Morgenausgabe
Nr. 190
A 96
-46. Jahrgang
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Die Konferenz praktisch zu Ende.
Schlußgutachten wird ausgearbeitet.- Das Wort haben dann die Regierungen.
Paris , 23. April. ( Eigenbericht.) gesponnen werden, und man wird froh sein, wenn die SachverstänDas am Dienstag von der Pariser Sachverdigen in den nächsten Tagen, wo sie fich noch am grünen Tisch treffen ständigenkonferenz veröffentlichte Kommuni- merden, ein Gutachten ausarbeiten können, das die sofortige qué hat folgenden Wortlaut: Wiederaufnahme der Berhandlungen durch die verantwortlichen
,, Dem Komitee wurde der Bericht des Unterausschusses von der letzten Woche vorgelegt mit der Angabe, daß über die Ziffern keine Einigung erzielt werden konnte. Der Bericht wurde zu den Akten der Konferenz gelegt. Darauf entschied das Komitee in der Volligung einstimmig, daß ein Unterausschuß gebildet werden soll, mit dem Auftrag, die Hauptrichtlinien, die in einem Bericht aufgenommen werden sollen, festzulegen. Die ersten Delegierten jeder Gruppe Die ersten Delegierten jeder Gruppe sollen diesen Unterausschuß bilden. Man nimmt an, daß während der Beschäftigung mit den Fragen, über die bereits eine Einigung erzielt worden ist, von den einzelnen Gruppen gleichmäßig Anstrengungen gemacht wer den, mit dem Ziel, auch über die Punkte, über die teine Berständigung erzielt worden ist, zu einer Einigung zu kommen. Man erwartet, daß mit diesem Vorgehen nicht nur Zeit gespart wird, sondern daß man durch die Festlegung des Umfanges der erreichten Verständigung auch die Endaufgabe des Komitees fördert.
Die nächste Vollitung wird innerhalb angemesse. ner Zeit auf Veranlassung des Vorsitzenden anberaumt
werben."
Paris , 23. April. ( Eigenbericht.)
Der Beschluß der Sachverständigenkonferenz, daß die Abfassung des Schlugutachtens sofort in Angriff genommen werden soll, bedeutet nichts anderes, als die offizielle Feststellung eines Miserfolges. Wäre es anders, dann hätte man die Dinge so darstellen müssen, daß die Aufgabe, cine Einigung über die zahlenmäßige Festsetzung der deutschen Schuld herzustellen, nach den negativen Ergebnissen des Revelstoke Romitees an das Plenum zurückfallen müßte. Aber die Vollsitung hat wohl auch den Mut verloren, diese Aufgabe selbst aufzugreifen.
Es ist eine nur sehr magere Hoffnung, wenn in dem amtlichen Kommuniqué erklärt wird, daß die verschiedenen Dele gationen sich bemühen sollen, auch in den bisher umstrittenen Punkten noch eine Einigung herbeizuführen. Ob mit diesem Beitgewinn" tatsächlich das Endziel der Konferenz gefördert werden fann, wie es in dem Kommuniqué heißt, muß sehr fraglich erfcheinen, zumal man nach der Dienstagfizung nicht mehr erkennen fann, welches eigentlich dieses Endziel sein soll. Immerhin wird der Faden der Verhandlungen noch ungefähr 14 Tage fort:
Regierungen
selbst ermöglicht und erleichtert. In manchen sehr wichtigen Ginzelheiten, wie gerade in der Einteilung des Annuitäten, der Schaffung der Reparationsbank und der Festlegung der Arbeitsmethoden sind Erfolge erzielt worden, die sicherlich bleibenden Charakter haben werden. Aber gerade in der Hauptsache, der zahlenmäßigen Festseßung der deutschen Schuld, in der Frage des Transferschuzes und der Sachlieferungen sind die Differenzen jetzt noch sehr groß. Sie werden aber auch dann nicht aus der Welt geschafft werden können, wenn sie jetzt bei der Abfassung des Schlußberichtes nicht mehr direkt von der Front her aufgegriffen werden. Diese drei Punkte greifen andererseits schon so start in das Gebiet der Politik hinüber, daß man den Sachverständigen einen Mißerfolg nicht verübeln kann. Um so mehr wird man auf die Konzilianz und die Geschicklichkeit der politi sch en und diplomatischen Unterhändler, die nun ans Wert zu
gehen haben, rechnen müssen.
Auf jeden Fall ist sich die Pariser Preffe einig in der Auf fassung, daß, wie sich der Intransigeant" ausdrückt, die Konferenz praktisch zu Ende ist. Eine Besserung der Situation fönne nicht mehr erwartet werden, und das Kommuni qué vom Dienstag jei nichts anderes, als das Sterbegeläut gewesen. Es bleibe allerdings der Dames- Blan und die Belegung des Rheinlandes. Der Temps" feinerseits erflärt, es märe ge jährlich sich noch irgendwelchen. Illusionen hinzugeben. Man fönne dabei mir in die Falle hineingeraten, daß die Verantwortung für den Mißerfolg von der deutschen Delegation auf die Alliierten ab gewälzt würde. Die Alllierten dürften sich zu feinem Manöver hergeben, das etwa die Partie für Dr. Schacht noch retten tönnte.
Erste Sitzung des Unterausschusses.
Der Unterausschuß, den die Reparationstonferenz heute Bormittag zwieds Abfassung eines Berichts über die bis jeẞt ge= führten Berhandlungen ernannt hat, hat in seiner ersten Sizung, die heute Vormittag stattfand, das Arbeitsprogramm festge legt. Es ist beschlossen worden, die nächste Sizung am Freitag nachmittag abzuhalten und inzwischen den Entwurf eines Exposés fertigzustellen, der als Unterlage für die weitere Diskussion dienen soll. Die Abendblätter erklären, daß die Abfassung des Berichts jedenfalls zehn Tage in Anspruch nehmen werde, und daß man die Entscheidung über das Schicksal der Konferenz zwischen dem 10. und 16. Mai erwarten fönne.
Obstruktion im Landtag.
Deutschnationale und Volkspartei verhindern Abstimmung über Gewerbesteuer.
Im Preußischen Landtag nahm der Rest der zweiten Lesung des Etats des Ministerpräsidenten am Dienstag noch volle sieben Stunden in Anspruch. Die Vertreter der kleinen Parteien nüßten ihre Redezeit fast bis auf die letzte Minute aus und sagten dafür um so weniger.
Aus der ganzen Debatte sind eigentlich nur zwei Reden zu erwähnen, die des Boltsparteilers Sten del, der in sehr gerundenen Redewendungen die Oppositionsstellung und die Obstruktionstaftif der Volkspartei zu begründen suchte, dabei aber feine Regierungssehnsucht wenig verhüllte, und eine groß angelegte Debatterede des Abg. Dr. Hamburger( S03.), die mit allen Gegnern gründlich abrechnete. Der deutschnationale Hauptredner Herr von Rohr hatte die Linksparteien ersucht, etwas mehr ge= schichtlichen Sinn zu zeigen. Das war unvorsichtig, das hätte er nicht sagen sollen. Hamburger überschüttete ihn mit einer solchen Flut historischen Wissens, daß Rohr ganz hilflos darin herum. paddelte und beinahe darin ertrunken wäre. Dem Phantasiebild, das die Deutschnationalen vom Staate Friedrichs des Großen malen, stellte er die geschichtlichen Tatsachen entgegen: Friedrich II. war ein brutaler Tyrann und ein Basall ausländischer Mächte. Sur Landwirtschaftsfrise zeigte er historisch, wie nach allen großen Kriegszeiten die deutsche Landwirtschaft eine bittere. Not zeit hat durchmachen müssen. Bum Borwurf des Landesverrats, bem beliebtesten Argument, mit dem jeßt die Deutschnationalen gegen die Sozialdemokratie arbeiten, verwies Hamburger auf die Fälle alter Konservativer, die nach Kriegsende Anschluß an Bolen, Litauen und die Tschechoslowakei suchten und andererseits auf die gewaltige nationale Leistung, die die Sozialdemokratie während des Krieges und nach dem Zusammenbruch vollbracht hat. Hamburgers Rede fand lebhaften Beifall.
1
Im übrigen wurde der Etat des Ministerpräsidenten unver ändert genehmigt und in der achten Abendstunde wandte sich das Haus der zweiten Lesung der neuen Gewerbe. steuervorlage zu. Der deutschnationale Abg. Heden tündigte neue Obstruktion an.
Bei den Abstimmungen in später Abendstunde murden in namentlicher Abstimmung gleichlautende deutschnationale und volts. parteiliche Anträge auf volle Erfassung des Kundengewinns der Konjumpereine durch die Gewerbesteuer durch Strei chung der bisherigen Fünfprozentgrenze mit 206 Stimmen der Regierungsparteien und Kommunisten gegen 107 Stimmen der Rechten, Wirtschaftspartei und fleiner Gruppen abgelehnt.
Weiter wird in namentlicher Abstimmung mit 210 Stimmen der Regierungsparteien gegen 111 Stimmen der deutschnationale Antrag auf schärfere Erfassung der Filialbetriebe abgelehnt..
Beim§3 der Borlage, der die Berlängerung auch der geltenden Bestimmungen um ein Jahr ausspricht, beantragt Abg. Hecken( Dnat.) wiederum namentliche Abstimmung. Die Deutschnationalen. Deutsche Volkspartei , Wirtschaftspartei, deutsche Fraftion, Nationalsozialisten beteiligen fich nicht an der Rartenabgabe.
Es werden nur 215 Stimmen gezählt, so daß der Landtag beschlußunfähig ist.
Um 422 Uhr vertagt Präfident Bartels die Sigung auf mitt woch, 12 Uhr: Weiterberatung der Gewerbesteuer, zweite Lesung des Haushalts der allgemeinen Finanzverwaltung, Abstimmung über das kommunistische Mißtrauensvotum gegen den Innenminister und über verschiedene angefochtene Etatpositionen.
Bankkonto: Banf der Arbetter. Angeftellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitentaffe Lindenstr. 8
Splitter und Zellen.
Wie es um die Maffenpartei" wirklich steht.
Von Franz Künstler.
Die Kommunisten haben, in flarer Erkenntnis ihrer or ganisatorischen Schwäche, bei den diesjährigen Betriebsrätewahlen ihren letzten Trumpf ausgespielt, indem sie die unorganisierten Arbeiter gegen die Gewerkschaften mobilisierten. Das Zentralfomitee der KPD. hat in seinem Rundschreiben Nr. 6 an alle Bezirksleitungen, Redaktionen und Sekretariate der Arbeitermassen gegen Sozialdemokratie und Gewertdie Parole gegeben, daß das beste Mittel zur Mobilisierung schaften die Kampagne zur Betriebsrätewahl sei. Diese Parole wurde befolgt, und so fonnten die Kommunisten in Betrieben, Fortschritte erzielen. in denen das Organisationsverhältnis schlecht ist, scheinbare
Die roten Siege" und Triumphe der„ revolutionären Opposition" der Kommunisten sind also nur von unorgani sierten Arbeitern erftritten worden. Auf solche Erfolge stolz zu sein, darf man den Kommunisten überlassen.
werben um die Unorganisierten, damit sie sich organisieren und Die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften Kommunisten tun, ist ein Umschmeicheln der Unorgani in die Klassenfront des Proletariats einreihen. Was die fierten als Unorganisierten, um sie in einen Gegensatz zu stellen zu den Organisationen der modernen Arbeiterbewegung. Das Poussieren mit den Unorganisierten wird der Stal- Partei feine Dauererfolge bringen. Die Geschichte der Arbeiterbewegung lehrt, daß unorganisierte Maffen bei großen wirtschaftlichen und politischen Kämpfen niemals als Aktivum in Rechnung zu stellen find. Je zahlreicher die Arbeiter or ganifiert sind und je fefter sie sich mit ihrer Organisation verbunden fühlen, um so stärker ist ihre Position gegenüber dem Unternehmertum. Die Kommunisten glauben selbst nicht, daß die unorganisierten Arbeiter, die jetzt die ,, revolutionäre Opposition" bilden, von den Kapitalisten gefürchtet werden.
Alle Phrasen und Barolen gegen die Sozialdemokratie können die organisatorische Schwäche der KPD. ebensowenig zudecken wie die zahlenmäßige Schwäche der organisierten KPD. - Mitglieder in den Gewerkschaften und Kultur organisationen der modernen, Arbeiterbewegung. Der Abgeordnete Dahlem hat in der ,, Roten Fahne" vom 16. April geschrieben:
Die Mitgliederzahl der Berliner Organisation ist gegenüber den riesigen Aufgaben und auch angesichts des vorhandenen politischen Einflusses der Partei in Berlin gewiß viel zu gering. Hier liegt eine große Schwäche der Parteiorganisation, die behoben werden muß.
Wie schwach der zahlenmäßige Einfluß der KPD in den verschiedenen proletarischen Maffenorganisationen Berlins ist, zeigt der gedruckte Jahresbericht der kommunistischen Bezirksleitung mit aller Deutlichkeit, wobei die erste Zahlenreihe die absolute Zahl der kommunistischen Parteimitglieder in den betreffenden Organisationen wiedergibt, die zweite den Prozentsatz der kommunistischen Mitgliedschaft von Berlin , der der entsprechenden Organisation angehört.
a) Sportorganisationen
2. Arbeiter Sängerbund. 3 Freie Schulgesellschaft 4. Boltsbühne
Proz
1. Arbeiter Turn und Sportbund.
896
6,6
2. Arbeiter Radfahrerbund
210
1,5
3. Arbeiter- Athleten.
84
0,6
4 Arbeiter- Schüßen.
99
0,7
5. Arbeiter- Schach
55
•
0,4
6. Arbeiter Somariter
75
0,5
7. Arbeiter- Segler
24
0,2
8 Touristen- Naturfreunde
28
0,2
9. Berband für Bolksgesundheit
58
0,4
10. Arbeiter- Abstinentenbund.
26
0,2
1555
11,4
b) Kulfurorganisationen
1. Freidenfer..
6000
44,1
305
2,2
184
1,4
1186
8,7
347
2,6
57
0,4
8079 59,4
c) Andere Maffenorganisationen
1. Genossenschaft..
4516
33,2
9274
68,2
1717
12,6
254
1,9
5. JAH.
877
6,5
6. Internationaler Bund
404
3,0
7. Reichsbund der Kriegsopfer.
27
0,2
8. Mieterorganisationen
299
2,4
9 Reichsbauernbund
7
0,1
10. Landwirtschaftliche Genossenschaft. 11. Kleingartenorganisationen
11
0,1
523
3,8
17909
131,8
5. Bolksfilmverband
6 Arbeiter- Radiobund
2. Rote Hilfe
3 RFB und Rote Jungfront 4. RFMB
O
Rein denkender Arbeiter, der in jahrzehntelanger Arbeit an dem Ausbau der proletarischen Massen- und Kulturorgani fationen beteiligt war, wird das Vorgehen der Vorstände