Nr. 224• 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 46. Mai 4929
Explosionskatastrophe in einer Klinik Bisher über 90 Tote.— Ein Stadtviertel in Eleveland(Ohio LlSA.) gefährdet.
Cleve land lchio). IS. Mai. Im Bestrahlungsraum einer Klinik ereignete sich eine Explosion. Tie Klinik geriet in Brand. Viele Patienten und andere Personen trugen Brandwun- den und andere Verletzungen davon. Tie Explosion hatte weiter zur Folge, dah aus den Laboratorien der Klinik Giftga s ausströmt«, daä sich in der Umgebung der Klinik verbreitete. Eine Anzahl von Fußgängern, die das giftige Eas einatmeten, brach bewußtlos zu» fammen. Alle verfügbaren Aerzte und Nettungsmann- fchaften wurden alarmiert, die in der Nähe befindlichen Autos und Lastwagen wurden zur Hilfeleistung heran- gezogen. 28 Leichen wurden bereits geborgen. Tie Zahl der Toten wird von der Polizei auf lll geschätzt. SYPaticnten sollen sich noch in der brennenden Klinik befinden. Viele Kranke sind unter den Trümmern begraben worden, mehrere Personen wurden dura, die Gewalt der Explosiv> dwe im Röntgenlaboratörium entstanden ist w e i I s o r t- geschleudert. Di« Löscharbeiten gestalteten sich außerordent- lich schwierig, da fortgesetzt neue Explosionen von Chemi - lallen erfolgten und Giftgase ausströmten. Während die in den oberen Stockwerken liegenden Kranke» von der Feuerwehr über Leitern hinweg gerettet werden konnten, sind alle In- fassen der im Erdgeschoß liegenden Krankensäl« getötet oder
verwützdet worden. Zahlreiche Feuerwehrleute und Kranken- hausirrsassen haben Vergiftungen davongetragen. Mehrer« Kranke befanden sich im Augenblick der Katastrophe aus dem Ope- .rationstisch. Nach einer ergänzenden Meldung aus Cleveland erei'grikte sich die erste Explosion kurz vor 12 Uhr mittags in per Krankenhausapothete. Der große Bestand an Chemikalien bot dem Feuer reiche Nahrung. Die hohe Zahl der Toten erklärt sich dadurch, daß die brennenden Chemikalien giftige Rauch- s ch w a d e n entwickelten, wodurch die Rettungsarbeit, an der sich neben der Feuerwehr auch zahlreiche Polizeimannschaften beteiligten, fast unmöglich gemacht wurde. Bei den Aufräumungsarbeiten stieß man überall auf Leichen. Alle Verletzten, die bewußtlos waren, sind von den Trümmern verschüttet worden. Die Ursache der Katastrophe. Die Feuerwehr Hot festgestellt, daß die Explosionen im Erd- geschah des Krankenhauses erfolgten, wo Filmstreisen ausbewahrt wurden, die zur Ausnahme van Röntgenphotographien dienten. Die Intensität der Flammen wurde dann noch durch die Explosion meh- rerer Saucrstofsbehälter verstärkt. Nach den Explosionen ent- wickelien sich dichte Wolken von Bromidgas, die bei den Opfern Blutungen der Augen, der Nase und des Mundes Hervorriesen. Alle in der Stadt aufzutreibenden Souerstoffbehälter wurden den Krankenhäusern, in die die an Gift und Gasvergiftung erkrankten Opfer der Katastrophe eingeliefert worden waren, zur Verfügung
S)er Westen baut Sit,
Die ausgedehnt« Bautätigkeit, die fetzt zur Hochkonjunktur in Berlin führt, bringt besonders im Berliner Westen ganz neue Stadtbilder. Wo man vor einigen Wochen noch Gärten und Tennisplätze sah, wachsen die Hochhäuser wie Pilze aus der Erde. Der B r e i t e n b a ch p l a tz, der an der Grenzecke von Steglitz , Wik- Wersdorf und Dahlem kegt, ist. fast vollständig zugebaut. Der Südwestkorso, der in seinem End- oerlaus eine grüne Allee durch Herr- liehe Gärten bildete, wird in Kürze ' vollständig bebaut sein. Neue Straßenzüg« sind auf Steglitzer Ge- biet im Verlauf der Forststraße ent- standen. Die Konsumgenosienschoft ist dem Zuge der Zeit gefolgt und hat dort ganz prächtige Verkaussräume geschaffen. Die Bühnengenossenschaft und der Schutzoerband deutscher Schriftsteller errichten ähnliche Wohn- komplexe, wie sie die„Künstler- kolonie" am Süd westkorso Hot. Leider sind die Wohnungen im Westen für den Geldbeutel des einfachen Mannes unerschwinglich.
gestellt. Besonders hat sich bei der Rettungsaktion der gerade oot* überfahrend« Lastautoführer Jack Sutherland hervorgetan, der einem Feuerwehrmann die Gasmaske entriß, in das brennede Gebäude hineinstürzt«, und 20 Personen rettete, che er selbst bewußtlos zu-- sarnmenbrach. kurz vor Redaktionsschluß wirb gedrahtet: Die Zahl der Toten bei dem Srankenhausbrand st» Cleveland ist aus 93 gestiegen. Man rechnet damit, daß noch«ehr Leichen unter den Trümmern siegen, vor dem Trümmerhaufen, den das Ge» bände bildet, spielen sich unbeschreibliche Szenen«st». Zu Hunderten suchen die Angehörigen der verunglückten An». fünft über das Schicksal ihrer Angehörigen, viele verwundete lagen stundenlang aus dem Straß eupslaster. che man ihnen Hilfe angedeihen lassen tonnt«. Anter den Toten befinden sich viele Opfer der Giftgase. Die Erregung in der Stadt ist ungeheuer.
Für den Arbeiter wird darum die Wohnungsfrage noch lange un- gelöst bleiben.
Heute Zeppelin-Siart nach Amerika ! Drei blinde Passagiere. Zriedrichshafeu, ß. Mal. 1 Dr. Eckester feilte bei einer Besprechung den Vertretern der preste mit. daß er sich nunmehr endgültig entschlossen Hab«, am Donnerstag früh S Uhr mit dem.Graf Zeppelin" zur Fahrt nach Amerika aufzusteigen. An die Fahrgäste ist die Weisimg eth gangen, sich bis J46 Ahr in der Halle einzufinden. Gestern morgen wurden auf der Werst des Lufischiffixrue« ist Friedrichshafen wiederum drei jung« Leiste entdeckt, die sich als blinde Passagier« an der»merikafahrt des.Graf Zep- pelin" beteiligen wollten. Zwei von ihnen hatten am Tage vorher das Luftschiff besichtigt und sich abends in die Halle ei»« schließen lasten, während der dritte in der Nacht über deM Zaun geklettert war. Das französische «nßenminiflerinm dementiert am Mittwoch die Meldungen, nach denen von französischer Seite! dem Fluge des.Zeppelin' nach Amerika besonderst Schwierigkeiten bereitet worden sein sollten. Die deutsche Regie, rung Hab«, so wird erklärt, vor acht Tag«, die Erlaubnis zum Ueberfliegen de» fronzöfifchen Gebiet» nachgesucht. Diese sei nickst nur gewährt worden, sondern man habe nach hinzugefügt, ihre Geltung sei ohne«eitere« verlängert, falls der Flug des Zeppelin etwa wegen der Witterungsverhältmste um einig« Tage oerschoben werden müßt«. Man Hab« nur. wie üblich. «m da»«erbot des Ueberfliegen» wo« Fastungsgebts. t e n erinnert._ « Rotterdam — Berlin . Sine neue Verbindung im QtstverkehrSnch. Da» Intern akiouat« Lnftverkehrsveß wurde am Mittwoch um eine«eitere Strecke erweitert. Ab 15. Mai kann der Luftreifende die Strecke Rotterdam —- »erlin ohne Zwischenlandung nnd ohne Umsteigen zurücklegen. Di« neue Fluglinie Rotterdam — Berlin ist eingerichtet von der Holländischen Einheit» ltzftverkehrsgesellf Hafk, die eng zusammenarbeitet mit der Deutschen Lufthansa. Die Luft- Verkehrsstrecke ist darum für das Derkehrsnetz wichtig, weil sie weiteren Anschluß von Rotterdam nach London hat. Die Dxuffche Lufthansa hatte deshalb die Vertreter des Reichsverkehrs- Ministeriums, des preußischen Handelsministeriums, der Holländischen Gesandtschaft und der Stadt Berlin nach dem Flugplatz eingeladen» wo um 12,40 Uhr das erst« Flugzeug dieser neuen Strecke landete. Pünktlich zur angegebenen Zeit wurde die dreimotorige Fokker- Maschine am Horizont gesichtet, und wenige Minuten später landete sie. Am Steuer der Maschine saßen die beiden von ihrem Linienflug bekannten Piloten Smirnosf und Aler. In der Passagiev-
3nck Xondon:
(Berechtigte 0 ebersei zun g von Erwin Magnus ). Was er tat. erregte die Aufmerksamkeit der Menge, so spontan und zufällig es auch geschah. Und seine letzte Tat war immer in aller Munde, ob er in dem wilden Wettlauf nach Danish Creek gesiegt oder den berlihmten kahlen Grislybären am Sulphur Creek getötet oder am Geburtstag der Königin in einer Kanuregatta gesiegt hatte, an der er teil- nehmen mußte, weil der Repräsentant von Sardough im letzten Augenblick ausgeblieben war. So war es auch einmal nachts im„Elchgeweih" zu der längst versprochenen Revanche- Partie mit Jack Kearns gekommen. Es war ausgemacht wor- den, daß das Spiel bis acht Uhr morgens dauern sollte, und da belief Daylights Gewinn sich auf zweihundertunddreißig- tausend Dollar. Für Jack Kearns, der bereits mehrfacher Millionär war, bedeutete der Verlxist nicht viel. Aber die ganze Gemeinde fiel fast von den Stühlen über die hohen Einsätze, und jeder von den Dutzend Berichterstattern, die an- wesend wären, schickten ihrem Blatt«inen sensationellen Ar- tikel. Trotz seiner vielen Einnahmequellen hatte er im ersten Winter alles bare Geld verbraucht. Wenn der Kies auf der Felsunterlage aufgetaut und an die Oberfläche gebracht war, gefror er augenblicklich wieder. Daher waren seine Claims, die für viele Millionen Gold enthielten, unzugänglich. Erst als die Sonne wiederkehrt«, schmolz das Wasser, mit dem sie wuschen, so daß sie die Erde ihres Goldes berauben konnten. Run hatte er auf einmal mächtige Ueberschüsse, die er in den beiden kürzlich begründeten Banken deponierte. Zwar wurde er von Leuten und Konsortien belagert, die ihn veranlassen wollten, sein Kapital in ihre Unternehmungen zu stecken, doch er spielte lieber sein eigenes Spiel und ließ sich nur auf Ber- bindungen ein. wenn sie allgemein defensiv oder offensiv waren/ So schloß er sich, obgleich er die höchsten Löhne zahlte. dem Minenbesitzerverbande an. organisierte den Kampf und vermocht« wirklich die wachsende Unzufriedenheit der Lohn-
arbeiter zu zügeln. Die Zeiten hatten sich geändert. Die alten Tage waren für immer dahin. Dies war eine neue Aera, und Daylight, der reiche Minenbesitzer, war loyal gegen seine Klassengenossen. In seinem Herzen tonnte, er die alten Tage nicht vergessen, während er mit seinem Verstände das ökono- mische Spiel nach den neuesten und praktischsten Regeln spielte. Solche Gruppenverbindungen waren die einzigen Ge- legenheiten, bei denen er sich an dem Spiel der anderen be- teiligte. Sonst spielte er sein hohes Spiel allein und brauchte sein Geld, um sein eigenes Feuer zu unterhalten. Die neu- gegründete Fondsbörse interessierte ihn ungeheuer. Er hatte eine derartige Einrichtung nicht gekannt, wußte aber schnell ihre Vorteile auszunützen. Hier gab es wieder Spiel, und bei mancher Gelegenheit gab er der Börse, ohne daß es seinen eigenen Plänen frommte,„eine Chance", wie er es nannte, aus reinem Uebermut, und weil es ihm Spaß machte. „Das übertrifft selbst Pharao, " erklärte er eines Tages, als er die Spekulanten von Dawson eine ganze Woche in Atem gehalten hatte, indem er abwechselnd ä la baisse und k la Hausse spekulierte, bis er zuletzt seine Karten aufdeckte und einen Betrag einheimste, der für andere ein Vermögen gewesen wäre. Wenn andere genug verdient hatten, reisten sie nach dem Süden, um sich unter dem sonnigen Himmel von dem harten arktischen Kampf zu erholen. Fragte man aber Daylight, wann er nach dem Süden wolle, so lachte er stets und sagt«, sobald sein Spiel gewonnen sei. Er fügte auch hinzu, daß nur ein Narr ein Spiel hinwerfe, wenn er gerade eine gute Karte in der Hand hätte. Die Tausende von Chechaquos. die Daylight wie einen Helden verehrten, meinten, daß er überhaupt keine Furcht kenne. Aber Bettles, MacDonald und andere schüttelten den Kopf und nannten das Wort„Weiber". Und sie hatten recht. Er hatte sie stets gefürchtet feit der Stunde, da Königin Anne in Iuneau sich in den damals Siebzehnjährigen verliebt hatte. Im übrigen hatte er nie eine Frau gekannt. Er war in einem Minenlager geboren, wo sie selten und geheimnisvoll waren, und da er keine Schwestern und keine Mutter hatte, war er nie mit ihnen in Berührung gekommen. Allerdings hatte er sie später am Dukon getroffen und ihre Bekannffchaft gemacht— diese weiblichen Pioniere, die gleich nach den ersten Goldgräbern über die Pässe gekommen waren. Aber nie hatte ein Lamm mehr vor einem Wolfe gezittert als er vor ihnen. Als Mann war es Ehrensache für ihn, sich mit
ihnen zu beschäftigen, und er hatte seine Rolle auch gut ge- spielt, aber sie waren ihm stets ein verschlossenes Buch ge- blieben, dem er jederzeit ein gutes Spiel Karten vorzog. Und jetzt, da er weit und breit �als König von Klondiks bekannt war und dazu noch verschiedene andere fürstliche Titel wie Eldorado-König, Bonanza-König, Holzbaron und Fürst der Schnellreisenden, nicht zu vergessen.den stolzesten von allen, Bater der Pioniere, trug, jetzt fürchtete er sich mehr als je vor den Weibern . Wie nie zuvor streckten sie ihre Arme nach ihm aus, und jeder Tag brachte neue Weiber ins Land. Ganz gleich, ob er im Haufe des Goldkommissionärs saß, in einem Tanzsqal nach Getränken rief oder sich einem Interview durch den weiblichen Vertreter der New Aork Sun unterwarf, überall, wo er ging und stand, streckten' sie ihre Arme nach ihm aus. Eine Ausnahme gab es jedoch, und das war Freda, die Tänzerin, der er das Mehl geschenkt hatte. Sie war die einzige Frau, in deren Gesellschaft er sich wohl fühlte, denn sie allein streckte nie die Arme nach ihm aus. Und doch sollte sie es sein, die ihm seinen ersten großen Schrecken einjagte. Das war im Herbst 1897. Er befand sich auf dem Rückwege von einer seiner kleinen Besichtigungsreisen, die diesmal dem Henderson, einem Flusse, gegolten hatte, der dicht unterhalb des Stewart in den Dukon floß. Ganz plötzlich war der Winter gekommen, und er kämpfte sich die siebzig Meilen den'Dukon hinab in einem gebrechlichen Petersborough-Kanu, während rings um ihn die Eisschollen trieben. Er hielt sich sorgsam an der schon harten Eiskante und war gerade im Be- griff, an dem eisspeienden Maul des Klondike vorbeizusausen, als er«inen Mann sah, der einen wilden Tanz auf der Eis- kannte aufführte und ins Wasser wies. Das nächste, was er sah, war eine pelzgekleidete weibliche Gestalt, die, mit dem Gesicht unter dem Wasser, gerade zwischen dem Treibeis ver- sinken wollte. Rur ein paar Sekunden, und das Kanu war an der Stelle, er packte die Frau an den Schultern und zog sie vorsichtig ins Kanu. Es war Freda. Und alles wäre gut gewesen, hätte sie ihn nicht, als sie später zur Besinnung ge- kommen war, mit vor Zorn flammenden blauen Augen an- gesehen und gefragt:„Warum hast du das getan? O, warum hast du das getan?" Das quälte ihn. Statt wie sonst gleich einzuschlafen, lag er lang« wach und sah immer wieder ihr Gesicht und die zornsprühenden Augen vor sich und grübelte über ihre Worte nach. Die hatten aufrichtig geklungen. Sie botte gemeint, was sie sagte. Und er grübelte weiter.(Forts, folgt.)
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