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Nr. 190* 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Mittwoch, 24. April 1929
ffievwe unterm SEelL
Draußen auf der Jungfern- Heide, gegenüber dem Strafgefängnis Plützenfse, stebt ein stattliches Vier- masterzslr2lha. ein Zirkus," denkt man und sieht sich dabei vergebens noch irgendwelchem Getier oder sonstigem zirzensischem Inventar mir Diesmal ist's eine Revue, die als erste ihrer Art mit eigenem chaus auf Reisen geht. 200 Tanzgirls und«ine ganze Reihe Artisten werden via Magdeburg   Halle, Bielefeld   usw. alle größeren, kleineren und kleinsten Städte bereisen und 5000 Zwschauern Gelegeicheit geben. Groß- Berliner   Revue- und Varietekunst nach Art der amerikanischenshows* zu bewundern. Das W a n d e r» fheater der Fünftausend er- fordert natürlich einen Riesenapparat an lebendem und totem Inventar und wahrhast gigantische Zahlen umschwirren den Fragesteller, der sich nach dem näheren Wie«rkiindigt. Ein Gesamtpersonal von 400 Personen, darunter, neben den Darstellern, eigene Handwerker, Schmied«, Zimmerleute, Sattler, Klebekolonnen, die dem Zug vor- ouseilen und die nötige Propaganda besorgen, Quartiermacher, die für Nachtquartier zu sorgen haben, eine 30 Mann starke Zelt- kolonnc, 36 Mann Orchester, ein Wagenpark von 3S0 Wagen, ein 800 Meter langer Zaun rings um das Theater, ein eigenes Nestau- rationszelt, in dem ein Mann vom Bau«ine Kantine betreibt usw. Die ganze Apparatur wird in Extrazügen per Eisenbahn bS- fördert. An einem Platz soll drei bis sieben Tag« gespielt werden, bis jetzt sind 40 Städte in Aussicht genommen, bzw. kontraktlich
Sias Snnere des SEelibaues festgelegt. Das künstlerische Personal wird in Hotels und Privat- zimmern untergebracht, das technische Personal wohnt in den mit- geführten Wagen. Das Innere des Zeltes wird ganz wie ein Theaterroum ausgestattet: plüschbezogenc Sitze, eine praktikable, teppichbelegt« Bühne, Läufer am Fußboden, dazu eine richtige Thcateraußenfront in strahlendstem Lichtmeer, das in eigener Licht- station erzeugt wird. Und die ganze Herrlichkeit muß in 4 bis 5 Stunden auf- und abmontiert sein. Zwei Zelte sind vorhanden, während das eine abgebrochen wird, erficht am neuen Ort bereits das andere. Die Garderobenräume für die Darsteller befinden sich in einem hinter dem Theater aufgebauten Zeltrainn. Im Mai soll Eröffnungsvorstellung in Magdeburg   sein.
Nachspiel zum Tresoreinbruch. Franz Saß wurde nicht mißhandelt. Die Staaksauwalkschasl I verllu hal das aus Antrag des Polizeipräsidenten gegen mehrere polizeibeamle wegen angeblicher Atthhandlungeu des Iran  ; Sah ringe- leitete Ermittlungsverfahren eingestellt. Saß behauptete bei der ersten Vernehmung vor der Staats- onwaltschaft, am 17. Februar im Polizeipräsidium durch Schläge ins Gesicht mit einem Gummiknüppel mißhandelt worden zu sein. D>e Behauptung wurde durch ein Lichtbild widerlegt, das am ]1. Februar von Saß aufgenommen worden war und keine Spur einer Gesichtsverletzung aufwies. Franz Saß änderte hierauf seine Angaben dahin, daß er möglicherweise auch am 18. Februar oder später mißhandelt worden fei/- Diese neue Bc- haiiptung ist schon deshalb Unglaubwürdig, weil Saß in der ersten lückenlosen Darstellung über seinen Aufenthalt im Polizei- Präsidium den Zeitpunkt der angeblichen Mißhandlung mit dem Gummiknüppel auf besttminte Stunden des 17. Februar genau f e st- gelegt hatte. Es haben aber auch sämtliche als Zeugen ver- nommenen Personen, die während der Polizeihost mit Saß zu tun hatten, keine Anzeichen einer Mißhandlung an ihm wahr- genommen. Auch der Dernehmungsrichter hat bei der Vorführung des Satz am 21. Februar keine Mißhandlungsmerkmal« an ihm ge­sehen, obwohl er besonders auf den körperlichen Zustand der Bor  - geführten achtete, weil oermutet wurde, daß sich die Einbrecher bei dem Einbruch in dem engen Stollen auch Hautabschürfungen zugezogen hätten.
Für die Möglichkeit, daß Saß nach dem 21. Februar bei seiner Vernehmung auf dem Polizeipräsidium mißhandelt worden sei, be- steht um so weniger ein Anhalt, als Sah selbst erklärt, nach dem 21. Februar von der Polizei gut bchandeick worden zu sein.
Das Grundstück für Einstein. Diesmal soll es ihm keiner streitig mache«! Bei den weiteren Perhandlungen zwischen dem Magistrat und Professor Einstein   hat die Stadt geeignetes Baugelände in C l a d o w a n g« b o te n. das aber von Professor Einstein  nicht angenommen wurde. Nun ist eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß Profesior Einstein sein Haus nach seinem Wunsche auf einem Waldgelände b e i C a p u t h errichten wird. Die Stadt Berlin   wird zur Erwerbung des Grundstückes 20 000 Mark zahlen. Bereits. die morgige Magistratssitzung wird sich mit diesem Uebereinkommen beschäftigen und der nächsten Stadtverordneten- sitzung eine Vorlage zuleiten. Das Grundstück entspricht allen Wünschen des Gelehrten. In bester landschaftlicher Lage, mit Zugang zur Havel  , grenzt es an der Rückseite an den Wald und ist mit allen Verkehrsmitteln be- quem zu erreichen. Es umfaßt eine Fläch« von 1500 Quadrottnetern. Die jetzige Besitzerin des Grundstücks, Frau Elisabeth Stern, hat es der Stadt Berlin   zum Preise von 12 000 M. bis zum 15. Mai an Hand gegeben. Hierzu würden noch etwa 8000 M. für Herrich- hing, Wege und Anschlüsse kommen. Hoffentlich wird jetzt der Zwischenfall recht bald endgültig bei- gelegt.
Orkan über Japan  . Schiffskatastrophe. 112 Personen umgekommen. In der Nacht zu Dienstag stieß der japanische DampferTopok.nni Mar u" in der Nähe von Kap Erina(im Süden der Insel Hokkaido  ) im Schneesturm ans einen Felsen und sank bald darauf. Zwei in der Nähe befindliche Dampfer retteten«7 Passagiere, während die übrigen IIS wahrscheinlich um- gekommen sind. Die Nachforschungen, die durch Liriegsschiffe an der Unglücksstelle vorgenommeu werden. sind bisher ergebnislos gewesen. Die Passagiere waren zum größte» Deil Fischer, die sich nach Kamtschatka   bc- geben wollten. Tokio  . 23. April. Am Dienstag wütete in den Mitiagsstunden ein Orkan erneut über ganz Japan  . Besonders großer Schaden wurde in dem japani schcn Hafen Sa sali angerichtet. Ein japanisches Schulschiff mit 100 Schülern wird vermißt. Es besteht die Möglichkeik, daß es Im Orkan unterging. In Sa sali sind 700 Häuser zusammengestürzt. Mehrere tausend Menschen wurden obdachlos. Die japanische Re gierung hat 5 Millionen Pen für die Berieilung von Lebensmitteln zur Bersüguiig gestellt. Ein jopanisch-r Panzerkreuzer, der in Sasaki stand, hat ein Rettungsboot m i l 27 Mann ver loren. lieber das Schicksal des verlorenen Bootes konnte noch nichts in Erfahrung gebracht werden.
Zweiie Miiielmeerfahri des Zeppelin. Flug über Gibraltar   und Lissabon  . Am 13.30 Ahr ist am gestrigen Dienstag derGraf Zeppelin" unter Führung von Dr. Eckener sowie der Kapitäne Lehmann. Ftemming und v. Schiller   lu Friedrichshascn zu seiner zweiten Millelmeersahrl ausgestiegen. An Bord befinden sich 2 l Passagiere und 4g Mann der Besahung, wissen- schoskliche Mitarbeiter usw. Die Wetterlage, dieGras Zeppelin" diesmal über dem Mittelmeer   antreffen wird, ist leider wiederum außerordentlich ungünstig. Heber dem West decken, wohin das Schiff zuerst gelangt, liegt augenblicklich ein Tiesdruckgebiet, das mit großer Schnelligkeit nach Osten auf Konstantinopel   zu wandert. Ihm folgt ein ganz schmales Hochdruckgebiet, das wiederum von einem großen, sehr schnell ziehenden Tiefdruckgebiet aus dem Atlantik abgelöst wird. Di« Kunst der Führung ist also, so rechtzeitig! das Mittelmeer   zu erreichen, daß das Luftschiff zwischen den beiden Tiefdruckgebiete» in der Hochdruckzone fahren kann. Da nach den Wettermeldungen zwischen den beiden Depressionen nur eine Spanne von 12 Stunden liegt, wird man an Bord des Schiffes alles aufbieten müssen, um den Anschluß an die Schönwetterzone nicht zu verpassen. Der Start in Friedrichshafen   erfolgte bei leidlichem Wetter. Der Himmel war blank, aber vor der Halle stand ein außerordentlich böiger Wind. Das Luftschiff überflog nach.den bisher vorliegenden! Meldun- gen um 14.50 Uhr Basel   und wurde um 15 Uhr mit Kurs auf die Burgunder Pforte gesichtet. Dr. Eckener   macht seine Route lediglich vom Wetter abhängig. Nach den bisher vor- liegenden Funktelegrammen scheint nun sicher zu sein, daß der Graf Zeppelin" zunächst von Belfort   aus mit südwestlichem Kurs die Pyrenäen   überfliegen und Sevilla   ansteuern will, wo Post ab­geworfen werden soll. Bisher ist vorgesehen, daß das Luftschiff an der Nordküste von Afrika   entlang fahren und voraussichtliä) am Freitag abend oder am Sonnabend morgen wieder in Friedrichs­hofen eintreffen soll. Das Luftschiff sandte 18.40 Uhr folgenden Funkspruch:Noch
(Berechtigte ü eher setzung von Erwin Magnus  ). Wie geschaffen für eine Stadt," murmelle er.Platz für ein Lager von vierzigtausend Mann. Man muß nur Gold finden." Er dachte einen Augenblick nach.Zehn Dollar die Pfanne genügen, um Scharen herbeizulocken, wie Alaska  sie noch nie gesehen hat. Und wenn's nicht hier ist, dann bestimmt irgendwo hier herum. Die Idee ist sicher gut. Man muß die Baugelände den ganzen Weg herauf im Auge behalten." Er stand noch eine Weile, sah über die einsame Fläche hinüber und malte sich aus, wie es hier aussehen würde, wenn der große Zustrom käme. Bor seinem Geiste entstanden die Sägemühlen, die Kaufhäuser, Wirtschaften und Tanzsäle und die langen Straßen der Goldgräbersied- lung. Und durch diese Straße wogte der Verkehr, Tausende von Männern, während vor den Geschäften die schwer- beladenen Schlitten mit langen Reihen von Hunden standen Er sah sie die Hauptstraße fahren und den zugefrorenen Klon- dike bis zu seinen Goldfeldern hinaufsteuern. Daylight lachte und schüttelte die Erscheinung von sich ab. dann stieg er zur Ebene hinunter und nach dem Lager. Fünf Minuten später hatte er sich in seinen Schlafsack ge- wickelt. Aber er öffnete die Augen und setzte sich auf, er- staunt, daß er nicht einschlafen konnte. Er betrachtete den schlummernden Indianer neben sich, die Glut des halb er- loschcnen Feuers, die fünf Hunde, die mit der buschigen Rute über der Schnauze dalagen, und die vier Schneeschuhe, die aufreckt im Schnee steckten. Die verdammte Chance laßt mir keine Ruhe, murmelte «r'Seine Gedanken kehrten zum Pokerspiel zurück.Bier Könige!" Er grinste b-i der Erinnerung. Das war eine Chance!" Er legte sich nieder, zog den Schlafsack um Racken und Ohrenklappen zusammen, schloß die Augen, und diesmal schlief er ein.# In Sixty Mike ergänzten sie ihren Proviant, vermehrten ihre Last um einige Pfund Priese und fuhren dann wieder
unverdrossen drauflos. Von Forty Mile   an war der Weg ungebahnt gewesen, und bis Dyea sollte es nun so weiter gehen. Daylight war in glänzender Verfassung, auf Kama dagegen blieb die furchtbare Fahrt nicht ohne Einfluß. Zwar schloß ihm sein Stolz den Mund, aber die Wirkung der Kälte auf seine Lungen ließ sich nicht mehr verbergen. Der an- gegriffene Rand der Lungenspitzen war mikroskopisch klein, aber sie begannen jetzt abzuschälen, was einen trockenen Husten verursachte. Jede außergewöhnliche Anstrengung bedeutete einen heftigen Hustenkrampf. Das Blut trieb ihm die Augen aus dem Kopf, und die Tränen rannen ihm über die Backen. Der Rauch von dxr Bratpfanne genügte, ihn «ine halbe Stunde nach Luft keuchen zu lassen, und wenn Daylight kochte, hielt er sich daher sorgfältig auf der Wind- seite. Tag für Tag, endlos kämpften sie sich vorwärts durch den weichen, ungebahnten Schnee. Es war einer harte, ein- förmige Arbeit ohne die Freude und Erregung, die man fühlt, wenn man über eine harte Oberfläche dahinsaust. Bald ging der eine, bald der andere auf Schneeschuhen voraus, es war unablässige harte Mühsal. Der Staubschnee mußte niedergepreßt werden, und bei jedem Schritt sank der breite Schneeschuh zwölf Zoll tief ein. Unter solchen Umständen erforderte die Arbeit mit dem Schneeschuh ganz andere Kräfte als gewöhnlich. Um vorwärts zu kommen, mußte der Fuß senkrecht gehoben werden. War der Schneeschuh in den Schnee eingepreßt, so stand die Spitze vor einer senkrechten, zwölf Zoll hohen Schneemauer. Wurde der Fuß beim Vor- wärtsschreiten nur ganz wenig schief gesetzt, so drang die Spitze in die Schneemauer und wippte herunter, daß der Schneeschuh dem Mann hinten gegen das Bein schlug. So mußte Stunde für Stunde bei jedem Schritt der Fuß zwölf Zoll gehoben werden, ehe das Knie ihn oorwärtsschwingen konnte. Dicht hinter dem Wegbahner folgten die Hunde, der Mann am Steuer und der Schlitten. Bei einer Arbeit, wie sie nur wenige Ausetwählte zu leisten imstande sind, schafften sie höchstens drei Meilen die Stunde. Das bedeutete längere Arbeitszeit, und um einen Vorsprung zu gewinnen für den Fall, daß ihnen etwas Unerwartetes zustoßen sollte, fuhren sie Tswölf Stunden täglich. Da das Aufschlagen des Lagers und das Kochen der Bohnen, die Zubereitung des Frühstücks, der Aufbruch am Morgen und die Mittagspause mit dem Auftauen der Bohnen drei Stunden erforderte, blieben ihnen nur neun Stunden für Schlaf und Ruhe, und weder Mensch noch Hund vergeudete eine Minute von diesen kostbaren neijn Stunden.
In Selkirk, der Poststation in der Röhe des Pelly-River, schlug Daylight vor, daß Kama hierbleiben und wieder zu ihm stoßen sollte, wenn er von Dyea zurückkäme. Ein vom Le-Barge-See hierher verschlagener Indianer hatte sich be- reit erklärt, seinen Platz einzunehmen: aber Kama war hals- starrig. Er grunzte mit einer schwachen Andeutung von Empfindlichkeit, und damit war die Sache erledigt. Dagegen wechselte Daylight die Hunde, ließ das erschöpfte Gespann zurück, damit die Tiere sich bis zu seiner Rückkehr ausruhten, und zog mit sechs frischen weiter. Um zehn Uhr erreichten sie Selkirk, und am nächsten Morgen um sechs Uhr befanden sie sich wieder aus der Wan- derung durch die weite Einöde nach dem fast fünfhundert Meilen entfernten Dyea. Eine zweite Kältewelle kam, aber ob kalt oder warm, der ungebahnte Weg blieb immer gleich. Wenn das Thermometer auf fünfzig Grad herunter ging. war die Reise ebenso beschwerlich, denn bei dieser niedrigen Temperatur widerstanden die harten Eiskristalle den Schlittenkufen wie Sandkörner. Die Hunde mußten eben stärker ziehen als auf demselben Schnee bei zwanzig bis dreißig Grad unter Rull. Daylight verlängerte die tägliche Arbeitszeit auf dreizehn Stunden. Er wachte eifersüchtig auf den gewonnenen Vorsprung, denn er wußte, daß noch schwierige Stellen kamen. Es war erst Mitte Dezember, und der ungestüme Fifty- Mile-River rechtfertigte seine Befürchtungen. An vielen Strecken war er offen und nur am Ufer entlang von unsichc rem Eise bedeckt. An zahlreichen Stellen, wo das Wasser gegen die steilen Felsufer brach, konnte sich überhaupt kein Eis bilden. Sie machten Umwege, gingen hier über den Fluß und dort wieder zurück und mußten es oft ein dutzend mal versuchen, ehe sie einen Weg über eine besonders schwie­rige Stelle fanden. Es ging nur langsam vorwärts. Die Eisbrücken mußten geprüft werden: einer von ihnen schritt dann mit den Schneeschuhen an den Füßen und einer langen Stange quer in den Händen voraus. Brach das Eis, so konnte er sich an die Stange klammern. Em   solcher Unfall begegnete beiden mehrmals. Bei fünfzig Grad unter Rull kann ein Mann, wenn er bis zum Gürtel naß geworden ist, nicht sofort Weiterreisen, ohne zu erfrieren, so daß jedes Bad eine neue Verspätung bedeutete. Sobald der Mann heraus- gezogen war, begann er, so naß wie er war, auf und ab zu laufen, um sein Blut in Zirkulation zu halten, während sein trockener Gefährte ein Feuer anmachte. Unter dessen Schutz kannte dann die Kleidung gewechselt und das nasse Zeug, bis zum nächsten Unfall getrocknet werden. Kartsetzung folgt.)