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Nr. 168 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Aus der Kleinstadt Alt- Berlin

In den ältesten Teilen Berlins , dem Stadtkern, der vor Jahrhunderten entstand, sind heute die Gegensäge von Alt und Neu manchmal fehr augenfällig anein­andergerückt. Dicht bei Straßen, durch die der rastlose Großstadtver­fehr lärmend hinflutet, trifft man auf stille Gassen, die noch ganz wie ein Kleinstadtbild wirken. In der Parochialstraße, die von der Spandauer Straße bis zur Waisen­straße und zur Neuen Friedrichstraße führt, bietet die Strecke zwischen Jüdenstraße und Klosterstraße einen besonders eigenartigen Anblick, weil hier die eine Straßenseite ganz von der breiten Prunkfront des hoch­ragenden Stadthauses eingenommen wird, die gegenüberliegende Straßen. feite aber noch mit einer Reihe schmaler Häuschen aus alter 3eit besetzt ist. Hier gibt es Grund­stücke, deren Grundfläche einschließlich Hof" kaum über 50 Quadratmeter hinausgeht, also gerade für ein großes zweifenstriges Zimmer ge= nügt. Die Häuserreihe ist größten­teils bereits für die Stadt angekauft worden, weil die Parochialstraße ein­mal auf dieser Seite verbreitert

Unbervohnbare Häuser in der Parochialstraße.

werden muß. Ein paar der Häuser find so baufällig, daß sie gar nicht mehr vermietet und bewohnt werden können. Bei zweien find die Türen und Fenster durch eiserne Gitter versperrt, damit nicht in den leeren Räumen ungebetene Gäfte sich einquartieren. Das zu dieser Häuserreihe gehörende Haus Barochialstraße 22 ist berühmt geworden durch eine derartige Einquartierung, die Wochen hindurch geheimnisvoll in später Abendstunde anrückte und im Morgengrauen unbemerkt verschwand. Die gegenüberliegende Straßenseite wurde schon vor längerer Zeit verbreitert, als hier das Stadthaus aufgeführt wurde. Borher war die Parochialftraße eine der schmalsten und stillsten Straßen oder Gaffen des Stadt inneren. Sie war übrigens so reichlich von fleinen Schuhmachern bewohnt, daß in ihr Schuhmacherwerkstatt neben Schuhmacherwerf

Tiergartenfrieden.

Die Wiederherstellung einer Erholungsstätte.

statt lag. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man in der Parochialstraße beobachten, daß bei günstigem Wetter mancher Kleinmeister seinen Tisch samt Werkzeug aus dem dumpfigen Laden auf die Straße hinaustrug, um im Freien zu schustern. Der Bagen­verkehr mied die enge Gasse, so daß die Kazen auf dem Damm ihr Mittagsschläfchen hielten. Den stolzen Namen Parochialstraße fennt man erst seit 1862. Früher wurde mur die Strecke von Waisenstraße bis Klosterstraße als Parochialkirchgasse be­zeichnet. Die Strede von Klosterstraße bis Jüdenstraße hieß Kronengasse. Die Strede von Jüdenstraße bis Spandauer Straße hatte seit dem 17. Jahrhundert nach einem Stadtfämmerer Reez, dem das Eckhaus an der Spandauer Straße gehörte, den Ramen Reezengasse. So hieß sie noch bis 1862.

Era

schlag einem Bedürfnis entgegenkommt. Längst findet man Nervöse und Nervenschwache nicht mehr nur in den Reihen der Bemittelten und Wohlhabenden. Nerven haben", gilt nicht mehr als ein Kenn­zeichen eines reichen Nichtstuers. Man weiß heute, daß Nerven­Lange ist darüber gestritten worden, ob man im Tiergarten leiden auch in den Kreisen der werktätig schaffenden Bevölkerung zum Schuß des Autoverkehrs die Mittelchauffee vom Straßenbahn weit verbreitet sind. Die Forderung, ruhige verkehr frei machen sollte. Jetzt kommen ein paar Architekten und holungsstätten zu schaffen, wird immer mehr als un schlagen vor, sogar den Autoverkehr von der Mittelchaussee fern abweisbar erkannt. Mancher Großstädter kommt sich Wunder zu halten, hin auf die Randstraßen zu beschränken und so den wie zivilifiert" vor, wenn er über Kleinstädter oder Dorfbewohner Kern des Tiergartens ganz dem Fahrverfehr die Nase rümpft, die ihre Aborte und Jauchengruben noch vor den zu entziehen. Dr. Georg Opis und Diplomingenieur Berner Wohnungsfenstern haben. Er aber, der Leute mit unempfindlicher Kallmorgen entwickeln diesen Plan in einer Städtebau Nase für unzivilisiert" hält, ist beinahe stolz auf seine Un­studie Der Tiergartenring"( Wasmuthsche Buch empfindlichkeit der Ohren gegenüber dem tollsten handlung) und sie begründen ihn damit, daß der Tiergarten, der Straßenlärm. Sind wir noch nicht so weit, daß uns auch das heute vom Lärm des Fahrverkehrs durchtost ist, wieder Erals ,, Mangel an Zivilisation" gilt? Wer vermöchte den Schaden ab­holungsstätte werden muß. Im Ring" der Randstraßen mollen sie den gesamten Fahrverkehr um den Tiergarten südlich und nördlich herumzuführen, so daß Erholungsuchende wieder den alten Tiergartenfrieden genießen können.

Wer den Wert lärmentrückter Erholungsstätten für die Groß­stadtbevölkerung fennt, wird nicht bestreiten wollen, daß dieser Bor:

3]

Jack London :

Lockruf des Goldes

( Berechtigte Uebersetzung von Erroin Magnus).

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Die waren dünn und pflegten sich dicht über den eben­mäßigen weißen Zähnen zu schließen. Aber ihre Härte wurde durch einen leichten Zug der Mundwinkel nach oben gemil­dert. Das verlieh ihm etwas Anziehendes, ebenso wie die winzigen Fältchen um die Augenwinkel, die ihn lustig er scheinen ließen. Roheit und Grausamteit mußten seiner Natur fremd jein. Die Nase war schmal und fein, mit be­weglichen Flügeln und von guten Verhältnissen, während die hohe Stirn sehr schmal, dafür aber schön und ebenmäßig geformt war. Besonders indianerhaft wirfte das Haar, das sehr glatt und tiefschwarz und von einem Glanz war, wie nur Gesundheit ihn verleihen fann.

Heut brennt Burning Daylight lichterloh," lachte Dan MacDonald, als ein Ausbruch lärmender Lustigkeit vom Tanzboden herüberdrang.

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Ja, das ist ein Kerl, was, Louis?" meinte Olaf Hen­derson. ,, Da fannst du Gift drauf nehmen," sagte der Franzosen­Louis. Der Junge ist echt wie Gold Wenn der liebe Gott am letzten großen Siebetage Daylights Seele auswäscht." unterbrach ihn MacDonald, ,, Dann muß der liebe Gott tüchtig Schlamm in seinen Kasten schaufeln."

Sehr gut," murmelte Henderson und betrachtete den Spieler mit tiefer Bewunderung. ,, Ausgezeichnet," pflichtete der Franzosen- Louis ihm bei. ,, und darauf wollen wir einen genehmigen, was?"

Gegen zwei Uhr morgens stellten die Tanzenden, die jezt hungrig geworden waren. den Tanz auf eine halbe Stunde ein. Und in diesem Augenblic schlug Jad Kearns einen Boker vor. Jack Kearns war ein großer Mann mit gutmütigem Gesicht, der, gemeinsam mit Bettles, den ver

zuschätzen, den die Empfindlicheren der Großstadtbewohner an ihrer Gesundheit erleiden, weil nicht das nötige und Mögliche our Dämpfung des Straßenlärms getan wird! Der in der Denkschrift ,, Tiergartenring" niedergelegte Vorschlag ist ein Zeichen unserer Zeit und des Beginnes der Einsicht in die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Straßenlärm aufzunehmen.

hängnisvollen Versuch gemacht hatte, eine Station an der Quelle des Koyofuf, weit jenseits des Polartreises, anzu­legen. Darauf war er nach Forty Mile und Sirty mile zurückgekehrt und hatte, um seinen Unternehmungen eine andere Richtung zu geben, eine fleine Sägemühle und einen Flußdampfer in den Staaten bestellt. Erstere wurde jezt gerade durch Indianer mit Hunden über den Chilkoot- Baß geschafft und sollte im Borsommer nach der Eisschmelze den Duton herunterschwimmen. Im Spätsommer, wenn die Beringsee und die Mündung des Dufon eisfrei waren, sollte dann der Dampfer, der in St. Michaels gebaut wurde, bis an die Reling mit Proviant beladen, flußaufwärts fahren. Jack Kearns schiug also einen Bofer vor. Der Franzosen Louis , Dan MacDonald und Hal Cempbell( der einen Gold­fund bei Moosehide gemacht hatte) tanzten nicht, weil nicht genug Mädchen da maren, und so gingen sie auf den Vor­fchlag ein. Sie sahen sich gerade nach einem fünften Mann um, als Burning Daylight mit der Jungfrau am Arm und allen Tanzenden hinter sich aus dem Hinterzimmer fam. Die Pokerspieler riefen ihn, und er trat an ihren Tisch.

,, Willst du mitmachen?" fragte Campbell. Bielleicht haft du Glück?"

Heute sicher," antwortete Burning Daylight mit Bes geisterung und fühlte im selben Augenblick, wie die Jung­frau warnend seinen Arm drückte. Sie wollte mit ihm tanzen.

Heute hätte ich sicher Glück, aber ich will lieber tanzen, denn ich möchte euch nicht alles Geld abnehmen. Niemand redete ihm zu. Sie nahmen seine Ablehnung als endgültig hin. Die Jungfrau preßte feinen Arm von neuem, damit er den hungrigen Zängern folgte, aber da wurde er plöglich anderen Sinnes. Nicht daß er feine Lust zum Tanzen gehabt oder ihr hätte weh tun wollen, aber der wiederholte mahnende Armdruck der Jungfrau reizte seine männliche Natur zum Widerstand. Der Wille, sich nichts von einem Weibe vorschreiben zu laffen, gewann die Ober­hand in ihm. War er auch ein Liebling der Frauen, so machte er sich doch nicht viel aus ihnen. Sie waren Spiel zeug. Tand. eine Erholung in dem großen Spiel des Lebens. Weiber, Whisky und Spiel standen für ihn auf einer Stufe, aber es war seiner Beobachtung nach leichter, mit Trinken und Kartenspielen zu brechen als mit einem Weibe, das einen Mann erst richtig eingefangen hatte.

Donnerstag, 11. April 1929

Dieser Vorschlag von Opitz und Kallmorgen hat nur einen wunden Punkt. An der Innenseite des Ringes, also doch wohl auf Tiergartenland, ist eine Randbebauung vorgesehen. Dadurch soll der Kern des Tiergartens vom Lärm und Staub ,, ab= geriegelt werden, sagt die Denkschrift. Einstweilen hat der Ring­vorschlag wohl nicht viel Aussicht auf Verwirklichung. Hoffen wir, daß nicht etwa von dem ganzen Vorschlag nur die Randbebauung übrig bleibt und ausgeführt wird. Das wäre was für Architekten aber nur für sie.

Auf Hizewelle Schneesturm.

In den öftlichen Zeilen Ameritas.

In den östlichen Teilen Ameritas find der Hihewelle in den letzten 48 Stunden Schnee stürme und schwerer Frost ge­folgt. Der fast beispiellose Schnee und scharfe Witterungsumfchlag hat verschiedene Todesfälle und zahlreiche Erkrankungen zur Folge gehabt. Auf dem Hudsonfluß wurde die Schiffahrt durch einen Schneefturm, der jede Sicht unmöglich machte, unterbunden. In Gemantown in Pennsylvanien, wo am Montag nach 90 Grad Fahrenheit verzeichnet wurden, gingen am Mittwoch große Schnee­mengen nieder.

Hermines Gefretär".

Etwas von den Dummen, die nicht alle werden.

Wenn man vor Hunger überhaupt nicht mehr aus noch ein weiß, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Dumme wählen die erste: fie wandern ins Jenseits. Kluge jedoch verwandeln sich plötzlich in Verwandte des erlauchten Herrscherstammes" und siehe da: das Geld fließt ihnen in Strömen zu. Denn wer fönnte es auf sein Gewissen laden, einen Prinzen von ,, Geblüt" untergehen zu lassen? Dieser einträglichen Methode bediente fich ein gewisser Gustav Hartung, der unter der Vorgabe, ein außereheliches Früchtchen des Herrn von Doorn und seiner lieblichen Hermine zu sein, zahlreiche Beträge erschwindelte.

Harbung hatte sich vor etwa zwei Jahren an die Hausverwal tung unseres Berflossenen gewandt und um eine Unterstützung gebeten, da er angab, friegsverletzt zu sein. Wilhelm mar gerade in huldvoller Stimmung und gewährte ihm eine Unterstügung. Schließlich vermittelte man ihm eine Stellung in einer Berliner Speditionsfirma, die er jedoch nach furzer Zeit wegen grober Pflichtverletzung wieder aufgeben mußte. Hartung wandte sich er­neut an das ,, hausministerium" und führte mit diesem einen ausgedehnten Briefwechsel. Da aber die ehemalige Herrscherfamilie angeblich selbst am Berhungern ist, tonnte ihm teine Unterstützung mehr gewährt werden. Hartung verlegte sich nun auf Betrug. Er gab sich als ,, Sekretär" der erlauchten Hermine aus und be­zeichnete fie sogar als seine ,, a ma", die ihn in einer Stunde ver­botener Liebe von Wilhelm empfangen haben sollte. Man mar natürlich überall begeistert und überschüttete ihn mit Wohltaten. Es gab aber scheinbar doch einige Steptische, die eine Anfrage nach Doorn wagten, und so tam der Schwindel raus. Man erstattete Anzeige. Hartung jedoch fannte seine Pappenheimer und drohte mit Enthüllungen über die Genasführten. Da niemand zugeben will, daß er so dußlich ist, daß er nicht mal aus den Dummheiten anderer lernt, so wurden die Strafanträge vorigen Jahres eingestellt. Inzwischen hat er jedoch neue Betrüge zurüdgezogen und das Verfahren gegen ihn im Dezember reien in Rheinland verübt und die Staatsanwaltschaft griff von sich aus ein. Es wurde gegen Hartung Haftbefehl erlassen, der in Berlin vollstreckt wurde. Man wird ihn nach Köln überführen, wo das Hauptverfahren gegen ihn schwebt.

Für deutsch - französische Annäherung. Der französische Abge=" socialiste, ist von der Deutsch - Französischen Gesellschaft eingeladen. ordnete César Chabrun, der Führer der Parti républicain

Flatom u. Priemer, Bittoriastraße 29, einen Vortrag zu halten am Montag, dem 15. April, abends 8 Uhr, in den Räumen pon über La Parlement actuel et ses Devoirs". Eintrittstarten durch die Deutsch Französische Gesellschaft, Haberlandstraße 2( Lüßow 503).

Sein eigener Stlave fein, das war für seine gesunde Natur selbstverständlich, aber ehe er der Sklave eines andern wurde, war er zu blutiger Rebellion bereit. Die süße Knecht­schaft der Liebe war etwas, das er überhaupt nicht verstand. Berliebte Männer waren ihm stets wie Berrückte erschienen, und Berrückte zu analysieren, Lohnte sich nicht. Kamerad­schaft zwischen Männern- ja, das war etwas anderes. Die hatte nichts mit Sklaverei zu tun. Sie war eine geschäftliche Vereinbarung, ein Handel zwischen Männern, die einander nicht verfolgten, sondern im Kampf für Leben und Reichtumi die Gefahren von Schlittenreisen, von Strömen und Bergen teilten. Männer und Frauen verfolgten sich, und eines mußte sich notgedrungen dem Willen des andern beugen. Kameradschaft war anders. Sich tagelang über sturm­umfegte Bässe oder durch Sümpfe, die durch Moskitos ver­feucht waren, abzuschleppen und doppelt soviel zu tragen wie der Kamerad, das hatte weder etwas mit Unbilligkeit, noch mit 3wang zu schaffen. Jeder tat sein Besies, und nur darauf fam es an. Allerdings: der eine war stärker als der andere, aber solange jeder nur tat, was er fonnte, so lange war es ehrliches Spiel, gegen das es nichts einzuwenden gab. Aber mit Weibern nein- Weiber gaben wenig und forderten alles. Weiber besaßen Schürzenbänder und hatten die Neigung, jeden Mann, der sich mit ihnen einließ, damit zu umschlingen. Man brauchte nur an die Jungfrau zu denten. Als er fam, hatte sie beinahe einen Gähnframpf gehabt, und jetzt war sie vor Freude außer sich, nur weil er tanzen wollte.

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Ein Tanz, das wäre ja noch gegangen, aber nun brüdie sie auch noch seinen Arm, um ihn vom Bofern abzuhalten. Das waren die verhaßten Schürzenbänder, der erste 3wang von den vielen, die sie gegen ihn ausüben würde, wenn er jegt nachgäbe. Sie war sicher ein netter Kerl, gesund, starf und hübsch, dazu eine ausgezeichnete Tänzerin, aber sie war nun einmal ein Weib mit der ganzen Neigung des Weibes, den Mann mit ihren Schürzenbändern einzufangen und an Händen und Füßen zu binden, um ihm sein Brandzeichen aufzudrüden. Lieber pofern.

tanzen.

Außerdem mochte er mindestens ebenso gern pofern wie Sein ganzes Ich widersetzte sich diesem Druck auf den Arm, und er fagte: Ich hätte übrigens doch nicht übel Luft, mit euch zu spielen." ( Forts. folgt.)