Einzelbild herunterladen
 

Kreiiag 21.3um 1929

Unterhaltung unö ÄVissen

Beilage des Vorwärls

imier jncoM: ffleber am Weg

Er schritt über den wanne» Tand der Landstraße. Die Sonne stand am abendbunten Himmel w>« eine vollerblüht« purpurne Rose. Ein seiner feuchter Dunstschleier verwischte ei» meniz die scharfen Konturen ihrer Ränder, so daß es aussah wie ein leichtes Welken und beginnendes Vergeh«». Mit den letzten brausenden Strömen ihres Lichtes überschüttete ste verschwenderisch die Erde, die in einem unendlich weiten, goldroten Aethermeer au schweben schien. Die Verge glühten wie von innen heraus, die Kiesern standen an den Abhängen wie riesige Fackeln. Ein leichter Wind bewegte mit leisem Rauschen die Aehren der Felder: man konnte meinen, sie wäre» Seen aus flüssigem Gold, lieber allem lagerten die feucht-schwülen Düste der Sommerblumen. Ein jeder andere, der durch diese einsam« Gegend gekomm«» wäre, wäre in Verzückung geraten über die grandiose Schönheit der Natur, die noch einmal feurig ausflackerte, um sich dann still in die dunkle Nacht zu ver- spiimen. Den Landstreicher berührte es nicht. Er schlich geduckt über die Chaussee, die glasigen Augen am Boden geheftet. Er wollte nichts mehr sehen. Die Schönheit der Welt hatte allen Reiz für ihn verloren, ekelte ihn an. Zu lange schon war er gewandert. Früher, als junger Mensch, hatte er es stolz jedem ins Gesicht ge- rufen, daß nur der Landstreicher wahrhast lebe, daß er der wahre Herr sei. Die Freiheit der Straße hatte ihn berauscht, mit offenen Annen jubelte«r durch Sonne und Sturm. Aber rnjt den Iahren stumpfte er ab. Er hatte schon zu viel Winter und Schnee, zu viel Sommer und Regen erlebt. Di« Sonne hatte den Körper aus- gedörrt, die Kälte sein Herz erstarrt. Und zuletzt betrachtete er die freie Natur als seine Feindin, die ihn in langen Iahren zermürbte. Ein Haßgesühl gegen sie stieg in ihm auf. Er haßte den Himmel, der sein Dach war,«r haßte Sand und Moos, die ihm Parkett und Teppich waren. Er haßte die Bäume, die er früher als die Säulen seines Riesenpalastes betrachtet hatte. Er sehnte sich nach einem kleinen, abgeschlossenen Raum in dem er sich vor der großen Welt oerkriechen wollte, um ni« wieder vorzukommen. Seine Schritte waren schwer und müde. Die Füße in den viel zu großen Schuhen bntnnten. Der Straßensand drang durch das löcherige Leder und peinigte die Sohlen mit tausend feinen Nadel- stichen. Seine Knochen, die eine mager«, verrunzelte Haut um- spann, schienen ihm schwer wie bleigefüllt und zogen ihn nieder. Selbst die wenigen zerrissenen Lumpen, die«r trug, waren ihm unbequem und quälten ihn. Er war krank. Stechende Schmerzen durchschnitten wie Messer feine Brust, so daß er oft aufstöhnt« und im Wege innehalteki mußte. Sie zwangen seinen ehemals so aufrechten Körper, sich zu bücken und krampsten ihn zusammen. Der Husten schüttelte ihn Minuten- lang mit schweren Hammerschlägen. Am furchtbarsten waren die Nächte, wenn das Fieber kam. Am Abend fstzte es ein. Die Glieder flogen vor innerem Frost, die Zähne schlugen unhaltsam aufe'm- ander, daß der Mund schmerzte. Der Kdvf war heiß, wie weniv ihn glühende Gase umgaben. In unnatürlichem Glanz strählten die Augen, über die dauernd die schweren Lider sielen, und im Hirn kreist« und sang dos kochend« Blut, bis ihn schwindelte. Der Schlaf kam nur noch für kurz« Stunden und bracht« rasende Angstträume. Wenn er de? Morgen? erwachte, war er so schwach, daß er sich kaum erheben konnte. Die Kleider klebten schweißdurchtränkt am Korper. Er wußte, daß er nicht mehr lange wander» wlirde. Der letzte Winter mit seiner verfluchten Kälte war schuld. Mitleidig« Bauern halten ihn zwar stel? in die Scheunen gelasien, hatten ihm oft sogar Decken gegeben. Er hott« sich ins Heu gewühlt, daß er fast erstickt«. Ab«r es war nutzlos. Die singend« Kälte fraß sich überall durch und schlug ihre eisigen Zangen in das erstarrende Fleisch. Die Glieder wurden hart und steif wie Eisblöcke und ließen sich kaum bewege». Selbst der Spiritus, de» er hinuntergoß, half nicht mehr. Bon Tag zu Tag steigerte sich die Krankheit, bis er wußte, daß er die Schwindsucht hatte. Zuerst fluchte und tobte«r, aber dann gewöhnte er sich an den Todesgedanken, lind jetzt wünschte er oft dos Ende herbei: es sollte ihm die Erlösung bringen von der Qual und Mühe seines ruhelosen Lebens. Er freute sich auf den dunklen Frieden. Er hatte noch einen Wunsch. Er wollte einmal in einem blassen, kühlen Bert schlafen, wollt« seine Glieder darin ausstrecken und sich mit den weichen, leinenüberzogcnen Daunen umhüllen. In diesem Bett würde der Schlaf wundervoll lind ihn überkommen und die bösen Fieberträume würden schweigen. Aber das war eigentlich der Wunsch seines Verstandes, der Wunsch, den er sich gewissermaßen auszwang als Gegengewicht gegen ein andere», aberwitziges Verlangen. Ein Verlangen, das rief in seinem Herz«n glühte, das er jedoch am Tage, ivenn Ver- nunft in ihm die Herrschaft hatte, mühsam.unterdrückte. Aber des Abends, wenn das Fieber ihn durchbrannte, sprang er auf mit aller Gewalt. Dann konnte er sich nicht dagegen wehren, e? riß ihn kort. daß ihm sast schwindelte. �i)as dampfende Blut spülte die verzweifelt kämpfende Vernunft hinweg, und das leuchtende Gaukelbild blieb. Er fürchtete über sein« Sehnsucht verrückt zu werden, und war es eigentlich schon.« Und diese Sehnsucht war. einmal zu ruhen auf einem Lager aus den samtenen Blättern purpurroter Rosen. Ein Lager, wie es noch niemand vor ihm gebabt. und niemand nach ihm haben sollte Er würde sich darin vei sinken lassen, haltlos und tief. Aus dsn Wolken müßten Tausende von Rosenblättern herabstürzen, bis sie ibn ganz bedeckten und erstickten Sie müßten noch feucht sein vom Tau. und dos wundervolle Naß würde den brennenden Körper kühlen und alle Wunden heilen. Dieses Kager würde so weich sein wie der lonnenrote Aethar. Das köstlichste daran aber würde der Dutt iem. Er würde ihn in(chfticre Purpurwolken hüllen und all« niwl sich betäuben. Er würde den Dust einsaugen, bis er durch alle Poren drang, sich mit dein tranken Blut vermischte, mit ihm eins wurde, bis das Blut sich schließlich im Duft erlöste und in das Welt- all schwang. Dieses Rosenlager dünkte ihm der Inbegriff aller Köst- lichkcit, darüber hinaus gab es nichts. Der Gedanke, unter Blüten- blättern hinüberzuschlumnrern. war ihm rauschende Seligkeit. Der arm« Landstreicher wußte, daß diese Sehnsucht Irrsinn war und nie verwirklicht werden kannte. Aber se unmöglicher die Erfüllung schien, desto' hartnäckiger wuchs das Verlangen. Er hotte schon früher die roten Rasen geliebt. Wenn er jedoch jetzt welche sah. stürzte er aus sie* zu. riß sie ab und verbarg dos schweißige Gesicht darin, als ob er sich ersticken wollt«. -Cr taumelte schmerfälliq weiter aus dem sandigen Weg. D?« Beine wurden immer schwächer und zitterten, so daß sie ihn kaum

noch trugen. Es war ihm, als ob sie jede Sekunde durchbrechen müßten. Ein trockener Durst brannte unlöschbar in seinem Halst: sein Inneres kam ihm vor wie eine glühende Sandwüste, auf der die Sonne dörrte. Die Schmerzen stachen unerträglich in den wunden Lungen und der ächzende Husten trieb ihm kleine Blut- bäche durch die Kehle. Das Fieber war heute besonders schlimm. Auf stlneu Wangen lagen scharf umgrenzte dunkelrote Flecken und stachen ekelhaft ab van dem bläulich grauen Ton der übrigen Haut. Der Kops war«isenschwcr und schien picht zu ihm zu gehören. Er schlug von einer Seite auf die andere. Vor den Augen tanzten schreiendbunte Nebelflocken, so daß er kaum die Gegend erkannt«. Plötzlich sah er in der Ferne irgend etwas Dunkles aufragen. Es schien ihm wie ein Gendarm, der sich übergroß auf ihn zuschob. Gewohnheitsmäßig bog er vom Weg« ab und torkelte in einen rechtsgelegenen Wald. Die Füße stapften über dürres Gezweig, und jedesmal, wenn es knackte, war ihm, als ob leuchtende Funken von unten her äufstoben und ihm ins Gesicht sengten. Er kam an eine Lichtung. In ihrer Mitte lag ein kleiner See mit schwerfälligem, moorigem Wasser. Die schneidende Sonne über- schüttete ihn mit ihren letzten Feuerftrömen und verwandelte die trübe Flut in geschmolzenes Metall. Goldene und silberne Funken sprühten flackernd auf und blendeten. Der Kranke nahm es nicht wahr. Er war so schwach, daß er sich an einen rissigen Baumstamm lehnen mußte und die Augen schloß. Er hatte das dumpfe Gefühl, daß es zu Ende ging. Aber er war zu matt, um sich darüber aufzuregen. Er sehnte sich nur nach Ruhe, nach einem dunklen Schlaf, in dem er für immer alles vergessen konnte. Ganz tief in seinem Innern sang zwar irgendeine eintönige Melodie:Nicht ersüllt: nicht erfüllt". Er wußte jedoch kaum noch, was nicht erfüllt sein sollte. Irgendwie hatte er die Vorstellung von etwas Weichem, Fließendem, von etwas Rotsamtigem, das sich dicht um ihn legte und ihn einhüllte. Das Herz ging so schwach, daß er es kaum fühlte. Eine weite Leere war in ihm, die jedoch merk- würdig leicht war, so daß er sich fast emporhob.

Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper, der chn aufriß. Er taumelte hoch und öffnete übcrweit die starren Augen. Da stand die Vision. Klar und deutlich, unwahrscheinlich groß und nah. In so schreienden, übernatürlich hellen Forben, daß die ge- blendeten Augen für einen Augenblick zustele«. Der jonnenüb er­strahlte See hatte sich in einen Pfuhl verwandelt, der vom Grund bis zur Oberfläche mit Tausenden und aber Taufenden Rosenblättcrn gejüllt war. Eine würgende Angst saß ihm plötzlich an der Kehle. War es soweit mit ihm? Der letzte Rest des Verstandes wollte sich aufbäumen und kämpfte mit dem Fieberwahn. Aber das kreisende Blut, das sich schon auslöste, war stärker. Es riß ihn taumelnd fort und versengte jeden klaren Gedanken, der auskeimen wollte. Das B'ld blieb. Da wehrte er sich nicht mehr dagegen»nd nahm es für Wahrheis. Ein zittriges Lächeln verzerrte die trockenen ge- borstenen Lippen, auf denen einzelne Blutstropfen klebten. Eine brausende Seligkeit brach über ihn herein, seine höchste Sehnsucht war erfüllt, lind plötzlich fühlte er körperlich, wie schwere, sarbiae Dusiwolken aus ihn ausströmten und ihn emportrugen. Er sog sie gierig«in und wollte eins mit ihnen werden. Schritt für Schritt begann er die Beine vorwärts zu setzen. Es mar ihm, als ob er es nicht selber tat, sondern irgendeine fremde Macht. Das Gehen siel ihm mit einem Male gar nicht mehr schwer. Mit vorgestreckten Armen näherte er sich immer mehr dem duftenden Blütenpfuhl, bis er schließlich sein User erreichte. Er setzte ein Bein in das Waffer. Die Flut durchströmte ihn mit wundervoller Kühle. Der Rausch stieg ausz höchste bei dieser Berührung. Er wollte den ganzen Körper, der sich im Brand verzehrte, in der köstlichen Er-' quickung baden und schob sich weiter in das Naß. Die Feuchtigkeit stieg bis M den Knien, zum Leib, zur Brust. Hemmungslos wollte er alles auskosten bis zum Grunde, bis zum Ersticken. Er schritt immer weiter. Das Wasser reichte zum Hals, stieg an das Kinn. Plötzlich durchschauerte ihn ein furchtbarer Frost und machte ihn starr. Mit einem Schlage erwachte die klare Per- nunft. Boll grausigem Schrecken sah er die Gefahr, in der er schwebte. Er wollte umkehren, wollte schreien, das hervorstürzende Blut machte ihn stumm. Der Boden entschwand wie ein Fahrstuhl unter seinen Füßen. Mit einem leichten Klatschen schlug das schlammige Wasser über ihm zusammen. Die Sonne war versunken und die Flut lag trübe und schmutzig in der fröstclnden Dämmerung.

# #

Sfcltof Scherrel: SfrUS CWeV'b

Ein guter Europäer kennt Mexiko als dos Land der Bananen, der Ananas und der Oelquellen, er weiß vielleicht aus feiner Bnes- Markensammlung, daß das Wappen einen Adler zeigt, der eine Schlange in den Krallen hält. Er wird woist auch gehört haben, daß das Land zum Streitobjekt bedeutender amerikanischer Oel- magnate� geworden ist und daß die. Vereinigten.-Staaten.Kriegs- schiffe noch Veracruz schicken, wenn eine Revolution ausbricht und-- dadurch die Interessen amerikanischer Bürger, die in Mexiko leben, bedroht erscheinen. Das alles kennt der europäische Leser au» seinen Zeitungen oder aus mehr oder minder gehaltvollen Essays in Zeitschriften. Dielleicht betrachtet er Mexiko , wenn er dafür überhaupt�Interesse oufbringi, als ein Land, das nur darauf wartet, der europäischen Zivilisation unterworsen zu werden. Daß aber dort eine starke Cigenkultur in der Entwicklung begriffen ist, daß dort seit l91l> ein Proletariat um seine Existenzberechtigung kämpft, entzieht sich seiner Kenntnis. Der Kamps des Pro'clariats, möge dieses roter oder weißer Hautfarbe sein, um bessere Lebensbc- dingungen, steht jedoch heute im Mittelpunkt des inneren mexi- konischen Lebens, und es ist dos Verdienst des Schriftstellers Traven , daß er diese Fragen in den Mittelpunkt seiner Werke gestellt hat. Wer ist dieser Traven? Man kennt ihn nicht Vielleicht lebt er im mexikanischen Busch, vielleicht ist er angesehener Bürger in einer der Großstädte. Jedenfalls beherrscht er virtuos die deiiische Sprache. Vor ein paar Jahren schickte er das Manuskript eines Romans an denVorwärts". Der Roma» erschien und nach ihm noch mehrere andere, die später als Bücher in der Büchergilde Gutenberg ihre Auslogen erlebten, doch die Anonymität des Schrift- stellers ist deshalb nicht gelichtet worden, und vielleicht ist das gut. Denn es fehlt der Rymbus der Persönlichkeit, und das Werk, das bisher vorliegt, spricht sur sich allein. Vor einiger Zeit verössentlichte der bekannte amerikanische Schriftsteller Joseph Hergesheimer einen RomanTampico ", in dem er die Auseinandersetzungen und Intrigen zweier großer Oel- konzerne um mexikanisch« Petroleumquellen gestaltet. Der Roman trägt völlig realistischen Charakter, aber er bleibt im Grunde doch ein Epos auf die Kraft ungezügelter Herrennaturen. Es geht Hergesheimer wenig an, wie diejenigen, die für Wallstreet die Ver- mögen erarbeiten, leben, wie sie von einem rücksichtslosen Kapita- lismus ausgebeutet werden. Sie sind nichts weiter als williger Kulturdünger, der es wenigen Auserwählten gestattet, ein luxuriöses und verschwenderisches Leben zu führen. Mexiko wird hier gesehen mit den Augen der erobernden Trustmagnaten. New Jork ist die Hauptsache und nicht Mexiko -City. In Traven?Der Schatz der Sierra Madre" und in denBaum- wollpslückern" wird diese strahlende Welt, die durch Hergesheimer bekannt geworden ist, aus einer anderen Perspektive betrachtet. nämlich aus der des Arbeiters, der an dem Glanz nicht teilnehmen darf und kann. Traven zeigt ein Proletariat von einer Gedrückt- heit»nd Verwahrlosung, die jede Moral im Keime erstickt. Für einen Weißen ist es leichter, seine Interessen durchzusetzen als für «inen Indianer, der die spanische Landessprache nicht einmal de- herrscht und wieviel weniger noch das Englische. Ausbeutungs- objekte eines Machtwillens, der in Europa und in den Bereinigten Staate» wenigstens äußerlich in Zügel gehalten wird, während'er sich in Landstrichen, die weit ab von Eisenbahn - oder Autostraßen liegen, hemmungslos austoben darf. Man trauert augenblicklich in den wohlhabenden mexikanischen Gesellschaftskreisen über das Ende der wirtschaftlichen und politi- schen Diktatur eines DIaz. der es gestattete, daß das Proletariat von fremden und inländischen Vampiren bis zum Weißbluten aus- gesogen wurde. In dem BuchLand dep Frühlings" legt Traven einen Querschnitt durch dieses verlorene Paradies und deckt schonungslos die erbärmlichen Interessen der Großindustriellen und Großgrundbesitzer auf, die nichts anderes kannten, als auf Kosten der Arbeiter ein sorgenloses Leben zu führen. Ungeheurer lieber- fluß der Nawr, ein phantastischer Reichtum des Landes auf einer

Seite und trostloses Vegetieren aus der anderen sind die beiden Pole, um die heute noch dos mexikanische Leben kreist. Eine ja- zialistisch orientierte Zentrolregierung versucht ihr bestes, um den Uebeln abzuhelfen, aber wer kann in das Innere eines unweg- samen Landes dringen, wer kann hier schnell Abhilfe schassen? Nur ein« langsam« Entwicklung ist imstande, bessernd zu wirken. Verwanzt«!-Häuser, �niedrige Löhne-and' längste Arbeitszeit können sie irgendwie moralisch wirken? Wenn ein Dobbs imSchatz der Sierra Madre" ijberhaupt keine moralischen Hemmungen kenn!, ein Mann, der sein Leben lang Ausbeutungsobjekt oder in besseren Stunden Schnorrer war, wenn dieser Mensch ohne jede-moralische Rücksicht seinen Freund abschlachtet, kann man cs ihm verübeln? Nicht er ist schuld, sondern ein sinnloses Wirtschafts- system, das auf keine menschlichen Wünsche Rücksicht nimmt! Dies ist das Leitmotiv,- das alle Werke Travens durchzieht. Eine hohe Kultur, ein starker.' ethischer Wille sind durch europäische Aus- beutungsmethodcn sehlgereitet worden. Ein gutes, sleißiges und treues Volk wartet auf seine Erlösung. Das Gesicht dieser Indianer, Ütachkoinmen der Azteken und der Maya-Völker, zeichnet Traven idyllisch verbrämt in seinci: NovellenDie Brücke im Dschungel" undIm Busch". Es ist ein kindhaftes Volk, aber liebenswert und von hoher Intelligenz. Es versteht nicht den Unsinn der europäischen Kultur, weil es das Ver­mächtnis seiner Ahnen lebendig im Herzen trögt: Man lebt nicht für den Individualismus, sondern für die Gemeinschaft. Mag Traven gewesen sein, was er will, er fühlt Mitempsinden für diese Entrechtete» und er sieht ihre Lebenshaltung als die richtige an und nicht die kühnen gedanklichen, wirtschaftlichen und politischen Konstruktionen des amerikanisch-europäischen Kulturkreises. Und dies ist das Große an Traven : alle diese Erkenntnisse werden nicht doktrinär, mit erhobenen Zeigefingern vorgetragen, sondern sie werden lebendig, von innen heraus gestaltet. Traven reflektiert nicht, er gestaltet, er bildet, er dichtet der Wirklichkeit nach. Allein die Tatsachen sprechen, Tatsachen, die für euro- päischc Begriffe von phantastisch abenteuerlichem Aussehen sind. Aber es handelt sich dabei gar nicht um eine Abenteurerdichtung, möge sie romantisch verklärt oder völlig sachlich gesehen sein, es ist die Wirklichkeit, es sind eigene Erlebnisse, die sich hier zu Ro- manen von ganz großem Format formen. Sind diese Bücher Romane, Selbstbekenntnisse oder Abhond- langen? Althergebrachte Kategorien werden hinfällig, wenn ein Mensch den Willen und die Fähigkeit hat, innere Visionen mit der Wahrheit de» Lebens derartig zu verschmelzen, daß man die Schranken von Wahrheit und Dichtung nicht mehr erkennt. Alma Schön sagt in WedekindsErdgeist" ungefähr, würde ein Dichter sich vermessen, das Leben in feiner wirren Phonfcstif wahrheits­getreu zu gestalten, dann hieße man ihn einen Lügner. Traven hat diesen Mut gehabt: er zeigt, daß da» Leben abenteuerlicher spielt als die Phantasie eines Earl May oder Zane Grey . Der moderne Abenteurer-Roman sucht die Wirklichkeit, sei es in den Salons Europas oder in den Dschungeln Indiens und Mexi- kos. Cr streift nicht nur allein in phantastischen welkenlolen Höhen, er bleibt aus der Erde. Und in dem Reigen moderner Abenteurer- dichter ist Traven , der Abentcurer. der radikale Sozialist, der Dichter, der Gesellschastskritiker einer der größten, denn er bleibt nicht nur bei der Beschreibung, er weiß den Stoff so zu akzen- tuieren, daß ohne Absicht einJ'aecuse" herausschmettert. Traven schreibt in deutscher Sprache und sicher ist er ein Deutscher, der aus irgendeinem Grunde ausgewandert sein mag, und es ist schade, daß er heute den breiten Massen des deutschen Volkes noch. nicht bekannt ist. denn hier spricht ein großer Künstier, ein großer Mohr- heitssaimtiker und ein großer Mensch.

Tin Iheatqr für 40 000 Zuschauer. In Atlantic City wird da größte Theater der Weit gebaut, ein Theater mit' 40 900 Zuschauer Plätzen.' Die Bühne kann 1500 Mitwirkende fassen. Die Baiikaster sind auf 17 Millionen Mark veranschlagt.