Cwerts Anklage. Oer„Versöhnler* auf dem kommunistischen Parteitag. Das längst Erwartete, Dienstag nachmittag ward es Ereignis: Artur Ewert, eines der chäupter der„Versöhnler", bekam auf dem kommunistischen Parteitag das Wort in der Diskussion. Es wurde ihm sogar eine halbstündige Redezeit zugebilligt, was, am Sechsstunden res erat Thälmanns gemessen, freilich nicht viel war. Vorher hatten noch einige Delegierte aus den Bezirken im Reiche gesprochen und fast immer endeten sie mit der Forderung, daß mit den„Versöhnlern" endlich Schluß gemacht werden müßte. Zu poli» tisch belangvolleren Ausführungen kam es nur bei Ulbricht und Dahlem , auf die wir noch zurückkommen werden. Was wollen die„Versöhnler", was sagte Ewert? Fassen wir kurz zusammen. Ewert machte der kommunistischen Führung zum Vorwurf,.daß sie durch ihre„neue Taktik" die Partei von den Massen isoliere und sie zur Ohnmacht im politilschen Leben, wie im Heben der Arbeiterbewegung, verurteile. An mehreren Beispielen zeigte er das im einzelnen auf. Früher habe die Kom- munistische Partei die Taktik versolgt, möglichst viele Posten in der Kewerkschastsbewegung zu besetzen", um von da aus auf die der Kommumstischen Partei noch fernstehenden Gewertschastskollegen ein zuwirken. Heute dagegen verbinde man sich mit Unorgoni- sierten, gebe den„Reformisten " einen billigen Anlaß, die„revo lutionäre Opposition" loszuwerden, und' schalt« sich dadurch selbst von den Entscheidungen aus. Denn die Tatsache steh« doch fest, daß die Gewerkschaften bei ollen großen wirtschaftlichen Bewegungen die Führung in der Hand haben und daß ihr Ausgong nicht von der Opposition oder gar" von den Unorganisierten, sondern von den Gewerkschaften bestimmt werde. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den anderen Massenorganisationen der Arbeiter ichast, wie bei den Sportlern und bei den Freidenkern. Usberoll Rückgang des„oppositionellen", dagegen Stärkung des„refornnsti jchcn" Einflusses. Aehnliches sagte Ewert über die M a i- E r eig ni sse in Der- lin. Es fei die größte Dummheit gewesen, zum Boykott der Gewerf scha ftsve rsammlu Ngen auszurufen. Er hütete sich freilich, in der Oefsemlichkeit Kritik an der Putschtoktit der Parteileitung zu üben. Wer aber genauer hinhärte, und das taten die Delegierten, der wußte schon Bescheid. Auch hier habe es sich gezeigt, was von dem Gerede, die Kommunistische Partei habe schon die Mehrheit der Arbeiterschaft hinter sich, zu halten sei. Wenn das wirtlich irgendwo wahr wäre, dann müsse man klar erkennen,„daß die Linie, die die Partei jetzt entwickelt, dahin führt, daß wir nahe daran sind, die Mehrheit zu verlieren". Falsch sei es auch, einen Kampf gegen den Faschismus zu führen, den es in Wirklichkeit in Deutschland gar nicht gebe. Man könne höchstens sagen, daß die Form der Demo- kralie in der Deutschen Republik nur die verkappte Herrschaft des Finanzkapitals sei. Deshalb fei es auch ein« irrig« Einstellung, die Zusammenstöße in Berlin als einen Ausfluß des angeblich bereits in Deutschland herrschenden Faschismus zu betrachten. Ewert hat das nicht ganz so deutlich gesagt, denn sonst hätte ihn wohl bald ein Sturm der Entrüstung vom Rednerpult vertrieben. Aber seine Gedankengänge waren doch so, daß sie von den Dele- gierten als„reformistisch", also als verhältnismäßig vernünftig, empfunden werden mußten. Ewert bedient« sich zwar noch der kom- munistischen Phraseologie, aber er rückt doch schon ganz offen von der putschistischen Taktik der gegenwärtigen Parteileitung ad. Er oerlangt, noch«in wenig verschleiert, daß auch die Kommunisten sich auf den Boden der realen Tatsachen stellen und im Rahmen der republikanischen Stoatsform und mit verfassungsmäßigen Mitteln für ihre Bestrebungen kämpfen sollen. Zum Schluß seiner Rode erklärt« er, daß er einige im Januar ausgestellte Thesen fallen lasse. Er versprach weiter, die Beschlüsse des Parteitages und der Kommunisti - schen Internationale getreulich durchzuführen, verlangt« aber das Recht für sich und sein« Freunde, im Rahmen der Organi- sation sein« Meinung frei äußern zu können. Nach ihm erhob sich jedoch sofort ein Leipziger Delegierter, um den Partei- tag noch einmal vor den„Dersöhnlorn" zu warnen. Er schwang ein Papier, das die genaue Darstellung des Fraktionsausbaues der„Per- söhnler" enthalten soll. Danach dürft« deren Schicksal wohl de- siegelt' sein. Aus der vorangegangenen Diskussion ist noch zu erwähnen, daß Ulbricht, der gegenwärtig« Verbindungsmann zwischen Berlin imd Moskau , den M a i p u t f ch als ein« Art Generalprob« stfr den reoolutionä ren Endkampf seierte. Die Mai- kämpfe hätten den Beweit erbracht, daß die Schutzpolizei nicht un- llberwindlich sei: die Kommunistische Partei habe daraus gelernt, wie ihr« Kampfesmethoden noch zu steigern seien. Dahlem kündete an, daß die Kommunisten jetzt zur Schaftung eigener Organisationen in der Sportbewegung schreiten wür- den. Das in Berlin , Halle und einigen anderen Bezirken bereits durchgeführt worden sei, die Loslösung der reooluttonären Sport- genossen vom Bunde, müsse auch in den anderen Bezirken nach- geholt werden, dann wolle man diese Splitter zusammenfassen und einen neuen Sportbund gründen. Aehnliches soll in der Frei- denkerbeweg ung geschehen, wo man dem jetzigen großen Bund« eine eigen« kommunistische Kulturorganisation entgegenstellen will. Schließlich soll jetzt darangegangen werden, die sozialen Organisationen, in denen der konnnunisttsch« Einfluß bisher gleich Rull war, zu spalten und unter dem Protektorat der Kam- munistischen Partei neu« Organisationen zu schaffen. Diese Mitteilungen sind deswegen bemerkenswert, weil die kam- munistische Parteilung es bisher abgeleugnet hatte, daß die„Opposi- rion" in den Massenverbänden der Arbeiterschaft nur der Vor- imreitung für eine neue Spaltung der Arbeiterklasse dienen sollen._ Freisprechung in Oppeln . Zeilungshehe gegen das Polengastspiel vom Gericht verneint. Oppeln , 11. Juni. Das Schöffengericht verhandelte gegen Dr. Knaack, den Haupt- schnstleiter der„Oberschles. Tagesztg.", wegen Verstoßes gegen den 8 130 StGB. Dr. Knaack hatte als verontwortlichcr Redakteur gegen die vom Magistrat erteilte Genehmigung einer polnischen Theateraufführung Stellung genommen und die Stadtverordneten- oersammlung ausgefordert, den Magistratsbeschluß aufzuheben. Erster Staatsanwalt Scholz beantragt« einen Monat Gefängnis mit Vewährungsfrlst in Anbetracht des jugendlichen Al- t e r s des Angeklagten. Nach kurzer Berowng verkündete das De- richt die F r e i s p r e ch u n g. Wie die Urteilsbegründung ausführt. hat das Gericht verneint, daß hier«in Anreiz auf die Be- völkerung ausgeübt worden fei. Di« Deröffentlichung-sei auch nicht geschehen in einer den öffentlichen Frieden gejährdenden Weis«. Der Angeklagte Hab« lediglichdieStimmederBevölterung- wiedergegeben, auch habe ihm das Bewußtsein gefehlt, den öffentlichen Frieden zu gefährden,
Cura�ao.
Es gärt in der Flasche!
Die preußenfrage. Was wollen die Demokraten?
Di« Demokratische Landtagssraktion veröffentlicht eine Mit teilung, die besagt, daß sich die Demokratische Fraktion in ihrer Donnerstogsitzung mit den Verhandlungen beschäftigen werde, die zwischen dem Ministerpräsidenten Braun und der Deutschen Voltspartei wegen der Regierungserweiterung in Preußen gepflogen worden sind. Die demokratische Landtags- fraktion vertrete den Standpunkt, daß zu solchen Bebhandlungen nur der Ministerpräsident berusen sei. Deshalb Hab« sie den Nach- richten über„Verhandlungen zwischen einzelnen Abgeordneten der Sozialdemokratie, des Zentrums und der Voltspartci keinen großen Wert beigelegt." Einen Zusammenhang zwischen den Koaiitionsverhondlungen und der Entscheidung über das Kon- kordat erkenn« die demokratisch« Landtagssraktion nicht an, sie sei für Wiederherstellung einer Großen Koalition in Preußen und auch bereit,„zu den n o t w e n d i g e n Op s er n beizutragen." Den eigentlichen Sinn dieser etwas dunklen Sätze erfährt man aus einem längeren Kommentar des„B. T". Aus diesem spricht ein« deutliche Verstimmung darüber, daß Braun der Deutschen Volkspartei das" oon dem Demokraten Schreiber oerwaltete Handelsmini st erium angeboten habe und daß in den er- wähnten interfraktionellen Besprechungen auch noch über andere Posten gesprochen worden sei, angeblich auch über einen zweiten, der Deutschen Dolksportei zu überantwortenden Sitz im Kabinett, womit wohl das Unterrichtsministerium gemeint ist. In diesem Ausammenhang stellt das„B. T." die Frage, ob es tatsächlich angängig sei, in dieser Weise über die Besetzung wichtiger politischer Aemtcr mit voltsparteilichen Kandidaten zu »erhandeln und zwar über Aemter, deren gegenwärtige Inhaber einer anderen Partei nahestehen und sich bewährt hoben. Man muß hiernach wirklichufragen, wa» die Demotraten in Preußen eigentlich erreichen wollen. Aus der einen Seit« sind sie e» gewesen, die seit Jahren am stärksten von den drei Koafittons- Parteien die Hineinnahm« der Deutschen Voltspartei in die Koali- tion fordern und sich— wie auch in der oben zitierten Beröffenf ttchung— zu Opfern bereit erklären. Auf der anderen Seite aber fühlen sie sich brüskiert, sobald da» Opfer konkrete Form annimmt. Wie ist die Log« in Preußen? Bei 21 Mandaten hat die Demokratisch« Partei im preußischen Kabinett 3. M i n i st« r(unter Hinzurechnung de» zwar nicht parteimäßig bei ihr»ingeschriebenen, aber ihr nahestehenden Unterrichtsministers Becker).» Die Sozial- demokratt« stellt bei 13« Abgeordneten im Kabinett 2 Mjnister. Es kommt also aus je sieben demokratische Abgeordnet«, da- gegen erst auf je s I e b e n z i g s o z i a l d e m o k r a t i sch e Ab- geordnete«in Minister! Daß dies Demokratie sei, wird die Demo- kratisch« Partei selber nicht behaupten wollen. E» ist daher ebenso selbstverständlich, daß bei einem eventuellen Eintritt der Volk». partei in da, Kabinett die Demokraten die Opfernden sein müssen, wie umgekehrt die Sozialdemokratie als gerechte Kompensation bei einer solchen Rechtserweiterung endlich die ihr nach ihrer Stärke im Ministerium zustehende Vertretung fordert. Die Sozialdemokratie wird sich von dieser gerechten und notwendigen Forderung auch dadurch nicht abhakten lassen, daß eine gewisse demokratische Presse setzt sämtlich« demokratischen Minister zu Genies befördert, während sie hervor- ragend« sozialdemokratische Parlamentarier, die sie al» deren Nach- folger fürchtet, al»„Nullitäten" und„Subalternitäten" abtun möchte. Wir betonen ausdrücklich, daß diese Kritik nur den Teil der demokratischen Presse betrifft, die sich bei ihrem Eintreten für den Unterrichtsmintster Becker in dieser gehässigen Weise gegen den Genossen König wandten. Im Gegensatz hierzu hat die„Vossische Zeitung" bereits eingesehen, daß dies« Propaganda des„B. T." und der„Franks. Ztg." im Effekt lediglich dem Volkspartei. ler Boelitz die Wege zur Rückkehr ins Unterrichtsministerium ebnet. Aus Beckers Reich. Aus den Kreisen der sozialdemokrattschen Lehrer wird un» noch geschrieben: Obwohl Herr Minister Becker seit 14 Tagen selbst mit einem Wechsel im Kultusministerium rechnet, hat. er ohne Wissen der sozialdemokratischen Landtagssraktion in der letzten Woche folgende Veränderungen vorgenommen: Das Mitglied der oppositionellen Deutschnationalen Dolkspartei, Herr Oberregierungsrat K o h l b a ch,. wurde zum Ministerialrat ernannt, obwohl die stärkste Partei
Preußens ständig gegen seine Ernennung protestiert hat. Ebenso wurde der jetzige Demokrat und Neffe des srüheren deuffchnationalen Ministerialrats Leist zum Ministerialrat befördert. Gegen den ausdrücklichen Protest unserer Partei wurde die bisher von dem ehemaligen Volksschullehrer Ministerialrat Dr. Karstadt in der Volksschulabteilung verwaltete Stelle abgetrennt und in die Universitätsabteilung gegeben. Die Volksschulabteilung behält so noch einen einzigen ehe- maligen Volksschullehrer und Sozialdemokraten unter etwa zwanzig Räten. Herr Minffter Becker hat in seiner langen Tätigkeit noch kein« Gelegenheit gefunden, auch nur einen einzigen sozialdemokratischen Ministerialrat in sein« Volkeschulabteilung zu berusen. Dielleicht fft auf unserer Seite darin die„notorische Un- tüchtigkeit" schuld, die jeden Menschen in dem Augenblick besällt. in dem er sich freimüttg zur Sozialdemokratie bekennt. Es mutet eigenartig an. daß ein Minister in dem Augenblick, in dem er selbst nachweislich schon mit seinem Rücktritt gerechnet hat, noch solche Veränderungen vornimmt. Das Urteil überlassen wir getrost der Oeffentlichkeit, die sicher weniger hinter Herrn Minister Becker stehen dürfte, als demokratisch« Zeitungen es behaupten. In diesem Zusammenhang erscheinen die Angriffe verschiedener Universitätsprosesioren im„Tagebuch" gegen unseren Genosien König in einem seltsamen Licht. Man spricht vom Volksschullehrer und meint den Sozialdemokraten, der allerdings der Schule der breiten Volksmasien geben würde, was ihr gehört. Unser Genosse König ist wegen seiner Zielsicherheit und Charaktersestigkeit, wegen seiner politischen Zuverlässigkeit und seines Könnens wiederhall als Verhandlungspartner vom Minffter Becker besonders gelobt worden. Becker weiß, wie König zweimal aus persönliche Beförderungen ver- zichtet hat, weil ihm die Schulpolitik zur Herzenssache geworden ist. Wahrscheinlich würde Herr Minister Becker unter anderen Umständen König selbst als«inen der geeignetsten Kandidaten bezeichnen. tetr hätten es daher im Interesse oon Herrn Minister Becker selbst begrüßt, wenn er zu seinen Freunden gesagt hätte: „Ich kann es nicht hindern, wenn Ihr mich durch Euer Lob hallen wollt. Ich oerwehr« es Euch aber, daß Ihr das dadurch zu er reichen sucht, daß Ihr den von mir bisher sehr geschätzten vermeint- lichen Nachfolger herabsetzt." Sicher ist, daß Beckers Verbindungen ausgereicht hätten, in Frankfurt a. M. und in Berlin solche Wirkung zu erzielen. « Die sozialdemokratische preußische Landtagssraktion tritt am Mittwoch nachmittag um 6 Uhr zusammen, um zu dem Staats- vertrag zwischen Preußen und Kurie Stellung zu nehmen.
Volksparteiliche Steuerpolitik. Kopfsteuer für die Minderbemittelten- aber Steuer« fenkung für den Besitz.» Der Houptausfchuß de« Preußischen Landtag » beschäftigte sich gestern mit einem»olksparteilichen Antrage, auf die Reichsregierung einzuwirken, daß eine etwaige Senkung der Reparationslasten in erster Linie zur Senkung der Real steuern benutzt wird. Natürlich waren auch die Deutschnationalen dafür zu hallen. Dazu beantragten sie aber noch die Einführung eines Ge» meindelastendeitrages. Der Gemeindelastenbeitrag soll in einer Höhe von 3 Mark monatlich von jedem Gemeinde» einwohner entrichtet werden, der mehr als 3000 Mark Ein- kommen hat, und soll die Hälfte davon betragen, sobald das Ein- kommen weniger als 3000 Mark beträgt. Abgabepflichtig soll sein jeder über 21 Jahre alte Gemeindeeinwohner, der selbständig auf eigen« Rechnung lebt bzw jeder 18jährlge Ge- meindeeipwohner, sofern er im Haushalt der Eltern oder sonstiger Verwandter lebt und ein selbständiges Einkommen hat. Dieser Bei- trag soll sich erhöhen, wenn die Gemeindezuschläge zur Gewerbe- steuer über 400 Proz. oder dj« Grundvermögenssteuer über 200 Proz. beträgt. Also eine Kopffteuer in der plumpsten und unsozialsten Form. Der Antrag ist gegen die Stimmen der Deutschnationalen, der Wirtschaftsportei und der Deutschen Volkspartei abgelehnt worden. Endlich freigelassen wurden die drei Bautzen «? Ausflügler, die am Himmelfahrtstag in Böhmen al« Spione oerhastet wurden, weil sie Soldaten mit dem billigeren böhmischen Bier frei- gehallen hatten!