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indirekt durch Kampfmaßnahmen wie beispielsweise die Riesenaussperrung in der westdeutschen Schwereisenindustrie entstanden lein kann. Niemand ist in der Lage, diese ver- schiedenen Ursachen klar abgrenzen zu können: sie können zu- sammenwirken in der Richtung einer Verschärfung der Ar- beitslofigkeit, sie können aber auch entgegengesetzte Wirkungen haben. Konunktureinfliisse können jahreszeitliche Einflüsse fast völlig aufheben, sie können die jahreszeitlichen Einflüsse verschärfen, umgekehrt können jahreszeitliche Einflüsse, wie wir es in diesem Winter in so hohem Maße erlebten, auf Be- rufe zurückwirken, die sonst nie davon betroffen werden. Der Präsident der Reichsanstalt, Dr. Syrup, hat die Steigerung der Zahl der Unterstützungsempfänger infolge dieser Rück- Wirkungen auf 200 000 geschätzt. Angesichts solcher Tatsachen bleibt nur festzustellen übrig, daß man bei den Unternehmern Rechenunterricht gehabt haben muß, um von absoluter Sicherheit reden zu können. In eine ähnliche Schule muß der Vorsitzende des Arbeitsamts Stolp, Oberregierungsrat Dr. Vincke, gegangen sein. Was er in der ZeitschriftArbeit und Beruf" über grundlegende Irrtümer im Arbeitslosenversicherungsgesetz und ihre Aus- r- Wirkungen zum besten gibt, beweist nur, daß dieser seit zehn Jahren in der Praxis stehende Mann aus Unkenntnis das Gesetz mißbraucht. Dieser Mißbrauch wird für den ehrenwerten Oberregierungsrat keine nachteiligen Folgen haben. Neben anderen Sicherungen hat er eine gute Rück- Versicherung dadurch abgeschlossen, daß er grundlegende Irr- tümer entdeckt hat. Das wiegt für die Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände schwerer als eingestandene Mißbräuche. In diesem Zusammenhange sei nur zu einem Punkte nach Stellung genommen. Was die Vereinigung alsbeider- seitige wirtschaftliche und soziale Dispositionen" mystisch um- schreibt, formuliert der Vorsitzende des Arbeitsamts Stolp  folgendermaßen: Die Arbeitslosigkeit zerfällt in die beiden großen Gruppen der konjunkturmäßigen und der saisonmäßigen Arbeitslosigkeit. Während die Arbeiter, die der ersteren zum Opfer fallen, es stets als ein großes Unglück empfinden, wenn sie aus ihrer Arbeitsstelle weichen müssen, ist es für den saisonmäßig Arbeitslosen in seinem Beruf bedingt, daß er eine bestimmte Zeit im Jahre feiert. Um«inen Ausgleich gegen dieses Gefahrenmoment zu schaffen, er- halten die Saisonarbeiter stets einen höheren Lohn als die übrigen, und die Nachkriegsentwicklung hat es' sogar mit sich gebracht, daß die Spanne im Lohnsatz zwischen Normalarbeitern und Saisonarbeitern heute wesentlich größer ist als früher." Dieser Oberregierungsrat muß leider nicht aus saison- mäßigen Gründen aus seiner Arbeitsstelle weichen, so daß wir auch bei ihm um den Genuß gebracht werden, das a.ls ein großes Glück zu empfinden.- Was es mit demAusgleich" durch die höheren Löhne der Saisonarbeiter auf sich hat, wollen wir an Hand zahlenmäßiger Feststellungen der Reichsanstalt zeigen. Zu diesen Saisonarbeitern gehören ja nicht nur die gelernten Bauarbeiter, es gehören auch dazu die Bauhilfs- arbeite? und die ungelernten Arbeiter im Baugewerbe, es gehören außerdem dazu: gelernte und ungelernte Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft, in der Industrie der Steine und Erden, aus dem Verkehrsgewerbe und nicht zuletzt ein erheblicher Teil Tagelöhner und ungelernter Arbeiter aus der Gruppe: Lohnarbeit wechselnder Art. Wir haben es also bei den Saisonarbeitern, die für die Landesfürsorge in Frage kommen, mit verschiedenen Berufs- gruppen zu tun, wobei das Schwergewicht beim Bau- g e w e r b e mit seinen Facharbeitern, Hilfsarbeitern und un- gelernten Arbeitern liegt. Das müßte, wenn die Behauptung von dem höheren Lohnniveau der Saisonarbeiter richtig wäre, unter diesen Umständen zur Folge haben, daß bei einem Vergleich in der Zusammensetzung der Lohnklassen zwischen Arbeitslosenversicherung und Sonderfürsorge in der letzteren die h o h e n Lohnklassen am stärksten besetzt sein müßten. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Von den Hauptunterstützungsempfängern in der Arbeitslosenversiche- rung und in der Sonderfürsorge entfielen am 15. Februar als Stichtag auf die
Lohnklaftm l lbis 10 RM.) II(über 1014 RM.)
III( IV( V( VI{ VII( VIII( IX(
X XI
1418 1824 2430 3036 3642 42-48 4854 5460 60
zusammen
Arbcitslosenversichcrung o. S. . 29 633 1,9 . 48 588 3.1 . 76 340 4,9 . 153 297 9.9 . 186 067 12,0 . 218 000 14,1 . 210 450 13,6 . 196 930 12,7 . 157 878 10,2 . 118 374 7,6 . 155 583 10,0 1 551 140 100,0
Sondersürsorze v S. 7 544 16 613 29 948 53 074 77 437 138 040 136 954 120 075 79 683 65 965 79 350 804 683
0.9 2,1 3.7 6.6 9.6 17,2 17,0 14,9 9.9 6,2 9.9 100,0
Es besteht also in Wirklichkeit in den drei höchsten Lohn- klaffen fast keine Abweichung, in den Lohnklassen 9 und 11 der Sonderfürsorge sogar eine Verschlechterung, und nur in den mittleren Lohnklassen ö, 7 und 8 eine etwas stärker« Besetzung. Die Unternehmer denken also gar nicht daran, wie die Denkschrift der Vereinigung wahrheitswidrig behauptet, in ihrenwirtschaftlichen und sozialen Dispositiv- nen" lies: Gewährung höherer Löhne das Risiiko be- rufsüb'kicher Arbeitslosigkeit abzugelten. Es kann deshalb erst recht keine Rede davon sein, diese Arbeitslosen schutzlos zu machen. Dagegen ließe sich sehr wohl über eine Reform reden, die die Fe h l d i s p o si t i o ne n der Unter- n e h m e r zum Ausgangspunkt nimmt und diese in ver- stärktem Umfange zu einem sozial gerechten Lasten- ausgleich heranzieht. Aber das hat die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sicher nicht gemeint, obwohl es die richtige Schlußfolgerung aus ihren eigenen Be- hauptungen ist._ Llm den Parlamentarismus. Aundfunkgespräch zwischen Or. Koch-Weser und Marauhn. In dem ZyklusGedanken der Zeit", in dem seit einigen Monaten aktuelle Themen durch den Deutschlandsender Kömgowusterhaufen zur Diskussion kommen, sprachen am Sonntag der Reichsminister a.D. Dr. Koch-Weser und der Großmeister des Iungdeutschen Ordens Arthur M a h r o u n überParka- m e n t a r i s m u s". Es war eine Kritik on der augenblicklichen, parlamentarischen Form, ein« Kritik und auch eine Verteidigung, von großen Gesichtspunkten aus gesehen. ?m Bolschewismus und in der Weltplutokratie erblickt Mahraun beiden Gefahrenmoment- für jeden modernen, parlamentarischen Staat, denen Deutschland   sich allerdings bisher entzogen hat. Trotz. dem endet heute der Glaube des Staatsbürgers in dem Zweifel an
den llberalistischen Staat. Es ist kein Volksstaat mehr, sondern e! n Staat, der dem Parteiismus unterworfen wird, deshalb besitzt er nicht die Sympathien der Jugend, die aus dem Frvnterlebnis heraus nach persönlichen Bindungen strebt. Das Parlament muß darum anders aufgebaut sein. Wer kennt die Leute, die er in das Parlament wählt? Die Leistung, die Persönlich­keit müssen entscheiden und nicht die bloße Zugehörigkeit zu irgend- einer Partei. Der Aufbau der staatlichen Führerschaft mutz sich aus nachbarlicher Gemeinschaft vollziehen. Der Staat bedeutet für den Bürger mir dann etwas Großes, wenn er ihn lieben kann, wenn er ideell« Bindungen zu ihm fühlt. Wie gesagt, die Jugend bejaht den Staat, aber sie verneint das nach parteiistischen Gesichtspunkten auf­gezogene Parlament. Und doch Hot gerade dieses parlamentarische System in den zehn Jahren seines Bestehens für Deutschland   Bedeutendes geleistet. Vier schwerwiegende Momente führt Abg. Koch-Weser dafür an. Es gelang, eine Verständigung mit der Entente zu erzielen, das deutsche   Volk lebens- und kon- kurrenzfähig zu erhalten, den Bürgerkrieg zu vermeiden und den Bolschewismus abzuwehren. Die Grundlagen haben sich also bewährt, und auch die Führer haben Initiative und Können gezeigt. So schlimm ist also dieses parteiistische System nicht. Allerdings kann man dagegen Einwände erheben. Der moderne Parteibetrieb erscheint festgesroren, Taktik und Er- forschen der politischen Konjunktur sind wichtiger als Sachlichkeit ge- worden. Die Führer der Parteien ähneln manchmal Vorsitzenden von Verbänden, und die Methoden der Regierungsbildung, die sich nach der Zifferngröße der beteiligten Partei und nicht nach den vorhandenen Persönlichkeiten richtet, sind ebenfalls kaum ideal. Vielleicht wäre ein größerer Einfluß des Reichspräsidenten bei der Bildung des Kabinetts begrüßenswert. Bei der Wahl ist es be- denklich, daß niemand weiß, welcher Persönlichkeit er seine Stimme gibt, immerhin bleibt die parteiliche Einstellung eine Notwendigkeit, denn in erster Linie muß doch der Wähler wissen, welche politische Richtung der Kandidat einschlägt. Der Forderung Mahrauns, die staatliche Führerschaft aus der nachbarlichen Gemeinschaft aufzubauen, steht Koch skeptisch gegen- über, da heute der Begriff des seßhaften Bürgers immer mehr an Geltung verliert, der Rahmen ist zu eng gespannt, und auch eine Trennung von Wirtschaft und Politik läßt sich nicht ermöglichen. Die letzte Entscheidung muß beim Parlament verbleiben. Parka- mentarismus ist augenblicklich die einzig mögliche Staatsform, denn für eine Diktatur fehlt es in Deutschland   an Analphabeten, und Mündige lassen sich nicht mehr entmündigen. t.
Deutscher   Mieiertag. Mietserhöhung gegenwärtig nicht erwogen. Der Bund Deutscher Mieteroerein«(Sitz Dresden  ) hielt in der Zeit vom 23. bis 27. Mai in Mainz   seinen M i e t e r t a g ab. Im Mittelpunkt der Tagung stand ein Referat des Vorsitzenden Herrmann  , der ausführte, daß das Ergebnis der Reichstagswahl 1928 auf die Politik der Wohnungswirtschaft nicht ohne Einfluß geblieben sei. So habe der Reichsarbeitsmimster anläßlich einer Rücksprache mit der Bundesleitung offiziell erklärt, daß mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zurzeit«ine weitere Mieterhöhung nicht erwogen werde. Herrmann wies dann darauf hin, daß sich auf dem Gebiete des Miet- und Wohnrechts eine fürchterliche Zersplitterung bemerkbar mache, die an die schlimmste Zeit der Kleinstaaterei erinnere. Hier müsse Wandel geschaffen werden, wenn man die Wohnungsmisere überwinden wolle. Ueber Mlei-, Wohn- und Bovenrecht referierte Rechtsanwalt Groß- Dresden. Er forderte u. a., daß das künftige Mietrecht dem Mieter das Recht auf Fortsetzung des Mietverhält- nifses geben müsse. Die. Mietzinsbildung müsse vom Staat kontrolliert werden. Im weiteren forderte der Red- ner im künftigen Recht Bestimmungen über den öffentlichen Woh- nungsnachweis, die Verwendung öffentlicher Mittel für den Neubau und«ine gesunde Bodenpolitik der Gemeinde.
DieLtnzucht" konfisziert. Vier Bücher und 2000 Zettel. Leipzig  , 27. Mai.  (Eigenbericht.) Das gemeinsame Schöffengericht in Leipzig   beschäftigte sich am Montag mit einem objektiven Verfahren gegen das Buch Es lebe der Krieg" von Bruno Vogel  . Dieses Buch wurde 1924/25 durch Urteil des Schöffengerichts Leipzig   eingezogen und beschlagnahmt, da es angeblich in zwei Kapiteln und einigen Bildern zweifellosunzüchtig" sei. Die Verhandlung lief durch sämtliche Instanzen bis zum Reichsgericht. Während dieser Zeit, im Juni 1926, erschien nun die dritte Auf- läge, dieunzüchtigen" Worte waren mit schwarzen Strichen über- druckt. Den Büchern war ein Zettel beigelegt, auf dem die über- druckten Worte verzeichnet waren. Auch in dieser Auflage waren die beiden vom Reichsgericht alsunzüchtig" bezeichneten Kapitel aber- niols enthalten. Beim Verleger sind damals vier Stück dieser Bücher und etwa 2000Stück Beilagen beschlagnahmt worden. Gegen Verleger und Autor konnte ein Strafverfahren nicht ein- geleitet werden, da die Frist bereits oerjährt war. Das Urteil lautete: Die vier beschlagnahmten BücherEs lebe der Krieg" und die 2000 Beilagen werden eingezogen und vernichtet, da si« im Sinne der früheren ergangenen Urteile alsunzüchtig" zu betrachten sind. Die Kosten fallen der Staatskasse zur Last.
Rarren und Zdioien." Das Urteil von Kommunisten über Kommunisten. DerD o l k s w i l l e", das Organ der linken KPD  -Opposition, urteilt über die beiden Nummern derRoten Fahne", die zum zweiten Verbot führten, in folgenden Sätzen: Diese Kostproben aus derAnalyse" derRoten Fahne" werden genügen, um die Frage berechtigt erscheinen zu lassen: Sind es Narren und Idioten, welche dortPolitik" machen, oder muß man für sie schärfere Ausdrück« finden? Was dieRote Fahne" sich jetzt gegenüber der deutschen   und insbesondere Berliner   Arbeiterschaft leistet, in bezug auf Aus- wertung der Maiereignisse, grenzt an Verbrechen. Die Arbeiterschast wird über die wahre Klassenlag« hinweg getäuscht, ' muß mit dieser ArtPolitik" in neue Niederlagen hineingehetzt werden. Das Geschreibsel derRoten Fahne", die Phantasien über akut revolutionäre Situation usw. sind aber nur richtig zu verstehen, wenn man die Hintergründe kennt, und die sind, aus eine kurze Formel gebrocht, die folgenden: Die Stalinsche Politik im Innern der Sowjetunion   braucht zur eigenen Begründung eine akut revo- lutionäre Situation in Deutschland  . Da sie nicht vorhanden ist, wird sie von den Lakaien und Schristgelehrten derRoten Fahne" erfunden und konstruiert. Stalin   braucht«in schwächstes Kettenglied" in der Kette der imperialistischen Mächte. DieRote Fahne  " muß es in Deutschland   erfinden. Darin de- - steht derWert" der Darlegungen derRoten Fahne"."
Nach einem Bericht desselbenVolkswillen" berichtet der Kvm- munist Hans Pfeiffer  , Mitglied der Bezirksleitung Berlin- Brandenburg der KPD  , in kommunistischen Versammlungen, daß Thälmann   in der KPD.   kaltgestellt sei. Er erzählt weiter, daß Maßlow jetzt schon der führende Mann der KPD  . sei, und wenn sich in der Mitgliedschaft noch Wider- stand gegen die Wiederausnahme Maßlows zeigen sollte, dann würde Maßlow eben von Stalin   wieder in die Führung ein- gesetzt werden. Er weist dabei darauf hin, daß Stalin   ja schon früher einmal Maßlow als den.Lenin von Westeuropa  " gekenn- zeichnet habe. Von Maßlow und Ruth Fischer   zu Thälmann  , von Thälmann  zu Maßlow. War Maßlow nicht eben noch ein Verräter, ein Spitzel, ein gekauftes Polizeisubjekt in den Augen der KPD.  ? Tut nichts, wenn Stalin   befiehlt, werden die KPD.  -Mitglieder ihm wieder Vertrauen schenken! Frau Aschenbrenner   geht.... München  , 27. Mai.  (Eigenbericht.) Die Abgeordnete im Bayerischen Landtag  , Frau Rosa Aschenbrenner  , die seit 1920 der kommunistischen   Fraktion als Mitglied angehört und zu den fähigsten Agitatoren der Kommu- nisten in Bayern   zählt, ist aus der KPD.   ausgetreten. Drc Grund ihres Austritts liegt in ihrer Weigerung, den blutigen, brutalen und widerspruchsvollen Parolen der Berliner  Zentrale zu folgen. In ihrer Austrittserklärung macht sie der Parteileitung den Vorschlag, sie wolle zunächst in Arbeitsgemeinschaft mit der kommunistischen   Landtagsfraktion verbleiben. Frau?lschen- brennerB«nrd einstweilen fraktionslos bleiben. Durch ihren Austritt aus der Fraktion würden die Kommunisten im Bayerischen Landtag  die vorgeschriebene Fraktionsstärke(5). und damit die Vertretung in den Ausschüssen verlieren. Parteitag unter Diktatur. Oie Leiden des ungarischen Proletariats. Der Parteitag unter Polizeiaussicht der Polizei- offizier sitzt neben dem Vorsitzenden und gibt ihm Weisungen: das ist das äußere Bild des ungarischen Parteitages. Der düstere Inhalt und der gedämpfte Ton der Verhandlungen weist auf den Druck der Gegenrevolution hin, der auf dem ungarischen Proletariat noch viel schwerer lastet als die Herrschaft der Gentry   in der Vorlriegs- zeit... Auf jede Lohnforderung antwortet der ungarische Unternehmer mit dem Hinweis auf den Trianoner Frieden! Um die Er- Haltung des barbarisch niedrigen Lohnniveaus bemüht sich der ganze Verwaltungsapparat.Ein sehr großer Herr ist der Ministerpräsident", bemerkte treffend ein Bararbeiter, aber noch mächtiger ist der S t u h l r i ch t e r(Landrat) und der mächtigste ist der Gendarm." In der Provinz ist das Schicksal des Arbeiters ganz in die Hände des Gendarmen gelegt. Wenn sich Arbeiter in den Grenzgebieten zu rühren wagen, so werden sie über die Grenze gejagt. Von guten ungarischen Arbeitern, die seit dreißig Jahren in Ungarn   wohnen, haben viele kein« Staats- bürgerschaft: sie werden nach Jugoslawien   oder in die Slowakei  einfach abgeschoben. Und auf Staatskosten werden dicke Bücher überUngarns Vergewaltigung" in den Nachfolgestaaten geschrieben... Angesichts dieser Rechtlosigkeit der ungarischen Staatsbürger hat man auf dem Parteitag mit Recht die Frage aufgeworfen:Was geschieht mit den politischen Rechten der Staatsbürger, die in den abgetrennten Gebieten wohnen, wenn die Friedens- r e v i s i o n wirtlich durchgeführt wird?" Die Frage wurde indirekt im Referat P e y e r s beantwortet, der berichtete, daß e r bei der Volksabstimmung in Oedenburg  , und zur Belohnung der Treue der Oedenburger Bevölkerung wurde ihr führte Peyer aus das geheime Wahlrecht entzogen! Dabei ist aber das unga  - rische Derfassungswerk noch gar nichtvollendet": man spricht davon, daß Bethlen den Untermietern das Wahlrecht zu rauben beabsichtigt. Von allen Reden des Parteitages waren die erschütterndsten die, die sich mit dem Los« der Landarbeiter beschäftigten.In Landarbeiterwohnungen sah ich" berichtete S z e d e r, der Sekre- trä des Landarbeiterverbondesvier Familien in einer gemeinsamen Küche. Zwanzig Kinder kriechen in diesem stinkenden, engen Loche herum. Die trockenen Daten, die Szeder über die Entlohnung der Landarbeiter anführte, waren so auf- reizend, daß der Polizeiofsizier ihm mit der Entziehung des Wortes drohte. Einem Landarbeiter wurde das Wort entzogen, als er über die körperlichen Marterungen der Landarbeiter berichtete. Dabei wird das Dorf hermetisch abgesperrt: Landarbeiter dürfen ihre Verwandten aus der Stadt nicht empfangen. Anna K e t h l y erzählte, daß sie mit der Post Briefe und Bücher an die Landarbeiter schicke. Die Briefe und Bücher erreichen aber die Landarbeiter nicht! Ein alter Genosse auf dem Lande, der fünfundsiebzigjährig« Paul Urban besprach mit seinen Schicksalz- genossen ihre traurige Loge. Deshalb sitzt er bereits feit einem Monat im Untersuchungsgefängnis. Dem braven Kämpfer brachte der Parteitag warme Ovationen entgegen. Auch der verhaftete K i s wurde mit minutenlangem Beifall gefeiert: man wählte ihn in die Kommission zum Schutz« der politischen Gefangenen. Ein politischer Gefangener als Mitglied der Kommission zum Schutze der politischen Gefangenen, das gehört auch zu dem Bilde des Terrors gegen die Arbeiter, von dem der Parteitag wieder ein beredtes Bild entrollte. Französisches und polnisches Dementi gegen Mostauer Enthül- lungen. In derMosk  . Rundsch.", der von dein früheren österreichi- schen Gesandten in Moskau  , Pohl, herausgegebenen deutschen   Wochen- schrift, war kürzlich ein Bericht über ein polnisch- französisches Militärgeheimabkommen vom Jahre 1925 veröffentlicht. Die a m t- liche polnische Telegraphenagentur erklärt am Montag in überaus e n e r-g i s ch e m Tone, daß eine derartige Konvention nicht bestehe und daß die Dokumente, auf die sich der Bericht stützt, F ä l- s ch u n g e n seien, vas gleiche läßt das französische   Außen- Ministerium durch Havas erklären. Der beleidigte Epp. Wegen Beleidigung des natioiialsoziatisti- schen Reichstagsabgeordneten von Epp wurde am Montag vom Münchener   Strafsenat der verantwortliche Redakteur derRoten Fahne" Schräder zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Beleidigung besteht darin, daß in der Ausgabe derRoten Fahne" vom 3. März 1929 in einem Artikel mit Bezug auf die Niederwerfung der Münchener Räterepublik   im Jahre 1919 von demberüchtigten von Epp, dem Mörder bayerischer Arbeiter" die Rede war. Wegen des gleichen Vorwurfs wurde dieRote Fahne" bereits im vorigen Jahr zu 3000 Mt Geldstrafe verurteilt. Und diese Vorstraf« wurde in dem jetzigen Verfahren als straf- verschärfend angesehen. Gestorben sind zwei bedeutende französische   Politiker: Der ehe- matige radikale Ministerpräsident Monis, 85 Jahre alt, und der bekannte Wirtjchaftspolitiker Sctzdoux, erst 58 Jahre alt.