Neue Unterausschüsse.
Das Ergebnis der heutigen Konferenz. Paris , 23. April. Ueber die Bollfihung des Sachverständigenausschusses vom Dienstag vormittag wurde folgendes amtliche Kommunique ausgegeben:
Dem Ausschuß wurde der Bericht des Unterausschusses der letzten Woche vorgelegt mit der Feststellung, daß über die Ziffern teine Einigung erzielt werden konnte. Der Bericht wird zu den Akten der Konferenz genommen. Darauf beschloß der Sachverständigenausschuß einstimmig, daß ein Unterausschuß gebildet werden soll, der den Auftrag hat, die Hauptrichtlinien, die in einem Bericht aufgenommen werden follen, feftzulegen. Dieser Unterausschuß soll aus den ersten Delegierten jeder Gruppe gebildet werden.
Während der Beschäftigung mit den Fragen, über die bereits eine Einigung erzielt werden konnte, sollen von allen Gruppen gleichmäßig Anstrengungen gemacht werden, um auch über die Punkte zu einer Einigung zu gelangen, über die teine Berständigung erzielt wurde.
Man erwartet, daß mit diesem Vorgehen nicht nur Zeit gefpart wird, fondern daß man durch die Festlegung des Umfanges der etreichten Verständigung auch die Endaufgabe des Kommitees fördern wird. Die nächste Bollfihung wird innerhalb angemessener Zeit durch den Vorsitzenden einberufen werden.
Schlußgutachten beabsichtigt.
Paris , 23. April. ( Eigenbericht.) Im Verlauf der gestern abend von dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht mit Führern der übrigen Each verständigendelegationen verständigen delegationen geführten privaten Besprechungen wurde, wie verlautet, die Tagesordnung der für heute 11 Uhr angesetzten Vollfihung der Konferenz festgesetzt. In dieser Situng soll eine Sonderfom mission, bestehend aus den Delegationsvorsitzenden, eingesetzt und mit der sofortigen Abfassung des Schlu gutachtens der Konferenz beauftragt werden. Man glaubt, daß diese redaktionellen Arbeiten etwa 8 bis 14 Tage in Anspruch nehmen werden.
Wenn auch die Pariser Presse heute mit vielleicht allzu deutlicher Enttäuschung zugibt, daß Dr. Schacht feine neuen Vorschläge aus Berlin mitgebracht habe, so gibt sie doch der Hoffnung Ausdruck, daß bei der Abstimmung des Gutachtens wohl noch einmal das ganze Arbeitsgebiet der Kommission durchgesprochen wird und damit eine Annäherung erfolgen könnte. Dann sei es aber notwendig, erklärt die Pariser Presse, daß Dr. Schacht für einen großen Teil der deutschen Zahlungen auf den Transferschutz verzichte. Er müsse es unter allen Umständen ermöglichen, daß eine Anleihe in Höhe von 13 Milliarden aufgelegt werden könnte.
Sauerwein im ,, Matin" sieht sogar noch weitere ihm aussichts reich erscheinende Möglichkeiten. Er glaubt voraussagen zu können, daß die Reparationsban! es zu einem jährlichen Rein. gewinn von ½ Milliarde bis zu 1 Milliarde bringen könnte. Daraus könnte ein großer Teil der Differenz zwischen den alliierten Forderungen und den deutschen Angeboten gedeckt werden. Außer dem könnte die Reparationsbant durch ihre Kredite neue Absatzgebiete eröffnen und so den Deutschen die gewünschten Rohstoff. quellen zur Verfügung stellen. Sie tönnte auch der deutschen Landwirtschaft billige Kredite geben und damit die zweite Gorge Schachts aus der Welt schaffen.
Kinder als Sturmböcke.
Die KPD. veranstaltet vom 1. bis 15. Mai eine Internationale Kinderwoche, für die fie umfangreiche Vorbereitungen trifft. Für den 1. Mai propagiert sie Schulstreit". Wir halten es für felbstverständlich, daß die klassenbewußten Arbeitereltern am 1. Mai ihre Kinder vom Schulunterricht fern. halten. Dazu bedarf es aber nicht eines solchen Rummels, wie ihn die Kommunisten aufziehen. Eine einfache Mitteilung der Eltern an die Schule genügt.
Alle Arbeitereltern feien gewarnt, ihre Kinder an dem geplanten fommunistischen Rummel teilnehmen zu lassen. In den kommu nistischen Anweisungen für den 1. Mai heißt es: Agitation vor den Schulen. Hereinziehung großer Maffen von Kindern in die Demonftrationen der Arbeiterschaft."
Der 3wed ist angesichts der gespannten Lage nur allzu deutlich. Man will durch Zwischenfälle Agitationsmaterial schaffen, und man scheut sich nicht, zu diesem Zweck die Kinder Gefahren auszusehen. Das ist bis jetzt! bis jetzt! der Gipfel der Gewissenlosigkeit!
Neuer Schiffskonflikt in Amerika . Amerikanische Küstenwache beschießt Kohlenschiff.
Newhaven ( Pennsylvanien), 23. April. ( Reuter.) Nach einer Mitteilung des Rapitäns des Kohlendampfers Tab Jones gab das amerikanische Küstenwachschiff Seneca ", das den Dampfer für ein Alkoholschmuggelschiff hielt, als„ Tab Jones" am 20. April, 50 Meilen von der Küste von New Jersen entfernt war, Sirenenfignale und beschoß darauf das Borberschiff des Kohlenbampfers. 3wei Offiziere des Rüstenwach schiffes stiegen dann an Bord des Dampfers und sollen dann deffen Dedoffiziere mehrfach beschimpft haben, Der Präsident der Dampfergesellschaft, der Tad Jones" gehört, habe erklärt, er werbe in Washington Protest einlegen.
Löhne im Ruhrbergbau.
In einer vom Verbande der Bergbauindustriearbeiter veranstal teten reffebesprechung teilte Mortmöller über die Zusammen fegung der Arbeiterschaft im Ruhrbergbau und ihre Arbeits cinfommen folgendes mit:
Die Ruhrbergbauarbeiterschaft besteht nur zu 46,3 Broz. aus Hauern, die einen Leistungslohn von 9,73 m. erreichen. Von den übrigen Arbeitern verdienen 26,5 Broz einen Schichtlohn von 6.70 bis 3,35 m. und 21 Bros. der Arbeiter nur 6,40 bis 8,20 m. den Genuß des Hausstandgeldes und des Kindergeldes fommi ein gewiffer Teil der Gesamtarbeiterschaft. Nach dem neuen Schieb sspruch soll der Lohn der Repa hauer und der Facharbeiter über Tage von 8,36 auf 8,52 m. in um 16. je Schicht, amet Pfennig je Stunde erhöht werden.
Die Brotfarte, lebhaft begrüßt"!
Ein Wunder der Moskaugläubigkeit.
Bel dem Gedanken an die Zeiten der Brotkarte tommt dem deutschen Arbeiter ein Grufeln an. Anders in Sowjetrußland. Dort hat die stalinistisch kommandierte Arbeiterschaft die Einführung der Brotfarte mit Hutschwenken und Jubelrufen begrüßt.
Woher wir das wissen? Das steht in der Roten Fahne". Wirklich! Irgendein unglückseliger Stalinknecht hat dort den Auftrag bekommen, den deutschen Mostaugläubigen die ruffische Lebensmittelnot hinwegzulügen. Das ist nicht ganz einfach. Denn schließlich kann es auch der frömmste Stalinanbeter nicht für bloße Augentäuschung erklären, wenn in der sowjetrussischen Presse die Rationierung der Lebensmittel und die Wiedereinführung der Brotkarte amtlich ange. fündigt und bekanntgemacht wird.
Wie hilft sich in solchem Falle der brave Knecht Mostaus? Er schreibt wörtlich:
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Die Brotrationalisierung- eine Maßnahme, die von den werktätigen Maffen des Sowjetstaates aufs lebhafteste begrüßt wurde hat es den Panzerfreuzersozialisten angetan. Wenn dieser Satz überhaupt einen Sinn hat, so tann er nur bedeuten, daß vor der Einführung der Brottarte derartige traffe Mißstände in der Brotversorgung geherrscht haben, daß die Brot rationierung und die Brotkarte gegenüber dem absoluten Mangel noch als das fleinere Uebel erschienen!
Ganz fachte und zögernd muß der Artikel der ,, Roten Fahne" zugeben, einen Brotausfall infolge Mißernte in einem Teil der getreideerzeugenden Gebiete" in Mostau eine ge. wisse Knappheit an Butter, Eiern und anderen landwirtschaftlichen Produkten"( mit dem wahrhaft himmlischen Trost, daß es diesen Mangel ,, auch früher schon" periodisch gegeben habe), ferner eine vorübergehende(!) Stodung in der Zufuhr landwirtschaftlicher Produkte in die Städte" usw. usw. Aber dafür wird von der Roten Fahne" tröstend versichert, daß das russische der„ Roten Fahr Proletariat
પ્રસ્તાવના, એમાં એક
ruhig das geringe Opfer trägt, daß man diese oder jene Produkte in einer gewissen Reihenfolge nach dem Mit gliedsbuch der Genossenschaften erhält.
als ein
In Deutschland nennt man so was ,, Anstehen", und wir tönnen uns nicht erinnern, daß das Anstehen nach Lebensmitteln von der Arbeiterschaft zumal in der falten Jahreszeit geringes und leicht erträgliches Opfer hingenommen worden ist, am allerwenigsten von der Roten Fahne".
-
Aber sobald man nach Sowjetrußland tommt, drehen sich alle Begriffe um: da ist die Brottarte ein freudig begrüßtes Segensgeschenk des Himmels und das An stehen auf Lebensmittel ein nedisches Vergnügen!
Schwere Not der Sowjetdeutschen.
Hilfsaftion unerläßlich.
Infolge besorgniserregender Klagen aus den deuischen Kolonien in Rußland über die Not an Saat. und Brot. getreide und Meditamenten hat, wie der Ost- Expreß er. fährt, bereits im vergangenen Jahre die deutsche Botschaft in Mos. fau bei der Sowjetregierung die Zulassung einer Organisation des deutschen Roten Kreuzes und einer entsprechenden Hi fs. aftion für die deutschen Kolonien beantragt. Die schwedische Gesandtschaft hatte bereits mit Zustimmung der Sowjetregierung der schwedischen Niederlassung in der Südukraine derartige Hilfe geleistet, was allerdings infolge der Kleinheit dieser Niederlaffung leichter war.
Jm vergangenen Jahr ist das Anerbieten der deutschen Botschaft von der Sowjetregierung abgelehnt worden
mit dem Hinweis, daß sie für die erforderlichen Notstandsmaßnahmen sorgen werde. Indessen ist es schon im Vorjahr der Sowjetregierung nicht gelungen, dies in dem wünschenswerten Umfang durchzuführen. Infolge der sehr bedeutenden Berschärfung der Wirtschaftstrise und infolge der sehr ernsten Nachrichten über die Notlage wird eine reichsdeutsche Hilfsaktion in diesem Jahre in erhöhtem Maße atut.
Comski
Rykow
find wegen schwerer Meinungsverschiedenheiten aus dem Politbüro", b. h. Borstand ber tom munistischen Partei Rußlands , ausgetreten. Bucharin ist der Theoretiker des Leninismus. Tomsti galt bisher als der allmächtige Führer der Gewerkschaften. Rytom ist der Vorsitzende des Rats der Boltstommissare. Der Austritt von drei Führern allererster Bedeutung stellt eine schwere Krise des gesamten Sowjetsystems dar.
Das Land der 9000 Morde. Hoover flagt über die Unsicherheit in USA .
New Yort, 23. April. Beim Jahresfrühstück der„ Associated Preß hielt Präsident Hoover seine erste öffentliche Rede seit seinem Amtsantritt. Er verbreitete sich über die Notwendigkeit einer strikteren Durchführung der amerikanischen Gesetze, denn: Leben und Eigentum find in den Vereinigten Staaten weniger gefchüßt als in irgendeinem anderen Cande der Welt. Im Gebiet der amerikanischen Union werden alljährlich rund 9000 Morde verübt. In nur der Hälfte dieser Fälle werden irgendwelche Verhaffungen vorgenommen und in weniger als einem Sechstel der Fälle werden die Mörder überführt. Im Vergleich zu Großbritannien finden in den Bereinigten Staaten zwanzigmal mehr Morde und mindestens fünfzigmal mehr Raubüberfälle statt.
Der Präsident gab zu, daß die Kriminalität in Amerika durch das Alkoholverbot erhöht worden sei, und wies mit Nachdrud auf die Möglichkeit hin, daß die Achtung vor dem Gesetz allmählich ganz aus dem Bewußtsein des amerikanischen Boltes schwinde. Die Regierung stehe vor der Aufgabe, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Durchführung der Gesetze zu überprüfen und gegebenenfalls den Verwaltungsapparat neu zu organisieren. Er schloß mit einem Appell an die allmächtige Preise, die Regierung in ihren Bestrebungen zu unterstützen.
Hakenkreuzler Roheit.
Mit dem Schlagring niedergeschlagen..
Plauen i. B., 23. April. ( Eigenbericht.) In der Nacht zum Montag wurde der Vorsitzende der Plauener Pressefommission der Boltszeitung, Genosse Schubert, von Saten. freuglern überfallen und mit einem Schlagring fo geschlagen, daß er blutend zusammenbrach. Die Rowdies find un
erkannt entkommen.
Explosion in einer Brifettfabrit. 2 Arbeiter getötet 11 schwer verletzt. Alfeld ( Hannover ), 23. April. Jm Betrieb der Gewertighaft Humboldt in Watlensen erfolgte gestern beim Ablöschen eines Brandes im Ofenhaus eine furchtbare Explosion, die sich durch fast alle Räume der Brifeitfabrit fortpflanzte und schwere Verwüftungen anrichtete. Bon den im Ofenraum beschäftigten Arbeitern wurden 13 verletzt, die meisten weisen schwere Verlegungen und Berbrennungen auf. Von den nach den Krankenhäusern in Hameln gebrachten Verletzten find 3 wei ihren Berlegungen alsbald erlegen.
Standesehre.
Wozu ärztliche Ehrengerichte da find.
In der Siedlung eines füdlichen Vorortes hatte sich vor einiger 3eit ein junger Arzt, Dr. R., niedergelassen. Er hatte bie erfolgte Niederlassung, wie das die ärztlichen Standesanschauungen gestatten, in einem Blättchen des Borortes infertert, die monatlich einmal erscheint. Jedoch mußte er sich davon überzeugen, daß diese Anzeige nicht zwedmäßig war, weil die Bewohner der neuen Sied lung fast ausnahmslos die verschiedensten Berliner Tageszeitungen, aber nicht das Vorortblättchen lafen. Da ohnehin die Leser des Borortblattes erst in einem Monat von seiner Niederlaffung erfahren tonnten, teilte der Arzt den etwa 750 Haushaltungen der Kolonie feine Riederlassung durch gebrudte Anzeigen mit, bie er in Briefumschlägen an die Haushaltungen versandte. Sie enthielten lediglich den Tegt der Beitungsanzeige.
Der Arzt hatte jedoch, die Rechnung ohne das ärztliche Ehrengericht gemacht, das in der Bersendung der Anzeigen einen Verstoß gegen die Standes würde erblickte und den frevelnden Arzt zu einem Berweis sowie zu einer Geldstrafe von 50 Mart verurteilte, wobei es ihm noch seine Jugend und Anfängerschaft in der Ausübung der ärztlichen Praxis mildernd zugute hielt. Dagegen betrachtet das Ehrengericht als erschwerend, daß das Verhalten des Angeklagten ,, bas Ansehen des ärztlichen Standes in den Augen des Publifums schwer zu beeinträch= tigen geeignet ist", weil es den Arschein erwecke, daß der Arzt sich den lediglich auf Gelderwerb ausgehenden Kreis, sen der Bevölkerung" in der Art der Anpreisung seiner Dienste gleichstelle.
Warum solcher Anschein durch eine gedruckte und versandte Niederlassungsanzeige, dagegen nicht durch ein Beitungs. inferat erwirkt wird, das bleibt wohl ewig„ ärztliches Berif geheimnis". Diefer Spruch zeigt wieder einmal, wie veraltet und überflüssig die ganze Einrichtung der ärztlichen Ehrengerichte ist.
Wer aufdeckt, fliegt ins Kit chen.
Schnelle Strafe im Lasarettsfandal.
Paris , 23. April. ( Eigenbericht.) Die Untersuchung des Standals im Militärlazarett Chalons fcheint einen recht merkwürligen Verlauf zu nehmen. Nachdem Kriegsminister Painlevé gegen den Chefarzt, dessen unmenschliche Behandlungsweise von der gesamten Pariser Preffe gebrandmartt worden ist, ein Disziplinarverfahren angeftrengt hatte, weiß der Quotidien zu berichten, daß als erftes Opfer bles Verfahrens ein Unterarzt mit 14 Tagen Arrest best raft worden set. Er steht in dem Berdacht, den Standal" durch seine Anzeige aufgerollt zu haben.
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