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BERLIN Mittwoch 22. Mai 1929

10 Pf.

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Der Abend

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Spalausgabe des Vorwärts"

B 116 46. Jahrgang.

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Konferenzschluß in Paris .

Noch in dieser Woche.- 25 Millionen jährlich mehr für Belgien .

Paris , 22. Mai,( Eigenbericht.)

Wenn auch in der Sachverständigentonferenz am Dienstag wieder neue Schwierigkeiten aufgetaucht zu sein scheinen, so dürfte nun doch die endgültige Einigung taum mehr in Frage stehen. Nach übereinstimmender Darstellung der Pariser Bresse haben sich die Gläubiger nun endgültig über die Berteilung der deutschen Zahlun gen geeinigt. Irozdem diese Zahlungen nach wie vor als materiell viel zu gering bezeichnet werden, sollen es die alliierten Sachver ständigen fertiggebracht haben, alle Gläubigerforderungen einiger maßen zu befriedigen. Dieses rechnerische Kunststüd loll durch ein fompliziertes System, wie Umschreibungen, Rückstellungen, Kompensationen und Rückgriffe auf den Reingewinn der fünftigen Reparationsban? erzielt worden sein. Nur in einem Buntte ist

man über die Youngschen Borschläge hinausgegangen. Man fordert

von Deutschland eine

Zufahjahresleistung von 25 millionen zur Befriedigung der belgischen Forderungen

für die im Kriege ausgegebenen Banknoten. Die Anmerkungen der alliierten Gläubiger zu den deutschen Vorbehalten find am Dienstagabend in Form eines Briefes dem Konferenzoorfigenden Owen Young überreicht worden. Boraussichtlich wird man den deutschen Delegierten 24 Stunden zur Prüfung dieses Schriftstüdes gewähren, so daß also die erste ge. meinfame Bolligung am Donnerstag stattfinden tann. Man hofft aber im französischen Lager, daß die Konferenz vielleicht noch in dieser Woche zu einem Abschluß gelangen werde.

Der amerikanische Banfier Morgan hat bereits einen Blaz für die Rückfahrt nach New York auf dem Dampfer Berengaria" belegt, der am 25. d. M. von Cherbourg abfährt. Der Konferenz vorsitzende Owen Young wird sich voraussichtlich noch einige Tage nach der Riviera begeben.

Amerika drängt und droht. Anfrage an Poincaré über das Schuldenablommen.

Condon, 22. mai.

Wie der Washingfoner Korrespondent der Times" von maß­gebender Seite erfährt, hat Schatjekretär Mellon vorgeffern den franzöfifchen Botschaffer Claudet erfucht, Poincaré mitzuteilen, daß die amerikanische Regierung so bald wie möglich über die Aussichten der Ratifizierung der französischen Schuldenfundierungsvereinbarung verständigt werden möchte. Es verlautet, daß Mellon dem Botschafter erklärte, wenn binnen an­gemeffener 3eit eine 3 usicherung wegen der Ratifizierung gegeben werden könnte, dann würde die Regierung bereit sein, der gegenwärtig ftattfindenden Sonderfession des Kongresjes die An­nahme eines Gesetzes anzuempfehlen, das die Frist für die Zahlung der rund 400 millionen Dollar, für die Frankreich nach dem Krieg das in Europa zurüdgelaffene amerikanische Heeres. gut taufte, verlängert

Schweres Erdbeben in Japan .

Nach Tokioter Meldungen ist in den Orten Mya. fati und Oita auf der Insel Kiuscht u das schwerste Erdbeben seit zehn Jahren verspürt worden. Die Be wohner flüchteten in größter Panit ins Freie. Bisher liegen Nachrichten über die Zahl der Opfer an Menschen nicht vor.

Kiuschiu ist die drittgrößte Insel des japanischen Reiches. Sie hat etwa 8 millionen Einwohner und wurde schon oft von Erdbeben heimgesucht. Die Hauptstadt der Insel ist der bekannte Hafen Nagajati

Der Frieden von Rom .

Erster Ausgang des Papstes.

Der Papst wird mit der Fronleichnamsprozession zum ersten mal den Batitan verlassen und von der Außentreppe des Peters. doms den Segen erteilen. Italienische Truppen werden auf dem Petersplay und vor der Bafilita den Ordnungsdienst versehen. Die Rolonnade, unter der sich die Prozession rings um den Petersplay bewegt, wird von den Truppen abgesperrt werden.

Die Gemeindeverwaltung von Desio , dent Geburtsort des Bapstes, ist vom Batikan und der Regierung ermächtigt worden, auf dem Dorfplay Bittorio Emanuele ein Denkmal für Pius XI. zu errichten. Das Denkmal wird auf einem Marmorsockel die bronzene Geftalt des Papstes auf einer Sänfte darstellen.

Beratung der Kleinen Entente .

Gemeinsamer Schiedsvertrag. - Darlegung ihres Wesens.

Belgrad , 22. Mai.

Die drei Außenminister der Kleinen Entente haben einen alle gemeinen Schieds- und Bergleichsvertrag zwischen ihren Staaten und Protokolle unterzeichnet, durch die die übereinstimmenden Bündnisverträge perlängert werden.

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schen Außenminifters hielt ber stellv. füdslamische Außenminifter Auf einem Banfett zu Ehren des tschechischen und des rumani eine Rede, in der er u. a. ausführte: Die regelmäßigen Konferenzen der Kleinen Entente führen zu einer Engerknüpfung der Bande herzlicher Freundschaft zwischen uns. Die moralische und tatsächliche Feftigkeit der Kleinen Entente ist auf folgende Tatsachen zurüd zuführen: Erstens ist die Kleine Entente nicht ein fünstliches Gebilde, das in der Stelle der Miniftertabinette erfonnen worden fei, um irgendeiner Eventualität oder vorübergehenden Schwierige feiten begegnen zu lönnen... Bielmehr hat die Kleine Entente ihren Ursprung im eftfriege. 3meitens mar es nur natürlich, daß die brei dan? übermenschlichen Anstrengungen fone ftituierten Staaten unter dem Schutz des Friedens die gegenseitige Attion fortsetten, die auf den Schlachtfeldern begonnen wurde. Die Kleine Entente ist vor allem errichtet worden, um madhjam und entschlossen den Frieden für sich selbst und für die anderen zu wahren. Der Gebietsumfang der drei Staaten wurde von den Alliierten im Verlauf feierlicher Konferenzen in Baris 1919 feft. gefeßt. Die damals abgefchloffenen und unterzeichneten Friedens. nerträge haben in dieser Hinsicht die Bedeutung starter histori. fcher Berpflichtungen. Der 3med der

regelmäßigen Konferenzen der Kleinen Entente besteht darin, darüber zu wachen, daß diefes heilige Gut unversehrt bleibt, und ferner das Wert des Friedens zum Abschluß zu bringen, der

Bayern - Held Reichsreform.

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PREUSSEN

BAYERN

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nicht eher ruhen, nicht eher raffen, bis ganz Deutschland eine einzige auseinanderstrebende Maffe ift!"

den blutigsten aller Striege beendete. Es genügt nicht, öffentlich zu erflären, daß der allgemeine Frieden das Hauptziel der internatio­nalen Bolilit eines Staates oder eines Bündnisses von Staaten ist, wenn man Handlungen begeht, die in jedem Augenblick diesen Frieden gefährden können. Man muß friedensfreundlich sein fann ich laut erttären, daß wir in diesem Sinne die Pflicht zur ohne jeden Hintergedanken. Im Namen unserer Bölfer Wahrung des Weltfriedens verstehen. Die Kleine Entente hat durch ihr Weiterbestehen bewiesen, daß tein Wechsel der Re­gierung oder der Minister auch nur den geringsten Einfluß auf ihre politischen Ideen ausübt, und daß fie im Stande ist, diese Bilicht zu erfüllen.

Der tschechoslomatische Minister Dr. Benesch erwiderte, daß er im Berlauf der sieben Jahre, in denen er an diesen Konferenzen teilgenommen habe, regelmäßig einen

beträchtlichen Fortschritt in der Konsolidierung Europas und der drei Staaten der Kleinen Entente habe feststellen können. Troy aller Steptifer werde die Kleine Entente von Jahr zu Jahr stärker. Ein schlagender Beweis hierfür sei die augenblicklich tagende Konferenz, die heute zur Unterzeidmung des allgemeinen Schieds- und Vergleichsvertrages zwischen den drei Ländern geführt babe. Die Kleine Entente unterscheide sich in grundlegender Weise von den früheren oder sogar von einigen neuen Bündnissen. Bei aller Wahrung der Lebensinteressen der drei Länder wisse sie sich doch der Entwicklung der Lage Europas und besonders Mittel­ europas anzupaffen, fie verstehe es, eine Annäherungspolitik felbft denen gegenüber zu betreiben, von denen sie ursprünglich durch Streitigkeiten getrennt war, und vor allem könne sie den Geist der neuen Zeit verstehen.

Auch der rumänische Minister Mironescu betonte, daß die Meine Entente eine gebieterische Notwendigkeit für die Wahrung der Existenz und des Wohlergehens der drei Länder sei.

Diefes Wohlergehen und diese Existenz seien mit der Aufrecht­erhaltung des gegenwärtigen Friedens verknüpft, und die Unverlehlichkeit der Verträge sei das einzige Mittel zur Siche­rung des Weltfriedens.

Der Bersuch, die bestehenden Berträge anzutasten, würde die Gefahr einer neuen furchtbaren Erschütterung der Welt herbeiführen, deren Folgen sicherlich auch für die Urheber ver­derblich sein würden. Der neue Dreibund spiele eine immer michtigere Rolle in der internationalen Politif als ein Fattor des Friedens und der Entspannung. Die neue heute angenommene Formel trage noch zu seiner Verstärkung bei.

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Die starte Betonung der Erhaltung des Status von 1919 in diesen Reden ist an Ungarn gerichtet, das mit Leiden­schaft und Zähigkeit die Wiedergewinnung seiner verlorenen Gebiete betreibt. Alle Inlandspropaganda brauchte die Gewinner- Nachbarn nicht so sehr zu beunruhigen, wenn nicht hohe britisch- italienische Protektion und protektionsgleiche französische Duldung Ungarn gewaltige illegale Kriegs­rüstungen ermöglichen würde und wenn nicht von England her Lord Rothermere die ungarische Irredenta stark er­mutigt würde. Die stärkste Stütze des ungarischen Revisions­begehrens ist aber die unleugbare Tatsache, daß nicht mur lebenswichtige Produktionsgebiete, sondern Hunderttausende geschlossen siedelnder Madya ren von ihrem Lande los­geriffen und fremdnationaler Herrschaft unterworfen worden find. Mag auch Alt- Ungarn seine Deutschen , Slawen und Rumänen schmählich behandelt haben und die Lostrennung aller überwiegend nichtmagyarischen Gebiete die logische Folge davon gewesen sein heute besteht infolge annegio­nistischer Ueberspannung der umgefehrte Zustand und er ist nicht weniger aufreizend und darum friedensgefährdend. Selbst die ungarische Sozialdemokratie, die gewiß frei von allem Chauvinismus und ledig jeder inneren Ge­meinschaft mit dem offiziellen Horthy - Ungarn des bluttriefen­den Kerker- ,, Christentums" ist, hat foeben auf ihrem Parteitag die Revision des Friedens von 1919 im Interesse der Er­haltung des Weltfriedens für notwendig erklärt. Es droht aus diesem Winkel Mitteleuropas dauernd Kriegsgefahr, und