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Das Register

Roman

der

an von C. Ramuz

Copyright by Orell Füßli. Zürich

( 10. Fortsetzung.) Seine Zunge versagte den Dienst. Was er zu reden begann, hatte keinen Sinn.

Denn alles war sonntäglich still in der Werkstatt. Da war ein Mensch im Begriff, seinen Bechdraht zu wichsen. Er wendet uns sein Geficht entgegen, das ist heiter, und Augen eines Menschen,- er denkt nur an seine Arbeit. Man klopft an sein Fenster, er legt jeinen Hammer weg, legt sein Leder auf einen Stuhl nieder: ist dies das Gehaben von Leuten, die sich einen Vorwurf zu machen haben? Branchu jagt zu Joseph: Seid so gut und tretet ein." Und dann, wie er Communier und die anderen bemerkt: Und diese Herren auch, wenn sie mir das Bergnügen machen wollen Bielleicht glaubte er, es handle sich um eine Bestellung.

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Joseph war wie gefesselt. Er antwortete nichts. Er begnügte sich, den Kopf zu schütteln. Und er kehrte um, die anderen mit ihm. Sie schritten den Weg zurück. Da waren wieder die kleinen Gehege der Gärten.

Und während sie sich entfernten, neigte sich Branchu zu feinem Fenster hinaus, und auch er erweckte den Anschein, als hätte er nicht gut gehört, und auch er machte den Eindrud, als jagte er sich, man habe sich ohne Zweifel in der Adresse getäuscht.

Es ging gegen vier Uhr. Ein rosiger Hauch schwebte in der Luft, trotzdem die große Wolfe die Sonne nicht verlassen hatte. Wie die Sonne weiter glitt, begleitet sie die mächtige Wolke und bedeckte sie wie ein Augenlid. Aber die Strahlen, die darunter hervorquollen, warfen sich weit unten am Berge gegen geballten Nebel; daraus ergoß sich überall hin diese Färbung. Der große steinerne Kirchturm versant tief in dem rosigen Schein.

Dahinter erblickte man einen schwarzen Abhang, deffen spizer Gipfel, ins Leere gerichtet, um ein Bedeutendes die umgebende Landschaft überragte. Zu oberst erblickte man ein Kreuz: es war der Ralvarienberg. Auf den fleinen Wegen, die in Schlangenwindungen zu ihm emporstiegen, fonnte man sich mit Leichtigkeit die Menge der Soldaten vorstellen: jetzt werden die Neugierigen tommen, und jetzt die heiligen Frauen. Aber es schien nicht, als befände sich der, dessen Name man errät, unter uns, Chote mochte es lange behaupten.

Berlaffene Herzen sind wir. Kein Dasein Gottes gibt es für uns.

Nichts gibt es für uns auf der Welt wie diese Gärung im Dorfe. Nichts als diese brennende Lampe in Josephs Haus. Nichts als diese Heloise , die immer noch im Fieber liegt und fortwährend lacht. Und nichts als diesen Joseph, den einsam in seiner Küche von neuem die Last des Schmerzes niederdrückt.

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Ein zweites Mal hatte er seine Frage an ihn gerichtet. Der andere gab noch immer keine Antwort. Er mußte einen neuen Versuch machen. Aber wir ihm dann endlich die Worte famen, traten sie ihm alle auf einmal über die Lippen: Sie müssen mich schon entschuldigen, Herr Pfarrer. Aber man hat Sie so nötig, so nötig, Herr Pfarrer. Man versteht nicht mehr, was geschieht.. Ganz gewiß, es hat Unheil gegeben. Aber Unglück gab es von jeher. Das ist es nicht. Wie soll ich mich bloß ausdrücken? Es ist etwas wie eine geheime Einwirtung, die auf uns drückt... Etwas wie ein Fieber, das bewirkt, daß die Guten schlecht und die Schlech ten noch schlimmer werden. Und sehen Sie nun: unsere große Sennhütte Entraignes ist weggefegt, Effertes durch Feuer zerstört. Männer sterben, Frauen, Kinder, wie sie nie gestorben sind. Alle Arten von Krankheiten, die man nicht begreift, fommen an uns her­an.. Wovor man aber besonders Furcht hat, das ist die Zu funft. Denn dies alles ist noch nicht zu Ende, zweifellos. Man weiß nicht... Das geht nicht mit rechten Dingen zu

Und indem er nicht wagte, im weiteren ausführlicher zu wer ben: Da hat man sich denn gefragt, Herr Pfarrer, ob Sie uns nicht vielleicht zu Hilfe fämen, weil..."

Er hielt inne. Darüber wundere ich mich gar nicht," schrie der Pfarrer.

Und er tat einen Fauftschlag auf den Tisch. Sein Gesicht war nicht mehr rot, es war violett.

,, Diese Toten, diese Trauer, diese Krankheiten! Mögen die Häuser verbrennen, die Tiere zugrunde gehen, habt ihr nicht alles verdient? Möchte ich meinen! Ich rate euch einmal, euch selber anzuflagen.( Er tat einen zweiten Fauftschlag auf den Tisch.) Habe ich es nicht vorausgefagt? Diebe, wie ihr seid, Lügner, Büstlinge. Das Erstaunliche dabei: daß die Strafe nicht noch furchtbarer ist. Das Erstaunliche dabei: daß die Strafe nicht noch furchtbarer ist. Unser guter Herrgott muß geduldig sein: geduldiger als ich. Und trifft euch ein Unglück, so stellt ihr euch, ihr wüßtet nicht warum..." Er atmete heftig, verhielt sich die Nase: Ich sage euch, euer Geruch ist nicht gut. Ihr riecht nach Leichnamen. Und verstehen Sie mich wohl: es gibt nur ein Mittel: sich bessern... Die Lügner müssen aufhören mit Lügen, die Gotteslästerer mit Lästern. Es ist gonz einfach, wie Sie sehen."

Und mit einem Ausbruch des Lachens: So etwas wollen: daß die Flüsse rückwärts fließen, und daß im Sommer Schnee falle. Donner noch einmal..

spät des Respettes, ben er seinem Kleide schuldig war: er beruhigte Er brach mitten im Fluche ab; er erinnerte sich ein wenig zu sich nachträglich, fuhr mit der Hand über die Stirn, schien in Ver. elegenheit. Der Ammann hatte sich auf seinem Stuhl taum bewegt. Und dann herrschte augenblickliches Schweigen; indessen erhob Und die Frauen sagen irgend etwas. Man hat nicht mehr daran ergriff es: Schauen Sie einmal das an, Herr Annmann, das ist sich der Pfarrer. Er trat zu seinem Jagdgewehr in der Ede und

Er pernimmt dies Lachen, das wieder und wieder tommt.

gedacht, das Feuer zu unterhalten: es ist erloschen.

Während einer Weile hat er sich tapfer gehalten. Dann aber fpürte er in den Winkeln seiner Augenlider ein Prideln, und zwei große Seufzer entrangen sich ihm.

Und dann tamen endlich die Tränen, verschwiegende, stille Mannestränen, die feiner wegzuwischen gedenkt, so daß sie über die ganze Länge des Gesichts hinunterströmen und, eine nach der anderen, auf die Kleider niederfallen.

Biertes Kapitel.

Der Ammann, der ein bedächtiger und auf seine Ruhe erpichter Mann war, mußte zu diesem Gang gezwungen werden, und er wurde auch dazu gezwungen. Denn es fam nun wirklich immer schlimmer und schlimmer. Die schönste Sennhütte des Dorfes ris eine Lamine in die Tiefe: das Gehöft Essertes brannte in einer Nacht bis auf die Grundmauern nieder.

Er sah ein, daß sich alle verwunderten, weil er in dieser Not gar nichts unternahm; der eine und andere sagt zu ihm:" So geht's nicht weiter, Herr Ammann, Ihr müßt einen Entschluß faffen," und nachdem er geraume Zeit überlegt hatte, ging er endlich zum Herrn Pfarrer.

Das Pfarrhaus war ein großer, grauer Bau mit drei Stod­merten; es stand dicht zu Seiten der Kirche. Eine hohe Granite treppe mit Doppelgeländer sprang aus der Mitte der nadten Fassade Dor. Und da geschah es wie der Ammann am Fuße der Treppe angelangt war, daß ihn etwas überraschte, was er am wenigsten erwartet hatte. Die Tür ging auf und Brandhu erschien, ein großes Bündel unter dem Arm.

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Der Ammann stand still, wie vor den Kopf geschlagen. Branchu hingegen schien feineswegs verlegen. Eine schöne Zu friedenheit blieb über sein Geficht ausgegoffen, er lachte, fortgefeßt, er zog vor dem Ammann tief den Hut. Und es schien sogar beinahe, er wolle ihn ansprechen, geschwäßig wie er mar.

Aber der andere wandte den Kopf weg.

Und Branchu schritt vorüber, und der Ammann stieg empor. Es mußte ja sein. Eine breite, gewölbte Treppe führte ihn in den ersten Stod. Langsam, Stufe um Stufe, stieg der Ammann empor. Und während des Aufstieges versuchte er, ein wenig Ordnung in feine Gedanken zu bringen. Aber es gelang ihm schlecht. Uebrigens war dazu nicht mehr Zeit...

Der Pfarrer hieß ihn Blah nehmen, sonst wäre er zur Erde ge­fallen. War die fürchterliche Hize schuld oder dieser dicke Rauch? Eben hatte er noch Zeit, zu bemerken, wie auf dem Tische in lin­ordnung zwei leere Gläser und eine Flasche standen. Dann ver­schlang ein Rebel alles vor seinen Augen.

Nichts weniger als diese fräftige Stimme war nötig, um ihn mieber sich selber zurückzugeben.

Nun denn, Herr Ammann, was macht mir das Bergnügen Ihres Besuches?" Er hatte die Augen wieder ausgeschlagen. Weber Flasche noch Gläser waren mehr zu sehen; nur der Pfarrer stand aufrecht vor thm. Es gibt, wie man meiß, Pfarrer aller Arten: dieser war von ber ganz großen Gorte. Er liebte vor allem das Essen und Trinken; und seine Reigung für Beine und Fleisch war größer als für Messen und Gebete. Er war groß, vieredig in den Schultern und hatte einen gewaltigen roten Raden. Er betrachtete diesen armen Ammann; man spürte, daß er ungeduldig wurde.

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eine schöne Waffe... Aber richtig, Sie jagen ja nicht. Der Ammann erhob sich. Er wintte mit dem Kopf ab. " Ein Hammerleß," sagte dann der Pfarrer, fünfhundert Franken wert. Ein Gelegenheitskauf. Da fehen Sie her!"

Er wendete es in den Händen hin und her. Er hieß die Federn Spielen:

Wie ein Uhrwert... so gepflegt und sorgfältig ist diese Arbeit... Zuverlässiger als meine Pfarrkinder."

Und er lachte wieder, ein Lachen, das falsch Klang, während der Ammann ihn anstarrte; er begriff nichts mehr und trug auf feinem Herzen das Gewicht der Vorwürfe, die er persönlich nicht verdient hatte.

Er hat eine gute Regung gehabt, und das ist nun der Lohn dafür!

Und er sagte sich: Ein anderes Mal, was auch fommen mag, wird er mich nicht mehr in Verlegenheit bringen."

Aber kaum war er heimgekehrt und vor seinem Hause, ließ die größte Glocke einen langen dumpfen Schlag erschallen. So flingt es, wenn die Glocken nur mit dem Ende des Schwengels gegen den Rand hin angeschlagen werden. Man möchte sagen, die Stimme steigt so tief herauf, daß sie Mühe hat, durchzubringen. Wie ein aufquellender Seufzer ist es, dann ein zweiter und ein dritter. Und wer unterwegs ist, oder im Walde arbeitet, oder Kartoffeln austut, oder mit seiner fleinen Handsäge die Hecken stuzzt, der Hirte, der seine Geißen weidet, die Greifin, die im Feuer Reifig entzündet, alle fragen:

,, Für wen läutet man wohl?" Und sie schlagen das Kreuz.

Bang! Es gibt viel Leid bei uns Menschen. Wo man auch ist, was man auch) tun mag: immer steht man dem Tod Auge in Auge gegenüber. Er läßt nicht zu, daß man ihn vergißt. Einen einzigen Augenblick dentst du nicht an ihn, er erinnert sich deiner.

Tante ist tot, mein feiner Bruder Jean ist tot, mein Brüderchen Bang! Meine Großmutter, mein Großvater find tot, meine Bierre ist tot, meine Schwester Martine wird sterben: und auch ich, auch ich muß sterben.

Bang! Herr, unser Gott, steh uns bei in unserer Trübsal; wir sind nichts ohne dich, wir haben dich, Herr, unser Gott, furchtbar nötig in unserem Elend, erbarme dich unfer, o Gott! daniederlag. Ich habe das heilige Satrament gar nicht vorbei. Bang! Ich wußte nicht, daß jemand so frant, auf den Tod, gehen sehen. Gilt es vielleicht dem alten Borchat? Man hat ihm Blutegel auflegen müssen.

Bang! Es war ein grauer, dumpfer Tag. Sie waren hundert Männer, hundert Frauen, alle ganz schwarz, mitten im Weiß des Schnees. Boran schritten die Männer, dann folgten die Frauen, Auf der Bahre lag ein Tuch mit Silbersticereten: Totentöpfe unter gekreuzten Gebeinen. Und die Träger gingen zögernden, leiſen Schritts, um Stöße zu vermeiden. hinauf, fie gingen am Brunnen vorbei. Eisbärte hingen an den Dachrändern. Die große Linde trug feine Blätter und schien wie ein Baum aus Draht. Kein anderes Geräusch hörte man als diese

Sie schritten die Dorfstraße

grob beschlagenen Schuhe, die im Verein die eisbedeckte Straße glatt traten, und die düstern Schläge der großen Glocke, unter denen, für Augenblicke, alles erlosch.

Man bog um das Schiff der Kirche herum; das Gitter fam. Es überragt eine niedrige Mauer. An blau bemalten Holzkreuzen hangen Berlentronen mit einem gewölbten Glas, unter dem man einen Blumenstrauß sieht, oder eine Inschrift oder zwei ineinander­gelegte Hände. Man schritt den Mittelweg himunter. Jofeph ging in der ersten Reihe. Schon jeßt mußte man ihn stützen. Aber als man sich dem Grab näherte, da wurde es noch viel schlimmer: zwei Männer mußten ihn halten, jeber an einem Arm.

Bar man überhaupt in der Kirche? Er weiß nichts mehr, er jeder unter einem Arm, er wankte wie ein Baum, den man über hat teine Empfindung mehr. Zwei Männer mußten ihn ftüßen,

den Wurzeln abgesägt hat. Manchmal neigte er seitwärts, manch mal fiel er nach vorn. Aber er wurde fräftig gehalten, so daß er allem beiwohnen fonnte. Und er mußte alles mitansehen. ( Forthegung folgt.)

Rätsel- Ecke des ,, Abend".

Kreuzworträtsel.

2

b

11

12

13

16

17

18

10

15

mp.

7. Alpenfluß; 9. Haustier; 11. Flächenmaß; 12. biblischer Drt; Bagerecht: 1. gute Eigenschaft; 3. Bündnis; 5. bibl. Gestalt; 14. Schweizer Kanton; 16. Wohlgeruch; 17. Gewäffer; 18. Körperteil. -Sentrecht: 1. Monat; 2. Rörperfpiel; 3. Hoher Briefter: 4. Schwur; 6. Bersonalpronom; 8. üble Charaktereigenschaft; 10. nicht fürzung von Eduard; 15. Personalpronom. ernft zu nehmender Mensch: 11. Bertehrsmittel; 12. Badeort; 13. Abs

Scherzrätsel.

Ein Bogel, ein Meiner, frecher Dieb, Zerstört im Garten manch zarten Trieb, Stiebigt junge Schoten, zerpidt die Beeren, Sucht sich allerhand qutes zum Verzehren. Gib ihm statt des Kilo t,

Dann hast du etwas Gutes im Bortemonnaie.

ab.

Gilbenrätsel.

Aus den Silben an bar be blau bo chiem chri dah di drud dur

Königszug.

lich gut

töft- den

frieg ber

den

frie ist auf ein

gau

bringt

Io

ist schänd ein bringt es

Krie

fried lich neu gen

dar arg

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Klein und groß.

rc

mit" C" ein flassisches Heldengedicht, Mit" hast du's in deinem Gesicht.

-kr.­

( Auflösung der Rätsel nächsten Sonnabend.)

Auflösung der Räffel aus voriger Nummer. Röffelsprung. Wie heißt das schlimmste Tier mit Ramen?", fo fragt ein König einen weisen Mann. Der Beise sprach: ,, Bon wilden heißt's Tyrann und Schmeichler von den zahmen." ( Lessing.)

e e er ge ge go in ta las len lem me me mel man nel öl rag re Silbenrätfel: 1. Dali; 2. Emigranten; 3. Septuan. ren ri rin sa sta jee fee ip for fti ta ta ta tes tier tu win find 4. Ciberia: 5. fel: 6. Bernau ; 7. Elfenbein; 8. Neumond; 9. Sam­18 Börter zu bilden, deren Anfangsbuchstaben und dritte Buchun; 10: miffourt; 11. Allajd); 12. Impertinent; 13. Bülow; 14. Core­staben, beide von oben nach unten gelesen, ein 3itet non Schiller Des Lebens Rai blüht einmal und nicht wieder. lei; 15. Ueberlandzentrale; 16. Herford ; 17. Zetonie; 18. Esther. ergeben( ch)= 1 Buchstabe). Die Wörter bedeuten: 1. Männlicher 4. Farbenlichtbrud; 5. Gattung der Stachelflosser; 6. Stadt in Italien ; Borname; 2. Deftliche Ausbuchtung der Nordsee ; 3. Fanggerät; 7. Borort von Berlin ; 8. Biume; 9. Abhilfe schaffen; 10. Frühere. i; 6. Rue; 7. Tal; 8. Hue, 9. Ale: 10. b: 11. Per; 12. Tor; Buchstabenrätsel: 1. Ger ; 2. Ena; 3. Rom ; 4. Hut; deutsche Stadt; 11., Hirschart; 12. Englischer Seeheld; 13. Borjägliche 13. Met ; 14. 21m; 15. Rie, 16 Not. Gerhart Hauptmann . Serstörung; 14. Männlicher Borname; 15. Stadt in Frankreich ; 16. Farbe; 17. See in Bayern ; 18. Boltsstamm in Asien .

kr.

Examensnote: Borbei.

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Oft unerwünscht: Rat Art..

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