Rückschau.

Verhängte Zuchthausstrafen und geschenkte Photographien.

Locarno , 17. März.

Staates anerkannt. Daß man der katholischen Kirche eine hervor= ragende Stellung im religiösen Leben des italienischen Volkes ein­geräumt habe, sei logisch in einem katholischen Bolt mit faschistischem Regime. Darum würden die anderen Konfessionen weder verfolgt, noch gehindert werden. Mit der Abgrenzung der Befugnisse zwischen Staat und Kirche feien 15 Jahrhunderte Geschichte zu einem 2b­schluß gelangt.

Zu den vielen Dingen, die Italien unter der Führung des Faschismus zu ländlicher Schlichtheit und altrömischer Strenge zu­rückgeleiten sollen, hat man jetzt noch die ,, Assemblea quinquennale" hinzugefügt, eine Bersammlung aller hohen Würdenträger der Regierung und des Faschismus, die alle fünf Jahre stattfinden soll. Bir sind in Italien nachgerade mit Jahrfeiern gesättigt. Wir feiern die Gründung der Faschi, das Fest der faschistischen Arbeit, den In der Feststellung geschichtlicher Tatsachen rechnet Mussolini Marsch auf Rom , den Jahrtag der Januarrede, den der Himmel- offenbar auf die unbedingte Disziplin der Schwarzhemden. Die fahrtsrede, den Kriegsbeginn, das Kriegsende, wir kommen aus haben in der Tat über diese 15 Jahrhunderte eine Mohrenfreude den Festen gar nicht heraus. gehabt. Große Zahlen gab es noch mehr. Wir haben erfahren, daß Mussolini seit seinem Regierungsantritt

Das vom 10. März war eines von den ganz großen. Mussolini hat zu viertausend Personen gesprochen, die zum Teil eigens dafür nach Rom gereist waren. Seine Rede war ziemlich offen, noch nicht einmal zynisch, möchte man sagen, da der Zynismus immerhin das Bewußtsein der Nichtachtung sittlicher Werte voraussetzt. So in dem über das Spezialgericht Gesagten. Der Ministerpräsident gibt da einige Zahlen, von denen mir freilich nicht wissen fönnen, ob sie richtig sind, die aber, wie uns scheint, unter den Freigesprochenen die einbegreifen, die in der Voruntersuchung freigesprochen wurden. Bon 5046 Angeklagten wären also 4000 freigesprochen und 275 zu weniger als 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bleiben alfo 771 Personen, die mehr als 10 Jahre Zuchthaus bekamen. Biele von ihnen wurden zu 30, viele zu 20 Jahren verurteilt. Wenn sich die 771 in drei Gruppen von Zehnjährigen, Zwanzigjährigen und Dreißigjährigen teilen, so tommen wir auf

insgesamt 15 420 Jahre Zuchthaus,

über 60 000 Audienzen erteilt und 1 887 112 Anliegen, die an seinen Privatsekretär gelangten, erledigt hat:

,, Jedesmal, menn ein einzelner Bürger, auch aus dem fernsten Dorfe, sich an mich gewendet hat, hat er Antwort erhalten. Es genügt nicht, mit starker Hand zu regieren; das Volf, auch das ferne, das fleine, das vergessene muß den Beweis haben, daß die Regierung aus Menschen besteht, die es verstehen, die ihm helfen und sich nicht der übrigen Menschheit entfremdet fühlen."

Wir haben weder die Möglichkeit, noch den Ehrgeiz, über Musso­linis Audienzen und Antworten Buch zu führen. Wir lesen alle Tage, daß er einem Balilla, der danach schmachtete, sein Bild geschenkt, einer Wöchnerin mit Zwillingen 200 Lire, mit Und Drillingen 500, einem Tippfräulein eine Schreibmaschine. das so fort bis zu einer Millionachthundertfiebenundachtzigtausend­hört die Babys brüllen und die Schreibmaschinen flappern. In fünf Jahren kommt eine neue ,, Assemblea quinquennale", und dann wollen wir weiter hören.

ohne die 275 Berurteilungen zu weniger als 10 Jahren zu hundertundzwölf! Man sieht ordentlich die Photographien schwirren,

rechnen.

Beachtenswert ist die nachstehende Erklärung:

,, Im übrigen ist das Regime bereit, die Gesetze über die Ver­teidigung des Staates nach ihrem Ablauf( Ende 1931) nicht zu erneuern; es ist sogar bereit, fie vorher abzuschaffen, wenn nur die Ueberbleibsel des Antifaschismus sich in die unwiderruf­liche Tatsache ergeben und auf sinnlose Versuche, auf lächerliche Herabwürdigungen und auf tatastrophische Voraussagen verzichten, in denen sich Lächerlichkeit und Unredlichkeit paaren."

Diese Erklärung richtet sich natürlich ausschließlich auf die Anti­faschisten im Auslande, denn die in Italien selbst tönnen ja weder reden noch schreiben. Sie sollen also in weiteren Berurteilun­gen die Sünden büßen, die im Auslande begangen werden. Das spuckt jedem Rechtsgefühl ins Gesicht. Mit solchen Erpressungen arbeiten die Briganten.

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Im Laufe der Rede rühmt dann Mussolini dem Faschismus nach, er hätte den Italienern das Gefühl des Staates" gegeben. Wer Italien fennt, weiß, daß der Bevölkerung vielfach das Gefühl der Solidarität mit dem Staate abging. Man hielt es nicht für un­redlich, Steuern zu hinterziehen, man schonte öffentliches Gut nicht, es galt vielen als unanständig, als Spigelei, der Polizei eine Anzeige zu erstatten. Das hatte seinen Grund nicht etwa in irgendeiner Veranlagung Italiener , sondern einfach

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Kommunisten als Arbeitswillige".

Bei der Buchdruckeraussperrung in Solingen .

Die KPD - Presse sucht den Konflikt bei der„ Bergischen Arbeiterstimme", der rein gewerkschaftlichen Charakter hat, als eine politische Attion gegen das fommunistische Blatt hinzustellen. Sie behauptet, die Buchdruckerorganisation fordere die Entlaffung fämt­licher Kommunisten aus dem Druckereibetrieb der„ Bergischen Arbeiterstimme", während in Wirklichkeit die Wiedereinstel lung der ausgesperrten Buchdruder und die Ent lassung der Streitbrecher gefordert ist.

Der Geschäftsführer Freudenreich mußte sich bei den Einigungsverhandlungen, die übrigens an der reaktionären Ein­stellung der Geschäftsleitung gescheitert sind, von dem Vertreter des Gauvorstandes des Buchdruckerverbandes sagen lassen: ,, So rigoros wie Sie sind selbst reaktionäre Betriebsführer nicht. Das ist eine Art und Weise( der Arbeiterbehandlung), wie wir sie vor hundert Wenn Einstellungen und Entlassungen vorge­Jahren hatten

besonderen psychischen Bergegrifides Staates fich für die nommen werden, hat ſich der Betriebsleiter mit dem Betriebsrat

in Tatsache, daß meisten Teile des Landes mit dem der Fremdherrschaft deckte. Die Regierung und ihre Organe waren der Fremdling, der Feind. Das ist in fünfzig Jahren der Einigung langsam besser ge­worden. Jetzt empfindet der Italiener die Regierung wieder als Fremdherrschaft. Die eben feimende Solidarität mit dem Staat in feinen sozialen Funktionen hat der Faschismus zertreten, nicht gefördert.

In bezug auf die äußere Politik ist die Rede sehr ge= mäßigt. Italien will den Frieden nicht stören, ist aber bereit, seine Interessen in allen Teilen der Welt zu vertreten." Sehr ge­mäßigt sind auch die Erklärungen über die Lösung der römischen Frage. Gute Nachbarschaft sei besser als schlechte. Am 11. Fe bruar hätte der Bapst zum ersten Male das Königreich Italien unter der Monarchie Savoyn mit Rom als Hauptstadt des italienischen

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ins Benehmen zu sehen; das haben Sie nicht gelan. Wir sehen hier also eine Aussperrung in der schlimmsten reaktionären Form. Wir begrüßen es, daß sich unsere Kollegen gegen Ihre Maßnahmen ge­wandt haben."

Als Freudenreich fich damit auszureden suchte, daß noch Juristen sich mit der Sache beschäftigen würden, mußte er sich von Weber vom Bezirksvorstand der Buchdrucker sagen lassen:

,, Sie haben flipp und far die Entlassung des Personals aus­gesprochen, wenn es Ihre Bedingungen nicht annehme. Sie haben fein Recht, uns Rechts- und Pflichtverlegungen vorzuwerfen."

Löschner vom Gauvorstand: ,, Herr Freudenreich, sie haben falsch gehandelt. Sie mußten das Tarifamt anrufen. Nun, ich bitte Sie, etwas menschlich zu sein. Haben Sie wirklich das Gefühl eines Arbeiters vergessen? Sie ziehen derartige Gesetzesbestimmungen

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aus der wilhelminifchen Zeit zu Ihrer Rechtfertigung Heren. Das sollte ein Geschäftsleiter eines Arbeiterbetriebes nicht tum."

Freudenreich: Und bei bürgerlichen Betrieben?"

Löschner vom Gauvorstand:„ Wir erwarten von Arbeiter­betrieben, daß sie mit gutem Beispiel vorangehen und nicht reaktionärer find als die bürgerlichen. Nun frage ich Sie, haben Sie gesagt, daß die Kollegen verkalkt find?"

Freudenreich: Ja."

Löschner vom Gauvorstand: Haben Sie gefagt: Der Betrieb scheint ein Alters- und Invalidenheim zu sein?" Freudenreich: ,, Leider! Ja!"

Löschner vom Gauvorstand: ,, Das war bei Ihrem Betrieb sa eintritt, danach haben Sie die Kollegen alle die Jahre behandelt, und da wundern Sie sich, daß die Belegschaft Ihnen von vornherein mit Mißtrauen begegnete? Auch Sie werden alt. Wir laffen uns das nicht von bürgerlichen und auch nicht von kommunistischen Unternehmern sagen. Das ist unanständig, was Sie getan haben, wenn Sie das noch nicht wiffen sollten. Wir sind unserer Sache sicher, und Ihr Betrieb ist gesperrt für die Ange­hörigen unserer Organisation, solange der Konflikt nicht beigelegt ist."

Hindenburg , Retter des Kommunisten.

Ein Untertan aus der KPD .

Hindenburg , der Retter wer fennt sie nicht, die längst ab­gedroschene deutschnationale Phrase, von der die Schwarzweißroten heute selbst nicht mehr begeistert sind. Was die Deutschnationalen ablegen, ist gerade noch gut genug für die Kommunisten. Hindenburg als Retter der Kommunisten, das ist die neuste Form, in der die Phrase vom Retter Hindenburg wieder auftaucht. In der letzten Stadtverordnetenfißung in Delsnig in Sachsen wurde ein Brief ver­lefen, der mit allen Fehlern lautet:

,, Sehr geehrter Herr Generalfeldmarschall! Indem ich mir ganz untertänigst erlaube, geehrter Herr General­feldmarschall Reichspräfitenten von Hindenburg für neue Jahr: ,, Glück und Segen" in feiner Regierung und ein noch langes Leben zum Segen seines Bolfes wünsch, möchte ich Herr Reichs= präfitenten gütigst folgende Bitte unterbreiten:

Bitte!

Habe in Neuölsnih i. Erzgeb. mit meiner Frau auf den Namen der Frau eine fleine Vertriebsstelle von Nahrungsmitteln eröffnet. Bin aber infolge der allzu starten Confurrenz eines­teils, andernteils durch die Kundschaft in Zahlungsschwierigkeiten geraden, da ich nun gans dringend Geld benötige, möchte ich Herrn Generalfeldmarschall von Hindenburg bitten, mir zu einem Darlehen von 1000 mart auf 5 Jahre zu 5 Proz 3insen zu helfen Bin von Beruf Zimmermann, Wurde aber wegen arbeitsmangel entlassen. Mußte mich nun auf dem Arbeitsamt melden. Hier erhalte ich eine wöchentliche Unter­stügung von 28,35 Mart. Da nun die Vertriebsstelle auf meine Frau geschrieben ist, wird die Unterstützung nur für mich und meine Kinder gezahlt. Der Bertrieb wird nur Nebenberuflich geführt. Im Januar ist nun die Umsatzsteuer fällig. Ich weiß nicht, roo ich das Geld hernehmen soll. Auch werde ich von Life­ranten gebrüdt, ich soll eine große Rechnung begleichen. Wenn ich feine finanzielle Hilfe erhalten, weiß ich nicht mehr, was ich zu tun habe.

In der Hoffnung, daß Herr Generalfeldmarschall v. Hinden­ burg Präsident des deutschen Reiches mich nicht leer abweist, und indem auf die Liebe zu seinem Volte mein Vertrauen setze, er= blice ich in Ihm den Retter und zeichne mit tre deutschem Gruß als sein unterta n. Hochachtungsvoll gez. Willy Bernhard, Neuölsnitz, Schulftr. 2."

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Der Schreiber dieses Briefes ist der Oberkommunist von Delsniz, Borsigender des Erwerbslofenrates, be geister er Trommler im Rotfronttämpferbund. Er schwört auf den Sowjetstern. Aber wenn es gilt zu schnorren, dann wird er treu deutsch, vertraut auf den Retter Hindenburg und zeichnet als der Untertan.

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Das ist die wahre Untertanengefinnung die Frucht der Er­ziehung durch die KPD . So etwas wächst auf diesem Boden! Be­tomnien doch die Kommunisten das Maulhalten, die Heuchelei und bie 1intertänigteit von ihren vorgefeßten Parteibongen zur Genüge eing bläut.

Berantwortlich für die Redaktion: Franz Klübs, Berlin ; Anzeigen: Th. Glode, Berlin . Verlag: Borwärts Berlag 6. m. b. S., Berlin . Drud: Borwärts Buch­druckerei und Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW 68, Lindenstraße 3. Hierzu 1 Beilage.

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