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Polen und seine Nachbarn. Aeußerungen Zaleskis. Budapest , 23. Mai. Der hier weilende polnische Außenminister Z a l e s k i gab den Vertretern der Press« Erklärungen über die Beziehungen Polens zu den Nachbarstaaten. Ueber die polnisch- r u ss i s ch c n Beziehungen erklärte er, daß zwischen beiden Ländern gewisse aus der kulturellen Verschiedenheit herrührend« Gegensätze beständen, die zeitweise zu Meinungsverschiedenheiten führten. Bezüglich der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland hob Zaleski die schweren Gegensätze hervor, die zwischen beiden Nationen bestünden. Die Zu- kunst werde sich vielleicht besser gestalten. Die größten Schwierigkeiten würden dadurch verursacht, daß beide Nationen Staatsbürger hätten, die unter die Herrschaft der anderen Nation gelangt seien. Außerdem seien auch die persönlichen Eigentümlichkeiten beider Nationen sehr verschieden. Wenn zwei Staaten Industrie- und Agrarcharakter zugleich hätten, wie dies bei Polen und Deutschland der Fall sei, dann sei es sehr » schwer, einen Ausgleich zu finden. Was die polnische Ausfuhr

Bombe ins Landratsamt!

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Das erste Gastspiel derMailanderGcala Falstaff" Unter den Linden . Nach dem deutschen Auftakt denMeistersingern" in der Lindenoper hat gestern mit dem ersten Abend der Mailänder Scala die Reihe großer Kunstereignisi« begonnen, durch die diese Berliner Festspielsaison das Gepräge des Außerordentlichen erhalten soll. Sie hat mit einem Höhepunkt begonnen, auf dem nun«ine Woche lang, so dürfen wir erwarten, das Berliner Opernleben sich halten wird, doch der sonst nie und nirgends erreicht, gar über- troffen werden kann. Bewundernd stehen wir vor einem Ganzen von fast unbegreiflicher Vollkommenhest, ähnlich, doch anders noch wie neulich vor den Darbietungen des Amsterdamer Conzert- gebouw-Orchesters. Dort war es die Vollendung des Zusammen- spiels, in deren Bann wir standen. Hier, bei den Italienern, ist es nicht nur ein wundervolles Orchester, dazu«in schlechthin ideales Solisten- und Chorensemble, dazu ein beispielloses Ineinander- arbeiten von Musik und Bühne, ein Sichlmrchdringen bis ins Letzte und Aeußerste das Ganze eines Operncheaters, dessen Leistung seinen Ruhm und seine Passion übertrifft. Dies Gan.z« ist zusammen- gehalten, zu solcher Einheit zusammengeführt, in solcher Höhe empor- geführt durch den Mann, der an der Spitze steht: Arturo Tos- c a n i n i. Wenn heute, in einer Zeit der Kapellmeisterüberschätzung und-Vergötterung, alle großen, gefeierten Dirigenten gefragt würden, wer der größte unter ihnen ist, sie all« würden Toscaninis Namen nennen. Eine magische Wirkung geht von diesem Musiker aus, der in unauffälliger Sachlichkeit, mit einfachen, sparsamen Bewegungen vom Pult aus sein Amt versieht. Was freilich im einzelnen und im ganzen an der Arbeit geleistet werden mußte, um als Ergebnis das Bild solch einer Opernausführung zu erzielen, das wiederum geht über jede Vorstellung. Und dieser größte italienische Opern« dirigent der Gegenwart ist unendlich tief erfüllt von dem Meister, dem er den größten Teil seiner Lebensarbeit widmet: Verdi: von tiefstem Respekt erfüllt vor seinem künstlerischen Willen, wissendster, berufenster Verdi-Jnterpret. Und sie alle, die an seinem Stab hängen unsichtbar: denn sie scheinen zur höchsten Selbständigkeit der eigenen Person srei geworden, sie alle, Sänger und Spieler, sind verdi-ersüllt, toscanini-erfllllt, der Eindruck läßt sich nicht be- schreiben. MitFalstafs" haben sie begonnen der einzigen Oper Berdis. deren Wirkung nicht aus Arien und Ariensänger gestellt ist. Doch welch ein Künstler, Sänger, Schauspieler dieser Mariano Sta- bile, der die Titelrolle gibt! Es sind nicht lauterStars" aus der Bühne, man arbeitet gewissermaßen mit menschlich begrenzten Kräften: dazu anspruchslose Dekorationen, unaufdringliche Regie doch noch einmal: welch eine Gesamtleistung, welch ein Gesamt- bild. Das läßt sich nicht schildern, nur erleben. Wie gern möchten wir unseren Lesern sagen: Geht hin und erlebt. Daß wir's nicht dürfen weil es bei der Höhe der Eintrittspreise leider wie Hohn klingen müßte, das bleibt als einzige Schattenseite von diesem leuchtenden Abend._ K. P.

3n der Volksbühne sind et während der Berliner Fesifpielwoche am 9. Juni die Ersiausiübruvg von der allen Berliner Posse.Berlin wie cS weint und lacht" unter der Regie von Fritz Holl statt. Vorträge der Humboldt-Hochschule spricht Sonnabend, S Uhr, Georgen« stratze 30.81, Studienrat SatowäberDie Wunder der AdclS« b er g er©rotte". Mit Lichtbildern). Karten an der Abendkasse.

Zimmer zu vermieien." Trianon-Theater. Der französische Amüsierschwank(angeblich von einem sonst unbekannten Andrö Bernard, deutsche Bearbeitung von W. H o r n) dürfte in meiner Liste die Nummer 7368b führen. Er ist für sein Genre ziemlich zahm und harmlos. Es kommt nur ein versuchter Ehebruch vor zwischen dem Herrn Abgeordneten und seinem früheren Verhältnis, dos jetzt einen Botanikprofessor ge- heiratet hat und so ist nun einmal das Leben in dessen Pariser Zimmer von der geschäftstüchtigen Pensionsinhaberin unter- gebracht ist. Die Wohnungsnot und billige Verulkung des Par- laments und der Parlamentarier muß dazu herhalten, und die nicht sehr ausgiebigen«rotischen Kombinationen und Pcrmutationen zu aktualisieren. Nur der zweite Akt spielt im Schlafzimmer Außer dem Professor aus denFliegenden Blättern ", dessen Darsteller Guido G o r o l l seine Komik auch auf die deutsche Sprache aus- dehnt, sind der Deputierte, Kurt Keller-Nebri , die kesi« Zimmervermietrin Dora P au Isen und die nette Modistin o. D. Heidi E y s l e r zu erwähnen.<l.

3n derKomischen Oper", in der zur Abwechslung wieder ein- mal Operette gespielt wird, kam Walter B r o m m e sM a s- c o t t ch e n" erneut heraus. Dabei wurde James Klein Nachtrag- lich er war auf Pfingstabenteuer nach Magdeburg verzogen ein Kaddisch gesagt. Die Operette gefiel dank der famosen Alice Hechy (als Mascottchen) und den anderen Darstellern: Hellmut K r a u ß, Fritz Beckmann , Mary Klaus und Berta Scheven. Ein Stadtbau-Entwurf für Angora. Di« deutsche Stadtbaukunst hat eben einen schönen Erfolg zu verzeichnen: ihr Meister, Professor Hermann Jansen in Berlin , erhielt den ersten Preis bei dem Wettbewerb um einen neuen Ge- neralbebauungsplan für die Hauptstadt Angora. Die türkische Re- gierung hatte vor einiger Zeit einige deutsche und französisch« Archi- tekten zur Einreichung von Entwürfen für einen solchen Plan auf- gefordert. Jansen, ebenso wie ein anderer deutscher und ein franzö- sischer Architekt, waren der Einladung gefolgt. Angora hat zurzeit 70000 Einwohner. Jansens Entwurf stellt sich aber auf die vor- gesehene Erweiterung des Wohngebietes für 300 000 Einwohner ein. Die Schwierigkeiten liegen einmal in der schon bestehenden Be- bauung, dann in den Höhe-Unterschieden, die ja aber wieder eine interessante Gruppierung der städtebaulichen Zonen ermöglichen. Für Jndustviezwecke war ein besonderes Gelände auszuweisen, die Verkehrsfragen sollten geregelt und bestimmte eisenbahntechmsch« Fragen geklärt werden. Ein geschlossenes Regierungsviertel ist süd- lich der Eisenbahn Angora Silvas geplant. Jansen ist es gelungen, alle diese Probleme in einer Form zu lösen, die ihm und mit ihm der deutschen Stadtbaukunst in der jungen Türkei nun einen neuen großen Erfolg gebracht hat. Zubiläumslagung der kanigelell>cha!k. In Halle begann die Jubiläums- tScneraloeiiammlung anläijiich deS 25 jährigen Bestehens der.Kant-Geicll- fchait, die 5« Ortsgruppen im In- und ZiuSlande zählt. Der amerikanische Botschaster Schurman hicll eine Ansprache.

Wenn unsereiner Bomben schmeißt, Tut er'S aus nationalem Geist. Er ist fürwahr kein Kommunist, Was sich aus folgendem erweist; Er kriegt dafür Bewährungsfrist?

nach Deutschland betreffe, so sei Polen bestrebt, für seine Kohlen und Schweine einen Markt zu sinden, während die Jndustrieerzeug- nisse Deutschlands in Polen einen guten Absatz fänden. Bezüglich der Minderheitenfrage erklärte Zaleski, polen wolle keineswegs seine plinderheilen entnationalisieren, sehe alles daran, daß die Minderheiten ihre sprachliche und geistige Kultur bewahrten, und verlange von ihnen nur Loyalität dem Staate gegenüber. Zahlenmäßig stünden unter den Minderheiten die Ukrainer mit 4 Millionen an erster Stelle, dann folgten die Deutschen , deren Zahl rund«ine Million betrage.

Reichsbahn und Kalschgeld. Ein bedenkliches Verfahren.- Wer schützt das Publikum? Man schreibt uns: Am Pfingftsonntagabend in Potsdam . Nur zwei- Schalter stehen dem Publikum zur Verfügung und lang« Schlangen warten aus Abfertigung. Als ich endlich so weit bin, reiche ich der jungen Beamtin ein Fllnfmarkstllck Sie läßt es einmal klingen und er- klärt es für falsch.Woran erkennen Sie denn dos?" fragte ich erstaunt. ,Mm Klang!" lautete die kurz und bündige Antwort. Weder am Aeußeren noch am Klang dieser Münze kann ich irgend etwas Verdächtiges finden. Aber hinter mir wartet eine Polonäse und ich reiche daher ein anderes Fünfmarkstück.Das erste muß ich einziehen! Vorschrift!" erklärt die Schalterbeamtin trocken. Auf eine Auseinandersetzung kann ich mich um so weniger einlassen, als die vielen Menschen hinter mir warten und ungeduldig werden. Ich werde an den Gepäckschalterbeomten verwiesen. Don reicht mir der Beamte ein Stück Papier . Ich soll Name und Adresse angeben, damit ich von der Falschmünz stelle der Reichsbahn Bescheid erhalt«. Ich ersuche den Borsteher, sich die Münze selber anzusehen, die ich noch wie vor für echt halte. Nach anfänglichem Widerstreben holt sich der Vorsteher das Fünfmarkstück. Auch er erblickt nach langer Prüfung das Stück für falsch.Blei?"Nein, aber jeden­falls ein leichteres Metall". Ich sehe mir das Stück nochmals an und kann noch immer nichts Anormales daran entdecken.Wer cnt- scheidet denn darüber?"Die Reichsbank. Sie bekommen Bescheid." Ich gebe Namen und Adresse an und fordere eine Quittung bzw. Bescheinigung. Sie wird mir schließlich ausgehändigt mit folgendem Text:Fahrtartenausgabe Potsdam. Ein falsches Fünf- Markstück angehalten. S., Rb.-Ass.(Stempel der Gepäckabfertigung." Also nicht die Reichsbank, und auch nicht die Falschmünzstelle der Reichsbahn, sondern ein xbeliebiger Reichsbahn- assistent dekretiert, daß das Stück falsch ist. Ich protestiere daher gegen diese Formulierung, die das Urteil der zu- ständigen Stelle vorwegnimmt. Aber vergebens. Der An- gestellte beruft sich darauf,- daß er vom Vorsteher die Anweisung erhalten hat, die Quillung in dieser Form auszuschreiben. Ich sage: Wer gibt mir die Garantie dafür, daß es dieses, mir soeben abgenommen« Fünfmarkstück ist, das der Münzstell« weitergeleitet wird und kein anderes?" Der Mann am Schalter lehnt eine solche Versicherung ab mit der Begründung, daß er nur Angestellter sei und die Anordnungen des Vorstehers befolg« und ich muß mich zu- frieden geben. Dafür bringe ich hiermit die Angelegenheit im öffentlichen Interesse zur Sprache. Ich stelle nämlich die hypothetische Frage: Wer bürgt mir dafür daß es dieses Stück und kein anderes ist, das der Reichs- bahnfalschmünzstelle zur Begutachtung und Entscheidung weiter- geleitet wird? Das Publikum ist doch berechtigt, Garantien zu verlangen, die ihm das jetzig« Verfahren nicht gibt. Hier handelte es sich nur um fünf Mark. Aber es wäre denkbar, daß einem Reisenden ein Fünfzig, oder gar«in Hundertmarkschein von irgend- einer jugendlichen Schalterbeamtin beanstandet und s ch la n k w e g eingezogen wird. Gegen diese Art der Bermögenskonfiskation, die Tür und Tor jeder Willkür und vielleicht sogar Schlimmerem öffnet, muß der Staatsbürger geschützt werden. Ich sehe einst- weilen nur den einen Ausweg, daß dem Geschadlgtcn auf Derlangen das Recht eingeräumt wird, daß das«ingezogene Geld ob Münze oder Schein in seiner Gegenwart versiegelt wird und daß die Oestnung und Prüfung durch die zuständige Stelle in s«i»er Gegenwart vorgenommen wird.

Deutsche Arbeitersänger in Paris . Ein Rückblick./ Von Klaus pringsheim .

Vor eine dreifache Aufgabe waren die Arbeitersänger aus Düsseldorf und Krefeld gestellt. Es galt erstens, vom künstlerischen Wollen und Können des deutschen Arbeiterchors vor fremden Hörern Zeugnis abzulegen. Es galt zweitens, im fremden Land neue Be- Ziehungen anzuknüpfen, Fühlung zu gewinnen, Fühlung vor allem mit den französischen Klossengenossen. Drittens sollten und wollten die Reiseteilnehmer die Gelegenheit dieses dreitägigen Aufenthaltes wahrnehmen, sich gründlich in Paris umzusehen. In den gegebenen Grenzen ist der dritte Teil der Aufgabe ganz, der erste zum großen Teil erfüllt, der zweite aber und beinahe wichtigste in weitem Um- fang versäumt worden. Es ist notwendig, auch davon offen zu reden. Ueber das außerordentlich« Gelingen des großen Chorkonzertes, vor allem der Aufführung des VerdischenRequiem", sind unsere Leser unterrichtet. Der Widerhall, den die schöne Leistung unserer Sänger fand, war unmittelbar und herzlich, und man konnte nachher, auch unter Franzosen, gesprächsweise-viele Stimmen rückhaltloser Anerkennung für den hohen künstlerischen Ernst, von dem sie zeugt«, vernehmen. Di« deutsche Arbeitersängerschaft war durch diese Dar- bietung durchweg würdig repräsentiert, und der DAS. hat allen Grund zur Dankbarkeit für sein« rheinischen Mitglieder, die zu- gleich mit der Initiative das finanzielle Opfer dieser Sängerreise nach Paris auf sich genommen haben ein Opfer, dessen Größe und Schwere nicht betont zu werden braucht. Aber Recht und Pflicht aller, die die Sache des deutschen Arbeiterchorgesangs zur ihren gemacht haben, ist es auch, sich mit betroffen, mit belastet zu fühlen durch Mängel, die bei der Durchführung dieses imposanten Reiseplanes fühlbar wurden. Auf die Fragwürdigkeit der Pro- grammzufammenstellung«in herausgerissener Symphoniesatz als Schluhnummer ist schon hingewiesen worden, und es scheint kaum möglich, ausführlicher darauf zurückzukommen. Aber für die Zukunft erhebt sich die Frage, ob es in solchem Fall nicht vielleicht Sache des Berliner Zentraloorftandes wäre, mitverantwortlich zu sein und rechtzeitig nämlich, bevor es zu spät ist seine beratende Stimme hören zu lassen. Gewiß darf und soll die künstlerische Arbcitsfreiheit der örtlichen Verbände nicht von Berlin aus gehemmt werden. Aber eine Konzertreise ins Ausland ist in ihrer wünschbaren und notwendigen Auswirkung nun einmal eine Angelegenheit der gesamten Arbeiterschaft, eine Sache nicht nur von lokalem Interesse für den Kreis der unmittelbar Beteiligten. Wenn zum erstenmal nach dem Krieg deutsche Arbeiterchöre den Weg nach Paris finden, wenn zehn Jahre nach dem Friedenschluß vierhundert deutsche Arbeiter im Vorhof des Schlosses von Versailles , geschart um das Denkmal Ludwig XIV. , deutsche Volkslieder singen: es ist klar, daß ein solcher Vorgang ein Geschehen symbolisiert, das alle angeht. Es ist kein Geheimnis, daß man in den Kreisen der Pariser Arbeiterschaft dem Besuch der deutschen Genossen mit herzlicher Sympathie entgegensah. Aber es ist herzlich wenig getan worden, diese Sympathie zum Ausdruck gelangen zu lassen, zu bestätigen und zu vertiefen. Man hat vor einem Publikum gesungen, das durch Plakat« und Zeitungsnotizen geworben war. Der große Konzert- saal war gut besetzt, doch offenbar nicht ausverkauft: hätte es nicht nahe gelegen, für französische Arbeiterorganisationen hundert oder fünfhundert Plätze zur Verfügung zu stellen? Oder, wie gerne wären gewiß viele der deutschen Sänger bereit gewesen, irgendwo, irgendwann den französischen Genosien eine Stunde zu widmen und vor ihnen, nur für sie, deutsche Arbeiterlieder zu singen: ist keiner

von den Verantwortlichen auf den Gedanken, der so nah« lag, ver- fallen? Auch zu sonst einer Art menschlich-ungezwungener Zu- sammenkunft zwischen deutschen und französischen Genossen ist keine Gelegenheit gefunden war sie gesucht worden? Die deutschen Arbeitersänger haben keinen französischen Arbeiter zu sehen be- kommen: der französische Arbeiter hat die deutschen Arbeitersänger nicht zu hören bekommen. Das ist in der Tat kaum glaublich. Und kaum glaublich, daß eine offizielle Begrüßung durch die Pariser Behörden nur darum nicht zustand« kam, weil die dafür in Aussicht genommene Stunde im Reiseprogramm für die Besichtigung der Grabstätte Heinrich Heines reserviert war! Ganz natürlich, die Düsseldorfer wollten von ihrem Pariser Pfingstausflug nicht heimkehren, ohne Heines Grab aufgesucht zu haben. Aber man hätte doch wohl die Dispositionen des Reise- bureaus, dem die gesamte Organisation übertragen war, auch ein- mal umstoßen können. Man hätte sich etwas weniger der Autorität des Reisebureaus Hagemann u. Co., etwas mehr der Führung des Berliner Zentraloorftandes anvertrauen sollen. Dann hätte es sich vielleicht auch vermeiden lassen, daß die Berliner Vorstands- Mitglieder, die sich zum Zweck der Repräsentation der Reise ange- schlössen hatten, von dem festlichen Empfang in der Deutschen Bot- schaft fernblieben, weil sie vom Zeitpunkt des Empfangs nicht unterrichtet waren. Die deutschen Kreise, das dürfen wir mit Be­friedigung vermerken, haben es an Interesse für das Ereignis dieses deutschen Arbeiterbesuches nicht fehlen lassen, und insbesondere der Botschafter v. Hösch, der seine Gäste, unter ihnen auch zahlreiche Vertreter der deutschen Gesellschaft und der deutschen Presse, mit außerordentlicher Liebenswürdigkeit bewirtete, hat sein lebhaftes und nachdrückliches Interesse für alle Fragen des Arbeiterchorwesens be- kündet. Es war gewiß ein ungewohntes Bild, diese Hunderte deutscher Arbeiter sich in den prunkvollen Räumen des Botschafter- palais zwanglos-gesellig bewegen zu sehen. Auch derDeutsche Klub", der übrigens sich um das Zustandekommen des Konzerts in dankenswerter Weise verdient gemacht hat, zeigte sich an einem Fest- abend bemüht, durch ein reichhaltiges Konzert- und Varieteprogramm auch die berühmtenFratellini" waren aufgeboten den rheinischen Sängern ein paar gemüttiche Stunden zu bereiten. Land und Leute lernt man nicht gründlich kennen in drei Tagen. Die deutschen Arbeiter haben weder Land noch Leute tennengelernt, aber von den Sehenswürdigkeiten der Stadt Paris , deren Name in aller Welt einen einzigartigen Zauber ausübt, haben sie im Fluge soviel mitgenommen, als sich in der kurzen Zeit ermöglichen ließ. Der deutsche Arbeiter sieht die Welt, auch diese ihm neue Welt un- erschöpslicher Schönheiten, mit anderen Augen als der bürgerliche Baedeker-Reisend«. Sicher ist er empfänglich für große, elementare Kunsteindrücke, für den Anblick monumentaler Bauwerke. Aber er sieht, staunend, den königlichen Reichtum des Louvre, und vor seinem Auge steigt die unvorstellbare Vision jener Zeiten auf, in denen der größte Teil der Menschheit verurteilt war, alle Lebenskraft dem Glanz und dem Genuß der Wenigen zu opfern, die oben waren. Er sieht im Triumphbogen das Grabmal des unbekannten Soldaten, er sieht in der Spiegelgalerie von Versailles den Platz, an dem der deutsch -französische Friede unterzeichnet worden ist. Er fühlt, daß all dies auch ihn angeht, er fühlt sich in der heutigen Welt, in seiner Gegenwart, die auch hier ihn umgibt. Die deutschen Arbeitersänger haben viel gesehen und gut gesungen in Paris : nur die Regie hat versagt.