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BERLIN  Sonnabend

20. April 1929

Der Abend

Erfdetuttaglio enter Sonntags. Bugleich Abenbausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat.

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Spätausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 185

B 92

46. Jahrgang.

66 Anzeigensrets: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosschecktonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 87536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Schacht lenkt ein.

Es war nicht das letzte Wort der deutschen   Delegation.

Paris  , 20. April.  ( WTB.)

Ein Mitarbeiter des Journals" wurde gestern von dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht empfangen. Nach einem warmen Nachruf für den so plöhlich ver. storbenen Lord Revelstoke   soll Dr. Schacht gesagt haben: Ich lege Wert darauf, Ihnen folgendes zu erklären:

Ich habe niemals gesagt, daß die letzten deutschen  Vorschläge, die ich den Gläubigern am vergange­nen Mittwoch unterbreitete, das letzte Wort der deutschen Delegation sind.

Ich habe die gegenwärtige Konferenz niemals als einen Markt angesehen, auf den um Angebot und Nachfrage gefeilscht wird. Das bedeutet, daß meine letzten Vor­schläge, die genau in dem gleichen Geiste abgefaßt sind, wie das Memorandum der Alliierten, eine der Phasen der langen Erörterung über die Ziffern ge wesen sind, die wir offiziell in der voraufgegangenen Woche angeschnitten hatten.

Also wollen Sie den Abbruch nicht? fragte der Be fucher. Ich habe, erwiderte Dr. Schacht, stets den brennenden Wunsch gehabt, zu einem offenkundi. gen Ergebnis zu gelangen, und ich habe immer erklärt, daß ich die Konferenz als letter ver. lassen würde. Ich bin bereit, sämtliche Anregungen zu erörtern, die die alliierte Antwort auf die von mir unterbreiteten Vorschläge geben könnten.

Auf den Einwand, daß man die Vorschläge für un­befriedigend halte, erwiderte Dr. Schacht: Glauben Sie mir, die Kritik, die ich heute früh in der Pariser Presse gefunden habe, ist durchaus verfrüht. Ich unter streiche dieses Wort!

Suche nach dem Komprom'ß.

Paris  , 20. April.  ( Eigenbericht.)

Der Reichsbankpräsident Dr. S ch a cht hatte am Freitag abend noch eine lange Aussprache mit den beiden amerikanischen  Delegierten Owen Young   und Morgan. Später wurde auch die Mehrzahl der alliierten Sachverständigen hinzugezogen, so daß sich die Aussprache zu einer Art offiziöser Vollfigung er­weiterte.

Gleichzeitig macht sich in zahlreichen politischen Lagern

ein ftarter Drud im Sinne eines Kompromiffes geltend. So schreibt vor allem der sozialistische Führer Léon Blum   heute im Populair: Es tann und darf doch nicht alles zu Ende sein. Wenn man jetzt die Hände in den Schoß legen wollte, würde man ein schweres Ber= brechen gegen den Frieden der Welt begehen. Man hat von Anfang an gewußt, daß die Einigung schwierig wäre. Durch die Haltung Dr. Schachts ist sie noch schwieriger geworden, aber sie ist immer noch möglich. Niemand hat das Recht zu ver= zweifeln, weder die Deutschen   noch die Alliierten und am wenigsten die Amerikaner."

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Trotzdem gibt es in Paris   noch genug Kritiker, die die Kon ferenz als endgültig tot ansehen und nur noch auf die Inter­ventionen er beteiligten Regierungen hoffen. Zu diesen Pessimisten gehört auch der Petit Parifien" Er gibt zwar zu, daß bei den alliierten Sachverständigen der lebhafte Wunsch herrsche, Dr. Schacht aus der Sackgasse herauszuhelfen, aber das Blatt glaubt doch nicht, daß Dr. Schacht der geeignete Mann sei, der jetzt nach der großen Arroganz und Ungefchicklichkeit seines letzten Vorgehens die Rettungsaktion unternehmen fönne. Er habe durch seine poli tischen Forderungen die alliierten Sachverständigen in eine 3wangs. lage versetzt, wo sie nicht einen Finger breit aufgeben könnten.

Sauerwein dagegen läßt schon einen Versuchsballon steigen. Er erklärt, in einem Bunfte fönne und müsse Schacht nachgeben, nämlich in der Kommerzialisierung der deutschen   Schuld.

Hier sei die Basis zu einer Verständigung, falls Schacht bereit fei, den Transferschuh für einen beträchtlichen Teil der fünftigen deutschen   Zahlungen aufzugeben.

Berting im Echo de Paris" dagegen protestiert schon aufs energischste dagegen, daß man die französische   Delegation

KPD.   braucht Leichen!

Sie wünscht Schüsse am 1. Mai.

Der schamlose Mißbrauch, der von Kommunisten und National­sozialisten mit der Demonstrierfreiheit getrieben wurde, die zahllosen Ueberfälle, Messerstechereien und Schießereien, bei denen Menschenleben vernichtet oder schwer gefährdet wurden, haben den Polizeipräsidentem veranlaßt, ein Ber­bot von Versammlungen und Aufzügen unter freiem Himmel zu erlassen. Sich dagegen aufzulehnen hat die KPD  . am allerwenigsten Recht Denn troß aller Mahnungen hat sie es unterlassen, von den Totschlägermethoden zügellofer Elemente abzurücken, Sie hat sich nie dazu aufgeschwungen gewalttätige Ueberfälle auf Andersdenkende zu verurteilen, sondern sie hat zu ihnen nur immer mehr aufgeftachelt. Richt bloß nicht tommunisten wissen davon ein Lied zu singen, unter den Kommunisten felbft tobte ein Rampf mit Rnüppel und Schlagring, über den die rechts: wie die linkskommunistische Breffe in jeder erscheinenden Nummer aufs neue bewegliche Klage führt.

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Daß infolgedessen der 1. Mai in diesem Jahre nicht durch Maffenversammlungen und Maffenumzüge gefeiert werden kann ist eine Schande, aber diese Schande fällt den Kommunisten zur Last. Sie lauern nur darauf, den 1. Mai durch eine Prügelei unter Arbeitern zu feiern, und da ihnen das unmöglich gemacht ist, legen sie es auf eine Prügelei mit der Polizei an. Ein Mai­fomitee" dunkler Herkunft erläßt in der Roten Fahne" die Auf­forderung, trotz Verbots auf den Straßen zu demonstrieren und, wenn die unter solchen Um es zu 3ufammenstößen tommt

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zu einem Kompromiß zwingen wolle. Man habe am Freitag in der Sachverständigensizung dem Gouverneur der Bank von Frant­reich zweimal überstimmt, als dieser den Schluß der Konferenz- und die restlose Veröffentlichung des deutschen   Memorandums mit den politischen Forderungen" verlangt habe. Diese Konzession lasse Schlimmes erwarten. Man werde sicherlich am Montag darauf verzichten, die Deutschen   auf ihr Ultimatum festzulegen und man werde versuchen, den Kuchen genau in zwei Teile zu teilen. Damit werde man nur erreichen, daß Deutschland  , das jetzt seine Nasenspitze gezeigt habe, morgen seine Faust und seinen Säbel zeigen werde.

Stimmungsumfchwung in London  .

London  , 20. April.

Die Erklärungen Dr. Schachts, daß mit der Uebergabe des deutschen   Memorandums noch nicht das letzte Wort gesprochen sei, hat einen Stimmungsumschwung in der englischen Bresse ausgelöst. Die Aussichten der Pariser   Sachverständigen­verhandlungen werden jetzt wesentlich optimistischer als noch in den letzten 24 Stunden betrachtet. Die Differenz der von beiden Seiten vorgetragenen Jahreszahlungen werde nicht mehr als unüberbrück­bar angesehen und man setze gewissen Hoffnungen auf einen Ver­mittlungsversuch der Amerikaner oder Japaner, deren Stimme von ausschlaggebender Bedeutung sei.

Die Vorteile einer Einigung seien im übrigen so flar, so schreiben die ,, Times", daß man 3 uge ständnisse auf beiden Seiten erwarten fönnte. Ein Opfer der Alliierten mit bezug auf die Herab­fetzung ihrer Forderungen würde sich bezahlt maden durch die erhöhte Sicherheit der deutschen   Zahlungen. Außerdem würde die deutsche   Exportindustrie von dem Drud eine Entlastung erfahren, der notwendigerweise durch die Reparationszahlungen entstehe, und zwar zum Nachteil der Konkurrenz Deutschlands  . Das iet ein Punkt, den man nicht übersehen fönne.

Norwegische Mahnung zur Vernunft:

Oslo  , 20. April.

Zu den Pariser   Verhandlungen schreibt das führende Blatt Aftenposten": Die Gläubigernationen haben anfcheinend au viel verlangt. Ein Weg ist es, Forderungen ohne Rücksicht auf die Folgen durchzusetzen, ein anderer, Ordnung zu schaffen, die auf die Dauer in ihren Wirkungen nicht unmittelbar schadet, weder den Gläubigerländern noch ganz Europa  . Reinem ist damitgedient, daß Deutschlands   Wirtschaftsleben durch allzu große Schulden gehemmt wird. Die Rolle Deutschlands   in Europa   und in der Weltwirtschaft ist von großer

ständen ganz von selber kommen streit einzutreten.

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am 2. Mai in einen Massena

Auf derselben Seite, auf der sie diesen Aufruf veröffentlicht, verherrlicht die Fahne" den gestern am Wedding auf zwei Polizei­beamte verübten Ueberfall, indem sie triumphierend mitteilt, es ſei gelungen ,,, einigen verwilderten Polizeibeamten die Schießeisen ab­zunehmen". In diesem Fall hat es Verlegungen nur auf der einen Seite, nämlich bei der Polizei gegeben. Daß aber bei Wiederholung solcher Rowdytgten schließlich auch die Täter selbst und vielleicht auch Unschuldige zu Schaden fommen müssen, ergibt fich ganz von selbst. Dann hat die KPD., was sie mit allen Mitteln erstrebt, dann liegen wieder Leichen auf der Straße, und dann kann die Mordheze gegen die Sozialdemokratie von

neuem losgehen.

Das Spiel, das hier getrieben wird, ist ebenso verbrecherisch wie idiotisch. Daß eine sogenannte revolutionäre Situation" nicht vorhanden ist, wissen sogar die Kommunisten. Sie wiffen auch, daß eine Partei mit noch nicht 15 000 Mitgliedern nicht imstande ist, vom übrigen Reiche gar nicht zu reden unter ihren Berlin  Terror zu stellen. Um was handelt es sich also? Auf die vage Hoffnung hin, bei dieser Gelegenheit ein paar ganz Dumme fangen zu können, will man bewußt Menschen in den Tod heßen.

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Dieses verbrecherische Spiel fann nur durchkreuzt werden, wenn es rechtzeitig aufgedeckt wird. Datum, Augen auf, Berliner   Arbeiter! Laßt euch nicht mißbrauchen!

| Bedeutung, daß nach allen Seiten Rücksicht geübt werden muß, falls die Amerikaner für die Forderung von 40 Milliarden nicht verant­wortlich sind, besteht noch Hoffnung auf ein positives Ergebnis der Konferenz.

Senator Borah über das Memorandum Schachts.

Washington, 20. April.

Zu dem Memorandum Dr. Schachts gab Senator Borah folgende Erklärung ab: Ich finde, daß Deutschlands   Angebot vernünftig und fair war. Wenn man die Summe, die Deutschland   in bar und in Sachlieferungen bereits gezahlt hat, und die Gebiets- und anderen Verluste, die Deutschland   erlitten hat, in Betracht zieht, muß man zu der Ueberzeugung tommen, daß das deutsche Angebot durchaus gerecht war."

Riesenbrand in den Pyrenäen  .

Bier Dörfer eingeäschert.

Gestern brach am Monte El Duable, südlich von San Sebastian  ( Spanien  ), ein gewaltiger Wald­brand aus, der sich rasch auf die benachbarten Höhen und die Ortschaften Erastegui, Andoain, Almasa und Villabona ausbreitete.

Die Bewohner räumten in Eile die zahlreichen Gehöfte, die bald darauf ein Raub der Flammen wurden. Trotz der Anstrengungen der Feuerwehr, die von der Bevölkerung und einem starken Truppenaufgebot unterstützt wird, rückt die Feuerwelle weiter vor. Durch den starken Qualm ist die Atmosphäre der ganzen Gegend so stark vergiftet worden, daß auch mehrere nicht unmittelbar betroffene Dörfer geräumt werden müssen. Die Nordbahn sowie andere Linien mußten den Dienst, einstellen, da die Flammen die Schienen erreicht haben. Der Brand hat die Telegraphen- und Telephonleitungen zerstört und dadurch die Ver­bindungen unterbrochen,

Parlamentsauflösung in Finnland  .

Neuwahlen am 1. Juli.

Der Präsident der finnischen   Republik   hat am Freitag den Reichstag   aufgelöst und Neuwahlen zum 1. Juli aus­geschrieben. Die Auflösung des Parlaments ist auf einen Konflikt mit der Regierung zurückzuführen.