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Nr. 275 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts ben

Dr. Richter gesteht einen Meineid.

Schwer belastende Zeugenaussagen.

Bonn  , 14, Juni,

Der dritte Verhandlungstag im Prozeß Dr. Richter be­gann mit der Zeugenvernehmung zum zweiten Teil der An­flage, der Mordangelegenheit.- 3m Laufe der Nach­mittagsfihung ließ Dr. Richter durch seinen Berteidiger er­klären, daß er seinerzeit in der Ehescheidungsflage der Frau Mertens einen meineid geleistet habe. Damit hat Dr. Richter den ersten der beiden Anklagepunkte, der auf meineid lautete, als richtig anerkannt.

Der Zeuge Student Barth, der seit 1927 bei der Mutter der Verstorbenen wohnt, war an dem kritischen Tage abends nach dem Theater gegen 11 Uhr nach Hause gekommen. Frau Mertens habe ihn gebeten, nicht in die Küche zu gehen, da sie Besuch habe. Sie sei sehr gut aufgelegt gewesen. Nach dem Abendessen sei er gegen 11 Uhr fortgegangen und bis gegen 1 Uhr weggeblieben. Er habe sich bei seiner Rückkehr über die Unordnung in der Küche zwar gewundert, sich aber dann schlafen gelegt. Die Zeugin Frau Joseph Müller   hatte an dem betreffenden Abend, ehe sie ins Theater ging, ihr Kind, das mit dem der Frau Mertens gleidhaltrig ist, zu Frau Mertens gebracht und holte es nach 11 Uhr ab. Frau

Mertens sei in einer sehr glücklichen Stimmung gewesen und habe gesagt: Dr. Richter ist jetzt zu Besuch bei mir. Mein Herzallerliebster ist in der legten Zeit ganz verändert. Ich habe zwar Dr. Richter in Königswinter   treffen wollen, habe ihn aber schriftlich gebeten, nach Bonn   zu kommen, da meine Mutter verreist ist." Beim Abschied habe Frau Mertens noch in der Haustüre gesagt: Auf Wiedersehen bis morgen!" Beuge Student Stillger wohnte in der Unglücksnacht in der Etage über Frau Mertens. Kurz nachdem er sich gegen 12 Uhr schlafen gelegt hatte, sei er durch

einen

furchtbaren Notschrei geweckt

worden. Ein zweiter und dritter derartiger Schrei seien nach einigen Minuten erfolgt. Beim letzten Schrei habe er sich an­gezogen und etwa eine Viertelstunde an seiner Tür gestanden. Er habe dort das Umfallen von Stühlen und Tischen sowie das Klirren von Porzellan gehört. Auch sei es innerhalb des Mertensschen Flures recht laut gewesen. Er habe ferner gehört, wie Frau Mertens ihrem Kinde zugerufen habe: ,, Liselotte, tomm doch zur Mutter, Mutter muß sterben! Er habe meiter gehört, wie Frau Mertens verschiedentlich versucht habe, die Korridortür zu öffnen, sie sei aber immer wieder zugeschlagen

Ein Berliner   Autofriedhof.

Unter freiem Himmel ein Ge­wirr von Autos, die sich totgelaufen haben; Personenwagen, Droschten, Laftkraftwagen in der Auflösung begriffen, hie und da noch mit der schadhaften Karosserie, meistens aber nur noch im Stelett vor­handen. Haufen von Rädern ohne Pneumatits, Federn, Kurbelwellen. In einer Ede das Kremato= rium": ein offenes Feuer, über dem die Karosserien der= brannt werden, um die Eisen­teile ohne umständliche Arbeit her­auszulösen. Als Abschluß ein meit­läufiges Magazin, in dem die ,, Ber schleißartifel" nach den einzelnen Fabrifmarten fein säuberlich auf: gestapelt sind, um in gebrauchlei Wagen wieder eingebaut zu mer­den Für einen alten, unbrauch baren Wagen werden 50 bis 100 m. gezahlt, für Lastwagen bis zu 350 M. Die Preise richten sich in erster Linie nach den vorhandenen Metallteilen; vor allem ist Alu­minium geschäßt. Zum Unterschied Don den Ausschlachtwagen", die so taputt sind, daß sich keine Repa­ratur mehr lohnt, lanben hier noch fahrwertige" Wagen, bei denen das schadhafte Objekt( Zahnräder,

KAZS

Kupplung) ersetzt werden kann. Eigenartig ist das Fehlen von| dauer eines Autos auf 10 Jahre sinken wird. Der Autointeressent Mercebeswagen auf dem Autofriedhof, die sind zu solid gebaut", erklärt der Abwrackhändler. Die Lebensdauer eines Durchschnitts­magens von heute fann man auf 20 Jahre festsetzen. Doch ist bei der steigenden Autoproduktion zu erwarten, daß die künftige Lebens­

Jack London  :

56]

" Lockruf der Goldes

( Berechtigte Uebersetzung von Ermin Magnus).

,, Ja und nein. Es gibt Dinge, die man nicht tun darf, und solange ich nicht Lust habe, sie zu tun, ist es mir auch einerlei."

"

,, Wenn Sie aber Luft haben?" fragte sie schnell. ,, Dann tue ich sie." Bei dieser Willenserklärung hatte er die Lippen zusammengepreßt, aber im nächsten Augenblick schränkte er feine Behauptung etwas ein: Das heißt, meistens. Aber ich verstehe nicht, warum man etwas nicht tun -dies darf, wenn es nicht schlecht ist und niemand schadet Reiten zum Beispiel.

Sie spielte eine Zeitlang nervös mit einem Bleistift, als dächte sie über ihre Antwort nach, und er wartete geduldig. ,, Dies Reiten," begann sie ,,, ist nicht das, was man , guten Ton' nennt. Ich überlasse es Ihnen selbst, Ihre Schlüsse Daraus zu ziehen. Sie kennen die Welt. Sie sind Herr Harnish, der Millionär

-

,, Der Spieler," unterbrach er sie barsch.

Sie niďte ihre Zustimmung zu diesem Ausdruck und fuhr fort:

,, Es ist eine ganz einfache und recht gewöhnliche Situation, in der wir uns befinden. Ich stehe in Ihren Diensten. Es fommt nicht darauf an, was Sie oder ich, sondern was andere Menschen darüber denken. Und darüber brauche ich Ihnen weiter nichts zu sagen, das wissen Sie

felber.

-

Ihre fühle Art, die Sache zu behandeln, stimmte nicht ganz mit ihren wirklichen Gefühlen überein das meinte Daylight wenigstens, als er jetzt die Anzeichen weiblicher Er­regung, die weichen Linien ihrer Gestalt, die wogende Brust und die Röte sah, die die Bewegung auf ihren Wangen her vorgerufen hatte.

,, Es tut mir leid, daß ich Sie verscheucht habe," sagte er scheinbar zusammenhanglos.

"

Sonnabend, 15. Juni 1929

worden. Auch habe er Frau Mertens mehrere Male rufen hören: ,, Laß mich hinunter, ich will doch nur zum Klosett." Später sei dann Frau Mertens mit dem Herrn fortgegangen und habe sich dabei am Geländer festgehalten. Die in dem Mertensschen Hause wohnende Zeugin Frau Banting sagt in ähnlichem Sinne wie der Student Stillger aus. Sie habe von ihrem Fenster aus später auch beobachtet, daß Frau Mertens nach der gegenüberliegenden Polizeiwache habe gehen wollen. Dr. Richter habe sie aber mehrere Male am Arm zurückgerissen.

Die fritische Nacht.

Nach weiteren Zeugenaussagen wurde Dr. Richter zur Mord­

angelegenheit an Frau Mertens vernommen. Die Antiage wirft ihm in ihren zwei Punkten bekanntlich vor, in der Nacht vom 1. zimm 2. Dezember 1928 Frau Mertens mit Strophantin ver giftet zu haben. Der Angeklagte äußert sich hierzu ungefähr wie folgt: Es gibt verschiedene Arten von Nasenerkrankungen, gegen die Reizmittel angewandt werden. Unter diesen Mitteln befindet sich auch Strophantin. Im Jahre 1923 erhielt ich dieses Gift zum erstenmal von dem Dozenten der Aachener Hochschule, Lambert Schmidt, den ich in Aachen   besuchte. Er schenkte mir 10 Milligramm in einem kleinen Glasröhrchen. Im Mai 1928 wandte ich das Gift bei einer Patientin in Stärke von einem Zehntel der Marimaldose Auch bei einem Rheinschiffer wandte ich das Gift an, und dieser glaubte, ein Nachlassen seiner Beschwerden feststellen zu können, Am 9. November 1928( drei Wochen vor der Mordtat) kam ein Patient namens Seiß zu mir und klagte über Verlust des Geruchs­finnes. Gleichzeitig war auch der Geschmack beeinträchtigt. Aus diesem Grunde fragte ich am 16. November bei dem Binger Apo­thefer Magerstaedt nach Strophantin. Da er es nicht verrätig hatte, wurde es bestellt und mir am 29. November aus der Apotheke aus­gehändigt.

an.

Der Angeklagte schildert dann weiter, daß er in Bonn  mit Frau Mertens im sogenannten weißen Simmer gesessen habe, doch seinen Mantel, Hut und Aktentasche, in dem sich ärztliche Instru­mente und das Strophantin befunden hätten, habe Frau Mertens nebenan in das Zimmer eines abwesenden Studenten getragen. Im Laufe des Abends habe sie über heftige Schmerzen geklagt und ihn gebeten, sie zu untersuchen. Er habe abgelehnt und sie ersucht, sich am nächsten Tage in der Frauentlinit untersuchen und behandeln zu lassen. Frau Mertens habe später wieder von der Vornahme einer Untersuchung angefangen. Er habe sich aber davor zu drücken versucht mit dem Bemerken, daß er keine Instrumente bei sich habe. Als sie aber weiter in ihn gedrungen sei, habe er sich schließlich dazu bereit erklärt. Sie sei dann aus der Küche, in die sie sich inzwischen begeben hatte, fortgegangen und nach etwa fünf Minuten mit einem Mulläpchen und einem Fingerling, sowie einem kleinen Blechdöschen mit Baseline wiedergekommen. Auf dem Küchentisch habe er Frau Mertens dann untersucht. Als sich Schmerzen einstellten, sei er mit Frau Mertens in die Klinik gefahren, wo, noch in der Nacht, ihr Tod erfolgte. Er sei dann selbst zur Polizeiwache gegangen, um dort mitzuteilen, daß Frau Mertens gestorben sei. Bei seiner. Ankunft auf der Polizeiwache habe der Bolizeibeamte Mertens feinen Bericht bereits fertig vorliegen gehabt. Man habe dann den Kom missar geweckt, und auch Kriminalbeamte hätten ihn sofort aus gefragt und seine Sachen untersucht. Auf den Vorwurf eines Polizeibeamten, er habe einen kleinen Gegenstand in der Größe einer halben Zigarette in das Feuer geworfen, wahrscheinlich sei es ein Medizingläschen gewesen, meinte der Angeklagte, es handle sich um ein vollständig zusammengefnäultes Taschentuch. Er habe sich in der Nacht nach der Untersuchung die Hände gewaschen und sich die Finger an einem kleinen Taschentuch abgetroc net. Dieses habe er auf der Wache aus der Tasche gezogen und in den brennenden Ofen geworfen, da es von der Untersuchung her fehr übel gerochen habe. Das Taschentuch sei außerordentlich klein und fest zusammengefnäult gewefen. Auf die Frage des Vorsitzen den, weshalb er bei seiner ersten Bernehmung niemals Strophantin erwähnt habe, meinte Dr. Richter, er habe das absichtlich nicht getan, bis tatsächlich festgestanden habe, daß Frau Mertens überhaupt ver­

wird wahrscheinlich öfter vor die Wahl gestellt werden: fostspielige Reparatur oder neuer Wagen. Ein Ueberangebot von gebrauchten Wagen wird einsetzen und das Abwracaute zu einem Minusobjett herabsinken, das man wie in Amerika   an der Landstraße liegen läßt.giftet worden sei.

,, Sie haben mich nicht verscheucht," erwiderte sie eifrig.! ,, Ich bin fein Schulkind. Ich habe lange für mich sorgen müffen, und ich bin nie bange gewesen. Wir waren zwei Sonntage zusammen, und ich habe mich wahrlich weder vor Ihnen noch vor Bob gefürchtet. Das ist es nicht. Ich kann schon lange für mich einstehen, aber die Welt will auch mit reden. Das ist das Unglück. Was würde die Welt sagen, wenn mein Chef und ich uns jeden Sonntag in den Bergen träfen und miteinander ritten. Es ist albern, aber es ist nun ein­mal so. Mit einem von den Kontoristen fönnte ich ohne weiteres reiten, aber mit Ihnen- nein."

,, Aber die Welt weiß es ja gar nicht und braucht es auch nicht zu wissen," rief er.

,, Das macht es gewissermaßen noch schlimmer, wenn man weiß, daß man auf heimlichen Wegen herumschleicht und immer das Gefühl hat, etwas Berkehrtes zu tun. Es wäre richtiger und besser, wenn ich öffentlich...

,, Wochentags mit mir frühſtüden ginge," erriet Daylight den Sinn ihres unvollendeten Sages.

Sie nickte.

,, Es ist zwar nicht ganz, was ich dachte, aber wir können es fagen. Ich würde vorziehen, offen zu handeln, so daß alle Menschen es sehen fönnen, statt etwas im geheimen zu tun. Es wird ja doch entdeckt. Nicht, daß mir etwas an einer Einladung zum Frühstück läge," fügte fie lächelnd hinzu. Ich bin sicher, daß Sie meine Lage begreifen."

,, Aber warum dann nicht offen mit mir durch die Berge reiten," fragte er.

Sie schüttelte den Kopf, wie er sich einbildete, mit einem Hauch von Bedauern, und sein Verlangen nach ihr wuchs so schnell, daß es ihm fast die Besinnung raubte.

,, Sehen Sie, Fräulein Mason, ich verstehe, daß Sie über so etwas nicht im Geschäft reden mögen. Ich auch nicht. Das gehört auch dazu, denke ich, ein Mann darf mit seiner Gefre­tärin nicht über andere Dinge im Geschäft sprechen. Wollen Sie nächsten Sonntag mit mir reiten, dann fönnen wir weiter über die Sache reden und vielleicht einen Ausweg finden. In den Bergen ist der richtige Ort. Ich denke, Sie fennen mich genügend, um zu wissen, daß ich ein einiger maßen anständiger Mensch bin. Ich ich achte und ehre Sie, und ich..." Er begann zu stottern, und die auf dem Löscher ruhende Hand zitterte sichtbar. Er nahm sich zusam

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gewünscht. Ich ich ich fann nicht erklären, was ich Nächsten meine, aber es ist, wie ich sage. Wollen Sie?- Sonntag? Morgen?"

Aber er ließ sich nicht träumen, daß er ihr faum hörs bares Ja mehr als allem anderen den Schweißtropfen auf seiner Stirn, feiner zitternden Hand und seiner allzu augen­scheinlichen Bedrängnis verdankte.

*

,, Aus dem, was die Leute sagen, erfährt man natürlich nie, was sie eigentlich wollen."

Daylight berührte Bobs rebellische Ohren mit der Peitsche und dachte unzufrieden über seine leßte Aeußerung nach. Sie drückte nicht aus, was er eigentlich gemeint hatte.

Ich möchte, daß Sie mir rein heraus fagten, Sie wollten mich nicht mehr treffen, und daß Sie mir Ihre Gründe dafür angäben. Aber wie fann ich den wiffen, ob es Ihre wirt­lichen Gründe sind. Vielleicht haben Sie feine Lust, näher mit mir bekannt zu werden, und wollen es nur nicht sagen aus Furcht, mich zu verlegen. Können Sie es nicht einsehen? Ich bin der letzte auf der Welt, der sich aufdrängen will, wenn andere nichts von ihm wissen wollen. Und wenn ich wüßte, daß Sie sich nicht das geringste aus mir machen, so würde ich mich schleunigst zurückziehen."

Dede lächelte über seine Worte, ritt aber schweigend weiter. Und das Lächeln dünkte ihn das wunderbarste Lächeln, daß er je gesehen. So konnte nur jemand lächeln, der einen ein bißchen gern hatte. Natürlich war sie sich dessen, wie er sich im nächsten Augenblick selbst sagte, ganz bewußt. Es mußte eben so fommen, wenn zwei Menschen ein wenig mit einander zu tun hatten... Jeder Fremde, jeder Geschäfts. mann, Angestellte oder sonst wer würde nach einigen zu­fälligen Begegnungen dieselbe Freundlichkeit gezeigt haben. Aber es machte in diesem Fall besonderen Eindruck auf ihn, denn es war ein so füßes, wunderbares Lächeln. Andere Frauen hatten nie so gelächelt; das war sicher.

Es war ein glücklicher Tag gewesen. Daylight hatte Dede auf dem Wege nach Bertelen getroffen, und sie hatten mehrere Stunden zusammen verbracht. Erst jetzt, als der Tag auf die Neige ging und sie sich dem Gattertor bei Berke­len näherten, begann er den Gegenstand zu berühren, der ihn so beschäftigte.

Sie ging zuerst auf seine letzte Bemerkung ein, und ( Fortseßung folgt.)

i men. Heißer habe ich mir noch nie etwas in meinem Leben| lauschte dankbar,