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Nr. 288

46. Jahrgang

Technik

Sonnabend 22. Juni 1929

Hausfrau und Gasausstellung

Die Gas- und Wasserausstellung hat auch der Hausfrau eine Fülle interessanter Anregungen und Einblicke gebracht. Sie hat ihr das Ziel gezeigt, das für den Haushalt erreicht werden muß: Die rationell geführte und bewirtschaftete Küche, in der eine große Anzahl von Erleichterungen vorhanden sind, Maschinen und Ein­richtungen aller Art, die geeignet sind, eine Menge Arbeit und Zeit zu sparen.

Krankenhausküche.

Da ist& B. eine wundervolle Mustertüche auf der Aus­ftellung vorhanden, die täglich von Hausfrauen belagert ist: Ein herrlicher großer Küchenschrank, der außerordentlich praktisch bei der Anschaffung und beim Transport ist, weil er in einzelnen Teilen erworben und befördert werden fann. Seine Linien sind glatt und cinfach, so daß es nirgends Staubfänger gibt, die seine Reinigung erschweren, und die einzelnen Fächer gestatten eine gute Uebersicht über den Inhalt. Da ist ferner ein hübscher weißer Küchentisch mit Arbeitsplatte, ein Abwaschtisch, an dem man bequem die Arbeit im Sitzen verrichten kann, und endlich ein famoser Drehstuhl, der das Auf- und Herunterschrauben in jeder gewünschten Höhe gestattet. Und da sieht man Gasherde in allen Formen und Größen, Sparfochherde für Kohle und Gas, Gasherde mit Radiatoren, mit offenen und geschlossenen Wärme­nischen, Gaskocher für männliche und weibliche Junggesellen und endlich Herde für den Haushalt einer größeren Familie, auf denen man fochen, wärmen, braten, rösten, fterilisieren, grillen, backen, tochen und heizen fann. Hübsche Gastocherbadformen find zu sehen, die einfach auf die Kocherflamme gelegt werden und in­folge ihrer Billigkeit eine Backform kostet etwa ein Rehntel eines Bad- oder Bratofens häufig Verwendung finden. Beachtung finden auch die Gasbügeleisen, die entweder einfach auf eine Gas­flamme gesetzt, erhift und gebrauchsfertig weggenommen werden, oder mit einem Gummischlauch mit der Gasleitung verbunden werden und vom hinzuftrömenden Gas während der Arbeit er­wärmt werden. Biel   besichtigt wird der interessante geschichtliche Ueberblick über die Entwicklung der Badeeinrichtungen seit Jahrtausenden bis heute. Er bietet, in mehreren Räumen über­sichtlich angeordnet, viel Lehrreiches und Wissenwertes, so z. B. einen Einblick in die Badegelegenheiten des Alterstums und des Mittel­alters. Schön und zweckmäßig eingerichtete Badezimmer der Neu­zeit schließen die interessante Schau ab.

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Manche Hausfrau holt auch auf der Gasausstellung eine fleine Berfäumnis nach, die sie daheim so manches Mal, wenn der Gas­mann dagewesen war und sie nicht die Fähigkeit besaß, leine 2n­gaben nachzuprüfen, bedauerte. Sie lernt das Ablesen der Gasuhr. Es ist eigentlich sehr einfach, denn man muß nur wissen, was die drei Zifferblätter, die sich hinter dem Glasfenster befinden, ansagen. Auch die praktischen Ratschläge, die in Form von großen Blafaten in der Ausstellung angeschlagen sind und als Merkzettel verteilt werden, finden große Beachtung. Sie behandeln alles, was Unfälle im Haushalt, die durch falsche Ver­mendung des Gafes hervorgerufen werden können, angeht. Sehr beachtenswert ist die Uebersicht über alles, was man mit einem Kubikmeter( m), also mit 1000 Liter Gas alles anfangen fann. Ein Kubikmeter Gas genügt, um damit einen Wohnraum von 30 Qua­dratmeter Grundfläche acht Stunden lang zu beleuchten oder um drei bis vier normale Mittagessen in einem vier- bis fünfköpfigen Haushalt damit zu bereiten. Im gasbeheizten Backofen lassen sich mit 1 Rubikmeter Gas 150 Stück Pfannkuchen oder 12 Napftuchen in Badformen oder drei Blechkuchen in der Größe von 30 bis 50 Zentimeter herstellen. Mit 1 Rubikmeter Gas fann man einen ganzen Monat lang täglich vier Tassen Kaffee zubereiten, man fann die 14tägige Wäsche eines dreiföpfigen Haushalts damit im Gas= automaten oder in der Gasmaschine waschen.

Soweit wäre alles für die Hausfrau sehr schön und teilweise auch empfehlenswert, aber nun fommt die Hauptfache. Was tosten alle diese Herrlichkeiten und mer ist in der Lage, sie sich kaufen zu fönnen? Der wundervolle Küchenschrank, an dem sicherlich jede Hausfrau ihre Freude haben kannn, tostet etwa 600 Mt., der Ab. waschtisch etwa 100, ein Gasbadeofen gegen 150, ein Gasbacherd etwa 75, der drehbare Küchenstuhl 35 Mt. Daß also auf den gas­beheizten Backofen heute feine Hausfrau mehr verzichten mag",

wie so schön in einem der verteilten Merkzettel und Propaganda­schriften zu lesen ist, darf deshalb wohl als reichlich optimistisch be­zeichnet werden, denn weitaus die überwiegende Anzahl von Haus­frauen muß einfach auf diese und ähnliche Einrichtungen ver­zichten, ob sie mill oder nicht. Kein Zweifel, daß einige der ge­zeigten Waschmaschinen für die Hausfrau eine große Arbeits: erleichterung bedeuten, daß sie Kraft und Zeit sparen. Aber, wer besitzt die Möglichkeit, einige Hundert Mark dafür ausgeben zu fönnen? Nur Betriebe, Hotels u. dgl. werden dazu in der Lage sein. Und genau so ist es mit den gas beheizten Kühl= schränken, die man mit 1 Kubikmeter Gas einen ganzen Tag lang auf 2 bis 4 Grad Celsius halten kann. Sicherlich befizen sie ihre Vorzüge, aber solange die Anschaffungskosten noch so hoch sind, merden die meisten Haushalte auf diese Kühlschränke leider ver­zichten müssen.

Es ist deshalb verständlich, daß manche Hausfrau nach dem Besuche der Ausstellung niedergeschlagen die Hallen verläßt und den Borsah ausspricht, sich in Zukunft überhaupt nichts mehr anzu­sehen", denn ,, man sieht bloß, was einem alles fehlt, und man fühlt die eigene Armut noch härter als sonst. Besser, man sieht und hört nichts von den Erleichterungen, die es heute schon auf dem Gebiet des Haushaltes gibt". Und doch ist dieser Standpunkt, so verständ­lich er an sich ist, nicht richtig. Denn damit entsagt die proletarische Frau von vornherein auf jeden Anspruch, auf jede Erleichterung im Haushalt, deren doch gerade sie am allermeisten bedarf. Eine Besichtigung dieser Art ist viel­mehr eine Kenntnisnahme des Ziels, das noch erreicht werden muß. Das Ziel muß für die Frau der rationell geführte, mit hygienischen Einrichtungen aller Art versehene, mit praktischen Geräten aus­gestattete Haushalt sein. Der Weg aber ist der Zusammenschluß der Hausfrauen in Organisationen, die ihre Rechte vertreten, die cine bessere Lebenshaltung erstreben und die eine Herabsehung der Preise, eine Angleichung des Verbraucher an den Erzeugerpreis fordern. Die Sozialdemokratie hat seit ihem Bestehen für die Rechte der Frau gefämpft, fie ist für die Befreiung der Frau von allen überlieferten Fesseln mit einem Nachdruck und Erfolg eingetreten, daß sie den Namen einer Partei der Frau" in vollent Maße beansprachen darf. Auch die Arbeit der Hausfrau, die, volkswirtschaftlich gesehen, so außerordentlich wichtig ist, findet innerhalb der Partei volle Bewertung. Eine einzelne Hausfrau aber ist heute machtlos. Damit, daß fie ihr Los beklagt, nüßt sie weder sich noch anderen. Nur Durch tatkräftige Unterstützung der Partei und der Gewerkschaften

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durch Tausende und aber Tausende von Frauen kann das Ziel erreicht werden, auf das jeder Proletarier Anspruch erheben darf: Nuzz­nießung an den Gütern der Technik, an deren Eezeugung er selbst mitarbeitet. Nur wenn die Partei und die Gewerkschaften durch die Unterſtühing ungezählter Frauen die Macht und die Mittel dazu befigt, ist es ihr möglich, dieses Ziel zu erreichen. Dr. E. M.

Wäschereimmaschinen.

Zur Entwicklung der Luftfahrt

fert und sein Begleiter, wurden schwer verbrannt unter den Trümmern aufgefunden.

Heute ist das Tempelhofer Feld wieder einmal der Schauplak| bahn auf einem Zimmerplay nieder. Die beiden Insassen, Wöl­einer luftsportlichen Veranstaltung, die viele Tausende von Ber­linern anziehen wird, wie schon so oft in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Als noch niemand daran dachte, daß dieser wohlbekannte Trup­penübungsplatz einst einer der modernsten Flughäfen der Welt werden würde, ließen mutige Pioniere des Luftsports hier ihre Apparate fliegen. Kein Geringerer als, Arnold Bödlin, der befannte Maler, war der erste, der in den 90er Jahren auf dem Tempelhofer   Felde Flugzeugmodelle versuchte. Im August des Jahres 1883 stieg sein Modell eines Doppeldeders auf, dem in den beiden nächsten Jahren noch zwei ähnliche Modelle folg­ten. Im Jahre 1886 wurde in Berlin   die Deutsche   Militär­luftschifferabteilung gegründet, die aber ihren Flugplatz später in Tegel   erhielt. Daher fand auch die Mehrzahl der luft­fahrtechnischen Veranstaltungen der Vergangenheit nicht auf dem Tempelhofer   Felde statt.

Zwölf Jahre nach dem legten Modellversuch Böcklins, im Jahre 1897, war das Tempelhofer Feld zweimal der Schauplak von Luft­fahrtkatastrophen. Der ersten fiel der Leipziger   Buchhändler Her­mann Wölfert, der 1887 einen Lenkballon von 34 Meter Länge und 10 Meter im Durchschnitt erbaut hatte, zum Opfer. Das mit einem Elektromotor von 7 bis 12 PS ausgestattete Luftschiff hatte auf der Berliner   Gewerbeausstellung des Jahres 1896 am Lehrter Bahnhof   berechtigtes Aufsehen erregt. Dort hatte es auch zwei ge­glückte Probefahrten gemacht. Am 12. Juni 1897 startete das Luft­schiff auf dem Tempelhofer Feld zu einer größeren Fahrt. Schon beim Anlassen des Motors wurden Flammen bemerkt. Nach einer Fahrt von fünf Minuten, die gut gegen den Wind von­ftatten ging, fahen die vielen hundert Zuschauer eine gewaltige Stichflamme. Der Ballon wurde im Augenblick zerstört. Vom Wind getrieben, fielen die bremmenden Ueberreste südlich der Ring­

Milchküche( Säuglingsheim). ( Zam Artikel Hausfrau und Gasausstellung")

Wenige Monate später ereignete sich der zweite Unfall. Dem Ungarn   David Schwarz  , der sich schon als Holzhändler in seiner Heimat mit dem Luftschiffproblem beschäftigt und sich zunächst nach Desterreich, dann nach Rußland   gewandt hatte, waren zwei ein­wandfreie Probefahrten mit seinem ersten Luftschiff gelungen. In­folge von Intrigen war er aus Rußland   vor der Uebernahme des Luftschiffes durch die russische   Regierung entilohen. Er fam nach Deutschland  , wo er bei den Militärluftschiffern und dem Kriegsmini­sterium Unterstützung für seine Pläne fand. Im Jahre 1895 be­gann er, unterstützt durch den Fabrikanten Karl Berg  , mit dem Bau eines Aluminiumluftschiffs, das 32 Meter lang war, einen Durchmesser von 12 Meter und als Antrieb einen Daimler- Motor von 12/16 PS hatte. Schwarz war im Januar 1897 in Wien   ge­storben. Sein Luftschiff wurde von den Mannschaften der Luft­schifferabteilung am 3. November 1897 auf dem Tempelhofer Feld zum Aufstieg gebracht. Das Wetter war nicht gerade günstig, denn es wehte ein verhältnismäßig starter Ostwind. Zunächst ging der Start ohne Schwierigkeiten vor sich. Der Motor lief gut an. Dann wurde das Luftschiff von den Haltemannschaften losgelassen. Da sette plötzlich die Maschine aus und der Wind ergriff die Breit­seite des Luftschiffs. Für Sekunden vermochte der Führer den Mo­tor wieder in Gang zu bringen und unter, dem Einfluß der Luft­Die Zuschauer schrauben kehrte es die Spitze gegen den Wind. glaubten nun, daß es nunmehr Richtung halten könnte, aber durch den starken Wind zurückgetrieben werden müsse. Indessen versagte in diesem Augenblick die Maschine abermals, angeblich weil ein Treibriemen, der die Propeller bewegte, von der Welle abgerutscht war. Schnell verschwand das steuerlos im Winde treibende Lust­schiff mun in den tief liegenden Wolken. Nach 6 Minuten fiel es hinter den Häusern Schönebergs zur Erde und wurde zertrümmert. Der Führer fiel der Katastrophe zum Opfer.

Inzwischen hatten die Segelflugversuche Otto Lilienthals die Aufmerksamkeit von Gasballon und Luftschiffproblem auf das Flugzeug gelenkt. Der erste, der eine Flugmaschine mit motorischem Antrieb in Berlin   zeigte, war der Franzose Armand 3ipfel. Er flog am 28. Januar 1909 auf dem Tempelhofer Feld, wenige Monate vor Orville Wright  , der auf seinen weiten Propaganda­flügen in aller Herren Länder auch in Deutschland   seine Künste zeigte und in Berlin   auf dem Tempelhofer Feld am 4. September aufstieg, wenige Wochen nachdem Graf 3eppelin zum ersten= mal die Reichshauptstadt mit seinem Luftschiff besucht hatte und viele Berliner   bitter enttäuschte. Denn der Zeppelin, der am 27. August in Berlin   erwartet wurde, tauchte erst am folgenden Tage im Westen der Stadt auf, landete aber nicht, wie geplant, auf dem Tempelhofer Feld, sondern wandte sich nach einer Schleife dem Tegeler Militärflugplatz zu.

Seit dem Besuch des ersten Zeppelinluftschiffs und den Schau­stellungen der ersten Flugmaschinen ist die Reihe der Luftfahrtver­anstaltungen auf dem Tempelhofer Feld recht stattlich geworden. Heute ist das Tempelhofer Feld ein moderner Flughafen. Das Starten und Landen von Flugzeugen ist eine alltägliche Angelegen heit geworden. Nur an besonderen Festtagen strömen die Berliner  hinaus zum Tempelhofer Feld, genau so wie früher, als man die Versuche mit Flugmaschinen und Luftschiffen noch als eine brot lofe Runft betrachtete. Gilbert W. Feldhaus.